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Kapitel 

SPIELMANNS GESCHICHTEN DER SAHEL

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1921

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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MIT EINER KARTE DER SAHARA UND

EINER BILDERTAFEL / TITEL- UND

EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

Ackerdienst. Masken. Amba

Die zweite religiöse Fürsorge gilt dem Ackerdienste. Ich habe gefunden, daß sie sehr ausgesprochen ist und fast möchte ich meinen, sie wäre sorgfältiger, gedankenreicher, prädominanter als bei den zentralen Mandestämmen. Vielfach erinnert sie an die südlich benachbarten Aethioper. Einiges davon liegt der Wartung



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des Ogong ob. Es ist die einzige religiöse Obliegenheit der Ogong überhaupt.

In einem Winkel des Ogonggehöftes erhebt sich der Sitte gemäß ein kleiner Erdkloß, der dem Togorobung der Malinke, den kleinen heiligen Erdhügeln der Tombo-kung ähnlich sieht. In seinem Innern befindet sich ein kleines, gekrümmtes, fischhakenförmiges Eisen. Dieser Erdhügel ist das große Lu (= Zaubermittel) des Ogong, wie der Buna des Lagam. Sein Name ist Amba-kenje. Der mit ihm verbundene Dienst verläuft folgendermaßen: Zur Erntezeit bringt jede Frau dem Ogong eine oder mehrere Mullen Korn als Geschenk dar. Dann wird ein Fest gefeiert. Männer und Frauen tanzen während zweier Tage. Es werden Opfertiere geschlachtet und es geht hoch her. Wenn nun die nächste Saatzeit kommt, begibt sich jeder Hausherr zum Ogong und erhält von diesem eine Handvoll des Kornes, dem durch die nahe Lagerung beim Amba-kenje und außerdem wohl durch spezielle Benediktion seitens des Ogong höhere Keimkraft verliehen ist. Dieses "heilige" Korn mischt der Hausherr unter sein Saatkorn und so entsteht eine kräftige Saatfrucht. Außerdem aber schüttet jeder Hausherr neben dem Amba-kenje Wasser zu Boden, setzt in die Lache einen Fuß und betet um ein fruchtbares Jahr.

Auch dann, wenn ungenügende Regenfälle die Ernte bedrohen, tritt die Bevölkerung mit dem Ogong in Verbindung. Es gilt dann dem zweiten großen Lu des Dorfes ein Opfer darzubringen. Dieser zweite Lu ist der Laewe. Der Laewe ist eine kleine, altarartige Anhäufung alter Steingeräte vergangener Zeiten. Es sind darunter große Steinbeile, Mühlsteine, Reibsteine und verschiedene große Formen, die an moderne Artilleriegranaten erinnern, deren früherer Zweck zunächst nicht klar ist. Der Laewe-Altar befindet sich zuweilen im Hause des Ogong und ist dann wohl um einen Mittelpfeiler im Lehm eingebettet und das ganze mit weißer und roter Farbe bedeckt. Nicht immer ist der Ogong Inhaber des Laewe, zuweilen hat ein anderer seine Versorgung und ist sein Besitzer. Stets aber, ehe man sich zur eigentlichen Wasserbesprengung und Opferung am Laewealtar begibt, wendet man sich an den Ogong, daß er seine Genehmigung dazu erteile.

Hier ist auch der Platz den Lasuga-Maskentänzen, die schon oben erwähnt wurden, ein Wort zu widmen. Denn ich glaube, daß sie ebenfalls zum guten Teil wenigstens und nach ihrer heutigen Verwendung, der Ackerweihe gewidmet sind - wie wir das doch zuletzt auch vom mandischen Tschiwarra sagen müssen. Die Lasuga tanzen nämlich zur Saatzeit, und ihr fröhlicher Mummenschanz spornt vielleicht den Landarbeiter zu kräftigem Angreifen an. Für die Masken gibt es verschiedene Namen. Im Bandianggaragebiet



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sah ich drei Formen. Eine Holzmaske, die von einem menschenartig oder eidechsenartig ausgeschnittenen Brette überragt war; man nannte sie Tanga. Dann waren da drei Holzmasken mit Hörnern, rot und weiß bemalt, grob geschnitzt. Sie wurden als Uau, d. h. wilder Büffel, vorgeführt. Die dritte Sorte war eine Maske aus Strickwerk, raupenhelmartig, gleich Haartracht der Samokofrauen. Diese hießen Lasuga-nja, d. h. Lasugafrau. Bei einer der Masken war das sehr deutlich dadurch dargestellt, daß sie vorn über dem Faserbehang zwei holzgeschnitzte Brüste trug. Die Tanga- und Uau-Maskierten trugen lange Stäbe. Wenn die weiblichen Masken nicht tanzten, hatten sie eine charakteristische Ruhestellung, sie hatten die Arme erhoben und über dem Kopfe verschränkt. In Dogo sah ich zwei Sorten von Masken, eine holzgeschnitzt, die der Uau glich, aber an Stelle der Hörner in der Mitte einen langen Holzschopf trug. Das war Onne, d. h. der Husarenaffe. Die zweite Maske war gleich der Lasuga-nja hergestellt, sie wurde hier aber als Pirri, das soll heißen "Mensch", vorgestellt. Die Dogoleute sagten: "Die Leute in den Berggegenden des Nordens nennen den Lasuga Onne-kaje."

Es wurde gesagt, diese Maskentänze wären einer gewissen dreijährigen Periode unterworfen. Drei Jahre lang unterlasse man diese Tänze, dann sage man: "Mekerra kennesi!" — "Laßt uns tanzen." Darauf würde während dreier aufeinander folgender Frühjahre das Zeremonial abgehalten. Wenigstens in Dogo. In Dondorf dagegen tanze man in einem Jahre und im folgenden nicht, immer abwechselnd. (Auch die Tänze des Lagam sollen übrigens einem dreijährigen Wechsel unterworfen sein.) Nur im Anfange der Regenzeit tanze man. Frauen, welche lange Zeit hindurch nicht konzepieren oder deren Kinder immer sterben, tanzen gegen die Lasugamasken an. Man erwartet also Fruchtbarkeit. — Im allgemeinen dürfen Frauen den Tanz sehen und ihm beiwohnen, aber sie dürfen die Masken nicht berühren. In den Bergen des Nordens wird auch das Schwirrholz angewendet und in abendlicher Stunde in Schwingung versetzt. Es heißt dort Lasuga-na. Das dürfen die Frauen auf keinen Fall sehen. Sie könnten verrückt werden.

Eine zweite Maskeneinrichtung heißt: Aja-kaje. Jeder Teilnehmer am Fest oder an der Genossenschaft (vielleicht ist es eine geheime Gesellschaft, die hier durchblickt), bringt zum Beginne des Zeremonials einen Hahn herbei. Wer den roten Hahn beibringt, trägt das Maskenkleid. Im Gegensatz zum Lasuga gilt Aja-kaje als durchaus schlecht. Er tritt meist nachts auf, und das will schon etwas sagen. Er stiehlt den Frauen und Knaben das Essen und bringt es mit anderen Geschenken, wenn gerade deren Tanzzeit ist,



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den Lasugaleuten. Also anscheinend ist er dem Lasuga etwas untergeordnet. Wie gesagt, gilt Aja-kaje (oder kaja) als schlecht. Er schlägt mit einem Stock auf Weiber und Unerwachsene. Vielleicht bezieht sich auf diesen Aja-kaje auch besonders die Angabe, daß in die Zeremoniale der Maskeraden kein Reiter eindringen darf; kommt er den Masken nahe, so sterben Roß und Reiter.

Bei der Gelegenheit sei noch ein anderer, anscheinend durchaus harmloser Mummenschanz erwähnt, nämlich der Tingi-Tanga. Auch diese Maskierten tanzen im Anfange der Regenzeit. Es sind Spaßmacher, deren jedes Dorf an vier oder mehr besitzen soll. Die Tingi-Tanga gehen auf Stelzen und haben oft Hosen, die über die Holzstäbe bis auf den Boden fallen. Im übrigen bedecken rote Schnüre das Gesicht und fallen auch über den Körper herab. Sie kommen morgens und abends auf den Dorfplatz und führen hier ihre Sprünge und Kapriolen im Stelztanz aus. Aber jeder tanzt allein für sich. Nie tanzen zwei zusammen. Man sagt, das Spiel sei so schwierig, daß Vater und Mutter der Tanzenden zauberkräftig sein müßten, um den Tänzer vor Sturz und Beinbruch zu schützen.

Von dieser Abschweifung auf das Gebiet harmlos-kindischer Nebenerscheinungen wollen wir zurückkehren zu dem Zeremonialdienst und wenigstens mit einigen Worten der Frage nach sonstigen großen Zügen im Glaubensleben der Tommo gerecht zu werden suchen.

Ein anderer Zug, eine besondere Erscheinung ist für Niveau und Tiefe des Tommoglaubens außerordentlich bezeichnend. Das ist die Bezeichnung und Auffassung "Amba" oder "Hamba", die die Fulbe mit "Gott" übersetzen (mit Allah), was aber gänzlich unzutreffend ist. — Besonders in den alten Zeiten vor dem Siege der fanatisch islamisierenden Fulbe pflegten die Tommo sich Figuren aus Ton zu formen, und zwar tat das jeder selbst. Solche Erdfiguren wurden Amba oder Hamba genannt. Waren sie vollendet, so brachte der Verfertiger der Figur eine Ziege, Huhn oder Hund als Opfer dar, und sagte dabei: "Ich bringe dir dieses Tier als Geschenk dar. Ich wünsche, daß das eintritt (etwa Kindersegen, Genesung von Krankheit, reiche Ackerfrucht, Regen, aber auch Erkrankung eines gehaßten Nachbars, Tod eines Erbonkels usw.). Wenn du dafür sorgst, daß das geschieht, dann erhältst du mehr. Besorgst du das aber nicht, so erhältst du auch nichts mehr, vielmehr werde ich dich wieder vernichten!"

Man beschränkte sich nicht allein darauf, sich solche Ambafiguren zu bereiten. Manche Leute wandten sich in gleicher Weise an einen Baum, an ein besonders auffallend geformtes Felsstück usw. Das ward auch Amba genannt, dem ward gleiche Bitte, gleiche Opferung, gleiche Versprechung von mehr zugesagt. Trat



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nun das Erbetene ein, so blieb man bei diesem Amba. Trat es nicht ein, so ward die Erdfigur zerstört oder der Baum oder Stein vollkommen vernachlässigt. Das war der alte, prädominierende Ambaglaube, der an Klarheit und gleichzeitig an Primitivität nichts zu wünschen übrig läßt.

Daß es daneben noch eine Menge Zauberglauben gab, geht schon aus den Legenden hervor.


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