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Kapitel 

SPIELMANNS GESCHICHTEN DER SAHEL

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1921

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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MIT EINER KARTE DER SAHARA UND

EINER BILDERTAFEL / TITEL- UND

EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

4. Samba Galadjies Rückkehr

Samba Galadjie machte sich mit seinem getreuen Spielmann an der Spitze seiner gewaltigen Kriegsmacht auf den Weg nach Futa Toro. Er marschierte erst nach Timbuktu, dann marschierte er nach Massina, dann marschierte er nach Kailari (Kalla), dann marschierte er nach Badugu, dann marschierte er nach Bakunu, dann marschierte er nach Gidimaka, dann rückte er auf das Land der Malanke (Sarakolle), und zwar auf Bakilli (Bakel am Senegal)



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zu, wo Samba Galadjie und der Spielmann ihre Mütter zurückgelassen hatten.

Diesen beiden Frauen, den Müttern von Samba Galadjie und seinem Gaulo Seuod Amalad, war es inzwischen sehr schlecht ergangen. Der König von Bakilli hatte wie alle anderen geglaubt, daß Samba Galadjie und sein Spielmann längst umgekommen wären und da die beiden Frauen keinerlei Beschützer oder Fürsprecher hatten, so hatte der räuberische König ihnen alles weggenommen, was der Held seinerzeit erworben und für sie zurückgelassen hatte. Die beiden Frauen mußten sich nun mühsam ihren Lebensunterhalt suchen, und sie taten das in der Weise, daß sie täglich ausgingen, altes trockenes Holz sammelten und auf dem Markte verkauften. Kein Mensch kümmerte sich darum, daß der Vater Samba Galadjies einst der mächtigste König und der Ehemann der einen der beiden Frauen gewesen war, denn in Futa Toro herrschte jetzt Konko Bo Mussa und sein Sohn Sulenjei.

Als Samba Galadjie und sein Spielmann mit ihrem mächtigen Heere näher kamen, waren die beiden alten Frauen gerade auf dem Wege der Holzsuche in dem Busch.

Der Spielmann sprang zuweilen hoch auf, stellte sich auf den Sattel und rief laut: "Hooo, Samba Galadjie! Hoooo, Samba Galadjie!" Die Mutter Seuod Amalads blieb im Walde stehen und sagte zur Mutter Samba Galadjies: "Horch, das war die Stimme meines Sohnes. Samba Galadjie kehrt zurück." Die Mutter Samba Galadjies schüttelte den Kopf und sagte: "Mein Sohn ist lange tot." Sie gingen weiter. Nach einer Weile blieb die Mutter des Spielmanns wieder stehen und sagte: "So horche doch. Das ist die Stimme meines Sohnes. Samba Galadjie kehrt siegreich zurück." Die Mutter Samba Galadjies schüttelte den Kopf. Sie sagte: "Mein Sohn ist schon lange tot." Sie gingen weiter. Wiederum nach einer Weile blieb die Mutter des Spielmanns Seuod Amalad stehen und rief: "Aber so höre doch. Das kann nur die Stimme meines Sohnes sein. Heute noch muß Samba Galadjie siegreich hierher zurückkehren." Die Mutter Samba Galadjies schüttelte den Kopf: "Ach, mein Sohn ist schon lange tot." Sie wollte weitergehen.

Auf dem Wege kamen Samba Galadjie und sein Spielmann an der Spitze des Heeres daher. Sie sahen die Frauen. Sie erkannten die Mütter. Sie sprangen vom Pferde. Sie knieten nieder und hoben ihre Lippen zur Brust ihrer Mutter, als seien sie kleine Kinder, die Nahrung zehren wollten (das ist die entsprechende Bewillkommnungsform



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bei den Fulbe, wenn Mütter und Kinder sich lange nicht gesehen haben). Die Frauen fragten: "Wo kommt ihr her?" Samba Galadjie fragte: "Was machst du hier im Busch?" Seine Mutter sagte: "Der König von Bakilli hat mir alles geraubt. Nun müssen wir uns dadurch ernähren, daß wir Holz sammeln." Samba Galadjie fragte: "Lebt Konko Bo Mussa, der Bruder meines Vaters, noch?" Seine Mutter sagte: "Ja, er lebt noch." Samba Galadjie fragte: "Lebt sein Sohn Sulenjei noch?" Seine Mutter sagte: "Ja er lebt noch."

Es war da ein Mann aus der Dumiafamilie, der hieß Dide. Im Anfange hatte er Angst, denn er dachte, Samba Galadjie würde ihn zur Rechenschaft ziehen. Samba Galadjie sagte zu Dide: "Ich habe nicht vor, dir etwas Böses anzutun. Du sollst aber an meinen Oheim Konko Bo Mussa eine Botschaft bringen." Er stellte einen kleinen Beutel her, in dem waren Kugeln und Pulver und ein Tuchfetzen, so rot wie Blut. Er sagte zu Dide: "Geh hin, bringe das zu meinem Onkel." Dide ging. Er kam zu Konko Bo Mussa. Er sagte: "Das sendet dir Samba Galadjie." Konko Bo Mussa sagte: "Hat Samba Galadjie Krieger bei sich ?" Dide sagte: "Er hat ein Heer bei sich." Konko Bo Mussa fragte: "Wieviel Menschen hat er?" Dide füllte dreimal die zusammengeschlossenen Hände mit Sand und häufte, ihn von der rechten zur linken hebend, einen kleinen Haufen auf. Er fragte: "Konko Bo Mussa, kannst du die Sandkörner dieses Haufens zählen?" Der König sagte: "Nein, das kann ich nicht." Dide sagte: "Siehst du, soviel Reiter hat Galadjie bei sich."

Inzwischen war Samba Galadjie nach Bakilli gekommen. Er fragte: "Wo ist der König, der meine Mutter beraubt hat?" Die Leute sagten: "Er ist gestorben." Samba Galadjie sagte: "Wo ist sein Grab?" Die Leute sagten: "Es ist schon verwest." Samba Galadjie sagte: "Es ist mir gleich. Ich will sein Grab öffnen und ein paar Kugeln in seine Reste senden, denn er hat meine Mutter bestohlen." Die Leute sagten: "Man wird ihn nicht mehr finden." Samba Galadjie sagte: "Ich werde ihn finden. Ich will ihn finden. Ich will ihn ausgraben und ihn schänden, so wie er meine Ehre geschändet hat." — Der König war aber versteckt.

Bei Bakilli (Bakel) steht heute noch ein mächtiger Baum. Samba Galadjie sagte zu den Leuten: "Ihr seht den Baum. Ihr werdet einen Haufen von Stoffen und Hirse auftürmen, der so hoch ist wie dieser Baum. Das soll eure Buße sein." Die Leute schleppten Stoffe und Hirse herbei. Der Berg wuchs und wuchs. Zuletzt hatte



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er die Höhe des Dindebaumes erreicht. Samba Galadjie sagte zu seiner Mutter: "Das ist das Geschenk der Leute von Bakilli, die dich so elend bestohlen haben. Nimm es an." Dann zog er nach Schamba (am rechten Senegalufer) weiter.

Samba Galadjie ließ an seinen Oheim eine Botschaft ergehen, die lautete: "Konko Bo Mussa, ich komme. Himmel und Erde werden zusammenkommen (soviel Staub wird aufgewirbelt). Die Erde wird schwarz werden (vom Pulverbrande). Die Kugeln werden gegeneinanderprallen (soviele Kugeln werden die Luft durchkreuzen). Rüste dich also. Wenn deine Leute schießen, werde ich ihre Kugeln in der Luft zerschießen. Richte dich danach." Konko Bo Mussa sagte: "Es ist gut. Ich bin gerüstet."

Samba Galadjie rückte am rechten Senegalufer entlang. Seine Truppen wollten den Senegal überschreiten. Konko Bo Mussa hatte seine Truppen auf dem linken Ufer des Senegal aufgestellt. Samba Galadjie rief: "Wer will mich hindern, den Senegal zu überschreiten?" Sulenjei rief: "Ich werde es hindern." Die Truppen wollten übersetzen. Sulenjei schoß einen Mann nach dem andern tot. Die Leute kamen zu Samba Galadjie und sagten: "Wir kommen nicht hinüber. Es ist da ein Mann, der schießt einen von uns nach dem anderen ab." Samba Galadjie sagte: "Den Mann kenne ich, wartet."

Samba Galadjie kam an das Ufer und rief: "Wer ist dort drüben?" Sulenjei antwortete: "Ich, der Sohn Konko Bo Mussas, bin es." Samba Galadjie rief: "Hast du denn meine Botschaft nicht empfangen, daß nämlich die Kugeln in der Luft gegeneinanderprallen werden?" Sulenjei ergriff sein Gewehr und schoß nach Samba Galadjie. Samba ergriff auch seine Büchse und schoß auf die Kugel Sulenjeis. Er traf sie in der Luft, so daß sie zurückprallte. Sulenjei schoß wieder, aber es wiederholte sich wie das erstemal. Einmal um das andere. Alle Kugeln Sulenjeis wurden zurückgeschleudert. Zuletzt riß der Zügel des Pferdes Sulenjeis, und er mußte in die Stadt seines Vaters zurückkehren. Sulenjei sagte zu seinem Vater, dem Könige Konko Bo Mussa: "Es gibt nur ein Mittel gegen die Heeresmacht Sambas aufzukommen. Das gelänge, wenn du jedes Sandkorn im Senegal in einen Kaiman verwandeln kannst. Wenn dir das nicht gelingt, wird er auf jeden Fall übersetzen."

Samba Galadjie überschritt mit seinem Heer den Senegal. Zuerst reichte das Wasser nur bis an den Bauch der Pferde. Als aber immer weitere Scharen den Fluß anfüllten und eine Kolonne nach



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der anderen das Bett betrat, schwoll das mit Menschen und Tieren überfüllte Wasser derart an, daß die letzteren nur noch mit Mühe das andere Ufer erreichen konnten. Die Pferde vermochten nicht mehr den Boden des Flusses zu berühren. Sieben Tage lang währte der Übergang über den Senegal.

Sulenjei sagte zu seinem Vater: "Gib mir hundert Reiter. Ich will mit Samba Galadjie kämpfen." Konko Bo Mussa gab ihm diese Reiterschar. Sulenjei ritt Samba Galadjie entgegen. Sulenjei rief: "Diawal (Guten Tag). Rüste dich." Sulenjei schoß. Samba Galadjie schoß. Sulenjei fiel tot vom Pferde. Die Reitervölker Konko Bo Mussas stürmten heran, um die Leiche zu retten, denn Konko Bo Mussa wollte seinen Sohn begraben. Die Reitervölker Samba Mussas verteidigten den Toten, denn Samba Galadjie wollte den Leichnam behalten. Es wurde bitter gekämpft. Das war der Tag, an dem die Kugeln in der Luft gegeneinander prallten, an dem sich Himmel und Erde berührten, an dem der Boden schwarz ward vom Pulverbrand, an dem Blut in Flüssen strömte. Das war der Tag, an dem Konko Bo Mussa das Land Toro an Samba Galadjie zurückgeben mußte.


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