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DIE ERZÄHLUNGEN AUS DEN TAUSENDUNDEIN NÄCHTEN

VOLLSTÄNDIGE DEUTSCHE AUSGABE IN SECHS BANDEN

ZUM ERSTEN MAL NACH DEM ARABISCHEN URTEXT DER CALCUTTAER AUSGABE AUS DEM JAHRE 1839

UBERTRAGEN VON ENNO LITTMANN

BAND 2

IM INSEL-VERLAG


DIE GESCHICHTE VON 'ALA ED-DIN UND DER WUNDERLAMPE'

Es ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß in einer Stadt Chinas ein armer Schneiders mann lebte: der hatte einen Sohn namens 'Alâ ed-Dîn. Und dieser Knabe war von Jugend auf ein Tunichtgut und Taugenichts. Als er aber zehn Jahre alt war, wollte sein Vater ihn ein Handwerk lernen lassen; und da er arm war, so war es ihm nicht möglich, viel Geld für ihn auszugeben, um ihn in einem Handwerk oder einer Wissenschaft oder einem anderen Beruf unterrichten zu lassen. So nahm sein Vater ihn denn mit sich in seine eigene Werkstatt, um ihn selbst das Schneiderhandwerk zu lehren. Weil der Knabe jedoch nun einmal ein Tunichtgut war und immer nur die Gewohnheit hatte, mit den Knaben des Stadtviertels zu spielen, so blieb er niemals auch nur einen einzigen ganzen Tag in der Werkstatt, sondern er lauerte immer nur auf den Augenblick, in dem sein Vater ausging, um eine Besorgung zu machen oder um einen Kunden zu besuchen; dann lief er sofort weg und trieb sich draußen in den Gärten herum, zusammen mit den anderen bösen Buben, Lehrlingen von seinem



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Schlage. So trieb er es stets; er gehorchte seinen Eltern nicht und lernte auch kein Handwerk. Sein Vater grämte und betrübte sich so sehr über die Untugend seines Sohnes, daß er krank ward und starb. Der Knabe 'Alâ ed-Dîn aber blieb bei seiner Art. Wie seine Mutter nun überlegte, daß ihr Gatte dahingeschieden war, daß ihr Sohn aber ein Tunichtgut war, der zu gar nichts taugte, da verkaufte sie den Laden mit allem, was in ihm war, und begann Baumwolle zu spinnen, um durch ihrer Hände Arbeit den Lebensunterhalt für sich und ihren mißratenen Sohn 'Alâ ed-Dîn zu gewinnen. Der aber wurde, da er nun sah, daß er der Strenge seines Vaters entronnen war, in seiner Unart und Nichtsnutzigkeit noch bestärkt. Ja, er gewöhnte sich sogar daran, nur zur Essenszeit nach Hause zu kommen. Seine arme, unglückliche Mutter aber mußte ihn von dem ernähren, was sie durch Spinnen mit eigener Hand verdiente, bis er fünfzehn Jahre alt geworden war.

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß 'Alâ ed-Dîn, als er fünfzehn Jahre alt geworden war, eines Tages auf der Straße saß und mit den bösen Buben spielte; da kam plötzlich ein maurischer Derwisch und blieb stehen, um den Kindern zuzuschauen; er blickte auf 'Alâ ed-Dîn und sah seine Gestalt genauer an als seine Genossen. Dieser Derwisch stammte aus dem fernsten Westlande. und er war ein Zauberer, der durch seine Kunst einen Berg auf den andern türmen konnte und der auch in der Astrologie erfahren war. Nachdem er den 'Alâ ed-Dîn genau betrachtet hatte, sprach er bei sich selber: ,Dieser Knabe da ist der, den ich suche, ja, er ist es; um ihn aufzuspüren, habe ich meine Heimat verlassen.' Dann nahm er einen der Knaben beiseite und fragte ihn nach 'Alâ ed-Dîn, wessen Sohn er sei, und erhielt von ihm Auskunft über alles, was jenen anging. Darauf trat er an 'Alâ d-Dîn



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heran, nahm ihn beiseite und fragte ihn: ,Mein Sohn, bist du nicht der Sohn des Schneiders Soundso?' ,Jawohl, mein Herr,' erwiderte ihm der Knabe, ,aber mein Vater ist längst tot.' Wie der maurische Zauberer das hörte, warf er sich auf' Alâed-Dîn, umarmte ihn, begann ihn zu küssen und weinte, so daß die Tränen über seine Wangen strömten. Als 'Alâ ed-Dîn dies Gebaren des Mauren sah, wunderte er sich darüber, und er fragte ihn und sprach: ,Warum weinst du, mein Herre Und woher kennst du meinen Vater?' Mit trauriger, gebrochener Stimme antwortete ihm der Maure: ,Mein Sohn, wie kannst du eine solche Frage an mich richten, nachdem du mir kundgetan hast, daß dein Vater, mein Bruder, tot ist? Ja, dein Vater war mein Bruder! Ich bin jetzt aus meinem Lande hierher gekommen, und nach meinem Aufenthalt in der Fremde war ich schon froh, da ich hoffte, ihn wiederzusehen und durch ihn Trost zu finden! Du aber hast mir jetzt kundgetan, daß er tot ist. Ach, das Blut konnte es mir nicht verhehlen, daß du der Sohn meines Bruders bist; ich habe dich aus all den Knaben heraus erkannt. obwohl dein Vater, als ich mich von ihm trennte, noch nicht verheiratet war.'

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß der maurische Zauberer zu 'Alâ ed-Dîn, dem Schneiderssohne, sprach: ,Mein Sohn 'Alâ ed-Dîn, jetzt ist es mir versagt, Trost und Freude zu finden durch deinen Vater, meinen Bruder, den ich nach meinem Fernsein noch einmal vor meinen Tode zu sehen hoffte. Ach, das Schicksal der Trennung hat ihn mir geraubt; aber dem Geschicke kann niemand entgehen, und gegen das, was Allah der Erhabene beschlossen hat, gibt es kein Mittel.' Dann nahm er 'Alâ ed-Dîn bei der Hand und sprach zu ihm: ,Mein Sohn, ich habe jetzt keinen Trost mehr als dich allein; du trittst nun für deinen Vater ein, denn



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du bist nun sein Stellvertreter. Wer Nachkommen hinterläßt. der ist nicht tot, mein Sohn!' Nun legte der Zauberer seine Hand in die Tasche, holte zehn Dinare hervor und gab sie dem 'Als ed-Dîn mit den Worten: ,Mein Sohn. wo ist euer Haus, und wo ist sie, deine Mutter, die Frau meines Bruders?' 'Alâ ed-Dîn nahm ihn bei der Hand und zeigte ihm den Weg zu ihrem Hause. Da sagte der Zauberer zu ihm: ,Mein Sohn, behalte dies Geld und gib es deiner Mutter; grüße sie von mir und sage ihr, daß dein Oheim aus der Ferne wiedergekommen ist. So Gott will, komme ich am morgigen Tage zu euch, um sie selbst zu begrüßen und um das Haus zu schauen, in dem mein Bruder gewohnt hat, und auch um zu sehen, wo sein Grab ist.' Darauf küßte 'Alâ ed-Dîn die Hand des Mauren und lief in seiner Freude eilends zu seiner Mutter; er kam zu ungewohnter Zeit zu ihr, da er ja sonst immer nur zur Essenszeit bei ihr einzutreten pflegte. Fröhlich ging er zu ihr hinein und rief: ,Mutter, ich bringe dir gute Botschaft, mein Oheim ist aus der Fremde heimgekehrt und läßt dich grüßen.' ,Mein Sohn,' erwiderte sie, ,willst du mich etwa verspotten? Wer ist dein Oheim? Woher hast du einen lebendigen Oheim?' Doch 'Alâ ed-Dîn sagte darauf: ,Mutter, wie konntest du zu mir sagen, ich hätte keine Oheime und keine Verwandten, die am Leben wären, wo doch dieser Mann mein Oheim ist; er hat mich ja umarmt und hat mich geküßt mit Tränen im Auge. Und er hat mir gesagt, ich sollte dir dies mitteilen.' ,Mein Sohn,' gab sie ihm zur Antwort, ,ja, ich weiß, du hattest einen Oheim, aber der ist gestorben; und ich habe keine Kunde davon, daß du einen zweiten Oheim hättest.'

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß der maurische Zauberer am nächsten Morgen ausging und sich wieder nach 'Alâ ed-Dîn umzuschauen begann;



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denn er hatte die Absicht, sich nicht mehr von ihm zu trennen. Und während er in den Straßen der Stadt umherging, traf er auf 'Alâ ed-Dîn, der wie gewöhnlich mit den bösen Buben spielte. Nachdem er an ihn herangetreten war, ergriff er ihn bei der Hand, umarmte ihn, küßte ihn und nahm aus seinem Beutel zwei Dinare heraus, indem er sprach: ,Geh zu deiner Mutter, gib ihr diese beiden Dinare und sprich zu ihr: ,Mein Oheim möchte heute abend bei uns speisen; darum nimm diese beiden Dinare und bereite uns ein schönes Abendessen!' Vor allem aber zeige mir noch einmal den Weg zu eurem Hause!' ,Das will ich gern tun, mein Oheim', rief 'Alâ ed-Dîn, ging vor ihm her und zeigte ihm den Weg zum Hause. Dann verließ der Maure ihn und ging seines Weges. 'Alâ ed-Dîn aber ging heim und erzählte es seiner Mutter; auch gab er ihr die beiden Dinare mit den Worten: ,Mein Oheim wünscht bei uns zu Abend zu speisen.' Die Mutter des 'Alâ ed-Dîn machte sich sofort auf, ging zum Basar und kaufte alles Nötige ein. Dann kam sie wieder nach Hause und begann das Abendessen vorzubereiten; von ihren Nachbarn entlehnte sie, was sie an Schüsseln und anderem Geschirr nötig hatte, und als es Abend ward, sprach sie zu ihrem Sohne 'Alâ ed-Dîn: ,Mein Sohn, das Abendessen ist gerichtet. Vielleicht kennt dein Oheim nicht den Weg zu unserem Hause; drum geh ihm eine Strecke weit entgegen!' ,Ich höre und gehorche!' antwortete er. Doch während sie noch miteinander redeten, ward plötzlich an die Tür geklopft. 'Alâ ed-Dîn ging hin, um zu öffnen; da war es der maurische Zauberer mit einem Diener, der Wein und Früchte trug. 'Alâ ed-Dîn ließ sie ein; der Diener ging seines Weges, der Maure aber trat hinein, begrüßte die Mutter 'All ed-Dîns und begann zu weinen. Dann fragte er sie: ,Wo ist die Stätte, an der mein Bruder zu sitzen pflegte?' Da zeigte die Mutter des



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Knaben dem Fremdling die Stätte, an der ihr Gatte zu seinen Lebzeiten gesessen hatte; jener aber ging dorthin, sank auf die Kniee und küßte den Boden, indem er sprach: ,Ach, wie armselig ist mein Glück, wie traurig ist mein Geschick, seit ich dich nicht mehr habe, mein Bruder, o du Ader meines Auges!' In dieser Art und Weise jammerte und klagte er, so daß die Mutter 'Alâ ed-Dîns wirklich glauben mußte, er sei in Wahrheit ihr Schwager. Ja, er wurde sogar ohnmächtig von seinem vielen Weinen und Greinen; da trat sie zu ihm und redete mit ihm, und nachdem sie ihn vom Boden aufgerichtet hatte, sprach sie zu ihm: ,Was hilft es, wenn du dich zu Tode peinigst?'

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß die Mutter 'Alâ ed-Dîns fortfuhr, den maurischen Zauberer zu trösten: sie bat ihn, sich zu setzen, und nachdem er sich gesetzt hatte, begann er, noch ehe der Tisch aufgetragen wurde, mit ihr zu plaudern, indem er sprach: ,Frau meines Bruders, wundere dich nicht darüber, daß du mich zeit deines Lebens noch nicht gesehen und mich auch zu Lebzeiten meines entschlafenen Bruders nicht kennen gelernt hast; denn ich habe schon vor vierzig Jahren dies Land verlassen und bin der Heimat ferngeblieben. Ich bin nach Hinterindien und Vorderindien gereist, ich habe ganz Arabien durchstreift; dann zog ich nach Ägyptenland und wohnte eine lange Weile in seiner großen Hauptstadt, die zu den Weltwundern gehört; und zuletzt begab ich mich nach dem fernsten Westen, und in jenem Lande blieb ich dreißig Jahre lang. Eines Tages aber, o Frau meines Bruders, während ich so dort saß, begann ich an mein Heimatland und an meinen Bruder, der jetzt dahingeschieden ist, zu denken. Da ergriff mich übermächtige Sehnsucht danach, ihn wiederzusehen; ich begann zu weinen und darüber zu klagen,



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daß ich so fern von ihm in der Fremde war; und schließlich machte mich die Sehnsucht nach ihm so unruhig, daß ich beschloß, nach diesem Lande zu reisen, meiner Heimat, in der ich geboren bin, um meinen Bruder wiederzusehen. Denn ich sprach bei mir selber: ,Mann, wie lange bist du schon in der Fremde, fern deinem Heimatlande, und dabei hast du nur einen einzigen Bruder und sonst keine Geschwister; drum auf, reise hin, sieh ihn noch einmal, ehe du stirbst! Wer kennt die Schicksalsschläge der Zeit und die Wechselfälle der Tage? Das wäre doch ein herbes Leid, wenn ich stürbe, ehe ich meinen Bruder noch einmal sähe! Allah hat dir ja -Ihm sei Dank! — großen Reichtum verliehen, während dein Bruder vielleicht in Mangel und Armut lebt; dann könntest du ihm helfen und zugleich sein Antlitz sehen.' Da machte ich mich denn sogleich auf, rüstete mich zur Reise, sprach nach dem Freitagsgebete die erste Sure, bestieg mein Reittier und kam zu dieser Stadt nach vielen Mühsalen und Beschwerden, die ich im Schutze des Herrn, des Allmächtigen und Hocherhabenen, geduldig ertrug; und so zog ich hier ein. Während ich nun vorgestern in den Straßen der Stadt umherging, sah ich, wie der Sohn meines Bruders, 'Alâ ed-Dîn, mit den Knaben spielte; und beim allmächtigen Gott, o Frau meines Bruders, als ich ihn erblickte, da ward mein Herz zu ihm gerissen, denn Blut wird zu Blut hingezogen, und die Stimme meines Herzens sprach zu mir, daß dies meines Bruders Sohn sei. Ich vergaß all meine Mühsal und Bekümmernis, als ich ihn sah, und fast wäre ich vor Freuden geflogen; doch als er mir kundtat, daß der Selige zur Barmherzigkeit Allahs des Erhabenen eingegangen ist, da ward ich im Übermaße meines Grames und Kummers ohnmächtig; vielleicht hat 'Alâ ed-Dîn dir schon berichtet, wie es mich überwältig that. Aber jetzt habe ich ein wenig Trost durch



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'Als ed-Dîn gefunden, der nun an die Stelle des Entschlafenen tritt: denn wer Nachkommen hinterläßt, ist nicht tot.'

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß der inaurische Zauberer, nachdem er seine Ansprache an die Mutter 'Alâ ed-Dîns mit den Worten: ,Wer Nachkommen hinterläßt, der ist nicht tot' geschlossen hatte, sah, wie sie darüber weinte, und sich dann zu 'Alâ ed-Dîn wandte; dabei war es seine Absicht, daß sie nichtmehr an ihren Gatten denken sollte und daß er sie darüber hinwegtröste, um so seinen listigen Plan an ihr zu vollenden. ,Mein Sohn 'Alâ ed-Dîn,' redete er ihn an, was für ein Handwerk hast du gelernt? Was für einen Beruf hast du? Hast du ein Handwerk gelernt, das euch beide, dich und deine Mutter, ernährt?' Da ward 'Alâ ed-Dîn beschämt und verlegen, er ließ den Kopf hängen und senkte ihn zu Boden. Doch seine Mutter rief: ,Woher sollte er? Bei Allah. er versteht gar nichts! Einen so nichtsnutzigen Buben habe ich noch niemals gesehen. Den ganzen Tag über treibt er sich herum mit den bösen Buben des Stadtviertels, die ebenso sind wie er. Sein Vater - o mein Jammer! —starb nur aus Gram um ihn. Und ich lebe jetzt auch im Elend; mühsam spinne ich Baumwolle Tag und Nacht, um mir ein paar Laibe Brot zu verdienen, die wir gemeinsam aufessen. Ja, so ergeht es mir, lieber Schwager! Bei deinem Leben, er kommt nur zur Essenszeit zu mir, sonst nie. Ich habe schon daran gedacht, ich wollte die Haustür schließen und ihm nie mehr aufmachen und ihn laufen lassen, damit er sich einen Unterhalt suche, durch den er sein Leben fristet. Ich bin jetzt eine alte Frau, ich habe keine Kraft mehr, mich so abzuquälen und auf diese Weise für das tägliche Brot zu sorgen. Ach Gott, muß ich meinen Lebensunterhalt beschaffen? Ich brauche jemanden, der mich ernährt!' Da wandte sich der Maure an 'Alâ ed-Dîn mit den Worten: ,Wie



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kommt es, o Sohn meines Bruders, daß du es so böse treibst? Das ist eine Schande für dich! Das paßt sich nicht für Leute deiner Art! Du bist doch verständig, mein Sohn, und ein Kind ehrbarer Leute! Eine Schmach für dich ist es, daß deine Mutter in ihrem hohen Alter sich noch um deinen Lebensunterhalt kümmern muß, während du schon ein Mann bist, der sich nach einem Lebensweg umsehen sollte, durch den er sich ernähren kann. Schau, mein Sohn, in unserer Stadt gibt es -gottlob! — so viele Lehrmeister wie sonst nirgends; wähle dir das Handwerk aus, das dir zusagt, damit ich dich darin unterbringe; wenn du dann älter wirst, mein Sohn, so hast du deinen Beruf, von dem du leben kannst. Es ist ja möglich, daß du das Handwerk deines Vaters nicht magst; dann suche dir ein anderes aus, ein Handwerk, das dir gefällt! Erzähle mir davon; ich will dir helfen, so viel ich nur irgend vermag, mein Sohn!' Als der Maure aber sah, daß 'Alâ ed-Dîn schwieg und ihm keine Antwort gab, merkte er, daß der Knabe überhaupt keine Arbeit haben, sondern nur ein faules Leben führen wollte; und da sprach er zu ihm: ,Sohn meines Bruders, ich will dir nicht weh tun. Wenn du denn doch kein Handwerk erlernen magst, so will ich dir einen Kaufmannsladen mit den kostbarsten Stoffen eröffnen, damit du unter den Menschen bekannt wirst, Handel treiben, kaufen und verkaufen kannst und ein angesehener Mann in der Stadt seiest.' Als nun 'Alâ ed-Dîn die Worte seines maurischen Oheims hörte, wie er die Absicht hatte, ihn zu einem Kaufherren zu machen, freute er sich sehr; denn er wußte genau, daß diese Herren alle immer feine und saubere Kleider tragen; lächelnd blickte er den Mauren an, nickte mit dem Kopfe und deutete so an, daß er einverstanden war.

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß der maurische Zauberer sah, wie 'Alâed-Dîn lächelte;



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nun wußte er, daß der Knabe damit einverstanden war, ein Kaufherr zu werden, und so sprach er denn zu ihm: ,Da du einverstanden bist, daß ich dich Kaufmann werden lasse und dir einen Laden eröffne, Sohn meines Bruders, so zeige dich als Mann! Morgen, so Gott will, werde ich dich zunächst mit zum Basar nehmen und dir einen feinen Anzug anmessen lassen, wie ihn die Kaufleute tragen; danach werde ich dir einen Laden aussuchen und dir so mein Wort halten.' Die Mutter 'Alâ ed- Dîns hatte bisher immer noch ein wenig daran gezweifelt, daß der Maure ihr Schwager sei; aber als sie nun hörte, daß er ihrem Sohne versprach, er wolle ihm einen Kauf herren laden eröffnen und ihm Stoffe und Kapital und dergleichen geben, da entschied die Frau in ihrem Sinne, daß dieser Maure wirklich ihr Schwager sei, weil ein fremder Mann so etwas doch nicht für ihren Sohn tun könne. Deshalb begann sie, ihren Sohn auf den rechten Weg zu leiten und ihn zu ermahnen, er solle die Torheit aus seinem Kopfe verbannen, sich als Mann erweisen, stets seinem Oheim, der ihm wie ein Vater sei, gehorchen und die Zeit, die er im Nichtstun mit seinesgleichen nutzlos hatte verstreichen lassen, wieder gutmachen. Darauf breitete die Mutter 'Alâ ed-Dîns den Tisch aus und trug das Abendessen auf; alle drei setzten sich hin und begannen zu essen und zu trinken, während der Maure sich mit 'Alâ ed-Dîn über Fragen des Kaufmannsberufes und dergleichen Dinge unterhielt. Darüber freute 'Alâ ed-Dîn sich so sehr, daß er in jener Nacht nicht schlafen konnte. Als der Maure bemerkte, daß die Nacht bald zu Ende war, ging er zu seiner Wohnstätte, nachdem er ihnen versprochen hatte, am nächsten Tage zurückzukehren, um mit 'Alâ ed-Dîn zum Basar zu gehen und ihm einen Kaufmanns anzug anmessen zu lassen. Wie es dann Morgen geworden war, klopfte er auch schon wieder an die



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Tür. 'Alâ cd-Dîns Mutter erhob sich und machte ihm die Haustür auf; er wollte aber nicht eintreten, sondern verlangte nur nach 'Alâ ed-Dîn, um mit ihm zum Basar zu gehen. So kam denn 'Alâ ed-Dîn heraus, wünschte seinem Oheim einen guten Morgen und küßte ihm die Hand. Der nahm ihn bei der Hand und schritt mit ihm dahin bis zum Basar. Dort trat er in einen Tuchladen ein, in dem sich Kleider von jeglicher Art befanden. Er forderte einen vollständigen Anzug von hohem Werte; da brachte der Kaufmann, was er wünschte, in allen seinen Teilen fertig geschnitten und genäht. Nun sprach der Maure zu 'Alâ ed-Dîn: ,Wähle dir aus, mein Sohn, was dir gefällt!' Der Knabe war hocherfreut, wie er sah, daß sein Oheim ihm die Wahl ließ, und er suchte sich nach seinem Belieben die Kleidungsstücke aus, die ihm gefielen. Dann bezahlte der Maure dem Kaufmann sofort den Preis dafür, ging fort und nahm 'Alâ ed-Dîn mit ins Badehaus. Nachdem sie gebadet hatten, verließen sie den Baderaum und tranken Seherbett in der Halle; dann legte 'Alâ ed-Dîn froh und fröhlich den neuen Anzug an, trat vor seinen Oheim hin, dankte ihm und küßte ihm, dankbar für seine Güte, die Hand.

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß der Maure, nachdem er mit 'Alâ ed-Dîn das Badehaus verlassen hatte, ihn wieder bei der Hand nahm und mit ihm zum Basar der Kaufherren ging; er zeigte ihm den Basar und wie dort Handel getrieben wurde, und dann sprach er zu ihm: ,Mein Sohn, es geziemt dir nunmehr, mit den Leuten zu verkehren, zumal mit den Kaufherren, damit du von ihnen das Handeltreiben erlernest, da dies jetzt dein Beruf geworden ist.' Darauf führte er ihn weiter, zeigte ihm die Stadt, die Moscheen und alles Sehenswerte, was es in dem Orte gab. Zuletzt trat er dort mit ihm in den Laden eines Garkoches ein; der



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brachte ihnen das Mittagsmahl auf silbernen Schüsseln, sie speisten und tranken, bis sie gesättigt waren, und gingen wieder fort. Nun begann der Maure dem 'Alâ ed-Dîn die Lustgärten und die großen Plätze zu zeigen; auch ging er mit ihm in das Schloß des Sultans und zeigte ihm alle die prächtigen, großen Gemächer. Nach alledem führte er ihn zum Chân der fremden Kaufleute, in dem er selber wohnte. Dort lud er einige Kaufleute ein, die in der Herberge weilten; als sie gekommen waren und sich zum Essen hingesetzt hatten, erzählte er ihnen, daß dies der Sohn seines Bruders sei und daß er 'Alâ ed-Dîn heiße. Nachdem sie gegessen und getrunken hatten, nahm er, da die Nacht bereits angebrochen war, den 'Alâ ed-Dîn und brachte ihn zu seiner Mutter zurück. Wie die aber ihren Sohn ansah, der nun einem der Kaufherren glich, war sie fast wie von Sinnen und vergoß Freudentränen. Sie begann ihrem Schwager, dem Mauren, für seine Güte zu danken, indem sie zu ihm sprach: ,Lieber Schwager, ich könnte nie genug Worte finden, auch wenn ich dir mein ganzes Leben lang dankte und dich priese für das Gute, das du an meinem Sohne getan hast.' Der Maure antwortete ihr: ,Frau meines Bruders, das ist gar keine Güte von mir. Er ist doch mein Sohn; und es ist meine Pflicht. daß ich für meinen Bruder eintrete und dem Kinde ein Vater werde. Darum sei nur ruhig!' Sie fuhr fort: ,Ich bete zu Allah bei dem Ruhme der ersten und der letzten Heiligen, daß er dich behüte und erhalte, mein Schwager, und daß er dir ein langes Leben gebe, damit du diesem Waisenknaben ein schirmender Fittich seiest; er soll dir immer gehorchen und folgen und nur das tun, was du ihm gebietest!' ,Frau meines Bruders,' erwiderte der Maure, , 'Alâ ed-Dîn ist schon herangewachsen und verständig, er stammt von trefflichen Eltern, und ich hoffe zu Allah, daß er an die Stelle seines Vater treten



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und dein Augentrost sein wird. Doch es tut mir leid, daß ich morgen, weil es Freitag ist, ihm noch nicht den Laden eröffnen kann, da am Freitag alle Kaufleute nach dem Gottesdienste zu den Gärten und den Lustplätzen hinausgehen. Aber, so Gott will, werde ich am Samstag mit Hilfe des Schöpfers tun, was ich vorhabe. Morgen will ich zu euch kommen und 'Alâ ed- Din abholen, um ihm die Gärten und Lustplätze draußen vor der Stadt zu zeigen; die hat er vielleicht bisher noch nicht gesehen; dann wird er auch die Leute treffen, die Kauf männer und die Vornehmen, die dort lustwandeln, auf daß er sie kennen lernt und sie mit ihm bekannt werden.'

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß der Maure dann fortging und jene Nacht in seiner Wohnung zubrachte. Am Tage darauf kam er wieder zum Hause des Schneiders und klopfte an die Haustür. 'Alâ ed-Dîn aber hatte aus Freude über die Kleider, die jener ihm angelegt hatte, und über das Schöne, was er am vergangenen Tage erlebt hatte - das Bad, das Essen und Trinken und das Zusammensein mit den Leuten -, und im Gedanken daran, daß sein Oheim am nächsten Morgen kommen und ihn abholen würde, um ihm die Gärten zu zeigen, in jener Nacht nicht geschlafen; ja, er hatte kein Auge zugetan und hatte gar nicht darauf warten können, bis es Tag wurde. Sowie er nun hörte, daß an die Türe geklopft wurde, sprang er eilends wie ein Feuerfunke hin, machte die Haustür auf und sah seinen Oheim aus dem Westlande vor sich. Der umarmte ihn, küßte ihn und nahm ihn bei der Hand. Dann gingen sie zusammen fort, und der Maure sprach zu dem Knaben: ,Sohn meines Bruders, heute werde ich dir etwas zeigen, das du in deinem ganzen Leben noch nicht gesehen hast!' Dabei lächelte er ihn an und sprach ihm mit freundlichen Worten zu, und sie gingen zum Stadttore



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hinaus. Der Maure schritt zwischen den Gärten dahin und zeigte dem Knaben die großen Lustplätze und die hochragenden wunderbaren Schlösser. Sooft ihr Blick auf einen Garten oder ein Schloß oder einen Palast fiel, blieb der Maure stehen und fragte: ,Gefällt dir das, mein Sohn 'Alâ ed-Dîn?' Dem aber war, als sollte er vor Freuden fliegen; denn er sah Dinge, die er in seinem ganzen Leben noch nie gesehen hatte. So schritten sie immer weiter und sahen sich alles an, bis sie müde wurden; da traten sie in einen großen Garten ein, der dem Herzen Freude machte und dem Auge ein schönes Schauspiel brachte; die Springbrunnen sprangen, von Blumen umfangen, und die Wasser flossen aus Mäulern von Löwen, die von goldgelbem Messing waren. Dann setzten sie sich an einem Tische nieder und ruhten aus. 'Alâ ed-Dîn war beglückt und hocherfreut, und er begann mit dem Alten zu scherzen und sich zu vergnügen, als wäre er wirklich sein Oheim gewesen. Darauf machte der Maure seinen Gürtel auf und zog einen Beutel hervor, der mit Brot und Früchten und anderen Dingen zum Essen gefüllt war, und sprach zu 'Alâ ed-Dîn: ,Sohn meines Bruders, du bist wohl hungrig; komm, iß, was du willst!' Da trat der Knabe herzu und aß; und auch der Maure aß mit ihm. So waren sie lustig und seelenvergnügt und ruhten sich aus. Dann hub der Maure an: ,Sohn meines Bruders, wenn du ausgeruht hast, so laß uns noch ein wenig weiter gehen!' Alsbald stand 'Alâ ed-Dîn auf, und der Maure begann mit ihm von Garten zu Garten zu gehen, bis sie an allen Gärten vorbeigegangen waren und nun zu einem hohen Berge kamen. 'Alâ ed-Dîn, der bis dahin noch nie aus der Stadt herausgekommen war und auch in seinem ganzen Leben noch nicht einen so langen Weg gemacht hatte, sprach zu dem Mauren: ,Oheim, sag, wohin gehen wir? Wir haben doch schon alle Gärten hinter uns gelassen,



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und jetzt sind wir vor einem Berge. Und wenn der Weg noch lang ist, so habe ich keine Kraft mehr zum Gehen; denn ich bin schwach vor Müdigkeit. Es sind ja auch keine Gärten mehr vor uns; laß uns wieder nach der Stadt zurückgehen!' ,Mein Sohn,' erwiderte der Maure, ,dies ist ja der Weg; die Gärten sind auch noch nicht zu Ende, wir gehen jetzt, um uns einen Garten anzusehen, wie ihn selbst die Könige nicht haben. Alle Gärten, die wir bisher gesehen haben, sind nichts im Vergleich zu diesem Garten. Also nimm deine Kraft beim Gehen zusammen; du bist ja, Gott sei Dank, ein Mann.' Nun begann der Maure den Knaben mit freundlichen Worten abzulenken und ihm seltsame Geschichten zu erzählen, wahre und erdichtete, bis sie zu der Stätte gelangten, die das Ziel dieses maurischen Zauberers war, um deren willen er aus dem fernen Westlande bis nach China gereist war. Und als sie dort angekommen waren, sprach er zu 'Alâ ed-Dîn: ,Sohn meines Bruders, setze dich nieder, ruhe dich aus; denn dies ist die Stätte, die wir suchen. So Gott will, werde ich dir wunderbare Dinge zeigen, wie sie noch kein Mensch in der Welt je geschaut hat; noch nie hat jemand das zu sehen bekommen, was du nun erblicken wirst.'

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß der maurische Zauberer nach seinen Worten: ,Noch nie hat ein Sterblicher das zu sehen bekommen, was du nun erblicken wirst' weiter zu 'Alâ ed-Dîn sprach: ,Doch erst, wenn du dich ausgeruht hast, steh auf und suche Brennholzstücke und Reisig, alles dürr und trocken, damit wir ein Feuer anzünden können. Dann, o Sohn meines Bruders, werde ich dir etwas zeigen - nun, laß nur, du wirst schon sehen!' Als 'Alâ ed-Dîn das hörte, brannte er vor Begierde, das, was sein Oheim ihm zeigen wollte, zu schauen; er vergaß die Müdigkeit,



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sprang sofort auf und begann, dürres Brennholz und trockene Reiser zu sammeln. Er sammelte, bis der Maure ihm sagte: ,Nun ist es genug, lieber Neffe!' Darauf holte der Maure eine Schachtel aus seiner Tasche, öffnete sie und nahm so viel Weihrauch aus ihr hervor, wie er nötig hatte. Und er räucherte und zauberte und beschwor und murmelte unverständliche Worte. Sofort ward es finster, es bebte und donnerte, und der Erdboden tat sich auf. Darüber erschrak 'Alâ ed-Dîn. und in seiner Angst wollte er weglaufen. Doch als der maurische Zauberer bemerkte, daß der Knabe weglaufen wollte, ergrimmte er gewaltig über ihn, da seine ganze Arbeit ohne 'Alâ ed-Dîn nichts nutzte; denn der Schatz, den er heben wollte, tat sich nur vor 'Alâ ed-Dîn auf. Wie er also sah, daß der Knabe fliehen wollte, hob er seinen Arm und traf ihn so heftig auf den Kopf, daß er ihm fast die Zähne ausschlug. Ohnmächtig sank 'Alâ ed-Dîn zu Boden. Doch nach einer kleinen Weile schon kam er durch den Zauber des Mauren wieder zu sich und fing an zu weinen; und er rief: ,Lieber Oheim, was habe ich denn getan, daß ich einen solchen Schlag von dir verdiente?' Nun begann der Maure ihn zu besänftigen, indem er zu ihm sprach: ,Mein Sohn, ich will dich doch zum Manne machen. Drum widersetze dich mir nicht, da ich dein Oheim bin, der deinen Vater vertritt. Gehorche mir in allem. was ich dir sage! Nach einer kleinen Weile wirst du all diese Qual und Mühe vergessen, wenn du die wundersamen Dinge siehest!' Als nun der Erdboden sich vor dem Magier aufgetan hatte und sich ihm eine Marmorplatte zeigte, an der sich ein Ring aus gegossenem Messing befand, wandte er sich dem Knaben zu und sprach: ,Wenn du tust, was ich dir sage, so wirst du reicher als alle Könige werden! Deswegen, mein Sohn, habe ich dich ja auch nur geschlagen, weil hier ein Schatz verborgen



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liegt, der auf deinen Namen lautet; und da wolltest du ihn verlassen und fortlaufen! Aber jetzt gib acht; sieh nur, wie ich die Erde durch meine magische Kunst und meine Beschwörung geöffnet habe!'

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß der maurische Zauberer des weiteren zu 'Alâ ed-Dîn sprach: ,Mein Sohn 'Alâ ed-Dîn, also gib acht! Sieh, unter der Platte, an der jener Ring ist, dort ist der Schatz, von dem ich dir sagte. Lege deine Hand in den Ring und hebe die Platte! Denn kein einziger Mensch kann sie aufmachen als du allein, und niemand anders als du kann seinen Fuß in diese Schatzhöhle setzen, das alles ist dir vorbehalten. Du mußt aber auf mich hören, genau wie ich dich anweise, und darfst keine Silbe von meinen Worten außer acht lassen. Das alles, mein Sohn, geschieht zu deinem Besten; denn dieser Schatz ist gewaltig groß, kein König der Welt besitzt seinesgleichen. Er gehört dir und mir!' 'Alâ ed-Dîn, der arme junge, vergaß nun Müdigkeit, Schläge und Tränen, er war durch die Worte des Mauren ganz berückt und freute sich, weil er so reich werden sollte, daß selbst die Könige nicht reicher als er wären. Und so sagte er: ,Lieber Oheim, befiehl mir alles, was du willst; ich gehorche deinem Befehle!' ,Ach, Sohn meines Bruders,' erwiderte jener, ,du bist mir wie mein eigen Kind, ja, noch lieber; denn außer dir, meinem Neffen, habe ich keine Verwandten. Du sollst mein Erbe und mein Nachfolger sein, mein Sohn!' Und er trat zu 'Alâ ed-Dîn und küßte ihn und fuhr fort: ,Für wen mach ich mir denn all diese Mühe, mein Sohm Nur um deinetwillen, damit ich dich zu einem sehr reichen und vornehmen Manne mache! Drum tu alles genau, wie ich es dir sage! Nun tritt zu diesem Ringe und hebe ihn, wie ich dir gesagt habe!' Doch 'Alâ ed-Dîn antwortete: ,Oheim, dieser



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Ring ist zu schwer für mich; ich kann ihn nicht allein aufheben. Komm, hilf du mir auch beim Hochheben; ich bin ja noch so jung an Jahren.' ,Lieber Neffe,' sagte darauf der Maure, ,es ist uns nicht möglich, irgend etwas zu erreichen, wenn ich dir helfe; dann wird unsere Mühe ganz vergeblich sein. Leg du nur deine Hand in den Ring und zieh ihn hoch! Dann wird er sich alsbald in deiner Hand heben. Ich habe dir doch gesagt, daß niemand als du allein ihn berühren darf; wenn du an ihm ziehst, so sprich deinen Namen und die Namen deines Vaters und deiner Mutter aus, und dann wird er sich sofort in deiner Hand heben, du aber wirst sein schweres Gewicht gar nicht spüren.' Da nahm 'Alâ ed-Dîn seine Kraft zusammen, faßte einen festen Entschluß und tat, wie ihn der Maure angewiesen hatte. Und als er seinen Namen und die Namen seines Vaters und seiner Mutter aussprach, hob er die Platte ganz leicht empor, gerade so, wie der Magier ihm gesagt hatte; und nachdem die Platte sich gehoben hatte, warf er sie beiseite.

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß 'Alâ ed-Dîn, nachdem er die Platte von dem Eingange zu der Schatzhöhle gehoben hatte, einen unterirdischen Gang sah; an dessen Eingang mußte man etwa zwölf Stufen hinabsteigen. Darauf sprach der Maure zu ihm: ,'Alâ ed-Dîn, gib acht, tu alles ganz genau so, wie ich dir sage, und laß nichts davon aus. Geh mit aller Vorsicht zu diesem Gange hinunter, bis du den Boden erreichst. Du wirst dort eine Halle finden. die in vier Räume geteilt ist; in jedem dieser Räume wirst du vier goldene Krüge finden und andere Dinge aus Feingold und Silber. Doch hüte dich, etwas davon anzurühren oder etwas davon zunehmen, sondern geh an allem vorbei, bis du in dem vierten Raume ankommst! Laß auch deine Kleider oder ihre Säume nicht die Krüge oder die Wände berühren und halte



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dich nicht einen einzigen Augenblick auf! Wenn du dem zuwiderhandelst, so wirst du sofort verwandelt und zu einem schwarzen Stein werden. Bist du aber in dem vierten Raume angekommen, so wirst du dort eine Tür finden; öffne die Tür, indem du die Namen sprichst, die du über der Platte ausgesprochen hast; und geh hinein! Dann wirst du in einen Garten gelangen, voll schöner Bäume, mit Früchten behangen; von dort geh auf dem Wege, den du vor dir siehst, etwa noch fünfzig Ellen weiter, so wirst du einen Saal finden, zu dem eine Treppe von etwa dreißig Stufen führt. Dann schau dich oben im Saale um!'

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß der maurische Zauberer, nachdem er dem 'Alâ ed-Dîn Weisung gegeben hatte, wie er in die Schatzhöhle hinabsteigen und in ihr weitergehen sollte, des weiteren zu ihm sprach: ,Wenn du in dem Saale bist, so wirst du dort eine Lampe finden, die von der Saaldecke herabhängt. Nimm die Lampe, gieß das Öl, das in ihr ist, aus und birg sie in deinem Busen; sei um deiner Kleider willen nicht besorgt, denn es ist kein wirkliches Öl! Wenn du dann wieder zurückkommst, so darfst du von den Bäumen abpflücken, so viel du willst; denn das alles gehört dir, solange die Lampe in deiner Hand ist.' Als nun der Maure seine Worte an 'Alâ ed-Dîn beendet hatte, zog er einen Siegelring von seinem Finger und schob ihn auf 'Alâ ed-Dîns Finger mit den Worten: ,Mein Sohn, dieser Siegelring wird dich aus aller Not und Gefahr, die dich bedrohen könnten, befreien, unter der einen Bedingung, daß du alles, was ich dir gesagt habe, beachtest. Nun denn wohlan, steig hinab, nimm deine Kraft zusammen und laß deinen starken Mut entflammen; fürchte dich nicht, denn du bist ein Mann und kein Kind mehr! Danach, mein Sohn, wirst du in kürzester



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Zeit so großen Reichtum gewinnen, daß du der reichste Mann der Welt wirst.' 'Alâ ed-Dîn stieg nun in den unterirdischen Gang hinab und fand die vier Räume; in jedem Raume waren vier goldene Krüge, doch er ging an ihnen vorbei, wie der Maure ihm gesagt hatte, vorsichtig und entschlossen; dann trat er in den Garten ein und ging hindurch, bis er zu dem Saale gelangte. Er stieg die Treppe hinauf, und in dem Saale fand er die Lampe; er löschte sie aus, goß das Öl, das in ihr war, zu Boden und barg sie in seinem Busen. Dann ging er wieder zu dem Garten hinunter und begann sich die Bäume dort anzuschauen; auf ihnen saßen Vögel, die mit ihren Stimmen den allmächtigen Schöpfer lobpriesen, die er aber zuvor, als er gekommen war, nicht gesehen hatte. Und an diesen Bäumen hingen als Früchte lauter kostbare Edelsteine; jeder Baum trug Früchte von verschiedener Art und Farbe, mancherlei Edelsteine von allerlei Farben, grüne und weiße, gelbe und rote und von noch anderen Farben. Diese Edelsteine strahlten einen Glanz aus, der heller war als der Sonnenschein am Vormittage. Jeder dieser Edelsteine übertraf an Größe alles, was man beschreiben konnte, so daß kein einziger König der Welt auch nur einen besaß, der einem der größten gleich gewesen wäre, ja nicht einmal einen, der halb so groß gewesen wäre wie die kleinsten unter ihnen.

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß 'Alâ ed-Dîn zwischen den Bäumen umherging; und dabei schaute er auf sie und auf all die Dinge, die den Blick blendeten und den Verstand raubten, und er betrachtete sie genau. Da sah er denn, daß die Bäume statt richtiger Früchte große Edelsteine trugen, kostbare Smaragde, Diamanten, Hyazinthen, auch Perlen und andere Juwelen, bei deren Anblicke die Sinne verwirrt wurden. Weil nun aber 'Als ed-Dîn



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solche Dinge noch nie in seinem Leben gesehen hatte und auch noch nicht erwachsen genug war, um den Wert dieser Kleinodien zu erkennen, sintemalen er ja noch ein junger Bursche war, so dachte er. alle diese Edelsteine wären aus Glas oder aus Kristall; er pflückte viele von ihnen ab und füllte seine Brusttaschen damit, und dabei schaute er sie an. ob es wohl Weintrauben und Feigen und andere eßbare Früchte wären oder nicht. Als er nun sah, daß sie wie Glas waren, fuhr er fort. von allen Arten dieser Baumfrüchte in seine Busentasche zu sammeln, ohne die Edelsteine und ihren Wert zu kennen. Und da er sein Verlangen zu essen nicht befriedigen konnte, sprach er in Gedanken: ,Ich will mir von diesen Glas früchten eine Sammlung anlegen und zu Hause damit spielen.' So pflückte er immer mehr ab und steckte sie in seine Taschen an den Seiten und auf der Brust, bis er alle gefüllt hatte. Und dann pflückte er noch mehr Früchte ab, tat sie in seinen Gürtelschal und band ilm wieder um; ertrug, so viel er nur irgend konnte, und sagte sich dabei, er wolle sie sich zu Hause zum Zierat hinlegen; denn er hielt sie, wie gesagt, für Glas. Aber dann begann er, aus Furcht vor seinem maurischen Oheim, rasch zu laufen, bis er wieder durch die vier Räume gekommen und den unterirdischen Gang durcheilt hatte; auf die goldenen Krüge warf er bei seiner Rückkehr keinen Blick, obgleich es ihm zu der Zeit erlaubt gewesen wäre, aus ihnen etwas zu nehmen. Als er nun wieder zu der Treppe kam, stieg er auf ihr hinauf, bis nur noch ein kleines Stück übrig blieb; das war die letzte Stufe, und die war höher als die anderen, so daß er allein nicht hinaufsteigen konnte, da er so viel bei sich trug. So rief er denn dem Mauren zu: ,Oheim, gib mir deine Hand und hilf mir, daß ich hinaufsteigen kann!' ,Mein Sohn,' rief jener, ,gib mir die Lampe und erleichtere dich so; vielleicht ist sie es,



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die dich beschwert.' Doch er gab ihm zur Antwort: ,Oheim, die Lampe beschwert mich gar nicht; gib mir doch deine Hand! Wenn ich oben bin, will ich dir die Lampe geben.' Der Magier aus dem Westlande aber wollte nur allein die Lampe haben, und darum fing er an, 'Alâ ed-Dîn zu drängen, er solle ihm die Lampe geben. Da aber der Knabe die Lampe tief unten in seinen Kleidern geborgen und die Edelsteinfrüchte oben darüber gelegt hatte, so war es ihm unmöglich, mit seiner Hand bis zu der Lampe vorzudringen, um sie ihm zu reichen. Nun drang der Maure weiter in ihn, er solle ihm die Lampe geben; doch wie der Knabe es noch nicht tun konnte, ward er sehr zornig über ihn, und er forderte die Lampe. Aber 'Alâ ed-Dîn konnte sie nicht erreichen, um sie ihm zu geben.

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß nunmehr, als 'Alâ ed-Dîn die Lampe nicht erreichen konnte, um sie seinem falschen Oheim aus dem Westlande zu geben, dieser Maure vor Wut rasend wurde, weil er sein Ziel nicht erreichte. 'Alâ ed-Dîn aber versprach ihm, er wolle sie ihm geben, wenn er aus dem Gange herauf käme, ohne falsche Hintergedanken und ohne böse Absicht. Nachdem der Maure nun eingesehen hatte, daß 'Alâ ed-Dîn ihm die Lampe nicht herausgeben würde, ward er von Grimm überwältigt und gab alle Hoffnung auf sie auf; und er zauberte und beschwor und warf Weihrauch ins Feuer. Da wandte die Platte sich von selbst wieder um und schloß sich über dem Eingange durch die Macht seines Zaubers, und die Erde bedeckte die Platte wie zuvor. 'Alâ ed-Dîn jedoch blieb unter der Erde, da er nicht herauskommen konnte. Der Zauberer war ja in Wirklichkeit ein Fremdling und nicht der Oheim 'Alâ ed-Dîns, wie bereits erzählt wurde, sondern er hatte sich verstellt und sich einen falschen Anschein gegeben, um durch den Knaben, der allein



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den Schatz heben konnte, jene Lampe zu gewinnen; nun schloß aber dieser verfluchte Maure die Erde wieder über 'Alâ ed-Dîn und überließ ihn dem Hungertode. Der verfluchte maurische Zauberer nämlich stammte aus dem fernsten Westen des Landes Afrika und hatte seit seiner jugend die Zauberei und die Wissenschaften von den Geistern eifrig betrieben; denn das Gebiet von Afrika' ist berühmt ob aller dieser Wissenschaften. Dieser Maure also studierte und lernte von Jugend auf in seiner Stadt in Afrika, bis daß er sich in allen Wissenschaften vervollkommnet hatte. Und da er in einer Zeit von vierzig Jahren so übermäßig viel Zauberei und Beschwörungen gelernt und sich angeeignet hatte, entdeckte er eines Tages, daß am äußersten Ende von China eine Stadt namens el-Kal'âs' liege und daß in dieser Stadt ein so gewaltig großer Schatz verborgen sei, wie ihn kein König in der ganzen Welt besitze; das sonderbarste aber sei, daß sich in diesem Schatze eine Wunderlampe befinde; wer die besäße, der könne von keinem Menschen auf der Erde an Reichtum und Macht übertroffen werden, ja nicht einmal der mächtigste König der Welt könne nur einen Teil des Reichtums und der Macht und der Stärke dieser Lampe sein eigen nennen.

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß der Maure durch seine Kunst entdeckte und erfuhr, daß dieser Schatz nur durch einen Knaben gehoben werden könne, der 'Alâ ed-Dîn hieße und von armer Herkunft wäre, und daß dieser Knabe aus derselben Stadt sei; auch erkannte er, daß es leicht und mühelos sei, ihn zu gewinnen. Daher rüstete er sich sofort und ohne Verzug zur Reise nach China,



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wie wir erzählt haben, und tat mit 'Alâ ed-Dîn all das, was schon berichtet ist, in dem Gedanken, er könne so in den Besitz der Lampe kommen. Aber nun waren seine Mühe und seine Hoffnung enttäuscht, seine Anstrengungen waren vergeblich gewesen, und daher beschloß er, den 'Alâ ed-Dîn umkommen zu lassen. So hatte er denn durch seine Zauberei den Erdboden über dem Knaben wieder zugedeckt, damit er dort stürbe: denn wer noch am Leben ist, an dem ist kein Mord verübt. Zweitens aber beabsichtigte er dadurch auch, daß 'Alâ ed-Dîn nicht wieder herauskommen und so auch die Lampe nicht aus dem Schoße der Erde hervorkommen solle. Darauf ging er seines Wegs und kehrte in sein Land Afrika zurück, traurig und in seiner Hoffnung enttäuscht.

Lassen wir nun den Zauberer dahinziehen und sehen wir, was mit 'Alâ ed-Dîn geschah! Als die Erde sich über ihm geschlossen hatte, begann er nach dem Mauren, den er für seinen Oheim hielt, zu rufen, damit er ihm die Hand reiche und er selbst aus dem unterirdischen Gange wieder zur Erdoberfläche emporsteigen könne. Wie er aber niemanden auf sein Rufen antworten hörte, da wußte er, daß der Maure trügerisch an ihm gehandelt hatte, und daß er gar nicht sein Oheim, sondern ein verlogener Zauberer war. Nun verzweifelte 'Alâ ed-Dîn am Leben, und traurig erkannte er, daß er nicht mehr an die Oberfläche der Erde kommen konnte; so begann er denn über sein Unglück zu weinen und zu klagen. Nach einer kleinen Weile jedoch machte er sich auf und stieg wieder hinunter, um zu sehen, ob Allah der Erhabene ihn vielleicht den Weg zu einer Tür würde finden lassen, durch die er hinausgelangen könnte. Er wandte sich nach rechts und links, aber er fand nichts als Dunkelheit und vier Wände, die sich rings um ihn geschlossen hatten; denn der maurische Zauberer hatte durch



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seine schwarze Kunst alle Türen geschlossen, ja auch sogar den Garten, in den 'Alâ ed-Dîn eingetreten war, um ihm gar keinen Ausweg zur Erdoberfläche zu lassen und uni seinen Tod zu beschleunigen. Da begann 'Alâ ed-Dîn noch bitterer zu weinen und noch mehr zu klagen, als er sah, daß alle Türen und auch der Garten verschlossen waren. Er hatte gedacht, er könne dort ein wenig Trost finden; aber da er alles verschlossen fand, so schrie und weinte er wie einer, dem alle Hoffnung abgeschnitten ist. Und er kehrte zurück und setzte sich auf die Stufen der Treppe des unterirdischen Ganges, auf der er zuvor heruntergekommen war.

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß 'Alâ ed-Dîn sich auf die Stufen der Treppe des unterirdischen Ganges setzte und dort weinte und klagte, da er alle Hoffnung aufgegeben hatte. Aber denke daran, daß Allah der Hochgepriesene und Erhabene, wenn er etwas schaffen will, nur sagt ,Werde!' und daß es dann wird; denn mitten in der Not schafft er die Erlösung. So erging es auch 'AIâ ed-Dîn. Als der maurische Zauberer ihn in den unterirdischen Gang hinabgeschickt hatte, da hatte er ihm einen Ring gegeben und ihn ihm auf den Finger geschoben und dabei gesagt: ,Dieser Ring wird dich aus aller Not erretten, wenn ein Unglück bei dir weilt oder ein Mißgeschick dich ereilt; er wird alle Übel von dir fernhalten und dir ein Helfer sein, wo du nur bist.' Dies war durch eine Fügung Allahs des Erhabenen geschehen, auf daß die Errettung 'Alâ ed-Dîns dadurch zustande käme. Als nun 'Alâ ed-Dîn so dasaß und über sein Unglück klagte und weinte, wie er schon am Leben verzweifelte und der Gram ihn überwältigte, da begann er im Übermaße seines Kummers die Hände zu ringen, wie es ein Trauernder tut, und seine Hände emporzuheben und zu Allah zu flehen, indem et sprach: ,Ich



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bezeuge, daß es keinen Gott gibt außer dir allein, du Allgewaltiger, Allmächtiger, Allbezwinger, der du den Toten zum Leben erweckst, der du die Wünsche schaffst und sie vollendest, der du die Schwierigkeiten und Fährlichkeiten bringst und sie beendest! Mein Genüge bist du, und du bist der beste Anwalt. Und ich bezeuge, daß Mohammed dein Knecht und dein Gesandter ist. Mein Gott, bei seinem Ruhme vor dir, errette mich aus meiner Not!' Während er so zu Allah flehte und die Hände rang, im Übermaße seiner Trauer um diese Not, die über ihn gekommen war, fügte es sich, daß seine Hand an dem Ringe rieb. Und siehe da, im Nu stand ein dienender Geist vor ihm und sprach zu ihm: ,Zu Diensten! Dein Sklave steht vor dir. Fordere, was du willst! Ich bin der Diener dessen, der diesen Ring, den Ring meines Herrn, an der Hand trägt.' Nun schaute 'Alâ ed-Dîn auf und sah einen Mârid', der einem der Dämonen unseres Herren Salomo glich, vor sich stehen. Zuerst erschrak er vor seinem furchtbaren Aussehen; aber als er den Geist sagen hörte: ,Fordere, was du willst! Ich bin dein Sklave, denn der Ring meines Herren ist an deiner Hand', da faßte er wieder Mut und dachte an das, was der Maure zu ihm gesagt hatte, als er ihm den Ring gab. Er war hocherfreut, und mutig sprach er zu ihm: ,Du Diener des Herrn dieses Ringes, ich wünsche von dir, daß du mich an die Oberfläche der Erde bringst!' Im selben Augenblicke, als er noch kaum diese Worte vollendet hatte, tat die Erde sich auf, und er befand sich bei dem Eingang zur Schatzhöhle draußen im Freien. Wie nun aber 'Alâ ed-Dîn, der drei Tage lang unter der Erde in der Schatzhöhle im Dunkeln gesessen hatte, sich wieder inder' freien Welt befand, und wie das Tageslicht und die Sonnenstrahlen sein Antlitz trafen, konnte er seine Augen nicht so,.



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gleich auftun; sondern er begann sie ein wenig zu öffnen und dann wieder ein wenig zu schließen, bis seine Augen neue Kraft gewannen und sich an das Licht gewöhnten und von der Finsternis befreit waren.

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß 'Alâ ed-Dîn eine kleine Weile, nachdem er aus der Schatzhöhle herausgekommen war, seine. Augen ganz öffnete und hocherfreut war, als er sich auf der Oberfläche der Erde sah. Doch nahm es ihn wunder, daß nun, da er sich über dem Eingang zur Schatzhöhle befand, durch den er hinabgestiegen war, als der maurische Zauberer ihn aufgetan hatte, die Tür wieder geschlossen und die Erde wieder geebnet war, so daß man dort ganz und gar keine Spur einer Tür mehr entdecken konnte. Sein Erstaunen wuchs immer mehr, und er glaubte schon, er befände sich an einer anderen Stelle. Nicht eher wußte er, daß er doch an derselben Stätte war, als bis er die Stelle entdeckte, wo sie das Feuer von Holzstücken und Reisig angezündet hatten und wo der maurische Zauberer geräuchert und gezaubert hatte. Darauf wandte er sich nach rechts und links und sah die Gärten in der Ferne; er schaute den Weg an und erkannte, daß es derselbe war, auf dem er gekommen war. Nun dankte er Allah dem Erhabenen, der ihn zur Oberfläche der Erde herausgeführt und ihn vom Tode errettet hatte, als er bereits am Leben verzweifelte. So machte er sich denn auf und schritt den Weg zur Stadt dahin, den er jetzt kannte, bis er die Stadt selbst erreichte. Er ging hinein und dann weiter bis zu seinem Elternhause. Dort trat er ein; doch als er seine Mutter erblickte, sank er im Übermaße der Freude, die er ob seiner Errettung empfand, vor ihr auf den Boden. Und da er solche Angst und Not hatte durchmachen müssen, da er jetzt vor Freude überwältigt, aber auch von



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Hunger ermattet war, so ward er ohnmächtig. Seine Mutter hatte seit der Trennung von ihm getrauert und hatte weinend und klagend über ihn dagesessen. Als sie ihn nun eintreten sah, war sie hocherfreut: und doch ward sie wieder betrübt, wie sie ihn ohnmächtig zu Boden sinken sah. Indessen, ihre Fürsorge war um ihn dadurch nicht behindert, sondern sie eilte sofort hin, sprengte Rosenwasser auf sein Antlitz und erbat von ihren Nachbarn wohlriechende Essenzen; die ließ sie ihn riechen. Als er darauf wieder ein wenig zu sich kam, bat er sie, ihm etwas zu essen zu bringen, indem er sprach: ,Liebe Mutter, seit drei Tagen habe ich gar nichts gegessen.' Seine Mutter brachte ihm von dem, was sie gerade vorrätig hatte, setzte es vor ihn hin und sprach: ,Wohlan, mein Sohn, iß und sei heiter! Wenn du dich ausgeruht hast, so berichte mir, was du erlebt hast und was dir widerfahren ist. Jetzt will ich dich nicht fragen, mein Kind; denn du bist jetzt müde.'

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß 'Alâ ed-Dîn aß und trank und heiter ward. Nachdem er sich dann ausgeruht und erholt hatte, sprach er zu seiner Mutter: ,Ach, liebe Mutter, auf dir ruht eine schwere Schuld an mir, daß du mich dem verfluchten Kerl da überlassen hast, der auf mein Verderben sann und mich umbringen wollte. Wisse denn, daß ich dem Tode ins Auge geschaut habe um dieses verruchten Menschen willen, den du als meinen Oheim anerkannt hast! Ja, ich wäre tot, wenn Allah der Erhabene mich nicht errettet hätte. Denn wir beide, meine Mutter, du und ich, wir sind durch ihn betrogen worden, weil der Verruchte so viel Gutes an mir zu tun versprach und weil er mir so viel Liebe erwies. Vernimm denn, Mutter, jener Mann ist ein maurischer Zauberer, ein verfluchter Lügner, ein listenreicher Betrüger und Heuchler; ich glaube nicht, daß selbst die



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unterirdischen Teufel es ihm gleichtun könnten -Allah lasse ihn mit all seinen Büchern zuschanden werden! Nun höre weiter, liebe Mutter, was dieser Verfluchte getan hat! Alles, was ich dir sage, ist lautere Wahrheit. Sieh, wie der Verruchte log, denke an die Versprechen, die er mir gab, indem er sagte, er wolle mir alles Gute tun; denke auch an die Liebe, die er mir erwies, und bedenke, wie er all das nur tat, um zu seinem Ziele zu kommen! Ja, seine Absicht war, mich zu töten, aber Preis sei Allah, daß Er mich errettet hat! So vernimm, liebe Mutter. und höre, was dieser Verfluchte getan hat!' Darauf berichtete 'Alâ ed-Dîn seiner Mutter alles, was er erlebt hatte, indem er vor übergroßer Freude Tränen vergoß; so tat er ihr zuerst kund, wie er sich von ihr getrennt hatte, wie der Maure ihn zu dem Berge geführt hatte, in dem sich der Schatz befand, und wie er dort gezaubert und Weihrauch verbrannt hatte. ,Und dabei, liebe Mutter,' so erzählte der Knabe, ,hat er mir auch noch einen Schlag versetzt, daß ich vor Schmerzen die Besinnung verlor. Denn große Furcht hatte mich gepackt, als ich sah, wie durch seine magische Kunst der Berg sich spaltete und die Erde sich vor mir auftat; da bebte ich und erschrak vor der Stimme des Donners, die ich hörte, und vor der Finsternis, die sich verbreitete, als er den Weihrauch verbrannte und zauberte. So wollte ich denn, wie ich diese furchtbaren Dinge erleben mußte, in meiner Angst fortlaufen. Doch als er sah, daß ich mich zur Flucht anschickte, schalt er mich und schlug mich. Das tat er, weil er, obwohl die Schatzhöhle sich aufgetan hatte, doch nicht selbst in sie hinabsteigen konnte; denn der Schatz konnte nur durch mich gehoben werden, weil er auf meinen Namen lautete und ihm nicht gehörte. Nur, weil er ein arger Zauberer ist, so wußte er, daß dieser Schatz von mir gehoben werden solle und daß diese Reichtümer mir gehörten.'



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Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß 'Alâ ed-Dîn, als er seiner Mutter alles, was ihm von dem maurischen Zauberer widerfahren war, erzählte, des weiteren zu ihr sprach: ,Nachdem er mich aber geschlagen hatte, sah er sich gezwungen, mich wieder zu besänftigen, damit er mich überredete, in die offene Schatzhöhle hinabzusteigen, und damit er sein Ziel erreichte. Wie er mich dann hinab sandte, gab er mir einen Siegelring und schob ihn auf meinen Finger, einen Ring, der vorher an seiner Hand gewesen war. Darauf stieg ich in die Höhle hinunter und fand zuerst vier Räume, die alle mit Gold und Silber und anderen Kostbarkeiten angefüllt waren; aber das alles galt als nichts, und der Verruchte schärfte mir ein, nichts davon anzurühren. Dann kam ich in einen großen Garten, in dem lauter hohe Bäume waren mit Früchten von vielfarbigem Kristall, die mir fast den Verstand raubten, liebe Mutter. Nachdem ich dann den hochgebauten Saal erreicht hatte, in dem diese Lampe war, nahm ich sie sofort an mich, löschte sie aus und goß ihren Inhalt zu Boden.' Bei diesen Worten zog 'Alâ ed-Dîn die Lampe aus seiner Brusttasche und zeigte sie seiner Mutter. Und ebenso ließ er sie die Edelsteine sehen, die er aus dem Garten mitgebracht hatte; es waren zwei große Beutel voll solcher Juwelen, von denen sich nicht ein einziges im Besitze der Könige der ganzen Welt fand; aber 'Ah ed-Dîn kannte ja ihren Wert nicht, sondern er glaubte, sie seien aus Glas und Kristall. Dann fuhr er in seiner Erzählung fort: ,Liebe Mutter, nachdem ich die Lampe geholt hatte und auf meinem Rückwege wieder bis zur Tür der Schatzhöhle gekommen war, da rief ich nach dem verfluchten Mauren, der vorgab, daß er mein Onkel wäre, er solle mir seine Hand geben und mich hochziehen, damit ich hinaufsteigen könnte; denn ich trug Dinge, die mich beschwerten, und ich konnte nicht



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allein emporsteigen. Aber er reichte mir seine Hand nicht, sondern sagte zu mir: ,Gib mir die Lampe her, die du bei dir hast; danach will ich dir meine Hand geben und dich herausziehen!' Da ich aber die Lampe unten in meine Tasche getan hatte und die Beutel darüber lagen, und da ich sie nicht erreichen konnte, um sie ihm zu geben, so sprach ich: ,Oheim, ich kann dir die Lampe nicht reichen; wenn du mich herausgezogen hast, dann kann ich sie dir geben.' Aber ihm lag ja nicht daran, mich herauszuziehen, sondern er wollte nur die Lampe haben, und seine Absicht war, sie von mir hinzunehmen und dann die Erde über mir zu schließen, um mich umzubringen, wie er es ja auch nachher getan hat. Dies ist es, liebe Mutter, was mir von diesem bösen Zauberer angetan wurde.' Und nun berichtete 'Alâ ed-Dîn ihr noch alles bis zuletzt, und er begann den Mauren zu schmähen, indem sein Herz von heißem Zorn entbrannte, und er rief: ,O über diesen Verruchten, den gemeinen, grausamen Zauberer! Er ist hartherzig, unmenschlich, er ist ein heuchlerischer Betrüger, der kein Erbarmen und kein Mitleid kennt!'

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß die Mutter 'Als ed-Dîns, als sie von ihrem Sohne vernommen hatte, was der maurische Zauberer mit ihm getan, zu dem Knaben sprach: Ja, wahrlich, mein Sohn, er ist ein Ungläubiger und ein Heuchler, der die Menschen durch seine Zauberei umbringt. Doch Allah der Erhabene war gnädig, mein Sohn, Er errettete dich vor dem Lug und Trug dieses verfluchten Zauberers, den ich wirklich für deinen Oheim hielt!' Da nun aber 'Alâ ed-Dîn drei Tage lang gar nicht geschlafen hatte und sich müde füllte, so wollte er ruhen; er legte sich nieder und schlief ein, und ebenso begab seine Mutter sich dann zur Ruhe. Ununterbrochen schlief der Knabe, bis er erst am



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nächsten Tage gegen Mittag wieder aufwachte. Und wie er die Augen aufschlug, verlangte er sofort etwas zu essen, da er hungrig war. Aber seine Mutter sprach zu ihm: ,Lieber Sohn, ich habe nichts, was ich dir zu essen geben könnte; was ich noch hatte, das hast du gestern gegessen. Warte nur ein wenig; denn ich habe hier noch etwas gesponnenes Garn bei mir, das will ich zum Basar tragen und verkaufen, und dann will ich dir dafür etwas zu essen kaufen.' ,Mutter,' rief nun 'Alâed-Dîn, ,behalte das Garn, verkauf es nicht, sondern gib mir die Lampe, die ich mitgebracht habe. Ich will hingehen und sie verkaufen und für ihren Erlös etwas kaufen, das wir essen können; ich glaube, die Lampe wird einen höheren Preis einbringen als das Gespinst.' Da reichte die Mutter 'Alâ ed-Dîns ihrem Sohne die Lampe, aber weil sie bemerkte, daß sie schmutzig war, sprach sie zu ihm: ,Mein Sohn, da ist die Lampe; aber sie ist schmutzig. Wenn wir sie waschen und putzen, so wird sie teurer verkauft werden können.' Sie nahm daher etwas Sand in ihre Hand und begann damit die Lampe zu reiben. Doch kaum hatte sie ein wenig an ihr gerieben, so erschien vor ihr ein Dämon, furchtbar anzuschauen, von breiter Gestalt, der einem Riesen der Vorzeit glich, und der redete sie an: ,Sprich, was willst du von mir? Hier bin ich, ich bin dein Diener, ich bin der Diener dessen, der die Lampe in der Hand hält, doch nicht nur ich allein, sondern alle Diener der Wunderlampe, die in deiner Hand ist!' Die Mutter 'Alâed-Dîns aber erschrak, Furcht packte sie, und ihre Zunge ward gelähmt, als sie diese furchtbare Gestalt erblickte; und sie konnte ihm keine Antwort geben, da ihre Augen nicht an den Anblick solcher Erscheinungen gewöhnt waren.

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß die Mutter 'Alâ ed-Dîns, als sie vor Angst dem Mârid



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nicht antworten konnte, in ihrem Schrecken ohnmächtig zu Boden sank. Ihr Sohn aber stand etwas entfernt, und er hatte ja auch schon den Dämon des Siegelrings gesehen, als er diesen in der Schatzhöhle gerieben hatte. Wie er also hörte, was der Dämon zu seiner Mutter sprach, eilte er rasch herbei, nahm die Lampe aus der Hand seiner Mutter und rief: ,O du Diener der Lampe, ich bin hungrig, und ich wünsche, daß du mir etwas zu essen bringst; es muß aber etwas Gutes sein, etwas ganz Besonderes!' Der Geist verschwand nur einen Augenblick, dann brachte er ihm einen großen kostbaren Tisch aus reinem Silber, darauf standen zwölf Schüsseln mit vielerlei köstlichen Gerichten, zwei silberne Becher. zwei Flaschen mit klarem, altem Weine, und daneben lag Brot, weißer als Schnee. All das legte er vor 'Alâ ed-Dîn hin und entschwand. Da sprengte der Knabe seiner Mutter Rosenwasser ins Antlitz und gab ihr stark duftende Essenzen zu riechen; als sie wieder zu sich kam, sprach er zu ihr: ,Liebe Mutter, auf, wir wollen diese Speisen essen, die Allah der Erhabene uns gespendet hat!' Als die Mutter 'Alâ ed-Dîns diesen großen silbernen Tisch erblickte, war sie darüber erstaunt, und sie sprach zu ihrem Sohne: ,Lieber Sohn, wer ist dieser freigebige Wohltäter, der unseres Hungers und unserer Armut gedacht hat? Wir schulden seiner Güte Dank; es scheint, daß der Sultan von unserer Not und unserer Bedürftigkeit gehört und uns diesen Tisch geschickt hat.' ,Liebe Mutter,' erwiderte er, ,es ist jetzt nicht Zeit zum Fragen. Laß uns essen; denn wir sind hungrig!' Nun setzten sie sich anden Tisch und begannen zu essen; doch da die Mutter 'Alâ ed-Dîns solche Speisen, wie sie sie in ihrem ganzen Leben noch nicht gegessen hatte, zu kosten bekam, so aßen sie rasch und mit heißer Eßlust; sie waren ja so sehr hungrig, und dann war es doch auch ein Essen, wie es sonst vor Königen aufgetragen wird.



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Aber sie wußten nicht, was wertvoller war, der Tisch oder das Essen: denn sie hatten Sachen wie diese noch nie in ihrem Leben gesehen. Als sie die Mahlzeit beendet hatten und gesättigt waren, blieb ihnen noch genug für den Abend und auch für den nächsten Tag übrig. Darauf wuschen sie ihre Hände und setzten sich wieder, um zu plaudern. Nun wandte die Mutter 'Alâ ed-Dîns sich an ihren Sohn mit den Worten: ,Mein Sohn, erzähle mir, was ist mit dem Dämon geschehen? Jetzt haben wir uns ja -Gott sei Dank! —durch seine Güte satt gegessen, und du hast keinen Grund mehr, zu sagen, du wärest hungrig.' Da erzählte 'Alâ ed-Dîn ihr alles, was er mit dem Geiste erlebt hatte, nachdem sie in ihrer Angst ohnmächtig zu Boden gesunken war. In höchster Verwunderung sprach sie: ,Das mag wahr sein. Aber wenn auch die Geister den Menschenkindern erscheinen, so habe ich sie doch, mein Sohn, in meinem ganzen Leben noch nie gesehen. Ich glaube, dies ist wohl derselbe, der dich befreit hat, als du in der Schatzhöhle warst.' Doch er gab ihr zur Antwort: ,Das ist nicht derselbe, liebe Mutter; dieser Geist, der dir erschienen ist, war der Diener der Lampe.' Als sie diese Worte von ihm vernahm, fragte sie ihn: ,Wie ist denn das, mein Sohn?' Er erwiderte: ,Dieser Geist ist von anderer Art als jener; jener war der Diener des Siegelringes, aber der, den du gesehen hast, war der Diener der Lampe, die in deiner Hand war.'

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß die Mutter 'Alâ ed-Dîns. als sie von ihrem Sohne die Worte vernahm: ,Mutter, dieser Geist. der dir erschienen ist, war der Diener der Lampe', ausrief: ,Sieh da, sieh da, der da, das heißt der verfluchte Kerl, der mir erschien und mir einen solchen Todesschrecken einjagte, der hängt also mit der Lampe Zusammen?' Wie der Knabe das bejahte, fuhr sie fort: ,Ich bitte



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dich, mein Sohn, bei der Milch, die du von mir getrunken hast, wirf diese Lampe und den Ring fort; denn sie verursachen uns große Furcht; ich könnte den Anblick der Geister nicht zum zweiten Male ertragen. Auch wäre es eine Sünde für uns, mit ihnen zu verkehren; denn der Prophet -Allah segne um und gebe ihm Heil! — warnt uns vor ihnen.' ,Liebe Mutter,' antwortete er, ,deine Befehle erfülle ich sonst herzlich gern. Aber was du jetzt gesagt hast, kann ich unmöglich tun; ich kann weder die Lampe noch den Ring missen. Du hast doch selbst gesehen, welche Wohltat sie uns erwiesen hat, als wir hungrig waren! Und denke dran, Mutter, daß der maurische Zauberer. der Lügner, als ich in die Schatzhöhle gestiegen war, von mir weder Gold noch Silber, von dem die vier Räume voll waren. verlangte, sondern mir nur gebot, ihm allein die Lampe und nichts anderes zu bringen; denn er kannte die Größe ihrer Kräfte, und wenn er nicht gewußt hätte, daß sie gewaltige Zauberhaft besitzt, so hätte er sich nicht so bemüht und abgequält, er wäre nicht aus seiner Heimat auf der Suche nach ihr bis in unser Land gekommen, ja, er hätte auch nicht die Schatzhöhle wieder über mir verschlossen, als er die Lampe nicht erhielt, weil ich sie ihm nicht reichen konnte. Uns geziemt es, Mutter, diese Lampe sorgsam zu hüten und aufzubewahren; denn sie ist unser Lebensunterhalt, sie ist unser Reichtum. und wir dürfen niemandem etwas von ihr verraten. Und mit dem Ringe steht es ebenso; ich kann ihn unmöglich von meinem Finger herunternehmen; denn wäre der Ring nicht gewesen, so hättest du mich nicht wieder lebend erblickt, sondern ich wäre unter der Erde in der Schatzhöhle umgekommen. Wie könnte ich ihn da jetzt von meiner Hand ablegen? Wer weiß, was für Mißgeschick oder Unglück und welche trüben Erlebnisse mir die Zeit noch bringen wird, aus denen dieser Ring



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mich befreien kann? Doch um deinetwillen will ich diese Lampe fortnehmen und dich sie nie wieder sehen lassen.' Als seine Mutter diese Worte von ihm vernommen hatte und sie erwog und einsah, daß er recht hatte, sprach sie zu ihm: ,Mein Sohn, tu, was du willst! Ich meinerseits will sie nie wieder sehen, und ich möchte enen furchtbaren Anblick, den ich hatte, nie mehr erleben.'

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß 'Alâ ed-Dîn und seine Mutter zwei Tage lang von den Speisen aßen, die ihnen der Dämon gebracht hatte; dann waren sie zu Ende. Als er dann sah, daß sie nichts mehr zu essen hatten, nahm er eine von den Schüsseln, die der Geist auf dem Tische gebracht hatte; die waren von reinem Golde, aber 'Alâ ed-Dîn wußte nicht, woraus sie bestanden. Und wie er mit ihr zum Basar ging, begegnete ihm ein jüdischer Mann, der gemeiner war als ein Teufel; dem gab er die Schüssel. Als der Jude sie erblickte, nahm er den Knaben beiseite, damit niemand ihn sähe. Dann betrachtete er die Schüssel genau und überzeugte sich, daß sie von reinem Golde war. Er wußte aber nicht, ob 'Alâ ed-Dîn ihren Wert kannte oder ob er in solchen Dingen ein Neuling war. So fragte er ihn denn: ,Wieviel soll diese Schüssel kosten, lieber Herr?' 'Alâ ed-Dîn antwortete: ,Du weißt, wieviel sie wert ist.' Nun zögerte der Jude, wieviel er dem 'Alâ ed-Dîn dafür bieten sollte; denn der Knabe hatte ihm wie ein Geschäftsmann geantwortet, er aber wollte ihm nur wenig geben. Zugleich fürchtete er, daß 'Alâ ed-Dîn doch den Wert der Schüssel kennte, und er bedachte, ob er ihm viel bieten müsse. Dennoch sprach er bei sich selber: ,Nun, vielleicht weiß er doch nichts davon und kennt den Wert nicht!' Darauf holte er aus seiner Tasche einen Golddinar und gab ihm den; als 'Ala ed-Dîn den Dinar in seiner Hand sah, behielt er ihn



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und ging eilends fort. Da wußte der Jude, daß der Knabe den Wert der Schüssel nicht kannte, und er bereute es bitter, daß er ihm statt des Golddinars nicht einen Dreier gegeben hatte. 'Alâ ed-Dîn aber hielt sich nicht auf, sondern ging schnurstracks zum Bäcker, kaufte Brot und ließ sich den Dinar wechseln. Dann ging er damit zu seiner Mutter, gab ihr das Brot und den Rest des Dinars und sprach zu ihr: ,Mutter, geh und kaufe für uns ein, was wir brauchen!' Da begab seine Mutter sich zum Markte und kaufte alles, was sie brauchten. Dann aßen sie und waren guter Dinge. Sooft nun der Erlös einer Schüssel ausgegeben war, nahm er eine andere und brachte sie zum Juden; der verfluchte Jude aber kaufte alle diese Schüsseln um einen geringen Preis von ihm. Ja, der jude hätte ihm sogar gern den Preis noch heruntergedrückt; doch da er ihm das erste Mal einen Dinar gegeben hatte, so fürchtete er, daß der Knabe, wenn er ihm weniger gäbe, weggehen und an einen anderen verkaufen würde, und daß er selbst dann diesen hohen Gewinn nicht mehr erzielen würde. 'Alâ ed-Dîn verkaufte Schüssel auf Schüssel, bis er alle verkauft hatte und ihm nur noch der Tisch übrig blieb, auf dem die Schüsseln gestanden hatten. Da er aber groß und schwer war, so ging er und holte den Juden zum Hause. Dann brachte er den Tisch zu ihm hinaus, und als der Jude sah, wie groß er war, gab er ihm zehn Dinare. 'Alâ ed-Dîn nahm sie, und der jude ging fort. Nun bestritten der Knabe und seine Mutter ihren Unterhalt von den zehn Dinaren, bis sie aufgebraucht waren. Da holte 'Alâ ed-Dîn die Lampe wieder hervor und rieb sie; sofort stieg vor ihm der Geist auf, der ihm früher erschienen war.

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß der Geist, der Diener der Lampe, zu 'Alâ ed-Dîn sprach: ,Verlange, mein Herr, was du wünschest! Denn ich bin



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dein Diener, der Diener dessen, der die Lampe hat.' 'Alâ ed-Dîn antwortete ihm: ,Ich wünsche, daß du mir einen Tisch mit Speisen bringst, wie du ihn mir zuvor gebracht hast; denn ich bin hungrig.' Im Augenblick brachte der Geist den Tisch, gleich dem, den er ihm zuvor gebracht hatte; auf ihm standen zwölf kostbare Schüsseln mit feinen Speisen, dazu auch Flaschen mit klarem Wein, und neben ihnen lag weißes Brot. Die Mutter 'Ah ed-Dîns aber war hinausgegangen, als sie erfuhr, daß ihr Sohn die Lampe reiben wolle, damit sie den Dämon nicht zum zweiten Male zusehen brauchte. Nach einer kleinen Weile kam sie wieder zu ihm hinein und sah diesen Tisch voll von den silbernen Schüsseln, während der Duft der köstlichen Speisen sich im ganzen Hause verbreitete. Wie sie nun erstaunte und sich freute, sprach 'Alâ ed-Dîn zu ihr: ,Schau, Mutter, du sagtest mir, ich sollte die Lampe fortwerfen; nun sieh ihre Zauberkräfte!' ,Lieber Sohn,' erwiderte sie, ,Gott soll es ihm lohnen; aber ich möchte ihn doch nicht wiedersehen.' Darauf setzten 'Alâ ed-Dîn und seine Mutter sich an den Tisch und aßen und tranken, bis sie gesättigt waren. Was ihnen noch übrig blieb, stellten sie für den nächsten Tag beiseite. Und als dann die Speisen, die sie erhalten hatten, aufgezehrt waren, nahm 'Alâ ed-Dîn eine von den Schüsseln unter sein Gewand und ging fort, um den Juden zu suchen und sie ihm zu verkaufen. Doch das Schicksal wollte es, daß er an dem Laden eines Goldschmieds vorbeikam, der ein ehrlicher, frommer und gottesfürchtiger Mann war. Wie der alte Goldschmied den 'Alâ ed-Dîn erblickte, fragte er ihn: ,Mein Sohn, was hast du da vor? Ich habe dich schon viele Male gesehen, wie du hier vorbeigingst und dann mit einem jüdischen Manne verhandekest. Ich sah auch, wie du ihm Gegenstände gabst, und ich glaube, du hast jetzt auch wieder etwas bei dir und suchst nach ihm, um



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es ihm zu verkaufen. Du weißt wohl nicht, mein Sohn, daß bei den Juden das Gut der Muslime, die den einigen Allah, den Erhabenen verehren, als erlaubte Beute gilt und daß sie immer die Muslime betrügen, besonders aber dieser verfluchte Jude, mit dem du verhandelt hast und dem du in die Hände gefallen bist. Hast du, mein Sohn, etwas bei dir, das du verkaufen willst. so zeige es mir; hab keinerlei Furcht, ich will dir den rechten Preis dafür geben, so wahr Allah der Erhabene lebt.' Da zeigte 'Alâ ed-Dîn die Schüssel dem Alten: und wie der sie sah, nahm er sie und wog sie auf der Waage. Dann fragte er den Knaben: ,Waren die Dinge, die du dem Juden verkauftest, so wie diese' Jener gab zur Antwort: ,Ja, genau das gleiche.' ,Wieviel pflegte er dir dafür zu geben?' fragte der Goldschmied weiter; und 'Alâ ed-Dîn erwiderte: ,Er gab mir immer einen Dinar.'

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß der alte Goldschmied, als er von 'Alâ ed-Dîn hörte, daß der Jude ihm als Preis für die Schüssel nur einen einzigen Dinar zu geben pflegte, ausrief: ,O über diesen Verruchten, der die Diener Allahs des Erhabenen betrügt!' Dann blickte er auf 'Alâ ed-Dîn und sprach zu ihm: ,Mein Sohn, dieser listige jude hat dich betrogen und sich über dich lustig gemacht; denn deine Schüssel hier ist reines, echtes Silber. Ich habe sie gewogen und gefunden, daß ihr Wert siebenzig Dinare beträgt; und wenn du den Preis dafür haben willst, so nimm ihn hin!' Mit diesen Worten zählte der alte Goldschmied ihm siebenzig Dinare hin; er nahm sie von ihm in Empfang und dankte ihm für seine Güte, da er ihm den Betrug des Juden aufgedeckt hatte. Und jedes Mal, wenn der Erlös für eine Schüssel aufgebraucht war, brachte er nunmehr eine andere zu ihm. 'Alâ ed-Dîn und seine Mutter waren nun wohlhabender; aber sie lebten weiter wie bisher als Leute des Mittelstandes, ohne zu viel auszugeben und



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ohne Geld zu verschwenden. 'Alâ ed-Dîn gab nun auch das Nichtstun und den Verkehr mit den bösen Buben auf und begann mit den rechtschaffenen Männern zu verkehren; jeden Tag ging er zum Basar der Kaufleute, setzte sich zu vornehm und gering unter ihnen und fragte nach den Handelsverhältnissen, nach den Preisen und Waren und dergleichen. Auch ging er zum Basar der Goldschmiede und dem der Juweliere, und dort pflegte er zu sitzen, um sich mit den Juwelen vertraut zu machen und dem Kauf und Verkauf der Edelsteine zuzusehen. Da bemerkte er denn auch bald, daß die beiden Beute!. die er mit den Früchten der Bäume gefüllt hatte, als er damals in der unterirdischen Schatzhöhle war, weder Glas noch Kristall, sondern Edelsteine enthielten, und er wußte nun, daß er großen Reichtum erlangt hatte, wie ihn selbst die Könige nie besaßen. Er betrachtete genau alle Edelsteine, die im Basar der Juweliere vorhanden waren, und er sah, daß auch der größte unter ihnen nicht dem kleinsten der seinigen gleichkam. So ging er immerfort jeden Tag zum Basar der Juweliere, machte sich mit den Leuten bekannt und befreundet und fragte sie nach Kauf und Verkauf, nach Geben und Nehmen und auch nach Teurem und Billigem. Eines Tages aber, nachdem er sich am Morgen erhoben und angekleidet hatte, ging er wie gewöhnlich zum Basar der Goldschmiede; und während er so dahinging, hörte er, daß der Herold folgendermaßen ausrief: ,Auf Befehl unseres gnädigen Herren, des größten Königs unserer Zeit, des mächtigsten Herrschers des Jahrhunderts und in Ewigkeit, sollen alle Leute ihre Lager und Läden verschließen und in ihre Häuser gehen; denn die Herrin Badr el-Budûr, die Tochter des Sultans, will sich in das Bad begeben. Jeder, der diesen Befehl übertritt, wird mit dem Tode bestraft werden, und sein Blut soll auf sein Haupt kommen!' Wie 'Alâ ed-Dîn diese Verkündigung



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hörte, verlangte es ihn danach, die Prinzessin zu sehen, und er sprach bei sich selber: ,Alle Leute reden von ihrer Schönheit und Anmut; drum ist es mein höchster Wunsch. sie zu sehen.'

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß 'Alâ ed-Dîn sich nach einem Mittel umzusehen begann, durch das er erreichen könnte, die Tochter des Sultans, die Prinzessin Badr el-Budûr, zu schauen. Da hielt er es denn für das beste, sich hinter der Tür des Badehauses aufzustellen, um ihr Antlitz zu sehen, wenn sie dort hineinging. Noch im selben Augenblicke begab er sich zum Badehause, ehe sie kam, und stellte sich hinter der Tür an einer Stelle auf, wo ihn kein Mensch sehen konnte. Nachdem dann die Prinzessin sich aufgemacht und die Straßen der Stadt durchzogen und in Augenschein genommen hatte, kam sie zum Badehause. Und wie sie dort angelangt war, hob sie beim Eintritt den Schleier von ihrem Gesichte. Da erstrahlte ihr Antlitz an Schönheit so reich, der leuchtenden Sonne oder einer kostbaren Perle gleich. Und sie war, wie einer der Dichter, die ihresgleichen beschrieben, von ihr gesungen hat:

Wer streute Zauberschminke wohl auf die Blicke ihr
Und pflückte Rosenblüten wohl von der Wange ihr?
Ein nächtlich Dunkel ziert der Haare schwarze Pracht.
Doch ihrer Stirne Licht erhellt die finstre Nacht.

Als sie nun den Schleier von ihrem Antlitz gehoben hatte und 'Alâ ed-Dîn sie erblickte, sprach er: ,Wahrlich, ihre Gestalt preist den Allmächtigen, der sie gestaltet hat! Lob sei ihm, der sie geschaffen und mit dieser Schönheit und Anmut geschmückt hat!' Seine Kraft brach zusammen, als er sie anstarrte, seine Gedanken wurden verwirrt, sein Blick bezaubert, und die Liebe zu ihr erfüllte sein ganzes Herz. Dann kehrte er nach Hause zurück



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und trat zu seiner Mutter ein, völlig hingerissen, wie er war. Seine Mutter begann mit ihm zu reden, doch er fragte und sagte nichts. Dann brachte sie ihm das Mittagsmahl, während er immer noch in diesem Zustande verharrte. Da sprach sie zu ihm: ,Mein Sohn, was ist dir widerfahren? Schmerzt dich etwas? Sage mir, was ist mit dir geschehen? Du bist nicht so wie sonst. Ich rede mit dir, doch du gibst mir keine Antwort!' 'All ed-Dîn aber, der bis dahin geglaubt hatte, alle Frauen seien wie seine Mutter, der zwar von der Schönheit der Prinzessin Badr el-Budûr, der Tochter des Sultans, gehört hatte, aber nicht ahnte, was Schönheit und Anmut war, wandte sich nach seiner Mutter um und sagte nur: ,Laß mich!' Doch sie drang in ihn, er möchte zum Essen kommen; so trat er denn heran und aß ein wenig. Dann legte er sich auf sein Bett und war in Gedanken versunken, bis es Morgen ward. Auch am nächsten Tage verharrte er in diesem Zustande. Nun war seine Mutter in großer Sorge um ihren Sohn, und da sie nicht wußte, was mit ihm geschehen war, so dachte sie, er sei vielleicht krank; sie trat zu ihm und fragte ihn mit den Worten: ,Mein Sohn, wenn du Schmerzen oder sonst etwas verspürst, so sage es mir, auf daß ich hingehe und dir einen Arzt hole. Gerade jetzt befindet sich in dieser Stadt ein Arzt aus dem Lande der Araber, den der Sultan hat kommen lassen; von dem geht der Ruf, daß er sehr geschickt sei. Wenn du also krank bist, so will ich hingehen und ilm zu dir rufen.'

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß 'All ed-Dîn, als er vernahm, seine Mutter wolle ihm den Arzt bringen, zu ihr sprach: ,Liebe Mutter, ich bin gesund, ich bin nicht krank. Aber ich hatte geglaubt, alle Frauen seien so wie du; und nun habe ich gestern die Prinzessin Badr el-Budûr, die Tochter des Sultans, gesehen, wie sie zum Bade



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ging.' Darauf erzählte er ihr alles und jedes, was er erlebt hatte, und er schloß mit den Worten: ,Vielleicht hast du gehört, wie der Herold ausrief, niemand dürfe seinen Laden öffnen, noch auf der Straße stehen, damit die Prinzessin Badr el-Budûr sich zum Badehause begeben könne. Ich aber habe sie gesehen, wie sie ist; denn als sie zu der Tür des Badehauses kam, hob sie den Schleier von ihrem Antlitz. Doch wie ich ihr Angesicht und ihre herrliche Gestalt sah, da ergriff mich, o Mutter, die Liebe zu ihr mit heftigem Weh, und die Sehnsucht nach ihr entbrannte in meinem ganzen Leibe, und ich finde keine Ruhe mehr, wenn ich sie nicht gewinne. Darum denke ich, ich will sie vom Sultan, ihrem Vater, nach Recht und Gesetz zur Gemahlin erbitten.' Als die Mutter 'Alâ ed-Dîns solche Worte von ihrem Sohne vernahm, zweifelte sie an seinem Verstande, und sie sprach zu ihm: ,Mein Sohn, der Name Allahs umschirme dich! Es scheint, du hast den Verstand verloren, mein Kind. Laß dich wieder auf den rechten Weg führen und sei nicht wie die Besessenen!' ,Nein, liebe Mutter,' rief er, ,ich habe den Verstand nicht verloren, ich gehöre auch nicht zu den Besessenen. Diese deine Worte ändern nichts an dem, was ich im Sinne habe. Ich kann keine Ruhe finden, als bis ich mein Herzblut, die schöne Prinzessin Badr el-Budûr, gewinne; ich will um sie bei ihrem Vater, dem Sultan, freien.' ,Ach, mein Sohn,' erwiderte sie, ,ich beschwöre dich bei meinem Leben, rede nicht solche Worte, damit keiner dich hört und sagt, du seiest besessen! Laß ab von dieser Torheit! Wer sollte sich wohl getrauen und unterfangen, den Sultan darum zu bittend Ich weiß auch nicht, wie du es machen willst, daß du diese Bitte zum Sultan gelangen lässest, wenn deine Worte wirklich ernst gemeint sind. Durch wen willst du denn um sie freien?' Da gab 'Alâ ed-Dîn ihr zur Antwort: ,Durch wen, liebe Mutter, sollte



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ich wohl um sie werben lassen, so lange du noch da bist? Wer ist mir ein treuerer Freund als du? Ich wünsche, daß du selbst für mich diese Werbung vorbringst!' ,Mein Sohn,' rief sie aus, ,Allah behüte mich davor! Habe ich denn wie du den Verstand verloren? Verbanne diesen Gedanken aus deinem Sinne, denke daran, wessen Sohn du bist! Mein Kind, du bist der Sohn des ärmsten und geringsten Schneiders, den es in dieser Stadt gibt; auch ich, deine Mutter, stamme von ganz armen Leuten ab. Wie kannst du es wagen, um die Tochter des Sultans zu werben, deren Vater sie nicht einmal mit einem Prinzen aus dem Hause eines Königs oder eines Sultans zu vermählen geruht, es sei denn, daß er ihm an Macht, Rang und Ehre gleich ist; wenn jener aber nur um eine Stufe niedriger steht, so gibt er ihm seine Tochter nicht.'

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß 'Alâ ed-Dîn wartete, bis seine Mutter ihre Rede beendet hatte, und dann zu ihr sprach: ,Liebe Mutter, alles, woran du gedacht hast, das weiß ich; ich bin mir auch wohl bewußt. daß ich ein Kind armer Leute bin. Aber alle diese deine Worte werden mich nie von meinem Entschlusse abbringen; und ich flehe dich an, wenn anders ich dein Sohn bin und du mich lieb hast, tu mir diesen Gefallen: sonst wirst du mich verlieren, und der Tod wird mich bald ereilen, wenn ich nicht bei meiner Herzliebsten das Ziel meiner Wünsche erreiche. Ich bin doch auch, liebe Mutter, immer noch dein Sohn!' Als seine Mutter diese Worte aus seinem Munde vernahm, begann sie in ihrer Trauer um ihn zu weinen, und sie sprach: ,Mein Sohn, ja, ich bin deine Mutter, und ich habe kein anderes Kind, kein Herzblut als dich. Es ist mein höchster Wunsch, mich deiner zu erfreuen und dich zu vermählen; und wenn du willst, so will ich dir eine Frau suchen unter unseresgleichen und Leuten



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unseres Standes. Aber sie werden sofort fragen, ob du ein Handwerk hast oder Landbesitz, ein Gewerbe oder einen Garten, um davon zu leben. Was soll ich ihnen dann antworten? Wenn ich also nicht einmal Leuten, die so arm sind wie wir. Antwort stehen kann, wie könnte ich es da wagen, mein Sohn, um die Tochter des Königs von China zu werben, der vor und nach seinesgleichen nicht hat? Überlege das alles mit deinem Verstande! Und wer soll um sie für einen Schneiderssohn werben? Ich weiß sicher, wenn ich davon spreche, so wird das unser Unglück nur noch vermehren, da es uns in große Gefahr von seiten des Sultans stürzen kann; ja, vielleicht wird es mir und dir den Tod bringen. Und ich selbst, wie könnte ich mich zu einer so gefährlichen und verwegenen Tat hinreißen lassen? Mein Sohn, in welcher Weise soll ich denn für dich beim Sultan um seine Tochter anhalten? Wie kann ich zu ihm Zutritt erlangen? Und was soll ich antworten, wenn man mich fragt? Vielleicht wird man mich für eine Verrückte halten. Und nimm einmal an, ich ginge hin und verlangte Zutritt zum Sultan, was für ein Geschenk soll ich für Seine Majestät mitnehmen?'

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß die Mutter 'Alâ ed-Dîns mit ihren Worten an ihren Sohn fortfuhr: ,Ja, mein Kind, ich weiß, daß der Sultan milde ist, daß er niemanden abweist, der ihm naht und ihn um Gerechtigkeit oder Gnade anfleht oder sich in seinen Schutz begibt oder ihn um eine Gabe bittet, denn er ist gütig und gnädig gegen nah und fern; aber er erweist seine Gnade auch nur dem, der ihrer wert ist, der vor ihm eine Heldentat im Kriege vollbracht hat oder der sein Land geschützt hat. Und du nun, mein Sohn, sag mir, welche Großtat hättest du wohl vor dem Sultan oder vor der Regierung vollbracht, daß du von ihm einen solchen Gnadenbeweis verdientest? Und zweitens, diese Gnade,



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nach der du strebst, ist dir nicht angemessen, und es ist unmöglich, daß der König sie dir gewährt. Wer dein Könige naht und von ihm eine Huld erbittet, der muß ihm ein Geschenk bringen, das sich für seine Majestät ziemt, wie ich dir schon gesagt habe. Wie wäre es denn nur möglich, daß du dich vor den Sultan wagtest und dann vor ihm ständest, um seine Tochter von ihm zur Frau zu erbitten, ohne daß du ein Geschenk bei dir hättest, das seines Ansehens würdig wäre?' ,Liebe Mutter,' gab 'Alâ ed-Dîn ihr zur Antwort, ,deine Worte sind recht, und deine Gedanken treffen das Richtige. Ich hätte an all 'das denken sollen, an das du mich erinnert hast. Und doch, o Mutter, die Liebe zur Tochter des Sultans, der Prinzessin Badr el-Budûr, ist mir tief ins Herz gedrungen, und ich finde keine Ruhe mehr, wenn ich sie nicht gewinne. Du hast mich an etwas erinnert, das ich vergessen hatte; doch das ist es gerade, was mir den Mut dazu gibt, um seine Tochter bei ihm durch dich zu werben. Du fragst mich, Mutter, was für ein Geschenk ich hätte, um es dem Könige nach der Sitte der Menschen darzubieten. Nun wohl, ich habe ein Geschenk, eine Gabe, und ich glaube, kein einziger König besitzt etwas, das ihr gliche oder auch nur ähnlich wäre.'

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß 'Ah ed-Dîn weiter zu seiner Mutter sprach: ,Liebe Mutter. was ich für Glas und Kristalle hielt, das sind lauter Edelsteine. Ich glaube, alle Könige der Welt haben nicht einmal einen Stein, der dem kleinsten von meinen Juwelen gleichkäme. Durch meinen Verkehr mit den Juwelieren habe ich erfahren, daß es kostbare Edelsteine sind, jene, die ich aus der Schatzhöhle in den Taschen mitgebracht habe. Wenn du so gut sein willst, so bemühe dich und hole mir die Porzellanschüssel. die wir besitzen, auf daß ich sie mit diesen Edelsteinen



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fülle und du sie als Geschenk dem Sultan bringst. Ich bin gewiß, daß dir hierdurch deine Aufgabe erleichtert wird, wenn du vor dem Sultan stehst und ihn um das bittest, was ich wünsche. Wenn du aber mir nicht behilflich sein willst, daß ich mein Ziel bei der Prinzessin Badr el-Budûr erreiche, so wisse, Mutter, daß ich sterben muß. Mache dir wegen dieses Geschenkes keine Sorgen! Denn es besteht aus den kostbarsten Juwelen. Glaube mir, Mutter, ich bin viele Male zum Basar der Juweliere gegangen, und da habe ich gesehen, wie diese Leute Edelsteine, die an Schönheit nicht ein Viertel der unsrigen wert waren, für so hohe Summen verkauften, daß der menschliche Verstand sie nicht erfassen kann. Als ich das sah, da sagte ich mir, daß die Edelsteine, die wir haben, ganz außerordentlich wertvoll sind. Drum steh auf, liebe Mutter, wie ich dir gesagt habe, hole mir die Porzellanschüssel, von der ich sprach, damit wir einige von diesen Juwelen hineinlegen und sehen, wie sie sich darin ausnehmen.' Da ging die Mutter 'Alâ ed-Dîns hin und holte die Porzellanschüssel, indem sie bei sich selber sprach: ,Ich will doch einmal sehen, ob das, was mein Sohn von diesen Steinen sagt, wahr ist oder nicht!' Nachdem sie dann die Schüssel vor ihn hingesetzt hatte, holte 'Alâ ed-Dîn Edelsteine aus den Beuteln hervor und legte sie in die Schüssel; Edelsteine verschiedenster Art legte er ohne Unterlaß hinein, bis er sie angefüllt hatte. Und als sie ganz voll war, blickte die Mutter des Knaben auf die Schüssel; aber sie konnte nicht lange hinsehen, sondern sie mußte vielmehr mit den Augen blinzeln, weil die Edelsteine strahlten und leuchteten und hell blitzten. Zwar ward ihr fast der Sinn durch sie verwirrt, aber sie war doch noch nicht ganz sicher, ob der Wert der Steine wirklich so sehr hoch war oder nicht. Immerhin sagte sie sich, daß ihr Sohn vielleicht doch recht hatte, wenn er sagte, dergleichen



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finde sich nicht im Besitze der Könige. Da wandte 'Alâed-Dîn den Blick zu ihr und sprach: ,Siehst du, Mutter, daß dies ein großes Geschenk für den Sultan ist? Ich bin sicher, daß du dadurch bei ihm hochgeehrt werden wirst und daß er dich mit aller Achtung empfangen wird. Jetzt, liebe Mutter, hast du keine Ausrede mehr; drum sei so gut, nimm diese Schüssel und geh mit ihr zum Schlosse!' ,Jawohl, mein Sohn,' erwiderte sie, ,dies Geschenk ist sehr teuer und wertvoll, und niemand besitzt seinesgleichen, so wie du gesagt hast. Doch wer hätte den Mut. sich dem Sultan zu nahen und bei ihm um seine Tochter Badr el-Budûr zu werben? Ich kann mich nicht erkühnen, zu ihm zu sagen: ,Ich wünsche deine Tochter', wenn er mich fragt, was ich wünsche. Nein, nein, mein Sohn, meine Zunge wäre dann gebunden. Und gesetzt den Fall, Allah gäbe mir Kraft und ich fände den Mut ihm zu sagen: ,Ich wünsche mich durch die Heirat deiner Tochter, der Prinzessin Badr el-Budûr, mit meinem Sohne 'Alâ ed-Dîn zu verschwägern', so würde man mich dann doch für verrückt halten und mich mit Schimpf und Schande fortjagen, um nichts davon zu sagen, daß ich in Todesgefahr geraten würde, nicht nur ich allein, sondern auch du. Aber trotz alledem, mein Sohn, um deinetwillen muß ich mir ein Herz fassen und hingehen. Doch, mein Sohn, wenn der König um des Geschenkes willen mich ehrenvoll aufnimmt, so will ich ihm wohl deine Bitte vortragen.'

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß die Mutter 'Alâ ed-Dîns des weiteren zu ihrem Sohne sprach: ,Ich will dem Sultan wohl deine Bitte vortragen, nämlich die Vermählung mit seiner Tochter, aber wenn er mich fragt, wie groß dein Besitz und deine Einkünfte seien, wie die Menschen zu fragen pflegen, was soll ich ihm dann antworten? Vielleicht, mein Sohn, wird er eher danach als nach dir fragen.'



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Doch 'Alâ ed-Dîn erwiderte: ,Es ist unmöglich, daß der Sultan danach fragt, wenn er die Edelsteine und ihre Pracht sieht. Darum sorge dich nicht um Dinge, die nicht geschehen werden, sondern mache dich nur auf, bringe ihm diese Juwelen und wirb für mich bei ihm um seine Tochter. Sitze nicht länger da, indem du dir über die Sache schwere Gedanken machst! Früher hast du doch schon um die Lampe gewußt, die ich habe, die jetzt für unseren Lebensunterhalt sorgt und die mir alles verschafft, was ich von ihr verlange. Ich hoffe, daß ich mit ihrer Hilfe auch wissen werde, wie ich dem Sultan antworten soll. wenn er mich danach fragt.' In dieser Weise sprachen 'Alâ ed-Dîn und seine Mutter die ganze Nacht hindurch miteinander. Als es dann aber Morgen ward, faßte die Mutter sich ein Herz, besonders da ihr Sohn ihr noch einiges von den Kräften und Eigenschaften der Lampe erklärt hatte, daß sie ihnen nämlich alles verschaffen würde, was sie nur wünschten; freilich als 'Alâ ed-Dîn sah, daß seine Mutter Mut schöpfte, weil er ihr die Kräfte der Lampe auseinandersetzte, da fürchtete er, sie würde davon zu den Leuten reden, und darum sprach er zu ihr: ,Mutter, hüte dich, irgend jemandem etwas von der Lampe und ihrer Zaubergewalt zu sagen; denn sie ist unser größter Schatz. Nimm dich davor in acht, zu irgendeinem Menschen von ihr zu schwätzen, damit wir sie nicht verlieren und das glückliche Leben, das wir führen und das wir ihr verdanken, entbehren müssen!' Die Mutter gab ihm zur Antwort: ,Das brauchst du nicht zu befürchten, mein Sohn', nahm die Schüssel mit den Edelsteinen, nachdem sie sie in ein feines Tuch gehüllt hatte, und ging beizeiten fort, um den Staatssaal zu erreichen und zu betreten, ehe er sich mit Menschen füllte. So zog sie denn mit der Schüssel zum Schlosse. Als sie dort ankam, war die Staatsversammlung noch nicht vollzählig, und sie konnte sehen, wie



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der Wesir und einige Große des Reiches in die Regierungshalle des Sultans eintraten. Bald darauf jedoch füllte sich der Saal mit den Wesiren, den Großen und Häuptlingen des Reiches. den Emiren und den Vornehmen. Dann nach einer kleinen Weile erschien der Sultan, und die Wesire und die anderen Häuptlinge und Großen warteten ihm auf. Der Herrscher setzte sich im Staatssaale auf den Königsthron nieder, während alle dort Anwesenden mit gekreuzten Armen vor ihm standen und warteten, bis er ihnen befehlen würde, sich zu setzen. Als er das getan hatte, setzten sie sich, ein jeder auf seinen Platz; dann wurden die Rechtsfälle dem Sultan vorgetragen, und er entschied eine jede Sache in ihrer Weise, bis die Versammlung beendet war. Da erhob der König sich, begab sich wieder in das Schloß zurück, und ein jedes Wesen ging seines Weges.

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß die Mutter 'Alâ ed-Dîns, weil sie vor der Menge gekommen war, hatte eintreten können; aber weil niemand ihr ein Wort sagte, um sie vor den Sultan zu führen, so blieb sie dort stehen, bis die Staatsversammlung beendet war, der Sultan sich erhob und sich ins Schloß begab und alle anderen ihres Weges gingen. Als sie sah, daß der Sultan seinen Thron verlassen hatte und in den Harem gegangen war, machte auch sie sich auf, ging ihren Weg zurück und trat in ihr Haus ein. Wie ihr Sohn 'Alâed-Dîn sie mit der Schüssel in der Hand erblickte, wußte er, daß ihr wohl etwas zugestoßen war; aber er wollte sie nicht eher fragen, als bis sie drinnen im Hause die Schüssel niedersetzte und ihm selbst berichtete, was ihr widerfahren sei. Schließlich sprach sie zu ihm: ,Lieber Sohn, Preis sei Allah, daß ich heute Mut hatte und mir einen Platz im Staatssaale. gesucht habe. Und wenn es mir auch noch nicht möglich war, den Sultan zu sprechen, werde ich doch, so Gott der Erhabene



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will, morgen mit ihm reden. Heute waren auch noch viele andere Leute da, die wie ich keine Gelegenheit fanden, mit dem Sultan zu sprechen. Doch sei gutes Muts, mein Sohn, morgen werde ich sicher mit ihm reden, dir zuliebe, komme was will!' Wie 'Alâ ed-Dîn die Worte seiner Mutter vernommen hatte. war er hocherfreut, obgleich er im Übermaß seiner Liebe und seiner Sehnsucht nach der Prinzessin Badr el-Budûr von Stunde zu Stunde auf die Entscheidung wartete. Trotzdem faßte er sich in Geduld, und so warteten beide bis zum nächsten Morgen. Da machte die Mutter sich wieder auf und ging mit der Schüssel zum Staatssaale des Sultans. Dort sah sie, daß der Saal geschlossen war, und als sie die Leute darüber befragte, sagten sie ihr: ,Der Sultan hält immer nur dreimal in der Woche eine Staatsversammlung ab.' So mußte sie an jenem Tage wieder nach Hause zurückkehren. Und nun ging sie jeden Tag hin. Wenn sie sah, daß Versammlung war, so stellte sie sich vor dem Staatssaale auf, so lange bis alles zu Ende war, und kehrte heim; und an den anderen Tagen fand sieden Saal geschlossen. Dabei blieb sie eine ganze Woche. Der Sultan aber bemerkte sie bei jeder Versammlung; und als sie am letzten Tage wieder hingegangen war und sich wie gewöhnlich vor dem Staatssaale aufgestellt hatte, bis die Versammlung geschlossen wurde, ohne daß sie den Mut fand, vorzutreten oder ein Wort zu sagen, wandte der Sultan sich beim Eintritt in den Harem an den Großwesir, der ihn begleitete, mit den Worten: ,Wesir, seit sechs bis sieben Tagen sehe ich zu jeder Staatsversammlung diese Alte hierher kommen, und ich sehe, wie sie immer etwas unter ihrem Mantel trägt. Weißt du etwas von ihr, o Wesir, oder von ihrem Anliegen?' ,O unser Herr und Sultan,' erwiderte der Wesir, ,die Frauen haben geringe Verstandeskräfte; vielleicht kommt diese Frau, um sich bei dir über ihren Mann



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oder über jemanden von ihren Angehörigen zu beklagen.' Der Sultan jedoch gab sich mit der Antwort des Wesirs nicht zufrieden, sondern er befahl ihm, wenn die Frau wieder zum Staatssaale käme, so solle er sie vor seinen Thron führen. Sofort legte der Wesir seine Hand auf sein Haupt und sprach: ,Ich höre und gehorche, o unser Herr und Sultan!'

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß die Mutter 'Alâ ed-Dîns, die sich schon daran gewöhnt hatte, jeden Tag zum Staatssaale zu gehen und dort angesichts des Sultans zu stehen, obgleich sie betrübt und sehr ermattet war, die aber dennoch ihrem Sohne 'Alâed-Dîn zuliebe alle Mühe für leicht erachtete, nun wieder einmal eines Tages zur Regierungshalle ging, wie immer, und sich vor den Augen des Sultans aufstellte. Als der sie erblickte, befahl er seinem Wesir: ,Da ist ja die Frau, von der ich dir neulich gesprochen habe; bringe sie jetzt vor mich, damit ich ihr Anliegen erfahre und ihre Sache entscheide.' Sofort ging der Wesir hin und führte die Mutter 'Alâ ed-Dîns vor den Thron. Als die alte Frau nun vor dem Herrscher stand, machte sie die Reverenz vor ihm, wünschte ihm Macht und langes Leben und ewiges Glück und küßte den Boden vor ihm. ,Du Frau,' hub der Sultan an, ,seit wieviel Tagen sehe ich dich schon zum Staatssaale kommen, ohne daß du ein Wort sagst! Nun tu mir kund, ob du ein Anliegen hast, auf daß ich es dir erfülle!' Wiederum küßte die Mutter 'Alâ ed-Dîns den Boden und fichte den Segen des Himmels auf den König herab; dann begann sie: ,Jawohl, bei deinem Haupte, o größter König unserer Zeit, ich habe ein Anliegen. Aber vor allen Dingen geruhe, mir Sicherheit zu versprechen, auf daß ich mein Anliegen den Ohren unseres Herrn und Sultans unterbreiten kann; denn vielleicht wird deine Majestät mein Anliegen seltsam finden.' Der Sultan



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wollte nun gern erfahren, was sie für ein Anliegen hatte, und er war auch von Natur ein sehr gütiger Mann; so versprach er ihr denn Sicherheit, befahl zugleich, daß alle Anwesenden fortgehen sollten, und blieb mit dem Großwesir allein dort. Darauf redete er sie an mit den Worten: ,Trag deine Sache vor; du stehst unter dem Schutz Allahs des Erhabenen!' .O größter König unserer Zeit,' erwiderte sie, ,ich bitte auch dich um Verzeihung.' ,Allah verzeihe dir!' sprach er darauf, und sie fuhr fort: ,O unser Herr und Sultan, ich habe einen Sohn, der heißt 'Alâ ed-Dîn. Er hat eines Tages gehört, wie der Herold ausrief, niemand solle seinen Laden auftun oder sich auf den Straßen der Stadt zeigen, weil die Prinzessin Badr el-Budûr, die Tochter unseres Herrn und Sultans, sich zum Badehause begebe. Als mein Sohn das hörte, wollte er sie so gern anschauen, und er versteckte sich an einer Stelle, von der aus er sie gut sehen konnte; das war hinter der Tür des Bades. Und als sie dann kam, schaute er sie und sah sie noch besser, als er gewollt hatte. Aber seitdem er sie erblickt hat, o größter König unserer Zeit, bis zu diesem Augenblick, ist ihm das Leben keine Freude mehr, und er hat von mir verlangt, ich sollte sie von deiner Majestät erbitten, auf daß du sie mit ihm vermählest. Es ist mir nicht möglich gewesen, ihm diesen Gedanken aus dem Sinne zu vertreiben: denn die Liebe zu ihr hat sein Herz so sehr gefangen genommen, daß er sogar zu mir gesagt hat: ,Wisse, Mütterchen, wenn ich meinen Wunsch nicht erfüllt sehe, so bin ich sicher bald tot.' Ich bitte deine Majestät um Milde und Verzeihung für dies verwegene Unterfangen, in meinem und in seinem Namen. Nimm uns dies nicht übel!' Als der König ihre Worte angehört hatte, begann er, da er ja ein gütiger Herr war, zu lächeln und fragte: ,Was ist denn das, was du bei dir hast? Was ist das für ein Bündel?' Wie die Mutter



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'Alâ ed-Dîns sah, daß der Sultan nicht zornig wurde, sondern lächelte, öffnete sie sofort das Tuch und reichte ihm die Schüssel mit den Juwelen. Der Sultan blickte auf die Edelsteine, und da nun das Tuch von ihnen abgenommen war, schien es, als ob die ganze Halle von Kronleuchtern und Kandelabern erleuchtet sei; er ward geblendet und verwirrt von dem Glanze der Juwelen und erstaunte über ihre Pracht, ihre Größe und ihre Schönheit.

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß der Sultan, als er auf die Edelsteine blickte, erstaunt ausrief: ,Bis jetzt habe ich noch nie etwas Ähnliches gesehen wie diese Juwelen; so schön, so groß und so herrlich sind sie. Ich glaube, in meinen Schatzkammern findet sich nicht ein einziger wie sie!' Und zu seinem Wesir gewandt fuhr er fort: ,Was meint du, Wesir, hast du je in deinem Leben etwas gesehen wie diese Edelsteine?' Der Wesir antwortete: ,Ich habe es nie gesehen, o unser Herr und Sultan, und ich glaube auch nicht, daß in den Schatzkammern meines Herrn und Königs sich ein Stein fände, der so groß wäre wie der kleinste von ihnen.' Darauf sagte der König: ,Wahrlich, wer mir solche Juwelen schenkt, der verdient es, der Gemahl meiner Tochter Badr el-Budûr zu werden; denn soweit ich sehe, ist keiner ihrer würdiger als er.' Doch wie der Wesir die Worte des Sultans vernahm, ward ihm die Zunge vor Kummer wie gelähmt; er ward von tiefem Gram ergriffen, weil der König ihm versprochen hatte, er wolle seine Tochter mit seinem Sohne vermählen. Nach einer kleinen Weile aber hub er an: ,O größter König unserer Zeit, verzeih mir! Deine Majestät hat mir versprochen, Prinzessin Badr el-Budûr solle meinem Sohne zuteil werden. Möge die Güte deiner erlauchten Hoheit eine Frist von drei Monaten zu gewähren geruhen! So Gott will, wird das Geschenk



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von meinem Sohne noch größer sein als dies !'Obgleich der König wohl wußte, daß dies weder dem Wesir noch auch dem mächtigsten König möglich war, so geruhte er doch in seiner Güte, einen Aufschub von drei Monaten zu gewähren, wie der Minister gebeten hatte. Darauf wandte er sich wieder zu der alten Mutter 'Alâ ed-Dîns und sprach zu ihr: ,Geh zu deinem Sohne und sag ihm, ich gäbe ihm mein Wort, daß meine Tochter für ihn bestimmt sei; doch ich müsse sie erst ausstatten und die nötigen Vorbereitungen treffen, deshalb solle er sich noch drei Monate gedulden.' Nachdem die Mutter 'Alâ ed-Dîns diese Antwort erhalten hatte, dankte sie dem Sultan, betete für sein Wohl und ging fort; vor Freude fliegend eilte sie dahin, bis sie zu Hause ankam, und ging hinein. Als ihr Sohn 'Alâ ed-Dîn sah, daß ihr Antlitz lächelte, da freute er sich. daß sie ihm gute Botschaft bringen würde, zumal sie diesmal so bald wiedergekommen und nicht so lange ausgeblieben war wie sonst immer und auch die Schüssel nicht zurückgebracht hatte. So richtete er denn an sie die Fragen: ,Liebe Mutter, bringst du mir, so Gott will, gute Botschaft? Haben die Juwelen und ihr Wert ihre Sache ausgerichtete Bist du gut bei dem Sultan aufgenommen, hat er sich dir gnädig gezeigt und deine Werbung angenommene' Da berichtete sie ihm alles, wie der Sultan sie aufgenommen und sich über die Größe und Pracht der Edelsteine gewundert habe, ebenso wie der Wesir; und sie schloß mit den Worten: ,Er hat mir versprochen, daß seine Tochter für dich bestimmt ist; doch, mein Sohn, der Wesir hat noch heimlich mit ihm geredet, ehe er mir das Versprechen gab. Und dann, nachdem der Wesir mit ihm insgeheim gesprochen hatte, versprach er sie mir nach drei Monaten; ich fürchte. daß der Wesir Unheil brütet und den Sinn des Königs umstimmen will.'



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Ferner ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß 'Alâ ed-Dîn. als er von seiner Mutter hörte, daß der Sultan seine Tochter ihm nach drei Monaten geben wolle, heiteren Gemüts und hocherfreut war und sprach: ,Wenn der Sultan sie nach drei Monaten zu geben versprochen hat, so ist das zwar eine lange Frist; doch auf jeden Fall ist meine Freude groß.' Und er dankte seiner Mutter herzlich für ihre Mühe, indem er zu ihr sprach: ,Bei Allah, liebe Mutter, jetzt ist mir, als hätte ich im Grabe gelegen und du hättest mich daraus emporgezogen. Ich preise Allah den Erhabenen; denn nun bin ich sicher, daß es in der ganzen Welt niemanden gibt, der reicher oder glücklicher wäre als ich!' Dann wartete er, bis zwei von den drei Monaten vergangen waren. Da ging die Mutter 'Alâ ed-Dîns eines Tages gegen Abend zum Basar, um Öl zu kaufen; aber sie fand alle Basare geschlossen und die ganze Stadt geschmückt und sah, wie die Einwohner Lichter und Blumen in ihre Fenster gestellt hatten. Dann sah sie auch die Soldaten und die Garden und die Aghas hoch zu Rosse im feierlichen Aufzuge, bei brennenden Fackeln und Lichtern. Verwundert über diese seltsame Ausschmückung ging sie zu dem Laden eines Ölhändlers dort, der geöffnet war, und kaufte Öl von ihm. Und sie bat den Ölhändler: ,Bei deinem Leben, Oheim, sage mir, was gibt es heute in der Stadt, daß die Leute all diesen Schmuck angelegt haben, daß all die Basare und Häuser geschmückt sind und daß die Truppen aufziehen?' ,Frau,' erwiderte der Ölhändler, ,ich glaube, du bist wohl fremd und nicht aus dieser Stadt!' ,Nein,' sagte sie, ,ich hinaus dieser Stadt.' Da fuhr er fort: ,Du willst aus dieser Stadt sein und weißt nicht einmal, daß der Sohn des Großwesirs heute abend seine Hochzeit mit Badr el-Budûr, der Tochter des Sultans, feiert? Jetzt ist er gerade im Badehaus, und diese Emire und Soldaten sind



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sein Ehrengeleit; sie stehen und warten, bis er aus dem Bade herauskommt, dann werden sie ihn im feierlichen Aufzuge ins Schloß zu der Tochter des Sultans bringen.' Als die Mutter 'Alâ ed-Dîns diese Worte von ihm vernommen hatte, war sie betrübt, und sie wußte nicht, wie sie es machen sollte, um ihrem Sohne diese traurige Nachricht mitzuteilen; denn ihr armer Sohn wartete von Stunde zu Stunde auf das Ende der drei Monate. Doch sie kehrte sofort nach Hause zurück; und als sie ankam und zu ihrem Sohne eintrat, sprach sie zu ihm: ,Mein Sohn, ich will dir eine Kunde melden: aber der Kummer. den sie dir bereitet, wird schwer auf mir lasten.' ,Sprich, was ist das für eine Kunde', erwiderte er ihr. Da fuhr sie fort: ,Der Sultan hat sein Versprechen gebrochen, das er dir in betreff seiner Tochter, der Prinzessin Badr el-Budûr, gegeben hat; heute abend feiert der Sohn des Wesirs Hochzeit mit ihr. Ich habe von Anfang an gedacht, mein Sohn, daß der Wesir den Sinn, des Sultans umstimmen wolle, wie ich dir ja auch sagte, daß er vor mir heimlich mit ihm redete.' Nun fragte 'Alâ ed-Dîn sie: ,Wie hast du denn das erfahren, daß der Sohn des Wesirs heute abend mit der Prinzessin Badr el-Budûr, der Tochter des Sultans, Hochzeit feiern wirde' Da berichtete seine Mutter ihm alles, was. sie gesehen hatte, wie die Stadt ausgeschmückt war, als sie hinging, um das Öl zu kaufen, wie die Aghas und die Großen des Reiches in feierlichem Aufzuge warteten, bis der Sohn des Wesirs aus dem Badehause käme, und daß dies seine Hochzeitsnacht sei. Wie 'Alâ ed-Dîn dies hören mußte, erfaßte ihn ein Fieberanfall vor Kummer; aber gleich darauf dachte er an die Lampe, und erfreut sprach er zu seiner Mutter: ,Bei deinem Leben, liebe Mutter, ich glaube, der Sohn des Wesirs wird sich ihrer nicht so erfreuen, wie du denkst. Doch laß uns jetzt davon schweigen! Setze uns das Abendessen vor, auf daß wir



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speisen. Hernach, wenn ich ein wenig in meine Kammer gegangen bin, wird schon alles gut werden.'

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß 'Alâ ed-Dîn nach dem Abendessen in seine Kammer ging, die Tür hinter sich verschloß, die Lampe holte und sie rieb. Sofort erschien der Geist vor ihm und sprach: ,Verlange, was du wünschest; denn ich bin dein Diener, der Diener dessen, der diese Lampe in der Hand hält, ich und alle Diener der Lampe!' Da sagte 'Alâ ed-Dîn: ,Höre, ich habe den Sultan gebeten, mir seine Tochter zur Frau zu geben, und er hat mir versprochen, es nach drei Monaten zu tun. Er hat aber sein Versprechen nicht gehalten, sondern er hat sie dem Sohne des Wesirs gegeben, und in dieser Nacht will der mit ihr Hochzeit feiern. Nun befehle ich dir, so du ein getreuer Diener der Lampe bist, wenn du in dieser Nacht Braut und Bräutigam zusammen ruhen siehst, so trag sie auf ihrem Lager an diese Stätte. Dies ist, was ich von dir verlange.' Der Mârid erwiderte: ,Ich höre und gehorche! Und wenn du noch einen anderen Dienst begehrst als diesen, so befiehl mir alles, was du wünschest!' Doch 'Alâ ed-Dîn sprach: ,Jetzt verlange ich nichts anderes als dies, was ich dir gesagt habe.' Da verschwand der Geist, und 'Alâ ed-Dîn kehrte zu seiner Mutter zurück, um den Rest des Abends mit ihr zu verbringen. Als dann die Zeit nahte, in der er das Kommen des Geistes erwartete, erhob er sich und ging in seine Kammer. Kaum war er dort, da brachte auch schon der Geist die beiden Neuvermählten auf ihrem Bette. Als 'Alâ ed-Dîn sie erblickte, war er hocherfreut, und er sprach zu dem Geiste: ,Trag diesen Galgenstrick von hier fort und leg ihn im Abtritt nieder!' Im Augenblick trug der Geist den Sohn des Wesirs fort und legte ihn im Abtritt nieder; doch bevor er ihn wieder verließ, blies er ihn mit einem Hauche an. durch den er



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ihn erstarren machte, und so blieb der Sohn des Wesirs in elendem Zustande dort. Darauf kehrte der Geist zu 'Alâ ed-Dîn zurück und fragte ihn: ,Hast du noch ein anderes Begehr, so tu es mir kund!' 'Alâ ed-Dîn antwortete ihm: ,Kehre am Morgen zurück, damit du sie wie der an ihre Stätte bringest!' ,Ich höre und gehorche!' sprach der Geist und verschwand. 'Alâ ed-Dîn aber hatte kaum geglaubt, daß ihm alles so gut gelingen würde. Und wie er nun die Prinzessin Badr el-Budûr in seinem Hause sah, bewahrte er, obgleich er seit geraumer Zeit in Liebe zu ihr entbrannt war, dennoch Zurückhaltung ihr gegenüber, und er sprach zu ihr: ,O Herrin der Schönen, glaube nicht, daß ich dich hierher gebracht habe, um deine Ehre zu schänden. Das sei ferne! Nein, ich wollte nur nicht, daß ein anderer sich deiner erfreut; denn dein Vater, der Sultan, hat dich mir versprochen. So ruhe denn unbesorgt!'

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß die Prinzessin Badr el-Budûr, die Tochter des Sultans, als sie sich in diesem ärmlichen und dunkeln Raume sah und die Worte 'Alâ ed-Dîns vernahm, von Furcht und Schrecken ergriffen wurde; ja, sie war so verstört, daß sie dem 'Als ed-Dîn keine Antwort geben konnte. Darauf zog 'Alâ ed-Dîn seine Obergewänder aus, legte ein Schwert zwischen sich und sie und ruhte an ihrer Seite auf demselben Lager, ohne etwas Schmähliches zu tun; wollte er doch nur die Ehe des Sohnes des Wesirs mit ihr verhindern. Freilich, die Prinzessin Badr el-Budûr verbrachte eine sehr üble Nacht, und in ihrem ganzen Leben hatte sie noch keine schlimmere als sie kennen gelernt. Der Sohn des Wesirs aber lag im Abtritt und konnte sich in seiner Furcht, die er vor dem Geiste hegte, nicht rühren. Doch als es Morgen war, trat der Geist, ohne daß 'Alâ ed-Dîn die Lampe gerieben hätte, vor ihn hin und sprach zu ihm: ,Mein



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Gebieter, wenn du etwas wünschest, so befiehl es mir, auf daß ich es gern und mit Freuden ausrichte!' 'Alâ ed-Dîn gab ihm zur Antwort: ,Geh, trage Braut und Bräutigam wieder an ihre Stätte zurück!' Im Augenblicke führte der Geist den Befehl 'Alâ ed-Dîns aus, legte den Sohn des Wesirs neben die Prinzessin Badr el-Budûr, trug sie fort und legte sie so an ihrer Stätte im Schlosse nieder, wie sie zuvor gewesen waren, ohne daß jemand sie sah; doch sie wären fast vor Angst gestorben, als sie sahen, wie sie von Ort zu Ort getragen wurden. Kaum hatte jedoch der Geist sie an ihrer Stätte niedergelegt, da erschien auch schon der Sultan bei seiner Tochter, um sie zu besuchen. Sowie der Sohn des Wesirs hörte, daß die Tür geöffnet wurde, erhob er sich sofort von dem Lager, da er wußte, daß niemand anders als der Sultan selbst eintreten durfte. Aber es ward ihm sehr sauer; denn er wollte sich gern noch wärmen, da er ja gerade erst den Abtritt verlassen hatte. Doch er erhob sich und legte seine Kleider an.

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß der Sultan bei seiner Tochter. der Prinzessin Badr el-Budûr, eintrat, sie auf die Stirn küßte, ihr einen guten Morgen wünschte und sie fragte, ob sie mit ihrem jungen Gemahle zufrieden sei. Doch sie gab ihm keinerlei Antwort. Da blickte er auf sie mit dem Auge des Zornes, und nachdem er sie noch mehrere Male angeredet hatte, während sie still schwieg und ihm kein einziges Wort erwiderte, ging der Sultan seines Weges und verließ sie. Darauf trat er zur Königin ein und erzählte ihr, wessen die Prinzessin Badr el-Budûr sich erdreistet hatte. Die Königin jedoch, die es verhindern wollte, daß der Sultan gegen die Prinzessin Groll hege, sprach zu ihm: ,O größter König unserer Zeit, das ist so bei den meisten Neuvermählten; am Tage nach der Hochzeitsnacht schämen sie sich und zieren



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sich ein wenig. Nimm es ihr nicht übel; nach einigen Tagen wird sie sich schon auf sich selbst besinnen und mit den Menschen reden. Aber jetzt, o größter König unserer Zeit, hält die Scham sie davon ab, zu sprechen. Doch ich will zu ihr gehen und nach ihr schauen.' Darauf legte die Königin ihre Gewänder an, begab sich zu ihrer Tochter, der Prinzessin Badr el-Budûr, trat an sie heran, wünschte ihr einen guten Morgen und küßte sie auf die Stirn: aber die Prinzessin erwiderte ihr kein einziges Wort. Nun sagte sich die Königin, es müsse ihr etwas Seltsames zugestoßen sein, das sie so sehr verstört habe, und darum fragte sie sie: ,Liebe Tochter, was veranlaßt dich zu einem solchen Verhalten? Tu mir kund, was dir begegnet ist, so daß du mir, die ich jetzt zu dir gekommen bin und dir einen guten Morgen gewünscht habe, keine Antwort gibst!' Da hob die Prinzessin Badr el-Budûr ihr Haupt und sprach: ,Sei mir nicht böse, liebe Mutter! Ich hätte dir mit aller Höffichkeit und Ehrfurcht begegnen sollen, da du mich mit deinem Besuche beehrt hast. Doch ich bitte dich, höre die Ursache meines Verhaltens und sieh, wie diese Nacht. die nun hinter mir liegt, für mich die allerschlimmste Nacht war. Denn kaum hatten wir uns niedergelegt, liebe Mutter, da hob einer, dessen Gestalt wir nicht kennen, das Lager auf und trug uns zu einem dunkeln, schmutzigen und armseligen Raume.' Und nun berichtete Prinzessin Badr el-Budûr ihrer Mutter, der Königin, alles, was sie in jener Nacht erlebt hatte, wie ihr junger Gemahl weggenommen wurde, wie sie allein blieb, wie dann gleich darauf ein anderer Jüngling kam und an der Stelle ihres Gemahls ruhte, nachdem er zwischen sie und sich ein Schwert gelegt hatte. Und sie schloß mit den Worten: ,Am Morgen kehrte er, der uns fortgetragen hatte, zurück und brachte uns wieder hierher an unsere Stätte. Kaum aber hatte er uns hierher



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gebracht und uns verlassen, da trat auch schon mein Vater, der Sultan, ein, in demselben Augenblick, in dem wir hier angekommen waren. Da versagten mir Herz und Zunge, und ich konnte mit meinem Vater, dem Sultan, nicht sprechen, weil so gewaltiges Entsetzen und Grauen mich gepackt hatten. Vielleicht ist mein Vater mir deswegen gram; darum bitte ich dich, liebe Mutter, erzähle ihm den Grund meines Benehmens, damit er es mir nicht verarge, daß ich ihm keine Antwort gab, und mich nicht tadle, sondern mich entschuldige!'

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß die Königin, als sie die Worte ihrer Tochter Badr el-Budûr vernommen hatte, zu ihr sprach: ,Liebe Tochter, sei darauf bedacht, vor niemandem davon zu reden! Sonst würde man sagen, die Tochter des Sultans habe den Verstand verloren. Du hast recht getan, daß du deinem Vater nichts davon gesagt hast. Hüte dich, hüte dich, meine Tochter, ihm davon zu erzählen!' Doch die Prinzessin Badr el-Budûr gab ihr zur Antwort: ,Mutter, ich habe bei klarem Bewußtsein mit dir gesprochen; ich habe den Verstand noch nicht verloren. Dies habe ich wirklich erlebt; und wenn du es mir nicht glaubst, so frage meinen Gemahl!' ,Hör, Tochter,' sagte die Königin darauf, ,verbanne diese Torheiten aus deinem Sinn; lege deine Kleider an und schau den Hochzeitsfeierlichkeiten zu. die um deinetwillen in der Stadt begangen werden und an denen das ganze Land teilnimmt! Lausche auf den Klang der Trommeln und auf den Gesang; sieh, wie schön alles für deine Hochzeit geschmückt ist, liebe Tochter!' Dann ließ die Königin sofort die Kammerfrauen kommen, und die kleideten und schmückten die Prinzessin Badr el-Budûr. Darauf begab die Königin sich zum Sultan und berichtete ihm, ihre Tochter habe in der Nacht wirre Traumgesichte gehabt, und sie bat ihn, es ihr



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nicht zu verargen, daß sie ihm keine Antwort gegeben habe Ferner ließ sie den Sohn des Wesirs insgeheim kommen und fragte ihn, was geschehen sei und ob die Worte der Prinzessin Badr el-Budûr wahr seien oder nicht. Der Sohn des Wesirs aber fürchtete, er könne seine junge Frau aus den Händen verlieren, und so antwortete er: ,Hohe Herrin, ich weiß nichts von dem, was du sagst.' Da war die Königin fest überzeugt, daß ihre Tochter nur wirre Traumgesichte gesehen habe. Die Hochzeitsfeiern dauerten den ganzen Tag hindurch; die Tänzerinnen tanzten, die Sängerinnen sangen, und alle Musikinstrumente erklangen, während die Königin und der Sohn des Wesirs sich eifrig bemühten, die Festesfreude zu erhöhen, damit die Prinzessin froh würde und ihren Kummer vergäße. Ja, sie ließen an jenem Tage vor ihr nichts ungetan, was zur Freude anregte, auf daß sie von ihren Gedanken abließe und sich aufheitere. Doch all das machte gar keinen Eindruck auf sie, sondern sie verharrte in Stillschweigen und dachte immer wie verstört an das, was ihr in jener Nacht widerfahren war. Freilich war es dem Sohne des Wesirs noch schlimmer ergangen als ihr, da er im Abtritt gelegen hatte; aber er hatte das Geschehnis abgeleugnet und dachte nicht mehr an seine Qual, weil er fürchtete, er könne seine Gemahlin und sein Ansehen verlieren, zumal ja alle Leute ilm um dies Glück beneideten, weil er dadurch zu hohen Ehren gekommen war; und zweitens, weil die Prinzessin Badr el-Budûr von so großer Anmut und hoher Schönheit war. Auch 'Alâ ed-Dîn ging an jenem Tage aus und sah sich die Feiern an, die in der Stadt und im Schlosse abgehalten wurden; doch er mußte lächeln, besonders als er hörte, wie die Leute von der hohen Ehre redeten, die dem Sohne des Wesirs zuteil geworden sei, und von seinem großen Glück, da er der Eidam des Sultans geworden war, und



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von der großen Pracht, die bei seiner Hochzeitsfeier entfaltet sei. Bei sich selber nämlich sprach 'Alâ ed-Dîn: ,Ihr wißt ja nicht, ihr armen Teufel, was ihm heute nacht widerfahren ist; sonst würdet ihr ihn nicht beneiden!' Als es dann Nacht geworden war und die Zeit des Schlafens herannahte, ging 'Alâ ed-Dîn in seine Kammer und rieb die Lampe; da stand im selben Augenblicke der Geist vor ihm.

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß 'Als ed-Dîn, als der Geist vor ihm stand, ihm den Befehl gab, er solle die Tochter des Sultans mit ihrem jungen Gemahl wie in der vergangenen Nacht herbeibringen, noch ehe er ihr das Mädchentum nähme. Der Geist zauderte nicht, sondern verschwand auf der Stelle und blieb nur eine kleine Weile fort, bis die Zeit gekommen war; da erschien er wieder mit dem Lager, auf dem die Prinzessin Badr el-Budûr und der Sohn des Wesirs ruhten. Dann tat er mit dem jungem Mann dasselbe wie in der Nacht zuvor; er packte ihn und legte ihn im Abtritt nieder und ließ ihn dort starr vor übergroßer Angst und Furcht liegen. 'Alâ ed-Dîn aber legte das Schwert zwischen die Prinzessin Badr el-Budûr und sich und begab sich zur Ruhe. Als es Morgen ward, kam der Geist wieder und brachte die beiden an ihre Stätte zurück; 'Alâ ed-Dîn aber war von Schadenfreude über den Sohn des Wesirs erfüllt. Als nun der Sultan sich in der Frühe erhob, dachte er daran, sich zu seiner Tochter, der Prinzessin Badr el-Budûr, zu begeben, um zu sehen, ob sie es wieder mit ihm so machen würde wie am Tage zuvor. Nachdem er also aus dem Schlafe erwacht war, legte er seine Gewänder an und ging zum Schlosse seiner Tochter. Kaum öffnete er die Tür, da sprang auch schon der Sohn des Wesirs auf, verließ das Lager und begann, seine Kleider anzuziehen, obgleich ihm die Rippen vor Kälte klapperten; denn



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als der Sultan kam, hatte der Geist sie gerade erst soeben dorthin geschafft. Der Sultan trat ein und näherte sich seiner Tochter, der Prinzessin Badr el-Budûr, die auf ihrem Lager ruhte. Er hob den Vorhang, wünschte ihr einen guten Morgen, küßte sie auf die Stirn und fragte sie nach ihrem Befinden. Doch als er sah, wie sie die Stirn runzelte, ihm keine Antwort gab, sondern nur ihn zornig anblickte und sich in einem jämmerlichen Zustande befand, da ergrimmte er über sie, weil sie ihn keines Wortes würdigte, und er argwöhnte, es stünde nicht recht mit ihr. Er zückte das Schwert und rief ihr zu: ,Was ist mit dir geschehen? Entweder du sagst mir jetzt, was mit dir vorgefallen ist, oder ich nehme dir in diesem Augenblick das Leben! Achtest und ehrst du mich so. daß du mir kein Wort erwiderst, wenn ich zu dir spreche?' Wie die Prinzessin Badr el-Bûdur nun sah, daß ihr Vater, der Sultan, ergrimmt war und das gezückte Schwert in der Hand hielt, da schwand ihr alle Furcht, sie hob ihr Haupt und sprach: ,Mein geliebter Vater, zürne mir nicht und übereile dich nicht in deinem Grimme; denn ich habe keine Schuld an dem Elend, in dem du mich jetzt siehst. Höre denn, was mir widerfahren ist; und das ist sicher, wenn du meinen Bericht über das, was mir in diesen beiden Nächten widerfahren ist, gehört hast, so wirst du mich von Schuld freisprechen, und deine Majestät wird mit mir herzliches Mitleid haben, wie ich es von deiner Liebe zu mir erwarte.' Darauf erzählte die Prinzessin Badr el-Budûr ihrem Vater, dem Sultan, alles was ihr widerfahren war, und sie schloß mit den Worten: ,Mein Vater, wenn du mir nicht glaubst, so frage meinen Gemahl; er wird deiner Majestät alles berichten: denn ich ahnte nicht, was man mit ihm tun würde, als man ihn von meiner Seite nahm, ja, ich wußte nicht einmal, wohin man ihn brachte.'



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Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß der Sultan, als er die Worte seiner Tochter vernommen hatte, betrübt ward und, mit Tränen in den Augen, das Schwert wieder in die Scheide steckte. Er beugte sich über seine Tochter, küßte sie und sprach zu ihr: ,Liebe Tochter, warum hast du mir das nicht schon gestern gesagt? Dann hätte ich diese Not und Angst, die dich in der letzten Nacht heimgesucht haben, von dir fernhalten können. Doch gräme dich nicht! Scheuche diese Gedanken von dir! Heute abend will ich Wächter für dich aufstellen, die dich behüten sollen; dann wird dir solch Elend nicht wieder begegnen.' Nun begab der Sultan sich in sein Schloß zurück und ließ sofort den Wesir zu sich rufen. Als der erschienen war und des Befehles gewärtig vor dem Throne stand, fragte der Sultan ihn: ,Wie siehst du diese Dinge an? Vielleicht hat dein Sohn dir von dem berichtet, was ihm und meiner Tochter widerfahren ist.' ,O größter König unserer Zeit,' erwiderte der Wesir, ,ich habe meinen Sohn weder gestern noch heute gesehen.' Darauf berichtete der Sultan ihm alles, was seine Tochter Badr el-Budûr ihm erzählt hatte, und er fügte hinzu: ,Jetzt ist es mein Wunsch, daß du deinen Sohn nach dem wahren Sachverhalte befragst; denn es ist ja möglich, daß meine Tochter vor Furcht nicht genau weiß, was mit ihr geschehen ist. Dennoch glaube ich, daß alle ihre Worte wahr sind.' Sofort machte der Wesir sich auf, ging hin und ließ seinen Sohn kommen; dann befragte er ihn nach alledem, was der Sultan ihm berichtet hatte, ob es wahr sei oder nicht. Da rief der Jüngling: ,O Wesir, mein Vater, das sei ferne, daß die Prinzessin Badr el-Budûr die Unwahrheit gesprochen hätte! Nein, alles was sie gesagt hat, ist wahr! Diese beiden Nächte waren für uns die elendesten, die es gibt, anstatt daß sie uns Nächte des Glücks und der Freuden gewesen wären. Aber



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was mir widerfuhr, war das Schlimmste; denn ich mußte, anstatt bei meiner Gemahlin auf dem Lager zu ruhen, im Aborte liegen, einem finsteren, furchtbaren, übelriechenden, verfluchten Orte, und meine Rippen zogen sich vor Kälte zusammen.' Kurz, der Jüngling erzählte alles, was ihm widerfahren war, und zuletzt fügte er noch hinzu: ,Lieber Vater, ich flehe dich an, sprich mit dem Sultan, daß er mich von dieser Ehe befreie. Freilich ist es eine hohe Ehre für mich, der Eidam des Sultans zu sein, zumal ja auch die Liebe zur Prinzessin Badr el-Budûr mein Herz ganz gefangen hält. Aber ich habe keine Kraft mehr, noch eine einzige Nacht wie die beiden letzten zu ertragen.'

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß der Wesir, als er die Worte seines Sohnes vernommen hatte, sehr betrübt und bekümmert ward; denn er hatte doch seinen Sohn dadurch, daß er um zum Eidam des Sultans machte, zu Ehre und Ansehen bringen wollen. So versank er in Gedanken und war ratlos, was er nun in dieser Sache tun sollte. Es war sehr hart für ihn, die Ehe wieder aufzuheben, und er hatte schon vor Freuden die zehn Heiligen angerufen, weil ihm ein solches Glück widerfahren war; so sprach er denn zu seinem Sohne: ,Warte, mein Sohn, wir wollen sehen, was in der nächsten Nacht geschieht; wir wollen Wächter für euch aufstellen, die euch behüten sollen. Diese hohe Ehre, die dir allein zuteil geworden ist, laß dir doch nicht wieder entgehen!' Darauf verließ der Wesir ihn, kehrte zum Sultan zurück und berichtete ihm, daß alles, was die Prinzessin Badr el-Budûr gesagt hatte, wahr sei. Da sprach der Sultan: ,Sintemalen sich die Sache also verhält, so brauchen wir keine Hochzeit mehr!' Und er befahl, sofort die Feier abzubrechen und die Ehe für nichtig zu erklären. Alles Volk, alle Einwohner der Stadt wunderten



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sich sehr über die sonderbare Begebenheit, zumal als sie den Wesir und seinen Sohn aus dem Palaste kommen sahen. die sich vor Gram und übermäßigem Ingrimm in einem jämmerlichen Zustande befanden. Alsbald begannen die Leute zu fragen: ,Was ist denn geschehen? Weshalb ist die Hochzeit ungültig gemacht und die Ehe gelöst?' Niemand wußte, was geschehen war, außer allein der Urheber des Ganzen, 'Alâ ed-Dîn der sich ins Fäustchen lachte. So wurde denn die Hochzeit für nichtig erklärt; der Sultan aber dachte und erinnerte sich nicht mehr an das Versprechen, das er der Mutter 'Alâ ed-Dîns gegeben hatte. Auch der Wesir tat das nicht, und beide wußten nicht, woher das sonderbare Erlebnis gekommen war. 'Alâ ed-Dîn wartete noch bis zum Ablauf der drei Monate. nach denen, wie der Sultan ihm versprochen hatte, seine Hochzeit mit der Prinzessin Badr el-Budûr stattfinden sollte. Dann aber schickte er sofort seine Mutter zum Sultan, um von ihm die Erfüllung seines Versprechens zu erbitten. Da ging die alte Frau zu dem Schlosse, und als der Sultan in den Staatssaal eintrat und die Mutter 'Alâ ed-Dîns vor sich stehen sah, dachte er an das Versprechen, das er ihr gegeben hatte, daß er nämlich nach drei Monaten seine Tochter mit ihrem Sohne vermählen wolle. So wandte er sich an den Wesir mit den Worten: ,Wesir, da ist die Frau, die mir die Juwelen gebracht hat und der wir unser Wort gegeben haben, daß wir nach drei Monaten...! Bringe sie vor allen anderen zuerst zu mir!' Der Wesir ging hin und brachte die Mutter 'Alâ ed-Dîns zum Sultan. Als sie dann vor dem Throne stand, machte sie Reverenz, wünschte ihm Macht, langes Leben und Glück. Der Sultan fragte sie, ob sie ein Anliegen habe, und sie gab ihm zur Antwort: ,O größter König unserer Zeit, die drei Monate, die du bei deinem Versprechen als Frist gesetzt hast, sind abgelaufen; nun ist



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es Zeit, daß du meinen Sohn 'Alâ ed-Dîn mit deiner Tochter, der Prinzessin Badr el-Budûr, vermählest!' Der König war ratlos ob dieser Mahnung, zumal er schaute, daß die Mutter 'Alâ ed-Dîns ärmlich aussah und daß sie zum niedrigsten Volke gehörte. Aber das Geschenk, das sie ihm gebracht hatte, war ja sehr wertvoll und unbezahlbar. Er redete also wieder den Wesir an mit den Worten: ,Was rätst du zu tun? Ich habe ihr in der Tat mein Wort gegeben; doch es ist offenbar, daß sie arme Leute sind und nicht zu den Vornehmen gehören.'

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß der Wesir, der fast vor Neid starb und der über das, was seinem Sohne widerfahren war, sich ganz besonders grämte, bei sich selber sprach: ,Wie? Soll ein solcher Bursche wie der da die Tochter des Sultans heiraten, während mein Sohn dieser Ehre verlustig geht?' Zum Sultan aber sprach er: ,Hoher Herr, es ist ein leichtes, diesen Fremdling von uns fernzuhalten; denn es ziemt sich für deine Majestät nicht, deine Tochter einem Kerl wie dem da zu geben, von dem man nicht weiß, was er ist.' Da fragte der Sultan: ,Auf welche Weise können wir diesen Menschen denn von uns fernhalten, wo ich ihm doch mein Wort gegeben habe? Das Wort der Könige ist eine Urkunde!' ,Hoher Herr,' erwiderte der Wesir, ,mein Rat geht dahin, daß du von ihm vierzig Schüsseln aus reinem Waschgold verlangst, die mit solchen Edelsteinen gefüllt sein sollen, wie die Frau sie dir damals brachte, ferner vierzig Sklavinnen, die die Schüsseln tragen, und vierzig Sklaven.' Der König entgegnete: ,Bei Allah, Wesir, du hast recht gesprochen; das ist etwas, was er nicht wird tun können, und so können wir uns auf gute Weise seiner entledigen !'Darauf sprach der Sultan zu der Mutter 'Alâ ed-Dîns: ,Geh, sag deinem Sohne, daß ich bei dem Versprechen,



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das ich ihm gegeben habe, bleibe, aber nur, wenn er die Brautgabe für meine Tochter beschaffen kann: ich verlange von ihm vierzig Schüsseln aus reinem Golde, die sollen alle mit solchen Edelsteinen, wie du sie mir gebracht hast, gefüllt sein; ferner vierzig Sklavinnen, die sie tragen, und vierzig Sklaven zu ihrer Bedienung und Begleitung. Wenn dein Sohn dies alles zu beschaffen vermag, so will ich ihn mit meiner Tochter vermählen.' Da machte die Mutter 'Alâ ed-Dîns sich auf den Heimweg, indem sie den Kopf schüttelte und bei sich sprach: ,Woher sollten meinem armen Sohne solche Schüsseln und Juwelen zuteil werden? Angenommen, er kehrte zu der Schatzhöhle zurück und holte die Schüsseln und pflückte die Edelsteine von den Bäumen, obgleich ich nicht glaube, daß es ihm möglich sein wird -doch angenommen, er brächte sie wirklich, woher soll er die Sklavinnen und die Sklaven nehmen?' In dieser Weise redete sie immerfort mit sich selber, bis sie zu Hause ankam. 'Alâ ed-Dîn wartete schon auf sie; doch als sie eingetreten war, sprach sie zu ihm: ,Mein Sohn, habe ich dir nicht gesagt, du solltest nicht denken, daß du die Prinzessin Badr el-Budûr jemals gewinnen könntest? Das ist etwas für Leute, wie wir es sind, ganz Unmögliches!' ,Sag an, was gibt es?' fragte er darauf; und sie fuhr fort: ,Mein Sohn, der Sultan hat mich mit allen Ehren empfangen, wie es sein Brauch ist, und es scheint mir, daß er es gut mit uns meint; aber dein Feind ist der verruchte Wesir. Denn als ich in deinem Namen so zu dem Könige gesprochen hatte, wie du mir gesagt hast, nämlich, daß die Frist für sein Versprechen abgelaufen sei, und nachdem ich ihm gesagt hatte: ,Möchte deine Majestät nunmehr den Befehl erteilen, daß die Prinzessin Badr el-Budûr mit meinem Sohne 'Alâ ed-Dîn vermählt werde', da wandte er sich zu dem Wesir und sprach mit ihm; und der antwortete



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ihm mit heimlichem Geflüster. Und zuletzt gab mir der Sultan seine Antwort.' Darauf erzählte sie ihrem Sohne, was der Sultan verlangt habe, und fügte hinzu: ,Mein Sohn, er will von dir sofort Antwort haben; aber ich glaube, wir haben keine Antwort für ihn.'

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß 'Alâ ed-Dîn, als er die Worte seiner Mutter vernahm. zu lachen begann und zu ihr sprach: ,Liebe Mutter, du sagst, wir könnten ihm keinen Bescheid geben, und du glaubst, die Sache sei sehr schwer! Sei so gut, geh hin und hole mir etwas zu essen. Nach dem Essen wirst du, so der Barmherzige will, meinen Bescheid sehen. Der Sultan denkt ebenso wie du. daß er etwas Gewaltiges gefordert hat, so daß er mich von der Prinzessin Badr el-Budûr fernhalten kann; in Wirklichkeit aber hat er etwas viel Leichteres verlangt, als ich gedacht hatte. Doch geh jetzt hin, kaufe uns etwas zu essen und laß mich allein, damit ich die Antwort vorbereiten kann.' Da machte seine Mutter sich auf und ging fort, um auf dem Basar zu kaufen, was sie für die Mittagsmahlzeit brauchte. 'Alâ ed-Dîn aber ging in seine Kammer, holte die Lampe und rieb sie. Im selben Augenblicke stand der Geist vor ihm und sprach: ,Mein Gebieter, verlange, was du wünschest!' 'Alâ ed-Dîn antwortete: ,Ich habe um die Tochter des Sultans geworben, auf daß ich mich mit ihr vermähle. Nun aber hat der Sultan von mir vierzig Schüsseln aus reinem Golde verlangt; davon soll eine jede zehn Pfund wiegen und mit solchen Juwelen gefüllt sein, wie sie in dem Garten der Schatzhöhle sind. Vierzig Sklavinnen sollen die vierzig Schüsseln tragen, bei jeder Sklavin soll ein Eunuch sein, sodaß es im ganzen auch vierzig Eunuchen sind. Nun wünsche ich von dir, daß du mir dies alles bringst.' ,Ich höre und gehorche, mein Gebieter!' sprach der Dämon, und



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nachdem er eine Weile verschwunden war, brachte er die vierzig Sklavinnen, deren jede von einem Eunuchen begleitet war und auf dem Haupte eine Schüssel aus reinem Golde trug, die mit den kostbarsten Edelsteinen gefüllt war. Er führte sie vor 'Als ed-Dîn indem er sprach: ,Hier ist das, was du verlangt hast; sage mir, ob du noch eine Sache oder einen anderen Dienst begehrst!' Da gab 'Alâ ed-Dîn ihm zur Antwort: ,Ich begehre jetzt nichts; wenn ich aber etwas nötig habe, so werde ich dich rufen und es dir sagen.' Darauf verschwand der Geist wieder. Nach einer kleinen Weile kam auch die Mutter 'Alâ ed-Dîns zurück und trat in ihr Haus ein. Da erblickte sie die Sklaven und die Sklavinnen, und verwundert rief sie aus: ,Das alles kommt von der Lampe; Allah erhalte sie meinem Sohne immerdar!' Aber noch ehe sie ihren Mantel ablegte, rief 'Alâ ed-Dîn: ,Mutter, jetzt ist es Zeit für dich, bevor der Sultan zu seinem Schloß in seinen Harem geht! Drum nimm, was er verlangt hat, und bring es ihm sofort, damit er weiß, daß ich seine Forderungen erfüllen kann, ja noch mehr als das; auch daß er von seinem Wesir betrogen wurde, als er mit ihm der Meinung war, sie könnten sich meiner durch eine mir unmögliche Aufgabe entledigen.' Sofort ging 'Alâ ed-Dîn hin, machte die Haustür weit auf und ließ die Sklavinnen und die Eunuchen in Paaren hinausgehen, immer eine Sklavin von einem Eunuchen begleitet, bis sie fast die ganze Straße erfüllten. Ihnen voran schritt die Mutter 'Alâ ed-Dîns: die Leute im Stadtviertel aber blieben stehen, als sie das herrliche, wunderbare Schauspiel erblickten, sahen es sich an, staunten, betrachteten die schönen und lieblichen Gestalten der Sklavinnen in ihren golddurchwirkten und juwelenbesetzten Gewändern, von denen das geringste Tausende wert war. Auch blickten sie auf die Schüsseln und sahen den Glanz, der von ihnen ausging und das



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Sonnenlicht überstrahlte, obgleich eine jede von ihnen mit einem Stück Goldbrokat bedeckt war, das gleichfalls einen Besatz aus kostbaren Juwelen trug.

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß die Mutter 'Alâ ed-Dîns, während das Volk und die Leute des Stadtviertels stehen blieben und dies wunderbare Schauspiel anstaunten, dahinschritt, begleitet von den Sklavinnen und den Eunuchen in wohlgeordnetem Zug. Und immer wieder blieben die Menschen stehen, um die Schönheit der Sklavinnen zu betrachten, und priesen den allmächtigen Schöpfer, bis der Zug ans Ziel gelangte. Dann trat die Mutter 'Alâ ed-Dîns mit ihnen ins Schloß ein. Doch als die Aghas und die Kammerherren und die Hauptleute der Truppen sie erblickten, wurden sie von Verwunderung ergriffen, und sie waren wie geblendet durch diesen Anblick, dessengleichen sie noch nie in ihrem Leben gesehen hatten, besonders auch durch die Sklavinnen, von denen eine jede sogar einem Gottes manne den Verstand hätte rauben können. Obwohl nun die Kammerherren und die Hauptleute der Truppen des Sultans alle von Vornehmen und Emiren abstammten, so wunderten sie sich doch am meisten über die kostbaren Gewänder, mit denen die Mädchen bekleidet waren, und über die Schüsseln, die sie auf ihren Häuptern trugen, und vor denen sie wegen ihres hellen Blitzens und Funkelns kaum die Augen auftun konnten. Darauf gingen die wachhabenden Soldaten hinein und erstatteten dem Sultan Bericht, und sofort gab der Herrscher Befehl, die Ankommenden sollten vor ihn in den Staatssaal geführt werden. Da trat die Mutter 'Alâ ed-Dîns mit ihnen ein, und als sie vor dem Throne standen, machten sie alle Reverenz vor dem Sultan in vollendeter Höflichkeit und Ehrerbietung, wünschten ihm Macht und Glück, nahmen die Schüsseln von ihren Häuptern



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und legten sie vor ihm nieder; dann standen sie mit gekreuzten Armen da, nachdem sie die Decken von den Schüsseln abgenommen hatten. Der Sultan war auf das höchste erstaunt; er wurde durch die unbeschreibliche Schönheit und Anmut der Mädchen verwirrt, und sein Verstand war wie geblendet, als er die goldenen Schüsseln voll von Edelsteinen, die den Blick bezauberten, vor sich sah. Ja, der Sultan war ganz ratlos in seiner Verwunderung, so daß er einem Stummen glich und im Übermaße des Staunens kein Wort sagen konnte. Und sein Sinn ward noch mehr verwirrt durch den Gedanken daran, daß dies alles in einer Stunde gekommen war. Darauf gab er Befehl, die Sklavinnen sollten mit allem was bei ihnen war, auch den Schüsseln, in das Schloß der Prinzessin Badr el-Budûr gehen. Die Mädchen hoben nun die Schüsseln wieder auf und traten dort ein. Dann trat die Mutter 'Alâ ed-Dîns vor und sprach zum Sultan: ,Hoher Herr, das ist nicht viel im Vergleich zu der hohen Ehrenstellung der Prinzessin Badr el-Budûr; sie verdiente das Vielfache von diesem.' Doch der Sultan wandte sich anden Wesir mit den Worten: ,Was sagst du nun, Wesir? Ist er, der in kurzer Zeit einen solchen Reichtum herbeischaffen konnte. nicht wert, der Eidam des Sultans zu werden und die Tochter des Sultans zur Frau zu erhalten?' Der Wesir war zwar noch mehr als der Herrscher über die Größe dieses Reichtums erstaunt; aber tödlicher Neid fraß an ihm und ward immer noch stärker, als er sah, daß der Sultan mit der Morgengabe und dem Brautgeschenk zufrieden war. Nun konnte er aber nicht der Wahrheit widersprechen noch zum Sultan sagen, all das sei ihrer nicht würdig; und so sann er über ein Mittel nach, durch das er den Sultan veranlassen könnte, seine Tochter Badr el-Budûr dem 'Alâ ed-Dîn zu versagen. Darum sprach er zu ihm: ,Hoher Herr, alle Schätze der Welt sind nicht so viel wert wie



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ein Nagel von der Hand deiner Tochter; deine Hoheit überschätzt dies im Vergleiche zu ihr.'

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß der Sultan, als er die Worte des Wesirs vernommen hatte, bemerkte, wie diese seine Rede ihm nur von seinem übermäßigen Neid eingegeben war; und so redete er denn die Mutter 'Alâ ed-Dîns mit den Worten an: ,Frau, geh zu deinem Sohne, sage ihm, daß ich die Morgengabe von ihm angenommen habe, daß ich mein Versprechen halte, daß meine Tochter nunmehr seine Braut und er mein Eidam ist. Und sage ihm ferner, er solle hierher kommen, damit ich ihn kennen lerne; er soll von mir mit hoher Ehre und Achtung empfangen werden, und heute abend soll die Hochzeitsfeier beginnen. Aber, wie gesagt, laß ihn ohne Verzug zu mir kommen!' Da eilte die Mutter 'Alâ ed-Dîns so schnell, daß die Winde sie kaum einholen konnten, nach Hause zurück, um ihrem Sohne die frohe Botschaft zu bringen; ja, sie flog vor Freuden, wenn sie daran dachte, daß ihr Sohn der Eidam des Sultans werden sollte. Der Sultan aber gab, nachdem die Mutter 'Alâ ed-Dîns fortgegangen war, den Befehl, die Staatsversammlung zu beenden, ging zum Schlosse der Prinzessin Badr el-Budûr und gebot, man solle die Sklavinnen mit den Schüsseln zu ihm und seiner Tochter bringen, damit er sie ihr zeigen könnte. Als man nun die Mädchen gebracht hatte, betrachtete die Prinzessin Badr el-Budûr die Edelsteine, und voll Entzücken rief sie aus: ,Ich glaube, in allen Schatzhäusern der Welt findet sich nicht ein einziges Juwel von ihrer Art!' Darauf schaute sie die Sklavinnen an und fand großes Gefallen an ihrer Schönheit und Anmut. Wie sie dann erfuhr, daß dies alles von ihrem neuen Bräutigam komme und daß er es ihr zu Ehren gesandt hatte, da freute sie sich, obwohl sie gerade noch um ihren früheren Gemahl,



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den Sohn des Wesirs, betrübt und traurig gewesen war. Eine gewaltige Freude kam über sie, als sie die Juwelen und die schönen Mädchen sah, und da sie so froh war, freute sich ihr Vater herzlich mit ihr. Wie er also sah, daß Gram und Trauer gewichen waren, richtete er an sie die Worte: ,Liebe Tochter, Prinzessin Badr el-Budûr, gefällt dir diese Ich glaube, dein neuer Gemahl wird noch schöner sein als der Minister sohn. So Gott will, wirst du viel Freude an ihm erleben.'

So weit der Sultan. Wenden wir uns nun wieder zu 'Alâ ed-Dîn! Als seine Mutter heimgekehrt und mit freude strahlendem Antlitz in ihr Haus eingetreten war, und als er sie gesehen hatte, da wußte er, daß alles gut stand, und so sprach er: ,Allah sei ewig Preis! Jetzt ist mein Wunsch erfüllt!' ,Frohe Botschaft, mein Kind,' sprach die Mutter, ,sei gutes Muts und freudigen Sinnes. da du dein Ziel erreicht hast! Der Sultan hat deine Gabe angenommen als Brautgeschenk und Morgengabe für die Prinzessin Badr el-Budûr. Sie ist nun deine Braut; noch heute abend, mein Sohn, soll eure Hochzeit stattfinden, dann wirst du zu der Prinzessin eingehen. Der Sultan hat, um mir sein Wort zu bekräftigen, vor aller Welt verkündet, daß du sein Eidam bist, und er hat gesagt, dies solle die Hochzeitsnacht sein. Dann fügte er aber auch hinzu: ,Laß deinen Sohn zu mir kommen, auf daß ich ihn kennen lerne; ich will ihn mit hohen Ehren und Auszeichnungen empfangen!' Nun denn, mein Sohn, mein Auftrag ist erledigt; was noch übrig bleibt, das liegt dir ob.' Da küßte 'Ah ed-Dîn die Hand seiner Mutter und dankte ihr; dann ging er in seine Kammer, nahm die Lampe und rieb sie. Sofort stand der Geist vor ihm und sprach: ,Zu Diensten! Verlange, was du wünschest!' ,Ich wünsche,' erwiderte 'Alt ed-Dîn, ,daß du mich in ein Bad bringst, dessen gleichen es sonst in der Welt nicht gibt, und daß du mir dann ein so kostbares



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Königs gewand herbeischaifst, wie es sonst kein König hat.' ,Ich höre und gehorche!' sprach der Mârid, hob ihn auf und brachte ihn in ein Bad. wie es die Kaiser und die Perserkönige noch nie gesehen hatten; es war ganz aus Marmor und Karneol, wundersame Malereien. die den Blick bezauberten, waren in ihm angebracht, und in ihm befand sich eine Halle, die ganz mit kostbaren Edelsteinen ausgelegt war. In dem Bade befand sich kein Mensch; doch als 'Alâ ed-Dîn eintrat, kam zu ihm ein Dämon in menschlicher Gestalt. wusch ihn und ließ ihm alle Pflege des Bades, die er nur wünschen konnte, zuteil werden.

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß 'Alâ ed-Dîn, nachdem er sich gewaschen und die Pflege des Bades genossen hatte, aus dem Baderaume in die äußere Halle hinüberging; dort bemerkte er, daß seine eigenen Kleider fortgenommen waren und daß an ihrer Stelle das allerprächtigste Königs gewand lag. Darauf wurden ihm Scherbette und Kaffee mit Ambra gebracht. Nachdem er getrunken hatte, kam eine Schar von Sklaven zu ihm und legte ihm die Prachtgewänder an; und wie er sich angekleidet hatte, sprengte er duftende Wohlgerüche über sich. 'Alâ ed-Dîn war ja, wie du weißt, ein armer Schneiderssohn; aber jetzt hätte niemand das gedacht, sondern jeder hätte gesagt: ,Dies istder aller vornehmste Prinz' — Preis sei Ihm, der verändert und unveränderlich ist! Dann erschien der Geist wieder vor ihm, hob ihn auf und trug ihn in sein Haus zurück. Dort sprach er zu ihm: ,Mein Gebieter, wünschest du noch etwas?' ,Jawohl,' antwortete 'Alâ ed-Dîn, ,ich wünsche, daß du mir achtundvierzig Mamluken bringst, von denen vierundzwanzig vor mir und vierundzwanzig hinter mir herziehen sollen, dazu auch die Rosse, Rüstungen und Waffen für sie, und alles, was sie und ihre Rosse tragen,



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soll vom Teuersten und Wertvollsten sein, wie es sich selbst in den Schatzhäusern der Könige nicht findet. Ferner bringe mir einen Hengst, wie ihn die Perserkönige reiten, dessen Geschirr aus Gold und ganz mit kostbaren Edelsteinen besetzt ist! Schaffe mir auch achtundvierzigtausend Dinare herbei, für jeden Mamluken tausend! Ich will mich jetzt zum Sultan begeben; so säume denn nicht, denn ohne all das, was ich dir genannt habe, kann ich nicht zum Herrscher kommen! Bringe mir aber auch noch zwölf Sklavinnen von einzigartiger Schönheit, die mit den prächtigsten Kleidern angetan sind, auf daß sie meine Mutter zum Palaste des Sultans begleiten; jede Sklavin soll ein Gewand tragen, wie es sich für die Kleidung von Frauen der Könige ziemt!' ,Ich höre und gehorche!' erwiderte der Geist, verschwand eine kurze Weile, aber im Augenblicke brachte er schon alles, was ihm aufgetragen war. An der Hand führte er einen Hengst, wie er sich selbst unter den Rossen der echten Araber nicht findet; der trug ein Sattelzeug aus dem kostbarsten golddurchwirkten Stoffe. Da führte 'Alâ ed-Dîn sofort seine Mutter herbei, übergab ihr die zwölf Sklavinnen und reichte ihr die Gewänder, damit sie sich kleidete und sich mit den Sklavinnen zum Palaste begäbe. Darauf sandte er einen der Mamluken, die der Dämon ihm gebracht hatte, zum Sultan, um zu erfahren, ob der Sultan den Harem verlassen habe oder nicht. Der Mamluk machte sich schneller als der Blitz auf den Weg und kehrte eilends wieder zurück mit der Meldung: ,Mein Gebieter, der Sultan erwartet dich!' Da saß 'Alâ ed-Dîn auf; auch die Mamluken vor ihm und hinter ihm bestiegen ihre Rosse, und ihr Anblick war ein Lobpreis für den Herrn, der sie in all der Schönheit und Anmut, die sie zierte, geschaffen hatte. Und sie streuten die Goldstücke unter das Volk vor ihrem Herrn 'Alâ ed-Dîn, der sie alle durch seine Schönheit und Anmut



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übertraf, von den Söhnen des Königs ganz zu schweigen — Preis sei dem Spender, dem Ewigen! Und all das geschah durch die Zauberkräfte der Wunderlampe, die ihrem Besitzer Schönheit und Herrlichkeit, Reichtum und Kenntnisse verlieh. Das Volk aber erstaunte über die Freigebigkeit und die ganz außergewöhnliche Großmut 'Alâ ed-Dîns, und alle waren entzückt, als sie seine herrliche Schönheit und seine majestätische Würde sahen, und sie priesen den Barmherzigen für diese edle Gestalt; alle riefen den Segen des Himmels auf ihn herab, obgleich sie ihn als den Sohn des Schneiders Soundso kannten. Keiner beneidete ihn, sondern ein jeder rief: ,Er verdient es!'

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß 'Alâ ed-Dîn, während das Volk von ihm und seiner großmütigen Freigebigkeit entzückt war, auf seinem Wege zum Sultanspalaste die Goldstücke ausstreute, und daß alle, groß und klein, den Segen des Himmels auf ihn herabriefen, bis er zum Schlosse kam, begleitet von den Mamluken, die vor ihm und hinter ihm auch Gold an die Leute verteilten. Nun hatte der Sultan die Vornehmen des Reiches bei sich versammelt und ihnen mitgeteilt, daß er sein Wort gegeben habe, er wolle seine Tochter mit 'Alâ ed-Dîn vermählen; und er befahl ihnen, sie sollten auf ihn warten, bis er käme, und ihm dann alle entgegenziehen. Alle Emire, Wesire, Kammerherren, Statthalter und Hauptleute der Truppen hatte er versammelt und beim Schloßtore sich aufstellen lassen, um 'Alâ ed-Dîn zu erwarten. Als jener nun eintraf, wollte er am Tore absitzen; aber einer von den Emiren, den der König für diesen Auftrag ausersehen hatte, sprach zu ihm: ,Mein Gebieter, es ist Befehl gegeben, daß du zu Rosse ein ziehst und erst an der Tür des Staatssaales absteigst!' Alle gingen vor ihm her, während er einritt, bis sie ihn zur Tür des Staatssaales gebracht hatten; da traten



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die einen vor und hielten ihm den Steigbügel, andere stützten ilm auf beiden Seiten, noch andere faßten ihn bei der Hand und halfen ihm beim Absteigen. Wiederum zogen die Emire und die Großen des Reiches vor ihm her und führten ihn in den Staatssaal hinein, bis er dicht vor dem Thron des Sultans stand. Sofort stieg der Sultan von seinem Thron herunter, umarmte ihn und hinderte ihn, den Teppich zu küssen; ja, er küßte seinen Eidam selbst und ließ ihn zu seiner Rechten sitzen. 'AJâ ed-Dîn aber huldigte und sprach Segenswünsche, wie es sich vor Königen gebührt und geziemt, und dann fuhr er fort: ,O unser Herr und Sultan, die Gnade deiner Majestät hat geruht, mir deine Tochter, die Prinzessin Badr el-Budûr, zu gewähren, obgleich ich diese große Huld nicht verdiene, da ich einer der geringsten unter deinen Dienern bin. So bete ich denn zu Allah, daß er dir ein langes Leben verleihe. Und wahrlich, o König, meine Zunge vermag die Dankbarkeit gegen dich nicht auszudrücken, so groß ist diese über alle Maßen hohe Gnade, die du mir zu erweisen geruht hast. Nun bitte ich deine Majestät noch, mir ein Gelände anweisen zu wollen, dazu geeignet, daß ich auf ihm ein Schloß, das der Prinzessin Badr el-Budûr würdig ist, erbauen lasse.' Der Sultan war ganz überrascht, als er 'Alâ ed-Dîn in diesem königlichen Gewande erblickte; er schaute und richtete die Augen auf seine liebliche Schönheit; er sah auch die Mamluken, die zu seinen Diensten dastanden und so herrlich anzuschauen waren. Sein Erstaunen aber war noch größer, als die Mutter 'Alâ ed-Dîns hereintrat, so kostbar und prächtig gekleidet, als ob sie eine Königin wäre. Und weiter erblickte er die zwölf Sklavinnen, die ihr zu Diensten mit gekreuzten Armen vor ihr standen, in ehrerbietiger und achtungsvoller Haltung. Dann bedachte er auch die reine und feine Redeweise 'Alâ ed-Dîns, und er wunderte sich darüber ebenso



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wie alle anderen, die bei ihm in der Regierungshalle zugegen waren. Doch im Herzen des Wesirs brannte das Feuer des Neides gegen 'Alâ ed-Dîn, so daß er fast bersten wollte. Nachdem der Sultan die Segenswünsche 'Alâ ed-Dîns angehört und sein hoheitsvolles und doch ehrerbietiges Benehmen sowie seine Beredsamkeit bemerkt hatte, da zog er ihn an seine Brust, küßte ihn und sprach zu ihm: ,Es ist mir leid, mein Sohn, daß ich nicht schon früher durch dich beglückt worden bin.'

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß der Sultan, als er 'Alâ ed-Dîn so vor sich sah, hocherfreut wurde und sogleich Befehl gab, daß die Musikkapellen spielen sollten. Dann begab er sich mit 'Alâ ed-Dîn zum Schlosse; dort war die Abendmahlzeit gerüstet, und die Diener breiteten die Tische aus. Der Sultan setzte sich und ließ 'Ah ed-Dîn zu seiner rechten Seite sitzen; darauf setzten sich auch die Wesire und die Vornehmen des Reiches und die hohen Würdenträger des Landes, ein jeder nach seinem Range. Nun spielten auch die Kapellen, und man feierte ein großes Freudenfest im Schlosse. Der Sultan begann sich mit 'Alâ ed-Dîn zu unterhalten und mit ihm zu plaudern, während dieser ihm mit aller Höflichkeit und Feinheit der Rede antwortete, als ob er in den Palästen der Könige erzogen wäre oder stets mit ihnen verkehrt hätte. Je länger die Unterhaltung zwischen ihnen währte, desto größere Freude empfand der Sultan, weil er so schöne Antworten und so fein gewählte Worte aus seinem Mund vernahm. Nachdem man gegessen und getrunken hatte und die Tische fortgetragen waren, gab der Sultan Befehl, die Kadis und Zeugen zu rufen. Die kamen und schlossen das Ehebündnis und schrieben die Eheurkunde zwischen 'Alâ ed-Dîn und der Prinzessin Badr el-Budûr. Darauf erhob 'Ah ed-Dîn sich und wollte fortgehen; doch der Sultan hielt ihn zurück



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und sprach zu ihm: ,Wohin des Wegs, mein Sohne Die Freude ist da, und die Hochzeit ist nah; geschlossen ist der Pakt und geschrieben der Kontrakt.' ,Mein Herr und König,' erwiderte 'Alâ ed-Dîn, ,ich möchte für die Prinzessin Badr el-Budûr ein Schloß erbauen lassen, das ihrem Range und Stande angemessen ist, und ich kann nicht eher zu ihr eingehen, als bis das geschehen ist. So Gott will, wird der Bau des Schlosses durch den höchsten Eifer deines Dieners und durch den Segen des Blickes deiner Majestät in allerkürzester Zeit vollendet sein. Ja, es ist wahr, ich sehne mich danach, mich jetzt schon der Prinzessin Badr el-Budûr zu erfreuen; doch es liegt mir ob, ihr zu dienen, und ich muß mich alsbald ans Werk machen.' Der Sultan gab ihm darauf zur Antwort: ,Suche dir ein Gelände aus, mein Sohn, das du für deinen Plan geeignet findest, und nimm es hin! Alles steht dir zur Verfügung; doch scheint es mir das beste zu sein, daß du auf dem weiten Platze, der hier gegenüber meinem Palaste liegt, wenn er dir gefällt, das Schloß bauen lässest.' Mit den Worten: ,Es ist auch mein höchster Wunsch, deiner Majestät nahe zu sein' nahm 'Alâ ed-Dîn Abschied von dem Sultan, ging hinaus und ritt davon, begleitet von seinen Mamluken, die vor ihm und hinter ihm ritten, während alles Volk für ilm betete und sprach: ,Bei Allah, er verdient es!' Als er dann bei seinem Hause ankam, stieg er von seinem Rosse ab, trat in seine Kammer ein und rieb die Lampe. Da stand auch der Geist schon wieder vor ihm und sprach zu ihm: ,Verlange, was du wünschest, mein Gebieter!' 'Alâ ed-Dîn erwiderte ihm: ,Ich wünsche, daß du mir einen wichtigen Dienst leistest; der ist, daß du mir ein Schloß gegenüber dem Sultanspalaste in aller Eile errichtest; es soll von wunderbarem Bau sein, derart, daß selbst Könige seinesgleichen noch nicht gesehen haben, und es soll vollkommen eingerichtet sein, versehen mit großen königlichen



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Teppichen und allem anderen Zubehör.' ,Ich höre und gehorche!' erwiderte der Geist.

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß der Geist darauf verschwand; doch ehe noch die Morgenröte aufstieg, kam er wieder zu 'Alâed-Din und sprach zu ihm: ,Mein Gebieter, sieh, das Schloß ist fertig und so vollkommen, wie man nur wünschen kann. Wenn du es dir ansehen willst, so mache dich auf und nimm es in Augenschein!' Da erhob 'Alâ ed-Dîn sich, und der Geist trug ihn in einem Augenblicke zu dem Schlosse. Als der Jüngling es erblickte, war er von diesem Bau überrascht, da alle seine Steine aus grünem Achat, Marmor, Porphyr und Mosaik bestanden. Dann führte der Geist ihn in eine Schatzkammer, gefüllt mit allen Arten von Gold - und Silbersachen und mit Edelsteinen in unzählbarer und unberechenbarer Menge, die niemand bezahlen, niemand auch nur abschätzen konnte. Und weiter führte er ihn in einen anderen Raum; dort erblickte 'Als ed-Dîn alles Tischgerät, Schüssel und Löffel, Kannen und Becken aus Gold und aus Silber, dazu auch Krüge und Becher. Dann führte der Geist ihn in die Küche; dort sah er die Köche ausgerüstet mit allem möglichen Küchengerät, das gleichfalls ganz aus Gold und Silber bestand. Und wiederum führte er ihn in einen anderen Raum; den fand 'Alâ ed-Dîn voll von Truhen, die mit königlichen Gewändern angefüllt waren, Sachen, die den Verstand raubten, golddurchwirkten Stoffen aus Indien und China und Brokaten. So führte er ihn in viele Räume. alle voll von Dingen, die keine Worte beschreiben können. Und schließlich führte er ihn in den Marstall; dort sah 'Als ed-Dîn Rosse, wie kein König in der ganzen Welt ihresgleichen besaß. Und noch weiter drinnen zeigte der Geist ihm die Rüstkammer; dort fand 'Alâ ed-Dîn lauter kostbare Zäume und Sättel. die alle mit



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Perlen und kostbaren Steinen besetzt waren, und andere ähnliche Dinge. All das war das Werk einer einzigen Nacht. 'Alâ ed-Dîn war wie geblendet vor Staunen über die Größe eines solchen Reichtums, wie ihn selbst der mächtigste Herrscher der Welt nicht sein eigen nennen konnte. Nun war das Schloß auch noch voll von Eunuchen und Sklavinnen, die durch ihre Anmut einen Gottesmann hätten verführen können. Das größte Wunder aber von allem, das er im Schlosse sah, war im oberen Stockwerke ein Kiosk mit vierundzwanzig Nischen, die ganz mit Smaragden, Hyazinthen und anderen Edelsteinen ausgelegt waren. Eine Nische aber war nicht vollendet; das war auf Wunsch 'Als ed-Dîns geschehen, damit der Sultan sich außerstande zeigen sollte, sie zu vollenden. Nachdem 'Alâ ed-Dîn das ganze Schloß angesehen hatte, ward er von großer Freude durchdrungen. Dann wandte er sich an den Geist mit den Worten: ,Ich wünsche von dir eins, das noch fehlt und das ich dir zu sagen vergessen habe.' Der Geist erwiderte: ,Verlange, was du wünschest, mein Gebieter!' Da fuhr 'Alâ ed-Dîn fort: ,Ich wünsche von dir einen großen Teppich aus Brokat, der ganz mit Gold durchwirkt ist, und der, wenn er ausgebreitet ist, sich von meinem Schlosse bis zum Sultanspalaste erstreckt, damit die Prinzessin Badr el-Budûr, wenn sie hierher kommt. auf ihm schreiten kann und ihr Fuß nicht den Erdboden zu berühren braucht!' Der Geist verschwand einen Augenblick, kehrte zurück und sprach zu ihm: ,Mein Gebieter, was du wünschest, ist da!' Dann führte er ihn und zeigte ihm den Teppich, der die Sinne berückte, ausgebreitet vom Sultanspalaste bis zum Schlosse 'Alâ ed-Dîns. Zuletzt trug der Geist den 'Alâ ed-Dîn in sein Haus zurück.

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß bald, nachdem der Geist den Teppich dem Jüngling



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gezeigt und ihn in sein Haus zurück gebracht hatte, der Morgen graute. Da erwachte der Sultan aus dem Schlafe, stand auf und öffnete das Fenster seines Prunkgemaches und blickte hinaus; als er vor seinem Palaste ein Gebäude erblickte, begann er sich die Augen zu reiben und sie dann weit aufzureißen, um genau hinzusehen. Nun schaute er ein großes Schloß, das die Sinne blendete, und blickte auf einen Teppich, der von seinem Palaste bis zu jenem Schlosse ausgebreitet dalag. Auch die Türhüter und alle Leute, die im Schlosse waren, erstaunten so sehr, daß sie fast den Verstand darüber verloren. Mittlerweile kam auch der Wesir, und gerade wie er eintreten wollte, sah er das neue Schloß und den Teppich; da ward auch er ganz verwundert. Nachdem er dann zum Sultan eingetreten war, begannen sie über dies Wunder zu sprechen und gaben ihrem Staunen Ausdruck. da sie etwas sahen, das den Blick berückte und das Herz entzückte. Und sie sprachen: ,Wirklich, dies ist ein Schloß, von dem wir glauben, daß kein König seinesgleichen erbauen kann!' Der Sultan aber wandte sich an den Wesir mit den Worten: ,Siehst du nun ein, daß 'Alâ ed-Dîn es verdient, der Gemahl meiner Tochter, der Prinzessin Badr el-Budûr, zu werden? Hast du dir diesen königlichen Bau, diesen Reichtum, den keines Menschen Verstand begreifen kann, genau angesehen?' Doch in seinem Neide auf 'Alâ ed-Dîn erwiderte der Wesir: ,O größter König unserer Zeit, wisse, dieser Bau und dieses Schloß und dieser Reichtum kann nur durch Zauberei entstanden sein. Kein Mensch in der ganzen Welt, weder der mächtigste Herrscher noch der allerreichste Mann, kann diesen Bau in einer einzigen Nacht aufführen und errichten.' Dagegen sprach der König: ,Ich wundere mich über dich, wie du immer etwas Schlechtes von 'Alâ ed-Dîn denken mußt! Ich glaube, das kommt nur davon, daß du neidisch auf ihn bist. Du warst



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doch zugegen, wie ich ihm dies Gelände schenkte, als er mich um ein Grundstück bat, um darauf ein Schloß für meine Tochter zu erbauen; ich selber habe ihm doch in deiner Gegenwart erlaubt. auf diesem Gelände einen Palast zu erbauen. Und wer mir als Morgengabe für meine Tochter Edelsteine gebracht hat, von denen selbst Könige nicht einen einzigen besitzen, sollte der nicht imstande sein, ein solches Schloß zu erbauen?'

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß der Wesir, wie er diese Worte aus dem Munde des Sultans hörte und daraus entnahm, daß dieser den 'Alâ ed-Dîn sehr lieb hatte, noch neidischer auf ilm wurde; aber da er doch nichts gegen ihn tun konnte, so schwieg er und gab keine Antwort. Als nun auch 'Alâ ed-Dîn sah, daß es hell wurde und daß es Zeit war, zum Schlosse zu gehen, weil die Hochzeitsfeier beginnen sollte und die Emire und Wesire und die Vornehmen des Reiches sich beim Sultan versammelten, um an dem Feste teilzunehmen, da erhob er sich und rieb die Lampe. Der Geist erschien und sprach: ,Mein Gebieter, verlange, was du wünschest; ich stehe vor dir zu deinen Diensten!' Da erwiderte 'Alâ ed-Dîn: ,Ich will jetzt zum Palaste des Sultans gehen; denn heute ist die Hochzeit. Und da brauche ich zehntausend Dinare; ich wünsche, daß du sie mir bringst.' Der Geist verschwand einen Augenblick und kehrte mit zehntausend Dinaren zu ihm zurück. Dann stieg 'Alâ ed-Dîn zu Pferde, auch die Mamluken vor ihm und hinter ihm saßen auf, und so zog er zum Palaste; dabei verteilte er das Gold an das Volk. während er vorüberzog, so daß die Leute von Liebe zu ihm ergriffen wurden und seine Freigebigkeit rühmten. Als er dann vor dem Palaste erschien und die Emire und Aghas und Soldaten, die seiner harrten, ihn erblickten, eilten sie sofort zum Sultan und brachten ihm die Meldung. Da erhob sich der Sultan, ging ihm entgegen,



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umarmte ihn, küßte ihn und führte ihn an der Hand in den Palast; dort setzte er sich nieder und ließ 'Alâ ed-Dîn zu seiner Rechten sitzen. Die ganze Stadt war geschmückt, die Musikinstrumente erklangen im Palaste, und die Gesänge erschollen. Darauf gab der Sultan Befehl, das Mittagsmahl aufzutragen; nun eilten die Diener und Mamluken und breiteten die Tische aus, Tische, wie sie die Könige für sich passend finden. Dann setzten sich der Sultan und 'Alâ ed-Dîn, die Vornehmen des Reiches und die höchsten Würdenträger des Landes, und sie aßen und tranken, bis sie gesättigt waren. Es war ein großes Fest im Schlosse und in der Stadt, alle Vornehmen des Reiches waren erfreut, und alle Einwohner des Landes waren vergnügt. Auch die Vornehmen aus den Provinzen und die Statthalter der Länder kamen aus fernen Gebieten, um das Hochzeitsfest 'Alâ ed-Dîns mitzuerleben. Der Sultan aber wunderte sich in Gedanken auch über die Mutter 'Alâ ed-Dîns, wie sie früher in ärmlichen Kleidern zu ihm zu kommen pflegte, während ihr Sohn doch über so gewaltige Reichtümer verfügte. Die Einwohner der Stadt kamen zum Sultanspalaste herbeigeströmt, um sich die Hochzeit 'Alâ ed-Dîns anzusehen. Und wie sie dort den neuen Palast und seinen schönen Bau erblickten, kam große Verwunderung über sie, daß ein so prächtiges Schloß in einer einzigen Nacht errichtet worden war. Und alle flehten den Segen des Himmels auf 'Alâ ed-Dîn herab, indem sie riefen: ,Allah gebe ihm Freude! Bei Allah, er verdient es! Allah segne seine Tage!'

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß 'Aß ed-Dîn, nachdem die Mahlzeit beendet war, sich erhob und vom Sultan Abschied nahm und mit seinen Mamluken zu seinem Schlosse ritt, um sich dort auf den Empfang seiner Gemahlin, der Prinzessin Badr el-Budûr, vorzubereiten.



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Alle Menschen aber riefen ihm, während er vorbeizog, wie aus einem Munde zu: ,Allah gebe dir Freude! Allah vermehre deinen Ruhm! Allah gebe dir ein langes Leben!' So hatte er einen ungeheuer großen Hochzeitszug von Leuten aus dem Volk, die ihn bis zu seinem Schlosse geleiteten, während er Goldstücke an sie verteilte. Wie er bei seinem Schlosse ankam, stieg er ab und ging hinein; dann setzte er sich auf den Diwan, und die Mamluken stellten sich mit gekreuzten Armen vor ihm auf. Nach einer kleinen Weile wurden ihm die Scherbette gebracht. Dann gab er seinen Mamluken, Sklavinnen, Dienern und allen, die in seinem Schlosse waren, Befehl, sie sollten sich für den Empfang der Prinzessin Badr el-Budûr, seiner Gemahlin, rüsten. Als nun die Zeit des Nachmittags herankam, die Luft frischer wurde und die Hitze der Sonne nachließ, gebot der Sultan den Soldaten. den Emiren des Reichs und den Wesiren. zum Blachfelde hinabzuziehen; da zogen denn alle dorthin, und auch der Sultan selbst ritt mit ihnen. Desgleichen machte auch 'Alâ ed-Dîn sich auf und ritt ebenfalls mit seinen Mamluken auf den Plan; dort zeigte er seine ritterliche Kunst und begann das Turnier auf dem Plane, sodaß keiner vor ihm standhalten konnte; und dabei ritt er einen Hengst, wie seinesgleichen sich nicht unter den Rossen der echten Araber fand. Seine Gemahlin, die Prinzessin Badr el-Budûr, sah ihm vom Fenster ihres Schlosses aus zu: und als sie an ihm solche Schönheit und Ritterlichkeit erschaute, ward sie von Liebe zu ihm ergriffen, und es war ihr, als solle sie vor Freuden fliegen. Nachdem nun mehrere Kampfspiele auf dem Plan ausgetragen waren, in denen ein jeder von ihnen gezeigt hatte, was er an Rittertugend besaß, und nachdem 'Alâ ed-Dîn sie alle besiegt hatte, begab sich der Sultan zu seinem Palaste. und ebenso kehrte 'Alâ ed-Dîn zu seinem Schlosse zurück. Als es jedoch Abend ward,



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zogen die Vornehmen des Reiches und die Wesire mit 'Ala ed-Dîn im Hochzeitszuge dahin und geleiteten ihn in das berühmte Sultansbad; er ging hinein, badete und salbte sich mit wohlriechenden Essenzen. Dann begab er sich aus dem Baderaum in die Halle, legte ein Gewand an, das noch prächtiger war als das frühere, und stieg wieder zu Pferde. Die Soldaten und Emire ritten vor ihm her und geleiteten ihn in einem großen Hochzeitszuge, während vier von den Wesiren rings um ihn die Schwerter hochhielten. Alle Einwohner der Stadt, alle Fremden und Soldaten schritten vor ihm im Festzuge dahin mit Fackeln. Trommeln. Pfeifen und anderen Musikinstrumenten mancherlei Art, bis sie ihn zu seinem Schlosse gebracht hatten. Dort saß er ab und ging hinein; er setzte sich mit den Wesiren und Emiren, die ihn begleitet hatten, nieder; die Mamluken kamen mit Scherbetten und Süßigkeiten und bewirteten auch all das Volk, das mit im Zuge gekommenwar, eine zahllose Menge. Ferner gab 'Alâ ed-Dîn seinen Mamluken Befehl. vor das Tor des Schlosses zu treten und Goldstücke an die Leute zu verteilen.

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß der Sultan, als er vom Turnierfelde zurückgekehrt und wieder in seinen Palast gekommen war, alsbald Befehl gab, seine Tochter, die Prinzessin Badr el-Budûr, im Hochzeitszuge zum Schlosse ihres Gemahls 'Alâ ed-Dîn zu geleiten. Sofort stiegen die Krieger und die hohen Würdenträger des Reiches, die den 'Alâ ed-Dîn geleitet hatten, zu Pferde, und die Sklavinnen und Diener kamen mit Fackeln heraus; und alle geleiteten die Prinzessin Badr el-Budûr in einem prächtigen Hochzeitszuge, bis sie sie in das Schloß ihres Gemahls 'Alâ ed-Dîn gebracht hatten. Dabei schritt die Mutter 'Alâ ed-Dîns ihr zur Seite, und vor ihr her zogen die Frauen der Wesire und



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Emire, der Vornehmen und der hohen Würdenträger; in ihrer Begleitung waren auch die achtundvierzig Sklavinnen, die 'Alâ ed-Dîn ihr geschenkt hatte, und eine jede von ihnen trug eine große Kerze von Kampfer und Ambra in einem goldenen Leuchter, der mit Edelsteinen besetzt war. Auch alle Frauen und Männer, die im Palaste waren, zogen mit ihr aus und schritten alle vor ihr her bis zum Schlosse ihres jungen Gemahls. Dort führten die Frauen sie in ihr Gemach im Söller, legten ihr die verschiedenen Kleider an und stellten sie darin zur Schau. Und nachdem die Schaustellung beendet war, führten sie sie in das Gemach ihres Gemahls 'Alâ ed-Dîn. Darauf trat er zu ihr ein, während seine Mutter noch bei ihr war. Als aber 'Alâ ed-Dîn zu ihr trat und ihr den Schleier abnahm, begann die Mutter die Schönheit und Anmut der jungen Frau zu betrachten. Dann blickte sie auch in dem Gemache umher, in dem sie sich befand; das war ganz aus Gold und Edelsteinen gearbeitet, und in ihm hing ein goldener Kronleuchter, der ganz mit Smaragden und Hyazinthen besetzt war. Da sprach sie bei sich selber: ,Früher meinte ich, der Palast des Sultans sei prächtig; aber schon allein dies Gemach ist derart, daß ich glaube, keiner von den großen Perserkönigen und von den Kaisern hat je etwas Ähnliches besessen, ja, ich glaube sogar, daß die ganze Welt ein Gemach wie dieses nicht herstellen kann.' Auch die Prinzessin Badr el-Budûr begann sich umzuschauen, und sie staunte über dies Schloß und seine Pracht. Darauf wurden die Tische ausgebreitet, man aß und trank und war guter Dinge. Zuletzt kamen achtzig Sklavinnen, von denen jede ein Musikinstrument in der Hand trug, das waren Instrumente von mancherlei Art. Nun begannen die Mädchen ihre Finger zu regen, sie griffen in die Saiten und spielten klagende Weisen, so daß sie die Herzen der Hörer zerrissen. Die Prinzessin Badr el-Budûr



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aber wunderte sich immer mehr, und sie sprach bei sich selber: ,In meinem ganzen Leben habe ich noch nie solche Weisen gehört 'Ja, sie vergaß sogar zu essen, um besser zuhören zu können. 'Alâ ed-Dîn schenkte ihr indessen Wein ein und reichte ihr den Becher mit eigener Hand; und so herrschte bei ihnen Vergnügen und helle Freude, und es war eine so herrliche Nacht, wie sie selbst Alexander der Große zu seiner Zeit nie erlebt hatte. Doch als Essen und Trinken beendet und die Tische vor ihnen fortgetragen waren, erhob 'Alâ ed-Dîn sich und ging zu seiner Braut ein. Und als es wieder Morgen ward, brachte ihm der Schatzmeister ein herrliches, kostbares Gewand, die allerprächtigste Herrscherkleidung. 'Alâ ed-Dîn legte es an und setzte sich nieder, während ihm Kaffee mit Ambra gereicht wurde. Nachdem er getrunken hatte, befahl er, die Rosse zu bringen. Die wurden gesattelt, und da saß er mit seinen Mamluken, die vor ihm und hinter ihm ritten, auf und begab sich zum Sultanspalaste. Wie er dort an kam und ins Tor trat, eilten die Diener hinein und meldeten dem Sultan, daß 'Alâ ed-Dîn da sei.

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß der Sultan, als er von 'Alâ ed-Dîns Ankunft hörte, ihm alsbald entgegenging, ihn umarmte und küßte, als wäre er sein eigener Sohn, und ihn zu seiner Rechten sitzen ließ. Die Wesire und die Emire, die hohen Würdenträger des Reiches und die Vornehmen des Landes sprachen ihm ihre Glückwünsche aus; und auch der Sultan wünschte ihm Glück und Segen. Dann befahl der Herrscher, die Frühmahl zeit zu bringen; das geschah, und sie speisten gemeinsam. Nachdem sie nun sich satt gegessen und getrunken hatten und als die Diener die Tische vor ihnen fortgenommen hatten, wandte 'Alâ ed-Dîn sich an den Sultan mit den Worten: ,Hoher Herr, würde deine Majestät geruhen, mich heute zum Mittagsmahle bei der Prinzessin



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Badr el-Budûr, deiner geliebten Tochter, zu beehren, und würde deine Majestät mit ihrem Gefolge, allen Wesiren und Vornehmen des Reiches, kommen wollen?' ,Mit Vergnügen, mein Sohn!' erwiderte der Sultan, der sich darüber freute, und gab sofort den Wesiren und Vornehmen des Reiches und hohen Würdenträgern des Landes Anweisung. Dann saß er auf, auch sein Gefolge stieg zu Pferde, und 'Alâ ed-Dîn ritt mit ihnen zu seinem Schlosse. Wie der Sultan in das Schloß eintrat und diesen Wunderbau mit den kostbaren Steinen, die nur aus grünem Achat und Karneol bestanden, genauer betrachtete, ward sein Geist geblendet und verwirrt ob solcher Herrlichkeit, solchen Reichtums und solcher Pracht. Zum Wesir gewandt, sprach er darauf: ,Was sagst du nun, Wesir? Hast du in deinem ganzen Leben je etwas Ähnliches gesehen? Gibt es selbst bei dem mächtigsten König der Welt so viel Reichtum, so viel Gold und Juwelen, wie wir in diesem Schlosse hier erblicken?' ,Mein Herr und König,' entgegnete der Wesir, ,dies ist etwas, das nicht in der Macht eines Herrschers unter den Menschenkindern steht; alles Volk der Erde zusammen könnte ein solches Schloß nicht erbauen, ja, es würden sich nicht einmal Baumeister finden, die eine solche Arbeit vollbringen könnten. Nein, dies konnte, wie ich deiner Majestät bereits gesagt habe, nur durch Zauberkraft geschehen.' Aber der Sultan wußte, daß der Wesir immer nur aus Neid gegen 'Alâ ed-Dîn redete und ihn davon überzeugen wollte, daß dies alles nicht durch Menschenkraft entstanden, sondern lauter Zauberwerk sei, und so sprach er denn zu ihm: ,Genug, Wesir, du brauchst nichts mehr zu sagen. Ich kenne den Grund recht wohl, der dich veranlaßt, solche Worte zu reden.' Darauf ging 'Alâ ed-Dîn vor dem Sultan her, bis er ihn zu dem oberen Kiosk geführt hatte; dort blickte der Herrscher auf die gewölbte



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Decke, die Fenster und Gitter, die alle aus Smaragden, Hyazinthen und anderen kostbaren Edelsteinen hergestellt waren. Er staunte und starrte, seine Sinne wurden geblendet und seine Gedanken verwirrt. Dann aber begann der Sultan in dem Kiosk umherzuschreiten und sich alle diese Dinge, die das Auge gefangen nahmen, anzusehen. Da erblickte er auch das Fenster, das 'Alâ ed-Dîn mit Absicht unfertig und unvollendet gelassen hatte. Wie der Sultan es anschaute und sah, daß es noch nicht fertig gearbeitet war, rief er: ,Ach, wie schade um dich, o Fenster, daß du nicht vollkommen bist!' Und indem er sich zum Wesir wandte, fragte er: ,Weißt du den Grund, weshalb dies Fenster mit seinen Gittern nicht vollendet worden ist?'

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß der Wesir dem Sultan antwortete: ,Hoher Herr, ich glaube, daß dies Fenster deshalb nicht vollendet wurde, weil deine Majestät die Hochzeit für 'Alâ ed-Dîn so sehr beeilte, daß er keine Zeit mehr hatte, es fertigzustellen.' Unterdessen war 'Ah ed-Dîn zu seiner jungen Gemahlin, der Prinzessin Badr el-Budûr, gegangen, um ihr die Ankunft ihres Vaters, des Sultans, zu melden. Als er nun zurückkehrte, fragte der Sultan ihn: ,Mein Sohn 'Alâ ed-Dîn, was ist der Grund dafür, daß ein Gitter in diesem Kiosk nicht vollendet ist?' Der Jüngling gab ihm zur Antwort: ,O größter König unserer Zeit, da die Hochzeit so beschleunigt werden mußte, konnten die Meister es nicht mehr ganz fertigstellen.' ,Ich will es vollenden', sprach der Sultan; und 'Alâ ed-Dîn sagte darauf: ,Allah gebe dir ewigen Ruhm, o König! So wird dein Andenken im Schlosse deiner Tochter verewigt werden.' Sofort befahl der Sultan, die juweliere und Goldschmiede zurufen, und gab auch Anweisung, man solle ihnen aus seinem Schatze alles geben, was sie nötig hätten, Gold, Juwelen und Edelmetalle. Wie nun



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die Juweliere und Goldschmiede erschienen, beauftragte der Sultan sie, das fehlende Stück im Gitter des Kioskes zu arbeiten Inzwischen war auch die Prinzessin Badr el-Budûr aus ihren Gemächern herausgetreten, um ihren königlichen Vater zu begrüßen. Als sie ihm entgegentrat und er ihr freudestrahlendes Antlitz sah, umarmte er sie, küßte sie und ging mit ihr zu ihren Gemächern, und alle traten zusammen ein. Nun war aber die Zeit des Mittagsmahles herangenaht, und die Tische waren bereit gestellt, einer für den Sultan, die Prinzessin Badr el-Budûr und 'Alâ ed-Dîn und ein zweiter für den Wesir, die Großen des Reiches, die hohen Würdenträger des Landes, die Hauptleute der Truppen, die Kammerherren und Statthalter. Der Sultan setzte sich zwischen seine Tochter. die Prinzessin Badr el-Budûr, und seinen Eidam 'Alâ $ed-Dîn; und als er seine Hand nach dem Mahle ausstreckte und davon kostete. wunderte er sich über solche Speisen und solche würzigen, kostbaren Gerichte. Vor ihnen standen die achtzig Sklavinnen, von denen eine jede zum Vollmonde hätte sagen können: ,Erhebe dich, auf daß ich mich an deinen Platz setze!' Und eine jede von ihnen hielt ein Musikinstrument in der Hand; nun stimmten sie ihre Instrumente, griffen in die Saiten und spielten so ergreifende Weisen, daß ein betrübtes Herze darüber seinen Kummer vergessen hätte. Der Sultan ward froh und heiter, und er verlebte eine so schöne Zeit, daß er rief: ,Wirklich, so etwas können Kaiser und Könige nicht haben!' Man begann zu essen und zu trinken, und der Becher kreiste bei ihnen, bis sie sich gesättigt hatten. Dann wurden Süßigkeiten, Früchte und anderes Konfekt gereicht, jedoch in einem zweiten Saale. Dorthin begaben sie sich und genossen von dem Naschwerk, bis sie gesättigt waren. Darauf aber erhob sich der König, um zu schauen, ob das Werk der Juweliere und Goldschmiede



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dem anderen Werke in dem Schlosse gleich würde. Er ging also zu ihnen hinauf und sah zu, wie sie ihre Arbeit gemacht hatten; doch er sah, daß sie weit davon entfernt waren, eine solche Arbeit wie die im Schlosse 'Alâ ed-Dîns zu schaffen. Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß der Sultan, nachdem er das Werk der Goldschmiede und Juweliere gesehen und diese ihm mitgeteilt hatten, sie hätten alle Edelsteine gebracht, die sie in seinem Schatze gefunden hätten, und das sei noch nicht genug, nunmehr den Befehl gab, man solle das große Schatzhaus öffnen und den Werkmeistern alles geben, was sie nötig hätten; und wenn das noch nicht genug sei, so solle man das nehmen, was 'Alâ ed-Dîn ihm geschenkt hatte. Also nahmen die Juweliere alle die Edelsteine, die der Sultan ihnen zugewiesen hatte, und arbeiteten mit ihnen; aber sie entdeckten, daß sie auch daran nicht genug hatten, ja, sie hatten damit nicht einmal die Hälfte des Stückes, das an dem Gitter des Kioskes fehlte, vollenden können. Darauf befahl der Sultan, alle Edelsteine, die sich im Besitze der Wesire und der Vornehmen des Reiches befänden, sollten hinzugenommen werden; die Juweliere nahmen sie alle und verarbeiteten sie, aber wiederum war es nicht genug. Am anderen Morgen ging 'Alâ ed-Dîn hinauf, um das Werk der Juweliere zu sehen; und er bemerkte, daß sie noch nicht die Hälfte des fehlenden Stückes in dem Gitter vollendet hatten. Sofort befahl er ihnen, alles, was sie gearbeitet hatten, wieder auseinanderzunehmen und die Edelsteine ihren Besitzern zurückzugeben. Sie führten seinen Befehl aus und sandten alles zurück: was des Sultans war, zum Sultan, und was den Wesiren gehörte, an die Wesire. Dann gingen die Juweliere zum Sultan und teilten ihm mit, daß 'Alâ ed-Dîn ihnen das befohlen habe. Der fragte sie: ,Was hat er euch da gesagt? Was ist der Grund?



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Warum hat er denn nicht gewollt, daß ihr das Gitter fertigmachen solltet? Und warum hat er das, was ihr gemacht habt, wieder vernichtet?' ,O unser Gebieter,' erwiderten sie, ,wir wissen gar nichts davon, sondern er hat uns nur befohlen, alles, was wir gemacht haben, zu vernichten.' Sofort gab der Sultan Befehl, die Pferde zu bringen, saß auf und begab sich zum Schlosse 'Als ed-Dîns. Der war inzwischen, nachdem er die Goldschmiede und Juweliere entlassen hatte, in seine Kammer gegangen und hatte die Lampe gerieben. Im selben Augenblicke erschien der Geist vor ihm und sprach: ,Verlange, was du wünschest; dein Knecht steht vor dir!' 'Alâ ed-Dîn aber sagte: .Ich wünsche, daß du das Gitter im Kiosk vollendest, das du unfertig gelassen hast.', Herzlich gern!' erwiderte der Geist; dann verschwand er, und als er nach einer kleinen Weile zurückkehrte, sagte er: ,Mein Gebieter, was du mir befohlen hast, das habe ich vollendet. 'Da ging 'Alâ ed-Dîn zum Kiosk hinauf und sah, daß alle seine Gitter vollendet waren. Während er sie gerade betrachtete, trat plötzlich ein Eunuch zu ihm ein und sprach: ,Hoher Herr, der Sultan kommt zu dir; er ist schon bei dem Schloßtore.' Sogleich stieg' AIâed-Dîn hinab und begrüßte ihn.

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß der Sultan, als er 'Alâ ed-Dîn erblickte, zu ihm sprach: ,Warum, mein Sohn, hast du das getan? Warum hast du die Juweliere nicht das Gitter im Kiosk vollenden lassen, damit keine Stelle in deinem Schlosse unfertig bliebe?' ,O größter König unserer Zeit,' erwiderte 'Alâ ed-Dîn, ,ich habe sie ja doch absichtlich unfertig gelassen, und ich war auch nicht außerstande, sie zu vollenden. Ich konnte auch unmöglich wünschen, daß deine Majestät mich in einem Schlosse beehrte, in dem noch etwas fehlte. Möge deine Majestät jetzt sehen, daß ich nicht unfähig bin, alles vollkommen zu machen, und darum



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hinaufsteigen und die Gitter des Kioskes betrachten, ob noch etwas an ihnen fehlt!' Darauf stieg der König in den Söller hinauf, trat in den Kiosk und schaute dort nach rechts und nach links; aber er konnte keinerlei Fehl an seinen Gittern entdecken, nein, er fand sie alle von vollkommener Art. Als er das sah, wunderte er sich, schloß 'Alâ ed-Dîn in die Arme, küßte ihn und sprach zu ihm: ,Lieber Sohn, was für ein Wunder ist das! In einer einzigen Nacht schaffst du ein Werk, das die juweliere in Monaten nicht herstellen können! Bei Allah, ich glaube, du hast in der ganzen Welt nicht deinesgleichen!' 'Alâ ed-Dîn sagte darauf: ,Allah schenke dir langes Leben und ewige Dauer! Dein Knecht ist dieses Lobes nicht würdig.' ,Bei Allah, mein Sohn,' rief der König, ,du verdienst jegliches Lob; denn du hast etwas geschaffen, dessen alle Baumeister der ganzen Welt nicht fähig sind!' Darauf ging der Sultan wieder hinab und trat in die Gemächer seiner Tochter. der Prinzessin Badr el-Budûr, ein, um sich bei ihr auszuruhen. Er sah, daß sie sehr froh war über all diese herrliche Pracht. mit der sie umgeben war. Und nachdem er sich bei ihr eine kleine Weile ausgeruht hatte, kehrte er in seinen Palast zurück. 'Alâ ed-Dîn aber ritt von nun ab jeden Tag durch die Stadt, während seine Mamluken hinter ihm und vor ihm die Goldstücke an das Volk nach rechts und nach links austeilten. Und alles Volk hatte ihn gern, Fremde und Landsleute, von nah und fern, weil er so über die Maßen freigebig und großmütig war. Er vermehrte die Einkünfte der Armen und Bedürftigen, ja, er teilte auch mit eigener Hand Gaben an sie aus. Durch solche Taten gewann er großen Ruhm im ganzen Lande; auch die meisten der Vornehmen des Reiches und der Emire pflegten an seinem Tische zu speisen, und die Leute schworen nur noch bei seinem teuren Leben. Von Zeit zu Zeit pflegte er auch auf die Jagd



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zu gehen oder auf dem Blachfelde sich zu Rosse zu tummeln und an den Kriegs spielen vor dem Sultan teilzunehmen. Sooft die Prinzessin Badr el-Budûr ihn sah, wie er sich auf den Rücken der Rosse tummelte, ward ihre Liebe zu ihm nur noch stärker, und sie dachte bei sich, daß Allah ihr doch ein sehr großes Glück beschert habe, als er sie das Erlebnis mit dem Sohne des Wesirs durchmachen ließ, um sie für ihren richtigen Gemahl 'Alâ ed-Dîn aufzusparen.

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß 'Alâ ed-Dîns trefflicher Ruf und Ruhm mit jedem Tage zunahmen; die Liebe zu ihm ward immer inniger in den Herzen aller Untertanen, und er stand in den Augen der Leute hoch und hehr da. In diesen Tagen zogen feindliche Reiterscharen wider den Sultan heran; da rüstete der gegen den Feind ein Heer aus und machte 'Alâ ed-Dîn zum Oberbefehlshaber der Truppen. Nun zog dieser mit den Streitkräften aus, bis er nahe am Feinde war; die Truppen des Feindes aber waren sehr zahlreich. Da zückte 'Als ed-Dîn sein Schwert und stürmte auf die Feinde los. Nun entbrannte Schlacht und Streit. und das Kampfgetümmel ward heftig; doch 'Als ed-Dîn brach ihre Macht und trieb sie in die Flucht. Die meisten von ihnen erschlug er, und ihr Hab und Gut erbeutete er; unzählbar und unausrechenbar reiche Beute brachte er heim. Als stolzer Sieger kehrte er zurück und zog in die Stadt ein, die ihm zu Ehren im Freudenschmucke prangte. Der Sultan selbst ritt ihm entgegen, beglückwünschte ihn und umarmte und küßte ihn; und im ganzen Lande ward mit viel Freude ein großes Fest gefeiert. Der Sultan aber ritt mit 'Alâ ed-Dîn zu dessen Schloß; dort trat ihm die Prinzessin Badr el-Budûr, seine junge Gattin, freudig bewegt entgegen, küßte ihn auf die Stirn und führte ihn mit sich in ihre Gemächer. Nach einer kurzen Weile kam der



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Sultan ihnen nach; sie setzten sich und tranken, nachdem die Sklavinnen die Scherbette gebracht hatten. Dann gab der Sultan Befehl, das ganze Land solle den Sieg 'Alâ ed-Dîns über die Feinde feiern; und nun gab es für Bürger und Soldaten, für alle Leute nur noch Allah im Himmel und 'Alâ ed-Dîn auf Erden. Sie liebten ihn noch immer mehr und mehr: denn er war ja nicht nur über alle Maßen freigebig und großmütig, sondern er hatte auch das Land beschützt und durch seine Tapferkeit die Feinde zurückgeschlagen.

Lassen wir nun 'Alâ ed-Dîn und sehen wir einmal, was inzwischen aus dem maurischen Zauberer geworden war! Der hatte, nachdem er in sein Land zurückgekehrt war, diese ganze Zeit über traurig dagesessen, weil er so viel Mühen und Plagen hatte durchmachen müssen, um die Lampe zu gewinnen, und sich doch ganz vergeblich abgemüht hatte; weil ihm der Bissen, den er schon an den Mund geführt hatte, doch noch aus der Hand davon geflogen war. Und wenn er trauernd darüber nachdachte, dann pflegte er 'Alâ ed-Dîn zu verfluchen, weil er so gewaltig auf ihn erbost war. Manchmal aber pflegte er auch zu sagen: ,Daß dieser Bastard unter der Erde verreckt ist, darüber bin ich doch wirklich froh. Nun habe ich doch noch Hoffnung, daß ich in den Besitz der Lampe kommen kann, da sie noch gut aufgehoben ist.' Eines Tages aber warf er den Sand zum Zaubern, so daß die Figuren sich zeigten; die ordnete er in festen Gruppen und zeichnete sie auf, um sie genau zu betrachten' und daraus sicher festzustellen, daß 'Alâ ed-Dîn tot und die Lampe noch unter der Erde wohlverwahrt sei. Er schaute die Figuren, die Mütter und die Töchter', sorgfältig an, aber er sah die Lampe nicht mehr. Da packte ihn die Wut, und er warf



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den Sand noch einmal, um sich von 'Alâ ed-Dîns Tod zu überzeugen. Aber er sah den Jüngling nicht mehr in der Schatzhöhle. Da ward seine Wut noch größer, und sie steigerte sich noch immer mehr, als er feststellte, daß 'Alâ ed-Dîn noch auf Erden lebte, und erfuhr, daß er aus der Erde herausgekommen sei und die Lampe besitze, um deren willen er so viel Qualen und Mühen, die kaum ein Mensch ertragen kann, ausgehalten hatte. Nun sprach er bei sich selber: ,Ich habe viele Qualen ertragen, ich habe Mühsale auf mich genommen, die niemand als ich ertragen kann, nur um der Lampe willen: und dieser Verruchte nimmt sie sich ohne Anstrengung! Sicherlich, wenn er die Zauberkraft der Lampe kennt, so ist er jetzt der reichste Mann in der Welt.'

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß der maurische Zauberer, als er mit Sicherheit erkannt hatte, daß 'Alâ ed-Dîn aus der Erde hervorgekommen war und sich des Zaubers der Lampe erfreute, bei sich selber fortfuhr: ,Ich muß darauf hinwirken, daß er zu Tode kommt!' Darauf warf er den Sand noch einmal, erforschte die Figuren und sah nunmehr, daß 'Alâ ed-Dîn ungeheuren Reichtum besitze und mit der Tochter des Sultans vermählt sei. Da lohte in ihm vor Neid das Feuer des Zornes auf, und zur selbigen Stunde machte er sich bereit und auf den Weg nach dem Lande China. Als er bei der Hauptstadt des Sultans, in der 'Alâ ed-Dîn lebte, angekommen war, ging er hinein und stieg in einer der Herbergen ab. Dort hörte er, wie die Leute immer nur von der Pracht des Schlosses 'Alâ ed-Dîns redeten. Nachdem er sich von der Reise ausgeruht hatte, legte er seine Kleider wieder an und ging aus, um in den Straßen der Stadt umherzustreifen. Aber er konnte bei keinem Menschen vorbeigehen, ohne daß man von diesem Schlosse und seiner Pracht



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erzählte oder von der strahlenden Schönheit. der hochherzigen Freigebigkeit und den trefflichen Eigenschaften 'Ah ed-Dîns redete. Da trat der maurische Zauberer zu einem der Leute, die in dieser Weise von 'Alâ ed-Dîn sprachen, und fragte ihn: ,Guter Jüngling, wer ist der Mann, den ihr schildert und preist?' Jener antwortete ihm: ,Mann, du scheinst ein Fremdling zu sein, und du bist wohl aus einem fernen Lande gekommen. Nehmen wir an, daß du von weit her bist, hast du denn noch nichts von dem Emir 'Alâ ed-Dîn gehört, von dessen Ruf, wie ich dachte, die ganze Welt erfüllt ist? Sein Schloß ist ein Weltwunder, von ihm hat fern und nah gehört. Wie kommt es. daß du weder davon noch von dem Namen des 'Alâ ed-Dîn, dem der Herr seinen Ruhm mehren und Freude bescheren möge, je etwas gehört hast?' Nun fuhr der Maure fort: ,Es ist mein höchster Wunsch, mir das Schloß anzusehen. Wenn du mir einen Gefallen erweisen willst, so führe mich dorthin; denn ich bin ein Fremdling.' ,Ich höre und gehorche!' erwiderte der Mann, ging vor ihm her und führte ihn zum Schlosse 'Alâ ed-Dîns. Der Maure begann dies Schloß zu betrachten und erkannte, daß all das ein Werk der Lampe war. Und da rief er aus: ,Ach! Ach! Ich muß diesem Verruchten, dem Schneiderssohne, der früher nicht einmal genug hatte, um zu Abend zu essen, eine Grube graben. Wenn das Geschick mir Kraft verleiht, so werde ich auch seine Mutter wieder am Rade spinnen lassen, wie sie es früher tun mußte. Ihm selber aber nehme ich das Leben.' Darauf kehrte er zum Chân zurück, betrübt, bekümmert und traurig, wie er in seinem Neid auf 'Alâ ed-Dîn war.

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß der maurische Zauberer. als er wieder in den Chân gekommen war, sein astrologisches Gerät hervornahm und



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den Sand warf, um zu erfahren, wo die Lampe wäre; da entdeckte er, daß sie in dem Schlosse war, jedoch nicht bei 'Alâ ed-Dîn selbst. Darüber war er hocherfreut, und er sprach: ,Jetzt ist es eine leichte Sache, diesem Verruchten das Leben zu nehmen, und ich sehe schon einen Weg, um die Lampe zu gewinnen!' Dann ging er zu einem Kupferschmied und sprach zu ihm: ,Mache mir ein paar Lampen; du sollst von mir mehr als den gewöhnlichen Preis erhalten! Nur verlange ich von dir, daß du sie rasch fertigstellest.' ,Ich höre und gehorche!' erwiderte der Schmied, machte sich an die Arbeit und stellte sie fertig. Als sie nun fertig waren, bezahlte der Maure ihm so viel dafür, wie er verlangte, nahm sie, ging fort und kam zur Herberge zurück. Dort legte er sie in einen Korb und begann in den Straßen und Basaren der Stadt umher zugehen, indem er ausrief: ,O, wer vertauscht alte Lampen gegen neue Lampen!' Als die Leute ihn so ausrufen hörten, lachten sie ihn aus und sagten: ,Dieser Mann da ist doch sicher verrückt, daß er umher zieht und neue Lampen für alte weggibt!' Nun lief auch das Volk hinter ihm her, und die Gassenbuben verfolgten ihn von Ort zu Ort und lachten ihn aus. Er aber hielt nicht inne und kümmerte sich nicht darum, sondern zog immer weiter in der Stadt umher, bis er unten bei dem Schlosse 'Alâ ed-Dîns ankam. Dort rief er. so laut er nur konnte. während die Kinder schrieen: ,Ein Verrückter! Ein Verrückter!' Nun traf es sich, daß die Prinzessin Badr el-Budûr in dem Kiosk war und hörte, wie jemand ausrief, während die Buben ihn anschrieen, aber sie verstand nicht, um was es sich handelte. Da gab sie einer ihrer Sklavinnen den Befehl: ,Geh hin und schau, was das für ein Mann ist, der da ruft, und was er ausruft!' Die Sklavin ging hin, schaute nach und sah einen Mann, der da ausrief: ,O, wer vertauscht alte Lampen gegen neue!' während die



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Gassenbuben hinter ihm ihn auslachten. Dann kehrte die Sklavin zurück und berichtete ihrer Herrin. der Prinzessin Badr el-Budûr, indem sie sprach: ,Der Mann da ruft aus: O, wer vertauscht alte Lampen gegen neue! Und die Kinder laufen hinter ihm her und lachen ihn aus.' Da lachte auch die Prinzessin Badr el-Budûr über diese sonderbare Erscheinung. 'Alâ ed-Dîn aber hatte die Lampe in seinem Gemache liegenlassen, ohne sie in seine Schatzkammer zu legen und dort zu verschließen. Eine der Sklavinnen hatte das gesehen, und die hub an: ,Hohe Herrin, ich denke, ich habe im Gemache meines Herrn 'Ala ed-Dîn eine alte Lampe gesehen. Laß uns die bei diesem Manne gegen eine neue eintauschen, damit wir sehen, ob seine Worte wahr oder falsch sind!'

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß die Prinzessin Badr el-Budûr zu der Sklavin sprach: ,Hole die alte Lampe, von der du sagst, du hättest sie im Gemache deines Herrn gesehen!' Denn die Prinzessin wußte nichts von der Lampe, noch von ihren Zauberkräften, noch ahnte sie, daß die es war, die ihrem Gatten 'Alâ ed-Dîn all diese große Pracht verschafft hatte. Jetzt war es ihr höchster Wunsch, durch einen Versuch den Verstand dieses Mannes, der Neues für Altes vertauschte, zu ergründen. So ging denn die Sklavin hin, stieg zum Gemache 'Alâ ed-Dîns hinauf und kehrte mit der Lampe zu der Prinzessin Badr el-Budûr zurück. Da nun auch niemand von der List und Bosheit des maurischen Zauberers ein Arg hatte, so befahl die Prinzessin dem Obereunuchen, er solle hinunter gehen und die Lampe gegen eine neue vertauschen. Jener nahm die Lampe, ging hinunter und gab sie dem Mauren; und nachdem er eine neue Lampe von ihm erhalten hatte, kehrte der Obereunuch zur Prinzessin zurück und gab ihr die Lampe, die er eingetauscht hatte. Sie betrachtete sie und



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sah, daß sie wirklich neu war; da begann sie, über den Verstand des Mauren zu lächeln. Der aber steckte die Lampe, nachdem er sie erhalten und als die Lampe aus der Schatzhöhle erkannt hatte, sofort in seinen Busen und ließ all die anderen Lampen den Leuten, die mit ihm tauschen wollten. Eilends lief er fort, bis er draußen vor der Stadt war; dann schritt er über die ebenen Fluren dahin, bis die Nacht hereinbrach. Und da er nun sah, daß er in der Steppe allein war, daß niemand außer ihm dort war, holte er die Lampe aus seinem Busen und rieb sie. Sofort erschien der Mârid vor ihm und sprach zu ihm: ,Zu Diensten! Dein Knecht steht vor dir! Verlange von mir, was du wünschest!' Der Maure erwiderte: ,Ich wünsche, daß du das Schloß 'Als ed-Dîns mit seinen Bewohnern und allem. was darinnen ist, von seiner Stelle auf hebst und mich mit ihm in meinem Lande, im Lande Afrika, auf den Boden setzest. Du kennst meine Stadt; und ich wünsche, daß dies Schloß in meiner Stadt zwischen den Gärten stelle!' ,Ich höre und gehorche!' sprach der dienende Mârid, ,schließ die Augen und öffne die Augen, so wirst du dich mit dem Schlosse in deinem Lande wiederfinden.' Und sofort geschah es also; in einem Augenblicke ward der Maure mit dem Schlosse 'Alâ ed-Dîns und allem, was darin war, in das Land Afrika gebracht.

So weit der maurische Zauberer. Kehren wir nun zum Sultan und zu 'Alâ ed-Dîn zurück! Der Sultan pflegte an jedem Tage, wenn er des Morgens aufstand, in seiner treuen Liebe zu seiner Tochter, der Prinzessin Badr el-Budûr, gleich nach dem Erwachen das Fenster zu öffnen und hinauszuschauen. So machte er denn auch an jenem Tage nach seiner Gewohnheit das Fenster auf, um nach seiner Tochter hinüberzuschauen.

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß der Sultan, als er aus dem Fenster seines Gemaches



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nach dem Schlosse 'Alâ ed-Dîns hinüberschaute, dort nichts erblickte, sondern nur eine kahle Stätte sah, wie sie früher dort gewesen war; weder Schloß noch sonst einen Bau konnte er sehen. Da kam ein maßloses Erstaunen über ihn, sein Verstand ward verwirrt, und er begann seine Augen zu reiben, da sie ja vielleicht getrübt oder verdunkelt sein konnten. Dann spähte er wieder aus, doch schließlich überzeugte er sich, daß von dem Schlosse keine Spur mehr vorhanden war; und er wußte nicht, was mit ihm geschehen, was mit ihm vorgegangen war. Da geriet er in noch größere Verwirrung, er rang die Hände, und die Tränen begannen ihm auf den Bart zu rollen, da er nicht wußte, was aus seiner Tochter geworden war. Sofort sandte er aus und ließ den Wesir rufen. Der kam, und als er zum Herrscher eintrat und ihn in solch trauriger Verfassung erblickte, sprach er: ,Verzeih mir, o größter König unserer Zeit, Allah halte alles Übel von dir fern! Warum bist du betrübt?' Der Sultan rief: ,Weißt du denn noch nichts von meiner Not?' ,Wahrlich nein, hoher Herr,' erwiderte der Wesir, ,bei Allah, ich habe gar keine Kunde!' Darauf der Sultan: ,Dann hast du also noch nicht nach dem Schlosse 'Alâ ed-Dîns geblickt!' ,Das ist wahr, mein Gebieter,' sagte der Wesir, ,jetzt ist es wohl noch verschlossen.' Doch der König fuhr fort: ,Sintemalen du gar keine Kunde hast, nun denn, schau aus dem Fenster und sieh, wo das Schloß 'All ed-Dîns ist, von dem du sagst, daß es noch verschlossen sei!' Da schaute der Wesir aus dem Fenster nach dem Schlosse 'All ed-Dîns hinüber; aber er fand nichts, weder Schloß noch sonst etwas. Ganz verwirrt und verstört blickte er wieder auf den Sultan, und der fuhr fort: ,Weißt du jetzt den Grund meiner Trauer? Hast du das Schloß 'All ed-Dîns gesehen, von dem du sagst, es sei wohl verschlossen?' ,O größter König unserer Zeit,' sagte der Wesir nun,



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,ich habe schon früher deiner Majestät zu sagen gewagt, daß dies Schloß und all diese Dinge Zauberei seien.' Da entflammte der Sultan von Zorn, und er rief: ,Wo ist 'AIâ ed-Dîn?' Als der Wesir antwortete, er sei auf der Jagd, gab der Herrscher im selben Augenblick Befehl, einige von den Aghas und den Soldaten sollten fortreiten und 'Alâ ed-Dîn an Händen und Füßen gefesselt zur Stelle schaffen. Die Aghas und Soldaten zogen fort, bis sie 'Alâ ed-Dîn trafen; und da sprachen sie zu ihm: ,O du unser Herr 'Alâ ed-Dîn, sei uns nicht böse, der Sultan hat uns befohlen, wir sollten dich an Händen und Füßen gefesselt zu ihm bringen. Wir bitten dich, miß uns keine Schuld bei, denn wir stehen unter seinem königlichen Befehle, wir können ihm nicht zuwiderhandeln.' Wie 'Alâ ed-Dîn die Worte der Aghas und Soldaten vernahm, ward er von Staunen ergriffen; seine Zunge war wie gelähmt, da er ja die Ursache von alledem nicht kannte. Dann aber redete er sie an und sprach: ,Ihr Leute, kennt ihr nicht den Grund zu diesem Befehle des Sultans? Ich weiß mich unschuldig, ich habe kein Verbrechen gegen den Sultan noch gegen das Land begangen.' ,Unser Gebieter,' erwiderten sie, ,wir haben gar keine Kunde!' Da sprang 'Alâ ed-Dîn von seinem Rosse ab und sprach zu ihnen: ,Tut mit mir, was der Sultan euch befohlen hat! Denn dem Gebote des Sultans muß willig gehorcht werden.'

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß die Aghas dem 'Alâ ed-Dîn Fußfesseln und Handschellen anlegten, ihn so in eisernen Ketten fortschleppten und mit ihm in die Stadt kamen. Als die Bürger ihn mit eisernen Fesseln an Händen und Füßen erblickten, da wußten sie, daß der Sultan ihm das Haupt abschlagen lassen wolle. Weil er aber so über alle Maßen beliebt bei ihnen war, taten sich alle Bürger zusammen, nahmen ihre Waffen in die Hand, verließen



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ihre Häuser und folgten den Soldaten, um zu sehen, was geschehen würde. Wie dann die Soldaten mit dem Gefangenen bei dem Palaste angekommen waren, erstatteten sie dem Sultan Meldung; und der sandte sofort dem Henker Befehl, er solle kommen und jenem den Kopf abschlagen. Doch als die Bürger diesen Befehl des Sultans vernahmen, verrammelten sie die Tore des Palastes und ließen dem Sultan sagen: ,In diesem Augenblick werden wir den Palast über den Häuptern aller, die in ihm sind, und auch über deinem Haupte niederreißen, wenn dem 'Alâ ed-Dîn das geringste Leid geschieht!' Der Wesir ging zum Sultan hinein und meldete ihm: ,O größter König unserer Zeit, es wird mit uns zu Ende gehen! Es ist darum das beste, wenn du dem 'Alâ ed-Dîn verzeihest, damit uns nicht ein Unheil widerfährt; denn die Bürger lieben den 'Alâ ed-Dîn mehr als uns!' Der Henker hatte aber schon das Blutleder hingebreitet, den 'Alâ ed-Dîn darauf gesetzt und ihm die Augen verbunden. Und jetzt ging er dreimal um ihn herum, gewärtig des letzten Befehles vom Sultan. Doch der Sultan sah nun, wie die Volksmenge gegen den Palast anstürmte und schon hinaufkletterte, um ihn niederzureißen. Sofort gab er dem Henker Befehl, von 'Alâ ed-Dîn abzulassen, und er gebot dem Ausrufer, vor das Volk hinauszutreten und zu verkünden, daß der Herrscher dem 'Alâ ed-Dîn verziehen und ihn begnadigt habe. Wie dieser sich nun in Freiheit fühlte und den Sultan auf dem Throne sitzen sah, trat er auf ihn zu und sprach: ,Hoher Herr, da deine Majestät geruht hat, mir das Leben zu schenken, so möge sie auch geruhen, mir mitzuteilen, worin mein Verbrechen besteht!' ,Ha, Verräter,' rief der Sultan, ,kennst du dein Verbrechen noch nichte' Dann wandte er sich an den Wesir mit den Worten: ,Nimm ihn und laß ihn aus dem Fenster sehen, wo sein Schloß ist!' Als der Wesir ihn



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dorthin geführt hatte, und als 'Alâ ed-Dîn durch das Fenster nach seinem Schlosse hinüberschaute, sah er die Stätte kahl, wie sie zuvor gewesen war, ehe das Schloß dort gebaut war; doch vom Schlosse entdeckte er keine einzige Spur mehr. Da ward er starr vor Staunen und wußte nicht, was geschen war. Doch wie er zurücktrat, rief der Sultan ihm zu: ,Nun, was hast du gesehen? Wo ist dein Schloß? Wo ist meine Tochter, mein Herzblut, mein einziges Kind, außer dem ich kein anderes habe?' ,O größter König unserer Zeit,' erwiderte 'Alâ ed-Dîn, ,ich weiß nichts davon; ich weiß ja nicht, was geschehen ist!' Dann fuhr der Sultan fort: ,Wisse, 'Alâ ed-Dîn, ich habe dir verziehen, damit du dich aufmachst und diese Sache erforschest und nach meiner Tochter suchst. Doch laß dich nur mit ihr wiedersehen; wenn du sie mir nicht bringst, so lasse ich dir -bei meinem Haupte! —den Kopf abschlagen!' ,Ich höre und gehorche, o größter König unserer Zeit!' antwortete 'Alâ ed-Dîn ,doch gib mir eine Frist von vierzig Tagen; wenn ich sie dir nach Ablauf dieser Zeit nicht bringe, so laß mir den Kopf abschlagen und tu, was dir beliebt!'

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß der Sultan darauf zu 'Alâ ed-Dîn sprach: ,Ich gewähre dir die gewünschte Frist von vierzig Tagen. Glaube aber nicht, daß du meiner Hand wirst entrinnen können; denn ich werde dich zur Stelle schaffen, nicht nur auf Erden. sondern auch, wenn du über den Wolken schwebtest!' .O mein Herr und Sultan,' gab Alâ ed-Dîn zur Antwort, ,wie ich zu deiner Majestät gesagt habe, wenn ich sie dir nicht in dieser Frist bringe, so will ich vor dich treten, damit du mir das Haupt abschlagen lässest.' Als nun die Bürger und all das Volk den 'Alâ ed-Dîn sahen, waren sie hocherfreut über seinen Anblick und jubelten, daß er in Freiheit war; doch die Schmach dieses



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Erlebnisses und die Scham und die Schadenfreude der Neider hatten das Haupt 'Alâ ed-Dîns gebeugt. So eilte er denn fort und irrte ziellos in der Stadt umher und wußte nicht, wie alles gekommen war. Zwei Tage lang blieb er in der Stadt, in tiefstem Leid, ohne zu wissen, was er tun solle, um seine junge Frau, die Prinzessin Badr el-Budûr, und sein Schloß wiederzufinden. Und während dieser Tage kamen einige von den Einwohnern heimlich mit Speisen und Trank zu ihm. Danach aber verließ er die Stadt und streifte auf dem freien Felde umher, ohne darauf zu achten, nach welcher Richtung er sich wandte. Wie er so immer weiter dahinging, kam er dort auf seinem Wege in die Nähe eines Flusses; da gab er im Übermaße des Grams, der seine Seele erfüllte, alle Hoffnung auf und wollte sich in das Wasser stürzen. Aber weil er ein frommer Muslim war, der sich nur zu Allah allein bekannte, so fürchtete er Gott in seinem Herzen, und er blieb am Ufer des Flusses stehen, um die religiöse Waschung vorzunehmen. Und wie er nun das Wasser mit der Hand schöpfte und die Finger gegeneinander rieb, geschah es, daß auch der Siegelring gerieben ward. Da erschien auch schon der Mârid vor ihm und sprach: ,Zu deinen Diensten! Dein Knecht steht vor dir! Verlange, was du wünschest!' Als 'Alâ ed-Dîn den Geist erblickte, war er hocherfreut und sprach zu ihm: ,Knecht, ich wünsche von dir, daß du mir mein Schloß mit meiner Gemahlin, der Prinzessin Badr el-Budur, darinnen samt allem, was in ihm ist, hierherbringest.' Doch der Mârid antwortete ihm: ,Mein Gebieter, es tut nur sehr leid, du forderst etwas von mir, dessen ich nicht mächtig bin. Denn dies ist etwas, das von den Dienern der Lampe abhängt; ich kann es nicht wagen.' Da fuhr 'Alâ ed-Dîn fort: ,Sintemalen dies etwas ist, das über deine Kraft geht, so nimm mich und setze mich neben meinem



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Schlosse nieder, in welchem Lande es auch sein mag.' ,Ich höre und gehorche, mein Gebieter!' erwiderte der Geist, hob ihn empor und setzte ihn im selben Augenblicke neben seinem Schlosse im Lande Afrika nieder, gerade vor dem Gemache seiner Gemahlin. Es war um die Zeit, da die Nacht anbrach; aber mit einem Blick erkannte er sein Schloß, und da wichen Sorgen und Kummer von ihm, und er betete zu Allah, er möchte ihn, nachdem er schon alle Hoffnung aufgegeben hatte, seine Gemahlin noch einmal wiedersehen lassen. Dann dachte er an die geheinmisvollen Wege der Gnade Allahs, dessen Allmacht hochherrlich ist, wie der Ring ihm Hilfe gebracht hatte, ja, wie er selbst alle Hoffnung aufgegeben hätte, wenn Allah ihm nicht den Geist des Ringes gesandt hätte. So war er froh, und all seine Trauer ward von ihm genommen. Doch da er seit vier Tagen im Übermaße seines Grams, seiner Sorge und seines Kummers und wegen seiner quälenden Gedanken nicht geschlafen hatte, so trat er an das Schloß heran und legte sich unter einem Baume zum Schlafe nieder: denn das Schloß befand sich ja, wie bereits erzählt wurde, im Lande Afrika zwischen den Gärten außerhalb der Stadt.

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß 'Alâ ed-Dîn in jener Nacht neben seinem Schlosse unter einem Baume in aller Ruhe schlief. Freilich, wer einen Hammelkopf beim Garkoch hat, der schläft nicht bei Nacht'; dennoch übermannte ihn der Schlummer, da er so müde war und seit vier Tagen nicht geschlafen hatte. Und so schlief er, bis er am Morgen durch das Zwitschern der Vögel geweckt wurde. Da stand er auf und begab sich zu einem Flusse, der



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von dort aus durch die Stadt floß. Er wusch seine Hände und sein Gesicht, verrichtete die religiöse Waschung und betete das Frühgebet. Als er das Gebet zu Ende gesprochen hatte, kehrte er zurück und setzte sich unter den Fenstern der Gemächer der Prinzessin Badr el-Budûr nieder. Nun pflegte die Prinzessin in ihrer großen Trauer über ihre Trennung von ihrem Gemahl und von ihrem Vater, dem Sultan, sowie über all die Not, die der verfluchte maurische Zauberer über sie gebracht hatte, jeden Tag im frühesten Morgengrauen aufzustehen; und dann saß sie da und weinte. Des Nachts schlief sie nie mehr, und sie hatte Essen und Trinken von sich verbannt. Wenn sie die Grußformel am Schlusse des Frühgebets gesprochen hatte, pflegte eine Sklavin zu ihr einzutreten, um sie anzukleiden. An jenem Tage aber traf es sich, daß die Sklavin das Fenster öffnete, um ihre Herrin durch den Anblick der Bäume und der Bäche zu erfreuen und zu trösten. Als sie nun aus dem Fenster schaute, erblickte sie ihren Herren 'Alâ ed-Dîn, wie er unter den Fenstern des Söllers saß, und da rief sie der Prinzessin Badr el-Budûr zu: ,O Herrin, o Herrin, da sitzt ja mein Herr 'Alâ ed-Dîn, unten an der Mauer des Schlosses!' Die Prinzessin eilte rasch herbei, blickte aus dem Fenster hinaus und sah ihn auch. Gerade hob 'Alâ ed-Dîn seinen Kopf, und er schaute sie an. Da grüßte sie ihn, und er grüßte sie, und beide flogen fast vor Freuden. Sie rief ihm zu: ,Steh auf, komm herein zu mir durch die geheime Pforte; denn der Verruchte ist jetzt nicht hier!' Dann ging auf ihren Befehl hin die Sklavin nach unten und öffnete ihm die geheime Pforte. 'Alâ ed-Dîn trat durch sie ein, und seine Gemahlin, die Prinzessin Badr el-Budûr, kam ihm bis dorthin entgegen. Da umarmten und küßten sie einander in heller Freude, ja, im Übermaße ihres Glückes begannen sie zu weinen. Dann setzten sie sich nieder,



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und nun hub 'Alâ ed-Dîn an: ,Prinzessin Badr el-Budûr, vor allem anderen möchte ich dich etwas fragen; ich hatte eine alte Messinglampe in meinem Gemache an die und die Stelle gelegt...' Doch sowie die Prinzessin das hörte, seufzte sie und unterbrach: ,Ach, mein Freund, die ist ja die Ursache davon, daß wir in dies Elend geraten sind!' ,Wie ist denn das gekommen?' fragte 'Alâ ed-Dîn sie; und die Prinzessin Badr el-Budûr erzählte ihm alle ihre Erlebnisse von Anfang bis zu Ende, wie sie die alte Lampe gegen eine neue umgetauscht hatten, und dann schloß sie mit den Worten: ,Am Tage darauf sahen wir uns frühmorgens in diesem Lande, und er, der uns betrogen und die Lampe eingetauscht hatte, tat mir kund, daß er durch die Kraft seiner Zauberei mit Hilfe der Lampe dies mit uns getan hatte, daß er ein Maure aus Afrika sei und daß wir in seiner Stadt seien.'

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß Alâ ed-Dîn, nachdem die Prinzessin ihre Worte beendet hatte, zu ihr sprach: ,Sage mir, was hat dieser Verruchte mit dir im Sinne? Wie redet er denn mit dir? Was sagt er zu dir? Was will er von dir?' Sie gab ihm zur Antwort: ,Jeden Tag kommt er nur ein einziges Mal zu mir, und er will mich verleiten, ihn zu lieben; er will, daß ich ihn statt deiner zum Gemahl nehme, daß ich dich vergesse und deiner nichtmehr gedenke. Er hat mir auch gesagt, mein Vater, der Sultan, habe dir den Kopf abschlagen lassen. Und dabei sagte er immer von dir, du wärest ein Sohn armer Leute, und er wäre der Grund deines Reichtums. So redet er mir immer freundlich zu, aber er sieht an mir nichts als Tränen und Weinen, und er hat von mir noch kein süßes Gelispel zu hören bekommen.' Da fuhr 'Ala ed-Dîn fort: ,Sage mir, wohin er die Lampe gelegt hat, wenn du es weißt!' Und sie entgegnete ihm: ,Immer trägt er



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sie bei sich; er kann sich nicht einen Augenblick von ihr trennen. Damals, als er mir alles erzählte, was ich dir berichtet habe, nahm er die Lampe aus seinem Busen und zeigte sie mir.' Wie 'Alâ ed-Dîn diese Worte vernahm, freute er sich sehr, und er sprach zu ihr: ,Prinzessin, höre, ich will jetzt fortgehen. Aber ich komme bald zurück, mit anderen Kleidern angetan; wundere du dich nicht über mich. Laß immer eine Sklavin an der Geheimpforte stehen, damit sie, wenn sie mich kommen sieht, mir sofort die Tür aufmacht! Ich will auf Mittel und Wege sinnen, daß ich diesen Verruchten zu Tode bringe.' Darauf ging 'Alâ ed-Dîn aus dem Tore des Schlosses hinaus und schritt dahin, bis er auf seinem Wege einen Bauern traf. Zu dem sprach er: ,Du, Mann, nimm meine Kleider und gib mir die deinen!' Der Bauer wollte es nicht tun: aber 'Alâ ed-Dîn zwang ilm dazu, nahm ihm seine Kleider ab, zog sie selber an und gab ihm seine eigenen kostbaren Gewänder. Dann ging er auf dem Wege zur Stadt weiter, bis er in sie eintrat, begab sich zum Drogenbasar und kaufte sich bei den Spezereihändlern von starkem Bendsch, das augenblicklich wirkt, zwei Dram' für zwei Dinare. Darauf ging er auf demselben Wege zurück, bis er wieder bei dem Schlosse ankam. Als die Sklavin ilm sah, machte sie ihm die geheime Pforte auf, und er ging zur Prinzessin Badr el-Budûr hinein.

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß 'Alâ ed-Dîn, nachdem er zu seiner Gemahlin, der Prinzessin Badr el-Budûr, eingetreten war, zu ihr sprach: ,Höre, ich wünsche, daß du dich schön kleidest und schmückest und die Trauer abtust. Wenn dann der Maure kommt, so nimm ihn mit herzlichem Willkommensgruß auf, empfang um mit lächelndem Antlitz und lade ihn ein, mit dir zu speisen.



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Tue ihm gegenüber, als ob du deinen geliebten 'Alâ ed-Dîn und deinen Vater vergessen, ihn dagegen sehr lieb gewonnen hättest; verlange von ihm roten Wein, stelle dich vor ihm völlig vergnügt und froh und trink auf sein Wohl. Wenn du ihm aber zwei bis drei Becher Wein zu trinken gegeben hast, so daß er achtlos geworden ist, dann tu ihm dies Pulver in den Becher und fülle ihn wieder mit Wein. Wenn er diesen Becher, in dem dies Pulver ist, getrunken hat, wird er sofort wie tot auf den Rücken fallen.' Als die Prinzessin Badr el-Budûr diese Worte aus dem Munde 'Alâ ed-Dîns vernommen hatte, sprach sie zu ihm: ,Das ist für mich eine Aufgabe, die ich nur sehr schwer zu erfüllen vermag. Doch da wir von der Gemeinheit dieses Verruchten, der mich durch die Trennung von dir und von meinem Vater so gequält hat, befreit werden können, ist es erlaubt, den Schurken zu töten.' Darauf aß und trank 'Alâ ed-Dîn mit seiner Gemahlin, doch nur so viel, daß er Hunger und Durst stillte, stand alsbald wieder auf und verließ das Schloß. Prinzessin Badr el-Budûr aber ließ ihre Kammerfrau kommen, und die kleidete und schmückte sie. Sie legte prächtige Kleider an und salbte sich mit Wohlgerüchen. Und als das geschehen war, kam auch schon der verfluchte Maure. Wie der sie in diesem Schmuck erblickte, freute er sich sehr: noch mehr aber, als sie ihn mit lächelndem Antlitze begrüßte, ganz gegen ihre Gewohnheit; da ward die Flamme der Liebe zu ihr noch stärker in ihm entfacht, und es verlangte ihn nach ihr. Dann zog sie ihn an ihre Seite, lud ihn ein, sich zu setzen, und sprach zu ihm: ,Mein Geliebter, wenn du willst, so komme heute abend zu mir, damit wir zusammen speisen. Ich bin der Trauer überdrüssig; denn wenn ich auch tausend Jahre traurig dasäße, so nützte es nichts, 'Alâ ed-Dîn kann doch nicht aus dem Grabe wiederkehren. Ich verlasse mich auf das, was du



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mir neulich sagtest, daß nämlich mein Vater im Übermaße seines Schmerzes wegen der Trennung von mir ihn wohl hat töten lassen. Wundre dich heute nicht über mich, weil ich anders aussehe als gestern! Der Grund ist, daß ich mich besonnen habe, dich zu meinem Geliebten und Gefährten zu machen an 'Alâ ed-Dîns Statt, da ich niemanden mehr habe als dich. So hoffe ich denn, daß du heute abend kommen wirst, auf daß wir zusammen speisen und ein wenig Wein miteinander trinken. Ich möchte, daß du mich von dem Weine deines Landes Afrika kosten ließest; vielleicht ist er besser als der Wein, den ich hier habe und der aus unserem Lande stammt. Ja, ich habe den heißen Wunsch, den Wein eures Landes zu kosten.'

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß der Maure, als er sah, welche Liebe die Prinzessin Badr el-Budûr ihm bezeugte, und wie sie ganz anders war als früher, da sie noch betrübt war, nunmehr dachte. sie habe ihre Hoffnung auf 'Alâ ed-Dîn aufgegeben, und hocherfreut rief: ,Mein Leben, ich höre und gehorche allem, was du wünschest und mir befiehlst! Ich habe in meinem Hause einen Krug von dem Weine unseres Landes, den ich seit acht Jahren unter der Erde aufbewahrt habe; jetzt will ich hingehen und aus ihm so viel abfüllen, wie wir brauchen. Dann komme ich flugs wieder zu dir zurück.' Die Prinzessin aber, die ilm in immer größere Sicherheit wiegen wollte, erwiderte ihm: ,Ach, mein Lieb, geh nicht fort von mir, schicke einen deiner Diener. daß er uns daraus abfülle, bleib du bei mir sitzen, damit ich mich deiner Gesellschaft erfreue!' ,Meine Herrin,' sagte er darauf, ,niemand kennt den Ort des Kruges außer mir; ich werde nicht lange von dir fortbleiben.' Dann ging der Maure fort und kehrte nach einer kleinen Weile mit so viel Wein zurück, wie sie brauchten. Die Prinzessin Badr el-Budûr rief ihm zu: ,Du hast



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dir Mühe machen müssen, und ich habe dich belästigt, mein Liebling!' ,Ganz und gar nicht, mein Augenstern,' gab er ihr zur Antwort, ,ich fühle mich geehrt, wenn ich dir dienen kann.' Darauf setzte die Prinzessin Badr el-Budûr sich mit ihm zu Tische, und sie begannen zu essen. Alsbald aber begehrte die Prinzessin zu trinken; sofort füllte die Dienerin ihr den Becher und schenkte dann auch dem Mauren ein. Nun trank die Prinzessin auf sein Leben und seine Gesundheit, während er auf ihr Wohl trank. So begann sie mit ihm ein fröhliches Gelage, und da sie wunderbar schön und fein reden konnte, betörte sie ihn bald, indem sie in süßen, bedeutungsvollen Worten mit ihm plauderte, um in ihm immer heißere Liebesglut zu entfachen. Er aber, der Maure, dachte, all das komme ihr wirklich von Herzen, und er ahnte nicht, daß diese Andeutung ihrer Liebe zu ihm nur eine Schlinge war, die seinen Tod herbeiführen sollte. Darum ward seine Leidenschaft zu ihr immer stärker, und er wollte vor Liebe zu ihr vergehen, als er hörte, welche zärtlichen Worte sie ihm darbot; er war wie geistesabwesend, sein Kopf begann sich vor Wonne zu drehen, und die ganze Welt galt ihm nichts mehr in seinen Augen. Als sie die Mahlzeit fast beendet hatten und der Wein ihm bereits zu Kopfe gestiegen war, sagte die Prinzessin Badr el-Budûr, die dessen gewahr geworden war, zu ihm: ,In unserem Lande haben wir eine Sitte, doch ich weiß nicht, ob ihr sie in diesem Lande auch übt oder nicht.' ,Was ist das für eine Sitte?' fragte der Maure; und sie antwortete ihm: ,Die besteht darin, daß am Ende der Mahlzeit ein jeder den Becher seines Freundes nimmt und ihn austrinkt.' Darauf nahm sie sofort seinen Becher und füllte ihn für sich mit Wein, und sie befahl der Sklavin, ihm ihren Becher zu reichen, in dem der Wein mit Bendsch gemischt war, gemäß der Anweisung, die sie vorher der Sklavin gegeben hatte.



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Alle Sklavinnen und Diener im Schlosse wünschten nämlich seinen Tod und waren darüber eines Sinnes mit der Prinzessin Badr el-Budûr. Die Sklavin reichte ihm also den Becher; doch wie er ihre Worte vernahm und sah, daß sie aus seinem Becher trank und ihm ihren eigenen Becher zu trinken gab, da fühlte er sich wie Alexander der Große, weil er einen solchen Liebesbeweis von ihr sehen durfte. Sie aber sprach zu ihm, indem sie sich hin und her wiegte und ihre Hand in die seine legte: ,Ach, meine Seele, da ist dein Becher bei mir und mein Becher bei dir! So trinken die Liebenden einer aus dem Becher des anderen.' Dann führte die Prinzessin Badr el-Budûr seinen Becher zum Munde, trank ihn und setzte ihn nieder; darauf neigte sie sich zu dem Mauren hinüber und küßte ihn auf die Wange. Ihm war, als flöge er vor Freuden gen Himmel, und um nun das gleiche zu tun wie sie, hob er den Becher an den Mund und leerte ihn ganz, ohne darauf zu achten, ob in ihm etwas Schädliches wäre. Sogleich, im selben Augenblicke, sank er wie tot auf den Rücken, und der Becher entfiel seiner Hand. Des freute sich die Prinzessin Badr el-Budûr, und die Sklavinnen liefen um die Wette hin und machten ihrem Herrn 'Alâ ed-Dîn das Schloßtor auf; und er trat ein.

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß 'Alâ ed-Dîn, nachdem er in das Schloß eingetreten war, hinauf zum Gemache seiner Gemahlin, der Prinzessin Badr el-Budûr, eilte und dort sah, wie sie am Tische saß, der Maure aber wie tot vor ihr lag. Da trat er auf sie zu, küßte sie und dankte ihr für ihr Tun, erfüllt von herzlicher Freude. Dann redete er sie mit den Worten an: ,Geh du jetzt mit deinen Sklavinnen in dein Gemach da drinnen, laß mich nun allein, damit ich mein Werk vollende!' Die Prinzessin zauderte nicht, sondern begab sich mit ihren Dienerinnen in das innere Gemach.



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'Alâ ed-Dîn schloß aber die Tür hinter ihnen, ging auf den Mauren zu, legte seine Hand in dessen Busen und holte die Lampe von dort heraus, dann zog er sein Schwert und hieb des Mauren Kopf ab. Darauf rieb er die Lampe; sofort erschien der dienende Mârid vor ihm und sprach zu ihm: ,Zu Diensten, mein Gebieter! Was wünschest du? 'Da erwiderte 'Alâed-Dîn: ,Ich wünsche, daß du dies Schloß aus diesem Lande fortnimmst und in das Land China trägst und an derselben Stätte niedersetzest, anderes früher war, gegenüber dem Palaste des Sultans.' ,Ich höre und gehorche, mein Gebieter!' antwortete der Mârid. Nun ging 'Alâ ed-Dîn zu seiner Gemahlin hinein, setzte sich zu ihr, umarmte sie und küßte sie, und sie küßte ihn wieder. Und während sie im trauten Verein beieinander saßen, trug der Mârid das Schloß mit ihnen dahin und setzte es an seiner Stätte nieder, gegenüber dem Palaste des Sultans. 'Alâ ed-Dîn aber hatte den Sklavinnen Befehl gegeben, und die breiteten den Tisch vor ihm aus; da setzte er sich mit seiner Gemahlin, der Prinzessin Badr el-Budûr, zu Tische, und sie begannen, in reiner Freude und Fröhlichkeit, zu essen und zu trinken, bis sie gesättigt waren. Darauf begaben sie sich in das Zimmer der fröhlichen Gelage, setzten sich nieder, tranken und plauderten und küßten einander in heißem Verlangen. Sie waren ja auch seit langer Zeit nicht miteinander froh gewesen, und so verweilten sie bei diesem löblichen Tun, bis die Sonne des Weines in ihren Köpfen schien; dann kam der Schlaf über sie, und sie legten sich in aller Behaglichkeit auf ihr Lager nieder. Am nächsten Morgen erhob 'Alâ ed-Dîn sich und weckte seine Gemahlin, die Prinzessin Badr el-Budûr; da kamen auch schon die Sklavinnen, kleideten sie in ihre Gewänder, zierten und schmückten sie. Auch 'Alâ ed-Dîn legte sein prächtigstes Gewand an. Dabei wollten die beiden fast vergehen vor



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Freuden darüber, daß sie jetzt nach der Trennung wieder miteinander vereint waren; und die Prinzessin war ganz besonders erfreut, daß sie an jenem Tage ihren Vater wiedersehen sollte.

Wenden wir uns nun von 'Alâ ed-Dîn und der Prinzessin Badr el-Budûr wieder zu dem Sultan! Der war, nachdem er den 'Alâ ed-Dîn freigelassen hatte, über den Verlust seiner Tochter immerfort traurig gewesen. Zu jeder Zeit und Stunde saß er da und weinte um sie wie klagende Frauen, da sie ja sein einziges Kind gewesen war. Und jeden Morgen, sobald er aus dem Schlafe erwachte, ging er eilends zum Fenster, machte es auf, blickte nach der Stätte hin, an der das Schloß 'Alâ ed-Dîns gestanden hatte, und weinte, bis seine Augen fast erblindeten und seine Lider sich von Wunden entzündeten. An jenem Tage nun erhob er sich früh wie gewöhnlich, öffnete das Fenster und schaute hinaus. Da sah er vor sich ein Gebäude, rieb sich die Augen, blickte wiederum genau hin, und da war er sicher, daß es 'Alâ ed-Dîns Schloß war. Im selben Augenblicke rief er nach den Pferden; die wurden gesattelt, er eilte hinab, saß auf und ritt zu dem Schlosse. Als 'Alâ ed-Dîn ihn kommen sah, eilte er hinab und ging ihm auf halbem Wege entgegen. Er faßte ihn bei der Hand und stieg mit ihm zum Gemache seiner Tochter, der Prinzessin Badr el-Budûr, hinauf. Doch auch sie hatte solches Verlangen nach ihrem Vater, daß sie hinuntereilte und ihn schon an der Tür des Treppenhauses gegenüber der unteren Halle begrüßte. Da schloß ihr Vater sie in die Arme und küßte sie und weinte Freudentränen; und sie tat desgleichen. Dann geleitete 'Alâ ed-Dîn die beiden in das obere Gemach, und alle setzten sich nieder; nun begann der Sultan seine Tochter mit Fragen zu bestürmen, wie es ihr gehe und was ihr widerfahren sei.



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Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß die Prinzessin Badr el-Budûr darauf ihrem Vater, dem Sultan, alles berichtete, was sie erlebt hatte, indem sie also begann: ,Lieber Vater, erst gestern bin ich wieder lebendig geworden, als ich meinen Gemahl erblickte; er ist es, der mich aus dem Gefängnisse des maurischen Mannes, des verfluchten Zauberers, befreit hat. Ich glaube, es gibt auf der ganzen Erde keinen gemeineren. Menschen als den Mann; wäre mein geliebter 'All ed-Dîn nicht gewesen, so wäre ich nicht aus seinen Händen befreit worden, ach, dann hättest du mich nie im Leben wiedergesehen. Ja, lieber Vater, Trauer und tiefer Kummer hielten mich umfangen, nicht nur weil ich von dir getrennt war, sondern auch weil ich meinem Gemahl fern sein mußte; ihm werde ich alle Tage meines Lebens für seine Güte dankbar sein, da er mich aus der Gewalt dieses verruchten Magiers befreit hat.' Darauf berichtete die Prinzessin Badr el-Budûr ihrem Vater alles, was sie erlebt hatte; sie erzählte ihm, was für ein Mensch der Maure gewesen war, und was er ihr angetan hatte; wie er sich als Lampenhändler verkleidet hatte, um neue gegen alte zu vertauschen. ,Weil ich nun glaubte,' so sagte sie, ,daß er das aus Unverstand täte, fing ich an, über ihn zu lachen; denn ich hatte ja kein Arg von seinem listigen Plan. So nahm ich denn eine alte Lampe, die im Gemache meines Gatten war, schickte sie durch einen Eunuchen hinab, und der tauschte von ihm eine neue Lampe dafür ein. Am nächsten Tage jedoch, lieber Vater, fanden wir uns frühmorgens mit dem Schlosse und allem, was darinnen war, in Afrika; ich wußte immer noch nichts von den Zauberkräften der Lampe meines Gemahles, die ich vertausche hatte. Schließlich kam 'All ed-Dîn selbst zu uns und ersann eine List gegen den Zauberer, um uns aus seinen Händen zu befreien. Und hätte mein



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Gatte uns nicht zur rechten Zeit erreicht, so hätte der Verfluchte seinen Willen getan und mich vergewaltigt. Doch 'Alâ ed-Dîn gab mir ein Pulver; das tat ich ihm in einen Becher Weines zu trinken, er trank es und fiel wie tot nieder. Danach kam mein Gemahl zu uns, und ich weiß nicht, was er tat, so daß er uns aus dem Lande Afrika wieder hierher an unsere Stätte brachte.' ,Mein Gebieter,' fuhr nun 'Alâ ed-Dîn fort, ,als ich hinaufstieg und sah, daß er wie ein Erschlagener dahingestreckt lag, vom Bendsch betäubt, da sprach ich zu der Prinzessin Badr el-Budûr: ,Geh du mit deinen Sklavinnen in das innere Gemach!' Sie ging darauf mit den Dienerinnen vordem schrecklichen Anblick fort; ich aber trat an den verfluchten Mauren heran, legte meine Hand in seinen Busen und holte die Lampe heraus; denn die Prinzessin Badr el-Budûr hatte mir gesagt, daß er sie stets in seinem Busen trug. Nachdem ich die nun wiedererhalten hatte, zog ich mein Schwert und schlug dem Verruchten den Kopf ab. Darauf gebrauchte ich die Lampe und befahl den Geistern, die ihr dienen, das Schloß mit allem, was darinnen war, fortzutragen und uns hier an unserer Stätte niederzusetzen. Doch wenn deine Majestät gegen meine Worte Zweifel hegt, so geruhe mit mir den verfluchten Mauren anzusehen!' Da machte der König sich auf, und 'Alâed-Dîn führte ihn in den Söller. Als der Sultan den Mauren erblickte, gab er sofort Befehl, man solle die Leiche fortschaffen und verbrennen und ihre Asche in den Wind streuen. Dann umarmte er den 'Alâ ed-Dîn, küßte ihn und sprach zu ihm: ,Miß mir keine Schuld bei, mein Sohn, weil ich dir das Leben nehmen wollte, um der Gemeinheit jenes verfluchten Zauberers willen, der dich in diese Grube stürzte! Lieber Sohn, ich bin für das, was ich dir getan habe, zu entschuldigen; denn ich sah, daß ich meine Tochter verloren hatte, mein einziges Kind, die mir lieber



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war als mein Reich. Und du weißt doch, wie sehr sich das Herz der Eltern nach den Kindern sehnt; besonders aber tat ich es, weil ich niemanden außer der Prinzessin Badr el-Budûr hatte.' So bat der Sultan den 'Alâ ed-Dîn um Entschuldigung, und der gewährte sie ihm.

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß 'Alâ ed-Dîn darauf zum Sultan sprach: ,Du hast nichts wider mich getan, das gegen das heilige Gesetz ist; doch auch ich habe keine Schuld. All das Unglück kam von diesem Mauren, dem gemeinen Zauberer.' Dann befahl der König, die Stadt zu schmücken; das geschah auch, und nun begannen die Freudenfeste. Er gebot ferner dem Herold, in der Stadt auszurufen: ,Dieser Tag ist ein hoher Feiertag, an ihm beginnen die Freudenfeste im ganzen Lande, und sie sollen einen Monat, dreißig Tage, dauern, weil die Prinzessin Badr el-Budûr mit ihrem Gemahle 'Alâ ed-Dîn heimgekehrt ist!'

All dies hatte 'Alâ ed-Dîn mit dem Mauren erlebt. Und doch sollte er trotzdem noch keine Ruhe vor dem verfluchten Westländer finden, obgleich sein Leichnam verbrannt und die Asche in den Wind gestreut war! Dieser Schurke hatte nämlich einen Bruder, der noch durchtriebener war als jener in Zauberei, Geomantie und Astrologie, wie es im Sprichworte heißt: ,Eine Saubohne, die zwei Hälften hat."Ein jeder von beiden hauste in einer anderen Weltgegend, um sie mit seiner Zauberei, seiner Arglist und seiner Tücke zu erfüllen. Nun begab es sich eines Tages, daß der Bruder des Mauren wissen wollte, wie es



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seinem Bruder ergehe; darum warf er den Sand, führte die Figuren aus, betrachtete und erforschte sie genau, und da erkannte er, daß sein Bruder gestorben und ein Bewohner des Totenreichs war. Da ward er betrübt und wußte sicher, daß sein Bruder tot war; doch er warf den Sand noch ein zweites Mal, uni zu erfahren, wie sein Bruder zu Tode gekommen und wo er gestorben war. Da erkannte er, daß sein Bruder im Lande China gestorben war und daß er den aller schimpflichsten Tod gefunden hatte. Ferner erkannte er, daß der, durch den er umgekommen war, ein Jüngling sei des Namens 'Alâ ed-Dîn. Sofort machte er sich auf, rüstete sich zur Reise und zog fort; er durchquerte Steppen und Wüsten und Gebirge viele Monate lang, bis er in China ankam, und zwar in der Sultansstadt, in der 'Alâ ed-Dîn lebte. Dort begab er sich in die Herberge der Fremden, mietete sich einen Raum und ruhte sich in ihm zunächst ein wenig aus. Dann begann er die Straßen der Stadt zu durchstreifen, um einen Weg zu finden, der ihm die Möglichkeit bot, sein arges Ziel zu erreichen; und das war, daß er an 'Alâ ed-Dîn Blutrache für seinen Bruder nehmen wollte. So trat er denn dort in ein Kaffeehaus am Markte, ein großes Gebäude, in dem sich viel Volks zum Spiele versammelte; die einen spielten Steinchenspiel, die anderen Dame, noch andere Schach und dergleichen. Er setzte sich da nieder und hörte, wie die Leute, die neben ihm saßen, von einer alten frommen Frau namens Fâtima redeten, die immer in ihrer Klause vor der Stadt weilte und Gott diente, und nur an zwei Tagen im Monat in den Ort selbst kam; auch hieß es, sie tue viele Wunder. Als der maurische Zauberer das hörte, sprach er bei sich selber: ,Jetzt habe ich gefunden, was ich suche. So Gott der Erhabene will, werde ich durch diese Frau mein Ziel erreichen!'



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Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß der maurische Zauberer an die Leute, die von den Wundern jener frommen Alten redeten, herantrat und zu einem von ihnen sagte: ,Lieber Oheim, ich höre, wie ihr von den Wundern einer Heiligen sprecht, die Fâtima heißt. Wo ist sie, und wo befindet sich ihre Wohnstätte?' ,Sonderbar!' rief der Mann aus, ,wie ist es möglich, daß du in dieser Stadt weilst und noch nicht von den Wundern der heiligen Fâtima gehört hast? Du Armer, du scheinst ein Fremdling zu sein, daß dir bisher noch nichts von dem Fasten, der Weltentsagung und der reinen Gottesfurcht dieser frommen Frau zu Gehör gekommen ist.' ,Ja freilich, lieber Herr,' erwiderte der Maure, ,ich bin ein Fremder. Vorgestern abend bin ich in dieser eurer Stadt angekommen; und ich bitte dich, erzähle mir von den Wundern dieser tugendreichen Frau! Sag, wo ist ihre Wohnstätte? Denn mich hat ein Unglück betroffen, und ich will zu ihr gehen, um sie zu bitten, daß sie für mich bete; vielleicht wird Allah, der Allgewaltige und Glorreiche, mich durch ihr Gebet von meinem Unglück befreien.' Da erzählte der Mann ihm von den Wundern, der Gottesfurcht und dem lauteren Gottesdienst der frommen Fâtima, nahm ihn bei der Hand, führte ihn aus der Stadt hinaus und zeigte ihm dort den Weg zu ihrer Stätte in einer Höhle auf der Höhe eines kleinen Berges. Der Maure dankte dem Manne herzlich für seine Güte und ging zu seiner Wohnung im Chân zurück. Es traf sich nun, daß Fâtima am nächsten Tage in die Stadt herunterkam. Der Maure verließ früh am Morgen die Herberge und sah, wie die Menschen sich drängten. Als er näher trat, um zu schauen, was es gäbe, sah er Fâtima dort stehen; ein jeder, der ein Leiden hatte, ließ sich von ihr segnen und bat sie, für ihn zu beten, und wenn sie ihn berührte, so wurde er alsbald von dem Leiden, mit dem er behaftet



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war, geheilt. Der maurische Zauberer folgte ihr, bis sie zu ihrer Höhle zurückkehrte; dann wartete er den Abend ab, bis es dunkel ward, trat in den Laden eines Weinhändlers. trank einen Becher und ging aus der Stadt hinaus zu der Höhle der frommen Fâtima. Als er dort angekommen war, trat er in die Klause ein und sah, wie die Heilige auf einer alten Matte rücklings schlief. Er sprang auf sie zu, setzte sich auf ihren Leib, zog den Dolch und schrie sie an. Sie erwachte, und wie sie die Augen aufschlug, sah sie einen Mann, einen Mauren, mit gezücktem Dolche auf ihrem Leib sitzen, der im Begriffe war, sie zu töten. Sie war zu Tode erschrocken; und da fuhr er sie an: ,Höre. wenn du ein Wort sagst oder schreist, so töte ich dich im selben Augenblick! Jetzt aber tu alles, was ich dir sage!' Und er schwor ihr einen Eid, wenn sie täte, was er ihr sage, so wolle er sie am Leben lassen. Dann stand er auf von ihrem Leib und fuhr fort: ,Gib mir deine Kleider und nimm die meinen!' Da gab sie ihm ihre Kleider, ihre Kopf binden, ihren Schleier und ihren Mantel. Und weiter sprach er zu ihr: ,Du mußt mich auch mit etwas einreiben, so daß mein Gesicht dieselbe Farbe erhält wie deines!' Darauf ging Fâtima in das Innere der Höhle und holte ein Fläschchen mit Salbe; aus ihm nahm sie etwas in ihre Hand und salbte ihm das Gesicht. So erhielt es dieselbe Farbe wie das ihre. Schließlich gab sie ihm auch ihren Stab, zeigte ihm, wie er gehen und was er tun solle, wenn er indie Stadt käme, legte ihm ihren Rosenkranz um den Hals, und zuletzt reichte sie ihm den Spiegel mit den Worten: ,Schau, jetzt ist kein Unterschied mehr zwischen dir und mir!' Der Maure blickte hinein und sah, daß er selbst das genaue Abbild der Fâtima war, an dem nichts fehlte und zu dem nichts hinzukommen durfte. Aber er brach seinen Eid, als er seinen Zweck erreicht hatte; denn er forderte von ihr einen Strick, und als sie



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ihm den gebracht hatte, nahm er ihn und erdrosselte sie damit in ihrer Höhle. 'Wie sie dann tot war, schleppte er die Leiche hinaus und warf sie in eine Grube, die sich draußen vor der Höhle befand.

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß der Maure, nachdem er Fâtima ermordet und in die Grube geworfen hatte, wieder zur Höhle zurückging und dort schlief, bis der Tag anbrach. Dann machte er sich auf, ging zur Stadt hinunter und kam bis zum Schlosse 'Alâ ed-Dîns. Nun versammelte sich das Volk bei ihm, da alle sicher glaubten, er sei die heilige Fâtima. Er begann auch so zu tun, wie sie zu tun pflegte, legte seine Hand auf die Leidenden, sprach für den einen die erste Sure, für den andern eine andere Sure des Korans. und für noch andere betete er. Da nun das Volk sehr drängte und lärmte, horchte die Prinzessin Badr el-Budûr auf, und sie sprach zu den Sklavinnen: ,Schaut nach, was es gibt, und die Ursache dieses Lärmens ist!' Darauf ging ein Agha von den Eunuchen hinunter, um zu schauen, was es gäbe. Dann kehrte er zurück mit den Worten: ,Hohe Herrin, dieser Lärm findet um der heiligen Fâtima willen statt. Wenn du mir zu gebieten geruhst, so will ich sie zu dir bringen, damit auch du ihres Segens teilhaftig wirst.' ,Geh,' rief die Prinzessin, ,und bring sie zu mir! Denn ich habe schon immer von ihren Wundern und Tugenden gehört, und ich trage Verlangen danach, sie zu sehen, damit ich von ihr gesegnet werde. Die Leute haben mir viel von ihren Tugenden berichtet.' Der Eunuchen-Agha ging hin und brachte den maurischen Zauberer, der ja genau wie Fâtima gekleidet war; und der trat nun vor die Prinzessin Badr el-Budûr. Als er sie erblickte, begann er vor ihr eine Reihe von Gebeten herzusagen; und kein einziger Mensch zweifelte daran, daß er die heilige Fâtima selbst sei. Die Prinzessin aber trat



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auf ihn zu, begrüßte ilm und ließ ihn zu ihrer Seite sitzen; dann sprach sie zu ihr: ,Heilige Fâtima, ich möchte, daß du immer bei mir bliebest, damit ich durch dich gesegnet werde, von dir die Wege der Frömmigkeit und der Gottesfurcht erlerne und dir nacheifere.' Das war ja gerade der Wunsch dieses verruchten Zauberers, und er beschloß nun, seinen Betrug noch mehr zu vollenden. Darum sprach er zu ihr: ,Hohe Herrin, ich bin eine arme Frau, die in der Wüste haust; meinesgleichen ist es nicht wert, in Königsschlössern sich aufzuhalten.' ,Sorge dich nicht, du heilige Fâtima,' erwiderte die Prinzessin, ,ich will dir ein Gemach in meinem Hause anweisen, in dem du Gott dienen kannst, und wo kein einziger Mensch zu dir hineinkommen soll; dort wirst du deinen Gottesdienst besser ausüben können, als wenn du in deiner Höhle wärest.' Der Maure sagte darauf: ,Ich höre und gehorche, hohe Herrin! Ich will deinen Worten nicht widersprechen; denn was die Kinder von Königen sagen, darf man nicht mißachten, noch zurückweisen. Doch ich bitte dich, du wollest mich in meiner Kammer essen und trinken und allein sitzen lassen; niemand soll zu mir eintreten dürfen. Ich brauche auch keine prächtigen Speisen; nein, erweise du mir nur die Gnade, mir jeden Tag durch eine Sklavin ein Stück Brot und einen Trunk Wasser in meine Kammer schicken zu lassen, dann werde ich, wenn mich hungert, allein in meinem Gemache essen.' Das tat der Verruchte, weil er fürchtete, wenn er beim Essen den Schleier höbe, so würde sein Geheimnis verraten werden, und man würde ihn an seinem Barte auf Kinn und Lippen als Mann erkennen. Nun erwiderte ihm die Prinzessin Badr el-Budûr: ,Heilige Fâtima, sei gutes Muts! Alles soll nur nach deinem Wunsch geschehen. Doch jetzt komm mit mir, auf daß ich dir das Gemach zeige, das ich für deinen Aufenthalt bei uns herrichten lassen will!'



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Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß die Prinzessin Badr el-Budûr den Magier, der sich für die fromme Fâtima ausgab, zu dem Raume führte, den sie ihm zum Aufenthaltsorte bestimmt hatte. Und dort sprach sie zu ihm: ,Heilige Fâtima, hier sollst du wohnen; dies Gemach gehört jetzt dir. Hier sollst du in aller Ruhe und beschaulicher Abgeschlossenheit verweilen.' Der Maure dankte ihr für ihre Güte und flehte den Segen des Himmels auf sie herab. Dann führte die Prinzessin ihn auch noch in den Kiosk, zeigte ihm dort die gewölbte Decke und die Juwelen, die an vierundzwanzig Fenstern erstrahlten, und fragte ihn: ,Was meinst du, heilige Fâtima, zu diesem wunderbaren Gemach?' Der Maure antwortete ihr: ,Bei Allah, es ist wunderbar, ja, noch mehr als das! Ich glaube, in der ganzen Welt findet sich nicht seinesgleichen. Es ist über die Maßen prächtig; doch schade um eins, das seine Schönheit und Herrlichkeit doch noch erhöhen könnte!' Da fragte die Prinzessin Badr el-Budûr: ,Heilige Fâtima, was fehlt ihm denn noch? Was ist's, das es noch mehr zieren könnte? Sage es mir! Ich dachte, es wäre ganz und gar vollkommen.' ,Hohe Herrin,' gab der Zauberer ihr zur Antwort, ,was ihm noch fehlt, ist das Ei des Vogels Roch, das in seiner Kuppel hängen müßte. Wenn das in der Kuppel hinge, so würde dies Gemach in der ganzen weiten Welt nicht seinesgleichen haben!' Nun fragte die Prinzessin weiter: ,Was ist denn das für ein Vogel? Wo könntenwir sein Ei finden?' ,Hohe Herrin,' versetzte der Maure, ,dies ist ein gewaltig großer Vogel, der Kamele und Elefanten mit seinen Klauen auf heben und sie im Fluge davontragen kann, da er so groß und so stark ist. Dieser Vogel findet sich zumeist auf dem Berge Kâf; und der Meister, der dies Schloß gebaut hat, der kann dir auch das Ei dieses Vogels bringen.' Dann hielten sie mit dieser Rede inne,



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und da es Zeit zum Mittagsmahle war, so breiteten die Sklavinnen den Tisch aus. Die Prinzessin Badr el-Budûr setzte sich und bat auch den verruchten Magier, mit ihr zu speisen. Er aber lehnte ab und weigerte sich und begab sich in sein Gemach, das die Prinzessin ihm angewiesen hatte; und die Sklavinnen brachten ihm das Mahl dorthin. Als es nun Abend ward und 'Alâ ed-Dîn von der Jagd heimkehrte, kam die Prinzessin Badr el-Budûr ihm entgegen und begrüßte ihn. Er umarmte sie und küßte sie, doch als er ihr ins Antlitz schaute, sah er, daß sie ein klein wenig bekümmert war und nicht lächelte, wie sie es sonst zu tun pflegte. Darum fragte er sie: ,Was ist dir geschehen, mein Lieb? Sag mir, ist dir etwas begegnet, das deinen Sinn beunruhigt?' ,Es ist weiter nichts, mein Lieb!' antwortete sie; ,aber ich hatte doch geglaubt, daß in unserem Schlosse ganz und gar nichts fehle. Und doch, 'Alâ ed-Dîn, du mein Augenstern, erst wenn in der Kuppel des Obergemachs das Ei des Vogels Roch hinge, dann gäbe es in der weiten Welt nichts, was unserem Schlosse gleichkäme.' Da rief' Alâed-Dîn: ,Deswegen bist du bekümmert? Das ist für mich so leicht wie nur irgend etwas! Sei wohlgemut, sag mir nur alles, was du wünschest, ich schaffe es dir herbei, auch aus den Tiefen der Welt. in schnellster Zeit, in kürzester Frist!'

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß 'Alâ ed-Dîn, nachdem er das Gemüt der Prinzessin Badr el-Budûr beruhigt und ihr alles versprochen hatte, was sie wünschte, sofort in seine Kammer ging und die Lampe rieb. Im selben Augenblicke erschien der Mârid vor ihm und sprach: ,Verlange, was du wünschest!' 'Alâ ed-Dîn erwiderte: ,Ich wünsche von dir, daß du mir das Ei des Roch bringest und es in der Kuppel des Obergemaches auf hängst!' Doch wie der Mârid diese Worte aus dem Munde des 'Alâ ed-Dîn vernahm,



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runzelte er die Stirn und rief zornig mit gewaltiger Stimme: ,Du Undankbarer, ist es dir nicht genug, daß ich und alle Geister der Lampe dir zu Diensten sind? Nun verlangst du auch noch, daß ich dir unsere Herrin bringe, damit du sie zu deinem Vergnügen in der Kuppel deines Söllers auf hängst, auf daß du mit deiner jungen Frau dich daran ergötzest? Bei Allah, ihr beiden verdient, daß ich euch in diesem Augenblicke zu Asche verbrenne und euch in den Wind streue. Aber da ihr beiden von diesen Dingen nichts wißt und den inneren Sinn nicht vom äußeren Schein unterscheiden könnt, so will ich euch verzeihen; denn ihr seid unschuldig. Die Schuld liegt an dem verruchten Kerl, dem Bruder des maurischen Zauberers, der sich hier aufhält und sich für die fromme Fâtima ausgibt, der ihre Kleider angelegt und sie in ihrer Höhle ermordet hat, der ihr Aussehen und ihr Tun angenommen hat und hierher gekommen ist in der Absicht, euch umzubringen, uni an dir Blutrache für seinen Bruder zu nehmen. Er ist es. der deine Frau gelehrt hat, dies von dir zu verlangen.' Darauf verschwand der Mârid vor den Augen 'Alâ ed-Dîns. Doch als der diese Worte vernommen hatte, war er fast wie von Sinnen. und seine Glieder zitterten, da der Mârid mit solcher Donnerstimme geschrieen hatte. Dennoch faßte er wieder Mut und ging sofort aus seiner Kammer hinaus. Er trat zu seiner Gemahlin ein und gab vor, er habe Kopfschmerzen; denn er wußte, daß Fâtima dafür bekannt war, daß sie die geheime Kraft besäße, alle Schmerzen zu heilen. Als die Prinzessin Badr el-Budûr nun sah, daß er seine Hand an den Kopf legte und hörte, wie er über seine Schmerzen klagte, da fragte sie ilm nach dem Grunde. ,Ich weiß nicht,' gab er ihr zur Antwort, ,nur mein Kopf tut mir so weh.' Sofort rief sie nach Fâtima. damit diese ihm ihre Hand auf den Kopf lege. ,Wer ist Fâtima?' fragte 'Alâ ed-Dîn;



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und die Prinzessin Badr el-Budûr teilte ihm mit, daß sie die fromme Fâtima bei sich im Schlosse wohnen habe. Die Sklavinnen gingen nun hin und brachten den verfluchten Mauren herbei. Da tat 'Alâ ed-Dîn vor ihm, als wisse er nichts von seinem wahren Wesen, vielmehr begrüßte er ihn, als ob er die wirkliche fromme Fâtima begrüße, küßte den Saum seines Ärmels und hieß ilm willkommen; dann sprach er zu ihm: ,Heilige Fâtima, ich bitte dich, erweise mir deine Güte! Ich weiß, daß du gewohnt bist die Schmerzen zu heilen, und ich habe jetzt heftige Kopfschmerzen!' Der verruchte Maure glaubte kaum den Worten, die er hörte; denn dies war es ja gerade, was er wollte.

Ferner ist mir berichtet worden, o größter König unserer Zeit, daß der maurische Zauberer nun zu 'Alâ ed-Dîn als fromme Fâtima herantrat, um ihm die Hand auf den Kopf zu legen und ihn von seinen Schmerzen zu heilen. Doch wie er neben dem Jüngling stand, legte er seine eine Hand auf dessen Haupt, während er mit der anderen unter seine Gewänder griffs um einen Dolch herauszuziehen, mit dem er 'Alâ ed-Dîn töten wollte. Aber der war auf seiner Hut; er wartete nur, bis jener den Dolch ganz herausgezogen hatte, da packte er ihn plötzlich bei der Hand, entriß ihm den Dolch und bohrte ihn ihm ins Herz. Als die Prinzessin Badr el-Budûr das sah, schrie sie laut auf und rief: ,Was hat diese tugendreiche, fromme Frau getan, daß du nun durch ihr Blut eine so schwere Schuld auf dich geladen hast? Fürchtest du nicht die Strafe Allahs für eine solche Tat, daß du Fâtima, die fromme Frau, deren Wunder weitberühmt sind, ermorden konntest?' Doch 'Alâ ed-Dîn rief zurück: ,Ich habe ja nicht Fâtima getötet, nein, ich habe den Mörder der Fâtima umgebracht! Das ist doch der Bruder des verfluchten Mauren, des Zauberers, der dich raubte und das



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Schloß mit dir durch seine Zauberkraft nach Afrika brachte. Und dieser verruchte Kerl hier, sein Bruder. ist in dies Land gekommen und hat solche Missetaten verübt: er hat Fâtima ermordet, ihre Kleider angelegt und ist hierher gekommen, um an mir Blutrache für seinen Bruder zunehmen; er ist es ja auch, der dich gelehrt hat, das Ei des Roch von mir zu verlangen, auf daß ich dadurch den Tod Lande. Wenn du noch an diesen meinen Worten zweifelst, so tritt herzu und schau, wer es ist, den ich getötet habe!' Damit hob 'Alâed-Dîn den Schleier des Mauren empor; die Prinzessin Badr el-Budûr schaute hin und sah einen Mann, dessen Gesicht vom Bart bedeckt war. Nun erkannte sie die Wahrheit und sprach zu 'Alâ ed-Dîn: ,Mein Geliebter, ach, zweimal habe ich dich in Todesgefahr gestürzt!' Doch ihr Gemahl antwortete: ,Das laß dich nicht bekümmern! Prinzessin Badr el-Budûr, um deiner Augen willen nehme ich alles mit reiner Freude auf mich, was von dir kommt!' Als die Prinzessin ihn so sprechen hörte, eilte sie auf ihn zu, schloß ihn in die Arme, küßte ihn und sprach: ,Ach, mein Geliebter, all dies geschah doch nur wegen meiner Liebe zu dir; ich wußte ja nichts davon, und ich achte deine Liebe wahrlich nicht gering.' Da küßte 'Alâ ed-Dîn sie und preßte sie an die Brust, und ihre Liebe zueinander ward noch inniger. Zur selbigen Zeit kam auch der Sultan, und nun erzählten sie ihm alles, was durch den Bruder des maurischen Zauberers geschehen war, und zeigten ihm auch seinen Leichnam. Da befahl der Sultan, ihn zu verbrennen und seine Asche in den Wind zu streuen, wie man mit seinem Bruder getan hatte. Und von nun ab lebte 'Alâ ed-Dîn mit seiner Gemahlin, der Prinzessin Badrel-Budûr, in eitel Freude und Glück, frei von aller Gefahr. Nach einer Weile aber starb der Sultan; und da bestieg sein Eidam den Königsthron, sprach Recht und Gerechtigkeit über



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die Untertanen, und alles Volk liebte ihn. Und er führte mit seiner Gemahlin, der Prinzessin Badr el-Budûr, ein Lebender Zufriedenheit und Glückseligkeit, bis Der zu ihnen kam, der die Freuden schweigen heißt und die Freundesbande zerreißt. ——« Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 270. Nacht anbrach, erzählte sie


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