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Kapitel 

SPIELMANNS GESCHICHTEN DER SAHEL

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1921

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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MIT EINER KARTE DER SAHARA UND

EINER BILDERTAFEL / TITEL- UND

EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE


1. Der Stammherr (Togolegende) Der Ahnherr Ogoduma der Togo kam mit siebzig Söhnen aus

D dem Lande Mande. Alle diese Söhne hatten jeder eine andere Mutter, aber alle den gleichen Vater. Weil sie nun alle verschiedene Mütter hatten, nennt man sie heute alle Bagi. Ogoduma liebte nun die junge Frau, die ihm den letzten Sohn geschenkt hatte, ganz und gar nicht und konnte deren Sohn nicht ausstehen.

Eines Tages ließ Ogoduma vielen und sehr guten Honigwein herstellen und verkündete die Veranstaltung eines großen Festes und einer allgemeinen Zusammenkunft. Alle Söhne Ogodumas sollten kommen. Der jüngste Bagi sagte zu seinem Gab (oder Galob): "Was soll ich machen. Ich mag meinen Vater nicht leiden. Wie kann ich nun so meinem Vater unter die Augen kommen? Gib du mir einen Rat!" Der Gab sagte: "Ich rate dir, geh in den Busch. Du bist ein besserer Jäger als alle deine Brüder. Erlege ein seltenes Stück Wild und bringe es deinem Vater mit." Der jüngste Bagi sagte: "Ja, so will ich es tun."

Der jüngste Bagi machte sich auf. Er nahm seine Waffen und kam in den Busch. Er erlegte auch glücklich eine Njanja (eine Antilope oder Gazelle, die im Fulfulde Njamala, im Mali [kanu] Mangarni heißt), das ist das am schwierigsten zu erlegende Wild, weil es so außerordentlich flüchtig ist. Die Habbe schätzen das Fleisch nicht so sonderlich, aber sie achten den Schwanz der Gazelle als ganz besonders wertvoll (anscheinend wegen gewisser Zauberkräfte, die man dieser Gazelle zuschreibt). Der jüngste Bagi zerlegte mit seinem Gab schnell die Njanja und sagte: "Nun wollen wir sogleich zurückkehren." Sie machten sich sogleich auf den Heimweg. Als sie an die Nähe des Dorfes gekommen waren, sagte der jüngste Bagi: "Mein Gab, nun geh voran und hole deine Trommel. Wenn du wieder hier bist, wollen wir zu dem Feste meines Vaters Einzug halten." Der Gab ging in die Ortschaft und holte seine Trommel. Er kam wieder. Sie gingen in das Dorf. Sie trugen das Fleisch. Der Gab trug den Schwanz der Njanja.

Als sie auf den großen Platz kamen, saßen alle Leute rund herum, Ogoduma und alle siebzig Bagi bis auf den Jüngsten. Einige riefen: "Was kommt da?" Andere riefen: "Wer kommt da?" Einige spotteten, einige lachten. Einige aber sagten: "Er hat eine Njanja erlegt." Der jüngste Bagi ging auf seinen Vater Ogoduma zu und



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sagte: "Du liebst meine Mutter nicht, und du liebst mich nicht. Du hast siebzig Söhne, welche alle Bagi sind. Ich bin der Jüngste. Sage mir aber, wer von alle den anderen neunundsechzig Bagi das kann, was ich hier erzielt habe."

Der jüngste Bagi legte das Fleisch und den Schwanz der Njanja vor seinem Vater nieder. Heute noch gilt der, der solches Wild herbeibringt, als ein besonderer Mann. Damals wurde er noch mehr verehrt. Als Ogoduma das sah, sagte er zu seinen Söhnen: "Dies ist der letzte meiner Söhne. Ihr seid siebzig. Aber solange wir hier sind, hat noch keiner von euch das vermocht, was der Kleine konnte. Bis dahin wart ihr die Ältesten. Von nun an soll er aber der Älteste sein." Als die anderen neunundsechzig Bagi das hörten, waren sie außerordentlich zornig. Sie sagten: "Was der kann, können wir auch. Wir wollen das zeigen."

Alle neunundsechzig Bagi holten ihre Waffen und gingen in den Busch, um eine Njanja zu erlegen. Der eine jagte vierzehn Tage, der andere vier Wochen, der dritte noch länger. Aber keinem glückte es, eine Njanja zur Strecke zu liefern. Einige kehrten beschämt heim. Einige gingen in das Senugebiet. Die meisten schämten sich zu sehr, ihrem Vater wieder unter die Augen zu treten. So verteilten sich die Bagi als Stammväter im Lande.

Keiner ward so geachtet, wie die Nachkommen des jüngsten Bagi. Auch bis heute stammen alle vornehmsten Togo von dem jüngsten Bagi ab.


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