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Kapitel 

SPIELMANNS GESCHICHTEN DER SAHEL

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1921

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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MIT EINER KARTE DER SAHARA UND

EINER BILDERTAFEL / TITEL- UND

EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

14. Die Bailulegende*

Im Dorfe Sai zwischen Konkonkurru und Djenne lebte der Fulbeschmied Jan Bailu. Es war das ein mächtiger Recke. Er zerstörte die Moschee, trieb die Mohammedaner fort und setzte den Naina ein. Er hatte die Angewohnheit, alle Tage allein nach Tonge zu reiten. Dort trank er dann Besu. Nie nahm er einen Begleiter mit, legte den Weg vielmehr immer allein zurück. Als Toru hatte er auf jeder Schulter und auf dem Kopfe je einen Schädel des Kummareba, das ist der Komma der Mande (der Kronenkranich). Das machte ihn so stark, daß er hundert Reiter zu besiegen vermochte.

Eines Tages trank er wieder in Tonge bis Sonnenuntergang. Dann ging er heim. Unterwegs kehrte er in einem Dorfe ein, in dem war die Frau eines Bailu, der gerade abwesend war. Jan Bailu sagte zu ihr: "Komm mit mir, ich bin stark." Die Frau zögerte. Jan Bailu redete ihr gut zu. Zuletzt ging sie mit ihm fort und blieb dann bei ihm. — Diese Gegend gehörte damals zum Lande Saro. Der Saro-Massa (König von Saro) hörte davon. Er sandte einen Boten an Jan Bailu und ließ ihm sagen: "Gib mir die Frau wieder, sie gehört einem meiner Schmiede. Des weiteren darfst du dich nicht mehr im Dorfe Tonge aufhalten und dort zechen." Jan Bailu hörte die Botschaft an. Dann sagte er: "Daß ich nach Tonge gehe und dort zeche, das kann mir nur Gott verbieten. Im übrigen behalte ich die Frau."

Jan Bailu hatte einen Dimadio (Ackerbauangehörigen), der hieß Kelebe-jongfe (d. h. "Wer ist der Herr der Streitmacht?"). Wenn Jan rief: "Kelebe-jongfe!" so antwortete der Dimadio: "Du bist der Herr der Streitmacht, mein Herr." — Nun sagte Jan Bailu zu Kelebe-jongfe: "Rüste mein Pferd! Ich will nach Tonge reiten!" Der Dimadio tat es. Jan Bailu machte sich auf den Weg. Er kam nach Tonge. Saro-Massa hörte das. Er fragte den Dorfhäuptling von Tonge: "Ist das da Jari Bailu ?" Der Dorf häuptling sagte: ,ja,



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das ist er." Saro-Massa sagte: "Wer gab ihm die Erlaubnis, nach Tonge zu kommen, um Besu zu trinken?" Der Dorfhäuptling sagte: "Ich kann es ihm nicht verbieten."

Saro-Massa hatte sehr große Städte. Er suchte allenthalben in seinem Lande nach einem Manne, der den Mut hatte, Jan Bailu das Trinken zu verbieten. Saro-Massa konnte aber nirgends einen Mann finden. Niemand wagte es. Ein Mann, der häufig mit Jan Bailu zechte, sagte zu dem Schmiede: "Du, der König hat den Busch schon mit Pferden gefüllt." Jan fragte (höhnend): "Und es sind Reiter auf den Pferden?" Der Freund sagte: "Ja." Jan Bailu sagte: "Das ist nicht schwierig." — Ein Mann hatte zum Saro-Massa gesagt: "Es ist nicht so schwer, den Jan Bailu zu überwältigen. Jedesmal, wenn er in dem Dorfe Tonge gezecht hat, geht er allein und ohne jede Begleitung nach Hause." Saro-Massa sagte: "Es ist gut."

Als Jan Bailu wieder genug getrunken hatte, ließ er den Hörigen das Pferd rüsten und ritt auf dem Wege nach Hause fort. Inzwischen war der Weg schon von Reitern besetzt. Als Jan nahe zu den feindlichen Reitern kam, begannen alle drei Köpfe des Kronenkranich, die Jan auf Kopf und Schultern trug, zu schreien. Da bekamen alle Reiter, die den Jan Bailu überfallen sollten, einen großen Schreck. Sie wandten sich sogleich zur Flucht und jagten fort, bis sie zum Saro-Massa kamen. Jan setzte hinter ihnen her. Die Saroleute sahen von weitem, wie der eine Jan Bailu alle die Reiter vor sich hertrieb. Da schrien sie: "Hooooh!" (d. i. das Kriegsgeheul). Die Reiter hörten es, schämten sich und wandten sich gegen Jan Bailu.

Doch sie konnten Jan keinen Widerstand leisten. Jan schlug sie. Sie flohen in die Stadt. Es war aber unter ihnen ein Schmied mit Namen Gara-ntigi-mbilla (d. h. der rote Häuptling der Gara). Der sagte: "Ich fliehe nicht. Ich bin auch ein Mann, der seine Toru hat." Er blieb stehen. Er stand. Er warf zwei Lanzen auf Jan. Die Lanzen zersplitterten. Jan Bailu warf eine Lanze auf Gara-ntigimbilla. Die traf Gara-ntigi-mbilla an den Kopf. Da floh auch der in die Stadt, und als er darin angekommen war, starb er. Darauf sammelten die jungen Mädchen für 200000 Frank Muschelgeld und sandten dieses an Jan Bailu, damit er sein Besu trinken könne. Jan Bailu trank und trank. Jedes Jahr sandten die jungen Mädchen die Abgabe, bis er starb.

Es war der stärkste aller Bailu, die je lebten.


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