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Kapitel 

SPIELMANNS GESCHICHTEN DER SAHEL

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1921

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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MIT EINER KARTE DER SAHARA UND

EINER BILDERTAFEL / TITEL- UND

EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE


4. Krieg derer von Kant und Emme (Togolegende)

Sowohl in Kani Bonso (oder Boso) wie in Emme waren in früherer Zeit Togo, die aus derselben Familie stammten. Emme war damals eine bedeutende Ortschaft, heute aber ist es ein kleiner Flecken, und der Grund ist ein Krieg, den die beiden Bruderstämme der Togo von Kani und Emme miteinander führten. Und dieser Krieg war für die Togo von Kani zunächst sehr unglücklich, denn bei den Leuten von Emme war ein sehr tapferer und angesehener Recke (dessen Name mein Berichterstatter leider vergessen hat).

Damals kannte man noch keine Flinten, und die Emmeleute verwendeten auch nicht Bogen und Pfeile. Die Emmeleute pflegten in große Kalebassen ein kleines Loch zu schneiden und die leeren Gefäße in den Bäumen aufzuhängen. Dann schlüpften Bienen hinein, bauten sich darin an und füllten mit ihrem Baue derart zuletzt den Raum an. Waren die Kalebassen mit Bienennestern gefüllt, so nahmen die Emmeleute sie von den Bäumen herab und auf die Schultern und zogen damit den Kanileuten zum Kampfe entgegen. Standen sie denen nun gegenüber, so schleuderten sie die Bienenkalebassen unter die Feinde. Die Gefäßte zersprangen dann, eine Unmasse von Bienen kam heraus und fiel über die Kanileute her. Und während sie sich dann mit Umsichschlagen und Herumspringen vor den Stichen der gereizten Tiere zu wehren suchten, fielen die Emmekrieger über sie her und töteten ihrer viele mit Messern und Steinen. Dabei zeichnete sich jener eine Emmeheld ganz besonders aus, und so kam es, daß die Kanileute den Emmemännern gegenüber immer im Nachteil waren.

In Kani war ein unverheiratetes Mädchen. Das überlegte eines Tages, wie wohl die Kanileute den Vorteil erringen könnten. Sie ging zu den Kanimännern und fragte: "Ist denn kein besonders Tapferer unter den Emmeleuten ?" Die Männer sagten: "Gewiß ist da ein solcher Mann." Sie nannten den Namen des hervorragenden Helden. Darauf kleidete sich das Mädchen ganz besonders schön und machte sich auf den Weg nach Emme.

Als sie nach Emme kam, sagten einige Männer: "Komm doch mit zu uns." Andere sagten: "Nimm doch das Abendessen bei uns ein." Das Mädchen aber antwortete: "Nein, ich will den einen Mann nur besuchen." Und sie nannte den Namen des so hervorragenden Recken. Es war auch der Galobo (Galo-bo = Gab oder



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Dialli) des hervorragenden Recken auf dem Platze. Der sagte zu ihr: "Komm, dieser hervorragende Recke ist mein Herr, ich will dich zu ihm führen." Sie ging mit ihm.

Als der Galobo das Mädchen seinem Herrn zeigte, sagte er zu ihm: "Hier bringe ich ein fremdes Mädchen. Es war auf dem Markte. Alle Leute luden sie zu sich ein. Sie verlangte aber nur danach, dich kennen zu lernen." Der hervorragende Recke fragte das Mädchen: "Woher kommst du?" Das Mädchen sagte: "Ich komme aus Kani." Dann ließ der hervorragende Recke einen Hammel schlachten und gute Gerichte bereiten und setzte sie ihr vor. Er plauderte den Abend über mit ihr. Dann sagte das Mädchen: "So, nun will ich wieder heimkehren." Der hervorragende Recke sagte: "Willst du nicht wiederkommen? Ich würde dich so gerne heiraten." Das Mädchen sagte: "Gut, so will ich in einigen Tagen wiederkommen und dann können wir uns heiraten." Das Mädchen brach auf und ging nach Kani zurück.

Nach einigen Tagen machte sich das Mädchen wieder auf und ging diesmal mit ihrer Galobofrau zusammen nach Emme. Dort heiratete sie den hervorragenden Recken. Am Tage, nachdem sie den hervorragenden Recken geheiratet hatte, sagte sie zu ihrem Manne: "Gibt es hier denn nicht von der roten, kleinen Hirse?" Der Mann sagte: "Gewiß haben wir die." Die junge Frau sagte: "So laß mir davon bringen, damit ich daraus ein gutes Bier braue." Der hervorragende Recke ließ das rote kleine Korn bringen. Die Frau bereitete ein ausgezeichnetes Bier darauf. Dann sagte sie: "Nun lade alle hervorragenden Männer von Emme zu einem Trunke ein, denn das Bier ist gut und stark geworden." Der Mann tat es.

Alle ausgezeichneten Männer Emmes kamen zusammen, um das treffliche Bier zu trinken. Sie tranken. Das Bier, das aus diesem roten Korn gebraut wird, ist ganz besonders stark, berauscht schnell und raubt den Männern dann bald das Bewußtsein. (Deshalb ist es z. B. bei den Malinke verboten.) Die Männer waren bald vollkommen betrunken und lagen wie tot umher.

Als die Frau das sah, nahm sie ihr Meung (das ist die lange, an beiden Enden zugespitzte Walze aus Eisen, mit der die Baumwolle entkernt wird). Sie steckte es mit einem Ende in das Ohr ihres Mannes, schlug auf das andere mit einem Stein und trieb es so in den Kopf des Betrunkenen. Er starb sofort, ohne das Bewußtsein wiedererlangt zu haben. Darauf zog sie ihr Meung heraus und



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trieb es in den Kopf eines zweiten. So tötete sie hintereinander die fünfundzwanzig tapfersten aller Männer in Emme. Dann sagte sie zu ihrer Galobofrau: "Nun komm mit mir."

Sie nahm ihr Meung und ging nach Kani zurück. Als sie in der Nähe ihrer Stadt angekommen war, sandte sie ihre Galobofrau zu ihrem Vater und ließ ihm sagen: "Kommt mit Trommeln mir entgegen, denn ich habe euch etwas ganz Besonderes zu sagen." Der Vater kam mit Trommeln. Die junge Frau zeigte ihm ihr Meung und sagte: "Tanzt für mich nicht den Tanz, den man Frauen darbringt, sondern den, mit dem man Männer begrüßt. Denn mit diesem Meung habe ich die fünfundzwanzig der tüchtigsten Männer von Emme totgestochen, und vor allem ist mit den anderen der hervorragende Recke getötet." Hierauf entstand unter den Kanileuten große Freude, und sie tanzten alle vor der Frau.

Dann begaben sich die Kanimänner nach Emme. Die Frauen von Emme kamen ihnen aber weit entgegen. Sie hatten ihre Kleidung abgenommen und schwenkten sie über dem Kopf. Sie waren unbekleidet. (Das ist bei allen Mandestämmen das Unterwerfungszeichen.) Die Frauen sagten: "Wir bitten euch um Entschuldigung wegen aller jener Männer, die wir euch im Busch erschlagen haben. Emme ist nun in eurer Hand." So kam die Ortschaft Emme in die Hände der Kanileute, und Emme ist seitdem ein kleiner Flecken.

Bei den Togo von Kani soll es aber bis heute noch Sitte sein, daß den gestorbenen Frauen ein Meung oder gar eine Trommel mit ins Grab gegeben wird. Und das ist eine Erinnerung an das, was die eine Frau aus Kani in Emme tat.


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