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Kapitel 

SPIELMANNS GESCHICHTEN DER SAHEL

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1921

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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MIT EINER KARTE DER SAHARA UND

EINER BILDERTAFEL / TITEL- UND

EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

16. Kombe Alhassu*

In uralter Zeit gab es in ganz Massina nur eine einzige Ortschaft 1 und das war Konza. Dia, das einige für älter halten, ist in Wahrheit um zwölf Jahre jünger als Konza. Das kann man auch daran erkennen: Als die Djeddo (Soroko) Dia erbauen wollten, rollte die Erde immer wieder auseinander und wollte nicht halten. Zuletzt blieb nichts anderes übrig, als ein wenig Erde aus Konza zu holen. Die Einwohner gaben sie. Das Erdreich aus der Ortschaft Konza gab Dia seinen Halt.

Eines Tages verließ ein Fulbe namens Kombe Alhassu seine Heimat und ging auf die Wanderschaft. Er wollte sich die Welt ansehen und die Welt kennen lernen. Als er ein Stück weit gekommen war, traf er einen Mann. Er entbot ihm seinen Gruß. Der andere erwiderte den Gruß. Der andere sagte: "Ich bin Mamuru." Kombe Alhassu fragte: "Woher kommst du?" Mamuru sagte: "Ich komme aus Missira (bei Mekka). Wer bist du?" Der andere sagte: "Ich bin Kombe Alhassu." Mamuru sagte: "Was willst du?" Kombe sagte: "Ich will mir die Welt ansehen. Dann will ich Lam (König) werden." Mamuru sagte: "Ich gehe auch umher und suche." Kombe sagte: "Was suchst du?" Mamuru sagte: "Ich will reich werden." Kombe Alhassu sagte: "Das ist gut, dann können wir gemeinsam wandern." Mamuru sagte: "Damit bin ich zufrieden." So reisten die beiden gemeinsam weiter.

Als sie ein Stück weit gegangen waren; trafen sie einen Mann, der entbot ihnen seinen Gruß. Sie erwiderten den Gruß und fragten: "Wer bist du?" Der Dritte sagte: "Ich bin Mana." Kombe fragte: "Was willst du?" Mana sagte: "Ich trachte danach, möglichst viel zu erlernen und zu sehen. Ich möchte alles kennen lernen. Ich möchte ein Kallang (ein Gelehrter) werden." Die anderen beiden sagten: "Es ist gut. Wir reisen auch umher, um die Welt kennen zu lernen. So komm mit uns." Mana sagte: "Das ist mir gerade recht." So reisten denn die drei, die die Welt kennen lernen wollten, gemeinsam den gleichen Weg zusammen weiter.

Nach einiger Zeit kamen sie an einem sehr großen Teufel vorbei, der hatte ganz rote Augen. Der Teufel sagte: "Ach, ihr drei da, sagt mir doch einmal, wo geht ihr hin und was habt ihr vor?" Kombe Alhassu sagte: "Ich ziehe in die Welt. Ich will mir die Welt



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ansehen und zuletzt will ich ein Lam (König) werden." Der Teufel fragte den zweiten: "Und du?" Mamuru sagte: "Ich komme von Missira, ziehe umher, um mir die Welt anzusehen, und zuletzt will ich ordentliche Reichtümer erwerben." Der Teufel fragte den dritten: "Und du?" Mana sagte: "Ich ziehe umher, um zu sehen und zu lernen, und ich will zuletzt dadurch ein Kallang werden."

Der große Teufel mit den roten Augen sagte: "Bleibt nur hier. Ich werde euch gut unterbringen. Zuletzt habe ich auch so meine Wünsche. Ihr müßt nämlich wissen, daß ich im allgemeinen mich nur von Menschen nähre. Und seit drei Tagen habe ich nicht gegessen. Ich habe also auch meine Wünsche. Ich möchte nun wieder einmal Menschen essen." Damit nahm der große Teufel mit den roten Augen die drei Wanderer und sperrte sie in ein großes Haus ein, das war aus Steinen gebildet und sein Eingang war von ihm auch mit Steinen geschlossen. So saßen die drei denn gut verwahrt.

Als es Mitternacht war, kam der große Teufel mit den roten Augen an die Tür des Steinhauses und rief: "Ich will nun einmal einen von euch essen. Nun soll einmal einer von euch herauskommen." Die drei stritten sich untereinander, wer zuerst gegessen werden sollte. Der große Teufel mit den roten Augen sagte: "Macht einmal schnell. Ich habe nämlich Hunger." Darauf sagte Kombe Alhassu: "Wir wollen losen." (Das Losen wird in diesen Ländern dadurch bewerkstelligt, daß eine Reihe von Hölzchen hingelegt und eines mit geschlossenen Augen abgedreht wird. Wenn er das Hölzchen mit seiner Markung aufnimmt, fällt das Schicksal auf ihn. Name des Losens: Fulfulde=uruani, Soroko=schuolimbogi Malinke kallatege, Bammana =kalla firri.) Die drei Wanderer in dem Steinhause losten. Die Wahl fiel auf Mamuru, der aus Missira gekommen war. Er wurde von den Genossen herausgeschoben. Der große Teufel mit den roten Augen ergriff ihn, bereitete ihn und fraß ihn auf.

Ein Tag verging. Als es wiederum Mitternacht war, kam der große Teufel mit den roten Augen wieder an das Steinhaus und rief laut durch die Tür: "Ich will nun wieder einen von euch essen. Nun soll einmal einer von euch herauskommen." Die beiden, die noch in dem Steinbau waren, Kombe Alhassu und Mana, zogen wieder das Los. Es fiel auf Mana. Mana mußte das Haus verlassen. Der große Teufel mit den roten Augen ergriff ihn, bereitete ihn und fraß ihn auf.



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Kombe Alhassu aber legte die Speere der beiden geflossenen Genossen zu den seinen. Er wartete. Ein Tag verging. Als es wiederum Mitternacht war, kam der Teufel mit den roten Augen wieder an das Steinhaus und rief durch die Türe: "Ich will jetzt den letzten von euch dreien essen. Komm heraus." Kombe Alhassu ergriff seine drei Speere und kam an den Eingang des Steinhauses. Der große Teufel mit den roten Augen rief: "Wer ist denn nun noch da?" Kombe Alhassu sagte: "Ich." Der große Teufel mit den roten Augen fragte: "Von welchem Volke (=Ngonda) bist du?" Kombe sagte: "Wenn du etwas von mir wissen willst, so komm auch ZU mir herein." Der große Teufel mit den roten Augen sagte: "Was, du weißt nicht einmal, von welchem Volke du bist?"

Der große Teufel mit den roten Augen trat in das Haus aus Steinen. Da ergriff Kombe Alhassu seine erste Lanze und warf sie ihm in das Auge. Dann ergriff er die zweite und warf sie ihm in den Unterleib. Dann ergriff er die dritte und warf sie ihm in den Oberkörper, so daß sie ihm das Herz durchbohrte. Dann war der große Teufel mit den roten Augen tot und Kombe Alhassu machte sich auf den Weg, seine Straße fortzusetzen.

Als Kombe Alhassu ein Stück weit gegangen war, traf er auf ein riesenhaftes Weib. Er entbot ihr seinen Gruß, und sie erwiderte ihn. Die riesenhafte Frau fragte ihn: "Was machst du?" Kombe Alhassu sagte: "Ich wandere und sehe mir die Welt an." Die riesenhafte Frau fragte ihn: "Was willst du denn zuletzt?" Kombe Alhassu sagte: "Ich möchte gern König werden." Das riesenhafte Weib sagte; "Bleibe nicht den Tag über hier. Denn hier ist es doch sehr gefährlich." Kombe Alhassu sagte: "Ich werde dann gerade hierbleiben, denn ich ziehe doch umher, um etwas zu sehen."

Die riesenhafte Frau hatte drei Söhne, das waren Riesen (Fulfulde = lal, Soroko = korra oder kurra, Malinke =kumang). Von denen tötete jeder jeden Tag drei Elefanten und brachte sie sich zum essen mit nach Hause. Als es nun Mittag war, kamen diese drei Söhne heim. Jeder hatte seine drei getöteten Elefanten. Jeder trug je einen auf jeder Schulter und den dritten auf dem Kopfe. Das riesenhafte Weib, ihre Mutter, sagte: "Heute ist ein Neuer bei uns angekommen. Man muß darauf achten, daß man ihn nicht aus Versehen zertritt." Da bückte sich jeder von den dreien, hob Kombe Alhassu in die Höhe, ließ ihn auf seinem Handteller tehen und betrachtete ihn und seine Waffen sehr genau. Dann



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stellte er ihn, sich niederbückend, mit großer Vorsicht wieder auf die Erde. Da bekam Kombe Alhassu Angst, und er sagte zu dem riesenhaften Weibe: "Ich will doch lieber gehen." Die Frau aber sagte: "Nun ist es zu spät geworden. Nun iß nur erst mit uns zu Abend."

Darauf trugen die jungen drei Riesen einen mächtigen Topf herbei. Sie schnitten ihre Elefanten in einige Stücke und warfen diese hinein. Sie zündeten Feuer darunter an und begannen zu kochen. Als sie ihre Speise gar hatten, ergriffen sie riesige Balken und begannen ordentlich zu löffeln. Sie sagten: "Der Mensch hier muß aber auch etwas zu essen haben." Und sie setzten Kombe Alhassu auf die Kante des riesigen Topfes. Aber aus Versehen fiel Kombe Alhassu in die Brühe des riesigen Topfes hinein, und als einer der Lal nun wieder hineingriff, einen Bissen zu erhaschen, da kam er ihm in die Hände. Die Hand schob ihn aber sogleich in den Mund. Als die Lal fertig mit essen waren, sahen sie sich nach dem kleinen Menschen um. Die Mutter sagte: "Wo ist er?" Einer sagte: "Ich habe ihn vorhin noch auf dem Topfrand sitzen sehen." Sie sahen in alle Ecken. Sie konnten ihn aber nicht finden. Einer sagte: "Eben fühle ich etwas in meinen Zähnen. Das muß eine Elefantensehne sein." Er zog es heraus. Da sahen sie, daß es Kombe Alhassu war, der aus Versehen mit in den Mund des Lal geraten war. Das riesenhafte Weib sagte zu Kombe: "Siehst du? Habe ich dir nicht gesagt, daß es hier gefährlich für euer einen ist?"

Dann sagte die riesenhafte Mutter der drei Lal: "Nun komm aber. Leg dich auf meine Matte, schlaf dich aus. So kann dir nichts weiter geschehen, und morgen kannst du dann weitergehen." Die riesenhafte Frau legte eine Matte hin und nahm Kombe Alhassu zu sich. Als es Nacht war, wollte Kombe Alhassu fliehen. Er tappte in der Dunkelheit umher und kam endlich in eine große Höhle. In der Höhle versteckte er sich.

Diese Höhle war aber nichts anderes als die riesenhafte Vagina des Riesenweibes. Gegen Morgen kam das Riesenweib das Bedürfnis an, zu urinieren. Sie stand auf und pißte. Mit dem Strome aber, der dem enormen Ausgang entfloß, wurde auch Kombe Alhassu fortgeschwemmt. Ja, dieser Strom war so gewaltig, daß er nur mühsam schwimmend sich vor dem Ertrinken retten konnte. Der Strom des Riesenurines führte ihn weit, weit fort.

Am Morgen fragte die Mutter: "Wo ist denn nur unser kleiner Mensch ?" Alle suchten ihn und konnten ihn nicht finden. Darauf



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sagte die riesenhafte Mutter: "Es ist nicht ausgeschlossen, daß ich den kleinen Kerl in dieser Nacht selbst fortgespült habe. Denn ich mußte pissen, und in dem Urin kann er mit fortgeschwommep sein. — — —

Kombe Alhassu machte sich aber rüstig auf den Weg, sobald er dem Strome des Riesenurines entronnen war. Er kam an einen riesigen Baum, und da derselbe an seinem Fuße eine mächtige Höhle hatte, so verbarg er sich darin, um sicher zu schlafen. Auf dem Baume saß ein riesenhafter Duta, d. i. ein Geier. Nach einiger Zeit kam ein riesenhafter Elefant. Der sagte zu dem riesenhaften Geier: "Guten Tag, mein Uralter. Heute ist Diama-Nara (Sonnenwendtag, Jahreswechsel). Da wünsche ich dir Glück (d. h. im Fulfulde: kebere waka oder waga). Du bist älter als alle Lebenden. Deshalb weißt du auch mehr als alle anderen, und deshalb bitte ich dich, mir heute etwas zu erzählen."

Der uralte, riesenhafte Geier sagte: "Es ist wahr, heute ist Diama-Nara, und ich wünsche dir auch viel Glück. Es ist allerhand zu erzählen. So will ich dir denn gern das eine oder andere berichten. Wenn man z. B. von den Blättern dieses Baumes nimmt und sie trocknet, stößt und als Medikament verwendet, so nützt das gegen die und die Krankheit. Wenn man von der Rinde jenes Baumes nimmt, so nutzt das gegen jenes Leiden. Heute ist aber ein großer Tag, und da will ich dir auch etwas ganz Besonderes berichten.

Es gibt in Massina ganz dicht bei Dia ein Dorf, das heißt Maitaki. In Maitaki ist eine Senkung (die Sache mit der Senkung ist unklar, es kann geradesogut eine Erdgrube sein). Wenn man auf dem Boden derselben scharrt, so kommt ein großer Topf zum Vorschein. Dieser Topf ist bis oben hin angefüllt mit purem Golde. Man kann den Topf emporheben, dann strömt aber sogleich ein Fluß von der Stelle durch das Land."

Der uralte Geier erzählte das. Alhassu hörte es. Er machte sich auf den Weg und kam nach langer Wanderung am Morgen noch nach Maitaki. Er hob den Goldtopf. Der Fluß strömte.

Es gibt noch heute einige Familien, die heißen Urugere (oder urugire). Das sind So, Fulbe. Denen gehört eigentlich Massina, dessen Hauptstadt Konza war. Kombe Alhassu war der erste Fulbe in Massina. Man nennt ihn auch So Sobe Uru Giri. Sein Nach.. komme war Samba Omar, dessen Name man mit Ehrfurcht nennt, wenn man Fische aus dem Flusse Kombe Alhassus ißt.


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