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Kapitel 

SPIELMANNS GESCHICHTEN DER SAHEL

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1921

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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MIT EINER KARTE DER SAHARA UND

EINER BILDERTAFEL / TITEL- UND

EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE


5. Der Untergang Njondes (Togolegende)

Die Alten erzählen, im Lande Seno, das südlich von Bandiangara liegt, habe es früher eine außerordentlich starke Stadt gegeben, die hieß Njonde. Njonde war so stark, daß kein Widersacher ihm schaden konnte. Die Fulbe griffen Njonde an, aber sie mußten zuruckweichen. Die Mossi griffen Njonde an, aber sie vermochten die Stadt nicht zu bezwingen. In Njonde waren die Togo (oder Dogong), die aus Mande gekommen und über alle Maßen stark waren. Über die Togo herrschte ihr König Ankeme, der hatte nicht weniger als 700000 Reiter.

Eines Tages hetzte eine Mossifrau auf und sagte: "Die Mossi sind keine Männer mehr. Wenn die Mossi Männer wären, so würden



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sie die Stadt Njonde überwinden. Sie würden Njonde nicht bestehen lassen." Die Mossi sagten: "Was willst du? Wir haben den Krieg mit dieser Stadt versucht und haben ihn nicht gewonnen." Die Frau sagte: "Ihr wißt eben nicht, wie man solche Angelegenheiten anfängt."

Eines Tages machte dann die gleiche Mossifrau sich auf den Weg, begab sich nach Njonde und suchte den König Ankeme auf. Und der König Ankeme heiratete die Frau aus dem Mossilande. Von dem Tage an hob ein reger Verkehr an. Viele Mossifrauen besuchten erst ihre Freundin, welche die Frau des Königs von Njonde geworden war. Dann kamen sie häufiger, lernten die Njondeleute näher kennen, und so blieben viele von ihnen als Frauen der Togo in der Stadt Njonde.

Das war so drei Jahre lang gegangen, und es gab nun sehr viele Mossifrauen in Njonde. Da rief eines Tages die Mossifrau, die den König Ankeme geheiratet hatte, die sämtlichen Frauen aus dem Mossilande, die sich in Njonde zusammengefunden hatten, ein und sagte zu ihnen: "Wißt ihr eigentlich, weshalb ihr alle hier seid?" Die anderen Frauen sagten: "Nein, das wissen wir nicht." Die Frau, die den Njondekönig geheiratet hatte, sagte: "So will ich es euch erklären: Wir wollen es unseren Mossimännern ermöglichen, diese Stadt endlich zu bezwingen. Ich bin nicht zu meinem Vergnügen hier, sondern um etwas Starkes und Großes vorzubereiten, und ihr müßt mir dabei helfen." Die anderen Frauen sagten: "Wir wollen dir helfen." Die Frau, die den König Ankeme geheiratet hatte, sagte: "So müßt ihr folgendes tun: Jede soll ihren Mann um die rote, kleine Hirse bitten und daraus dann zu dem und dem Tage ein starkes und berauschendes Bier (=Nkenge; bei den Mali heißt dieses Bier aus rotem kleinen Korn Kinti) bereiten. Jeder eurer Männer soll an dem Tage alle seine Freunde einladen. Sorgt, daß das Bier so stark ist, daß alle Leute betrunken werden." Die Frauen sagten: "Ja, so wollen wir es machen." Dann gingen alle auseinander.

Alle Mossifrauen, die in Njonde waren, bereiteten für jenen Tag Nkenge. Die Frau, die den König Ankeme geheiratet hatte, sandte eine Botschaft an den König von Mossi, die lautete: "An dem und dem Tage werden alle tüchtigen Männer in Njonde betrunken sein. Sie werden viel Nkenge getrunken und einen Zustand wie die Narren angenommen haben. An dem Tage müßt ihr dann die Stadt angreifen, und ihr werdet keinen Widerstand finden." Der König



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von Mossi ließ antworten: "Ja, ich werde es machen." Der König von Mossi bereitete sogleich sein Heer vor.

Als der Tag gekommen war, hatten alle Frauen Nkenge bereitet. Abends tranken die Männer. Nachher waren alle Togo in Njonde betrunken. Da griff der König von Mossi an. Die betrunkenen Togo benahmen sich wie die Narren. Einige zogen die Hosen aus und schlugen damit wie mit schweren Waffen um sich. Andere benutzten Strohbündel als Bogen. Die Mossi hatten sie schnell überwunden. — Das soll etwa vierhundert Jahre her sein. Fast diese ganze Zeit steht die Stadt leer. Erst seit wenigen Jahren wohnen wieder einige Menschen darin. Seitdem aber trinkt keine Togofamilie des Njondeursprunges mehr dieses gefürchtete Nkenge. Sie trinken nur noch leichte Biere.


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