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Kapitel 

SPIELMANNS GESCHICHTEN DER SAHEL

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1921

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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MIT EINER KARTE DER SAHARA UND

EINER BILDERTAFEL / TITEL- UND

EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

Siedlung. Hausbau

Die Siedlungen der Tommo waren dem inneren Wesen und der Gesamtanlage nach zweiartig. Die auf den Bergen und Felsköpfen angelegt sind, erinnern an Burgen, sie sind auf engem Raume arg zusammengeschachtelt. Die in den Tälern und besonders die im Graben im Süden des langen Felsabhanges zeigen dagegen eine Neigung sich auseinanderzuziehen. Gruppen von Gehöften liegen hier oftmals weit voneinander entfernt. Die Anlageform der Bergburgen erinnert an die zusammengepreßten Bammanaortschaften in Beledugu, die der Taiweiler an die Verstreuung der Malinkeweiler im oberen Nigergebiete.

Aber im eigentlichen Stil bleiben sich bei mancherlei interessanter Variabilität die Tommodörfer doch gleich. Sie haben durchaus rechtwinklig angelegte Mauern, hergestellt aus kubischen Luftziegeln, und zeigen mehr oder weniger deutlich erkennbar die typische Konstruktion des Holzbaues. (D. h. im Grundprinzip neun vertikale Tragstützen, drei horizontale Tragbalken darauf, quer dazu eine Knüppeldecke, die mit Erde beworfen ist.) Je weiter wir nach Süden kommen, desto deutlicher und betonter erscheint die Holzkonstruktion, und wir werden sehen, wie das Überwiegen der Holzkonstruktion gegenüber dem Mauerwerk im südlichen Grenzgebiet nach Uahiguja hin fast einen neuen Stil gezeitigt hat. Demgegenüber fällt nach Nordwesten hin eine Annäherung an den Djennestil, an die Mauerbetonung auf. D. h. die horizontalen Dachbalken werden nicht auf Holzsäulen, sondern auf die Mauern gelegt, so daß diese zu konstruktiven Elementen werden. Ja, ich habe sogar Häuser gesehen, denen auch die tragenden Holzquerbalken fehlten und bei denen die Zimmer nicht tiefer waren, als es das deckenbildende Knüppelholz erlaubte, d. h. die Knüppeldecke lag direkt auf der Mauer. Zwei mit der Längsachse nebeneinander liegende Zimmer bildeten dann ein Haus. Solche Häuser erinnern dann vollkommen an den Timbuktustil. Aber das fällt mehr nach Nordwesten hin auf, und zumal der Stockwerkbau von Kori-Kori erleuchtete klar die Beziehungsgruppe dieser Entwicklungsgruppe.

Im allgemeinen ist der Tommobau ein Bammanastil. Das überwiegende



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Element bleibt das Holzgalgenwerk. Wir fanden in allen Tommoortschaften die "Galla" der Bammana, die auf dem Prinzip der neun Holzbalken und der drei Querbalken basierende Dorf empore. Sie heißt Sauro. Ich vermerke nun zunächst den großen Unterschied zwischen der Galla der Zentralmande und des Sauro der Tommo: Die Galla der Zentralmande ist eine Tribüne, auf der man im allgemeinen sitzt. Die Sauro der Tommo ist eine Halle, unter der man liegt. Dem entsprechend ist bei den Mande mehr die Tragfähigkeit der Decke durch Verwendung dicker Deckenbalken, bei den Tommo dagegen die Regensicherheit durch Aufschichtung regelmäßig gelagerter Massen von Sorghumstroh durchgeführt. Das Stroh liegt oft meterhoch.

In den Felsorten, in denen Holz natürlich selten ist, Steine aber überall in guten, passenden Formen zu finden sind, werden die Tragsäulen aus Steinen gebildet, entweder durch mehrere aufeinandergesetzte Blöcke oder aber durch Aufrichtung eines einzelnen, gerade passenden Blockes, einer Natursteinsäule. Solche Säulen findet man häufig als letzte Reste alter zerfallener Sauro. Man erkennt sie sehr leicht als solche, denn die Gebirgsmenschen pflegen auch den Boden mit natürlichen Fliesen (Felsplatten) zu belegen.

Die interessanteste Entwicklung dieses Bauwesens sah ich südlich resp. südöstlich von Bankassi. Hier waren nämlich die Holzkonstruktionen niedriger, aber im Raum weit ausgedehnter. Ich sah bis 9 X 7 Stützsäulen. Das Knüppeldecken-Dachlager war mit, Erde beworfen. Die Eingeborenen hatten nun keinerlei Wohnstatt oder Wohngebäude als diese Sauro und somit war innen hinein das Gemäuer, und zwar je nach Bedürfnis gebaut. Einige hatten nur Sekkomatten hineingebunden und so Wände hergestellt. Andere hatten aus Luftziegeln raumabtrennende Mäuerchen errichtet. Aber Mauer- und Sekkowände reichten meist nicht einmal bis zur Decke.

Ich glaube deutlicher als aus dieser Stilvariante kann man die große Bedeutung des alten Holzbaues nicht erkennen. Es ist eine absolute Schwestererscheinung zu jenen Mattenhäusern, die ich in Timbuktu wieder entdeckt habe, und die auch nichts anderes darstellen, als den aus dreimal drei Holzsäulen und drei Tragbalken hergestellten Bau, der das Grundelement der Bammanabauten ist.

Einige Rundhütten sieht man in Dogo und sonst am Abhange der Feiskante. Sie sind ein Zeichen der Mossieinmischung. Die noch feuchtbiegsamen Luftziegel sind, wie seinerzeit schon in den Mandeländern beobachtet, schräg geschichtet, so daß der Eindruck der Sekkoflechtweise hervorgerufen wird.

Sehr interessant sind die Speicher der Tommo, viereckige, auf Holzboden, die durch Steinhaufen gestützt werden. Die Decke ist



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•ein mit Erde beworfenes Knüppellager. Über dieser Decke ist aber durch Aufwölbung (in Wulstform wie bei den Töpfen) eine Wölbung geschaffen, die innerlich durch nichts gestützt ist. Er ist wie der Deckel einer großen Kornurne. Um diese etwas dünn gewölbte Überdecke zu stützen, ist noch eine Strohkappe, wie bei den Malinkehäusern, natürlich in Stroh, darüber gedeckt. Ich sah solche Kornspeicher von 91/2 m Höhe, die zwei Etagen enthielten. Es sind die Nachkommen der Speicherburgen der Berber.


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