Projektseite Volksmärchen Sagen Geschichten Etnologie Beriche © Arpa data
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

SPIELMANNS GESCHICHTEN DER SAHEL

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1921

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



Atlantis Bd_06-0004 Flip arpa

MIT EINER KARTE DER SAHARA UND

EINER BILDERTAFEL / TITEL- UND

EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE


8. Der Raub der Gindofrau (Togolegende)

In Kani-Bonso kam es einmal zu einer großen und schweren 1 Sache. Ein Togomann aus Kani-Bonso kam eines Tages auf einer Wanderschaft nach dem Lande Dakol (nordöstlich von Bandiangara), und zwar in das Dorf Tesili, in dem Gindo wohnen. Da machte er die Bekanntschaft einer Frau, schloß Freundschaft und ein Verhältnis mit ihr. Er blieb einige Zeit bei ihr, und dann entführte er sie eines Tages heimlich nach Kani-Bonso.

Die Gindo von Tesili merkten das und setzten hinter dem Frauenräuber her. Sie vermochten ihn aber nicht einzuholen. Er erreichte vor ihnen Kani-Bonso. Als die Gindo vor der Stadt hinter dem Flüchtling ankamen, sagten sie zu den Togo: "Ihr seid Togo und wir sind Gindo. Aber wir sind beide aus Mande gekommen und darum Brüder. Rührt nicht einen schlechten Brei. Gebt die Frau heraus, die ein Togo in Tesili geraubt hat. Es gibt sonst eine böse Sache." Die Togo von Tesili sagten: "Nein, das tun wir nicht." Die Gindo sagten: "So seid doch nicht töricht. Ihr zwingt uns ja, ein Gleiches zu tun." Die Kanileute sagten: "Wir tun es nicht. Wir behalten die Frau." Die Tesili sagten: "Ganz wie ihr wollt." Sie kehrten nach Hause zurück.

Dicht bei Tesili liegt ein großer Marktflecken, der heißt Ibi. In Ibi war eines Tages wieder ein großer Markt, und auf dem Markt waren auch drei Togo aus Kani. Als die Gindomänner aus Tesili das wahrnahmen, taten sie sich zusammen, fielen über die drei Togo her, fesselten sie und nahmen sie als Gefangene mit nach ihrem Orte. Darauf sandten sie eine Botschaft nach Kani und ließen sagen: "Wir haben drei eurer Männer gefangen. Wenn ihr jetzt nicht die bei uns geraubte Frau herausgebt, so werden wir eure Männer als Frauen verheiraten und als Frauen behandeln." Der



Atlantis Bd_06-295 Flip arpa

Frauenräuber und seine Familie sagten: "Macht, was ihr wollt, — die Frau geben wir nicht heraus." Die Boten der Gindo kehrten zurück und sagten: "Wie ihr wollt."

Darauf entstand aber nun unter den Togofamilien in Kani-Bonso Streit. Die Familien, deren Mitglieder in Tesili gefangen waren, sagten zur Familie des Frauenräubers: "Das haben wir nun davon. Ist uns eine Frau der Gindo wertvoller, oder sind uns drei Togomänner aus unserer Stadt lieber? Gebt die Frau heraus, damit wir unsere drei Brüder zurückerhalten." Die Familie des Frauenräubers sagte: "Nein, ihr könnt machen, was ihr wollt. Wir geben diese Frau nicht wieder heraus, ihr müßt uns denn totschlagen." Die Familien der Beraubten boten alles mögliche, aber die Familie des Frauenräubers ließ sich auf nichts ein. Sie schlug alle Angebote aus.

Die Familie des Frauenräubers war aber unter den Togo von Kani-Bonso viel angesehener als die der Beraubten. Also konnten sie in Kani selbst nichts erreichen. Sie verließen aber im Zorne die Stadt, und ein Teil zog zu den Mossi, ein Teil nach Djellgodji (in der Richtung auf Don zu). Sie wandten sich an die Leute von Djellgodji und Mossi und baten sie um Hilfe gegen die Familie des Frauenräubers in Kani-Bonso. Die Leute waren einverstanden, und so kamen die Angehörigen der Beraubten mit Truppenmacht von Mossi und Djellgodji. Sie sandten die Botschaft nach Kani voraus: "Wenn ihr jetzt nicht die Frau herausgebt, werden wir euch überfallen und euch auseinandertreiben." Die Familie des Frauenräubers antwortete aber: "Nein, wir geben diese Frau nicht heraus."

Da kamen die beraubten Togo mit ihren Bundesgenossen aus Mossi und Djellgodji heran und stürmten ihre eigene Stadt Kani. Die Togofamilie des Frauenräubers ward besiegt. Sie floh. Bei Kani-Bonso ist im Berge eine mächtige Kommi-ngara (Kommi = höhle, ngara = gross; entspricht dem Fangfang der Malinke). In diese Höhle floh die Familie des Frauenräubers. Die Eroberer und ihre Bundesgenossen aber schleppten aus Kani alle Strohdächer heran und schichteten sie vor dem Höhleneingange auf. Dann zündeten sie das an. Darauf kam der größte Teil der Leute, die darin waren, in den Flammen und im Rauche um. Seit damals findet man in dieser Höhle Halsperlen, Topfscherben und derartiges.


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
Auch bitten wir Sie um weitere Anregungen in Bezug auf Erweiterungen und Verbesserungen.
Im voraus Dank für die Mithilfe. Spenden können Sie unter In eigener Sache

Ihr arpa team: www.arpa.ch Kontakt