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Kapitel 

SPIELMANNS GESCHICHTEN DER SAHEL

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1921

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



Atlantis Bd_06-0004 Flip arpa

MIT EINER KARTE DER SAHARA UND

EINER BILDERTAFEL / TITEL- UND

EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE


18. Habbe und Bosso (Tembeleleßende)

Die ersten der Leute aus Mande, die nach dem südlichen Massina kamen, waren die Tembele und die Uolloge. Die Habbe kamen zusammen mit den Bosso zunächst nach Pignari. Da zerstreuten sich die Habbe und breiteten sich weit über das Land hin aus. Der Platz, an dem die Habbe auseinandergingen, war Fiko.

Der Ahnherr (Badji) der Habbe (Tommo) und der der Bosso kamen also gemeinsam. Sie gingen ein Stück weit landein nach Massina. Aber sie fanden nichts zu essen und litten Hunger. Der



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Bosso sagte: "Wir wollen zum Niger zurückkehren; da kann ich etwas fischen, und wir brauchen so nicht Hungers zu sterben. Nimm solange meinen Sohn in deine Obhut." Der Kaddo sagte: "Es ist gut." Der Bosso und der Kaddo hatten je einen Sohn. Beide Söhne blieben unter dem Schutze des Kaddo im Lande zurück.

Der Bosso fischte inzwischen. Aber er blieb lange fort. Der Sohn des Bosso litt inzwischen solchen Hunger, daß er fast starb. Als der Kaddo das sah, sagte er: "Dieser Junge ist mir anvertraut, daß ich für ihn Sorge. Es wäre besser, daß mein Kind stürbe, als daß das Kind meines Freundes stirbt. Das darf nicht geschehen." Dann nahm der Habbe sein Messer hervor und schnitt sich eine Wade ab. Die Wunde verband er. Die Wade röstete er und gab sie dem Knaben des Bosso. Das Leben des Bossoknaben war nun gerettet.

Am Abend kam der Bosso zurück. Er hatte Fische gefangen. Er reichte dem Kaddo die Hand und fragte: "Wie geht es dir?" Der Kaddo sagte: "Es geht mir gut." Sie aßen. Sie blieben eine Zeit zusammen. Dann wollten sie aufstehen und weitergehen. Der Kaddo konnte sich aber nicht erheben. Der Bosso sah es und fragte: "Weshalb stehst du nicht auf?" Der Kaddo antwortete nicht. Darauf nahm der Bossoknabe seinen Vater beiseite und sagte: "Ich will es dir sagen, weshalb er sich nicht zu erheben vermag: Als du fort warst, hatte ich solchen Hunger, daß ich fast gestorben wäre. Da sagte der Kaddo: ,Dieser Junge ist mir anvertraut, daß ich für ihn sorge. Es wäre besser, daß meine Kind stürbe, als daß das Kind meines Freundes stirbt. Das darf nicht geschehen.' Dann schnitt er sich eine Wade ab, röstete sie und gab sie mir zu essen."

Seitdem das geschehen war, ist es dem Kaddo verboten, das Blut des Bosso, und dem Bosso das des Kaddo zu sehen. Wenn beide zusammen im Kriege sind, muß einer beiseite gehen, daß er nicht etwa sehe, wie das Blut des anderen aus einer Wunde fließe. Auch dürfen sie sich nicht und auf keinen Fall miteinander verheiraten. — Der Name jenes Bosso ist nach der Angabe einiger =Tie, nach der anderer = Mama, der Name des Kaddo nach der Angabe einiger = Anna (=Held), nach der anderer = Ankeme gewesen.


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