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Kapitel 

SPIELMANNS GESCHICHTEN DER SAHEL

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1921

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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MIT EINER KARTE DER SAHARA UND

EINER BILDERTAFEL / TITEL- UND

EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

12. Maliki Egudusega*

Einmal war ein großer und gewaltiger Naba (Fürst oder König der Mossi) in Uahiguja. Dieser Naba hatte tausend Geier. Eines Tages sandte er eine Botschaft an die Sidibe in Seno, die lautete: "Meine tausend Geier haben lange nicht gegessen. Meine tausend Geier essen nur Fulbe. Meine tausend Geier haben großen Hunger. Sendet mir also sogleich hundertzwanzig Fulbe als Nahrung für meine tausend Geier." Der Fürst der Sidibe in Seno, Maliki Egudusega, sagte: "Das ist zuviel. Ich will ihm fünfzig senden." Die Botschaft sandte er zurück. Darauf erhielt er die Nachricht aus Uahiguja: "Nein, mit den fünfzig bin ich nicht einverstanden. Ich muß alle hundertzwanzig Fulbe haben. Wenn sie die nicht bekommen, essen sich die Geier selbst." Auch diese Nachricht erhielt Maliki Egudusega.



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Nun war in dem Lande der Sidibe eine Fulbefrau, die war tief erschrocken darüber, daß Maliki Egudusega nicht sogleich zu den Waffen griff. Diese Frau hieß Diko Dierra Ali Sie sagte: "Wenn Maliki Egudusega etwa Furcht hat, so mag er solange in Frauenkleidern umhergehen und hierbleiben. Ich will dann aber Männerkleider anziehen und dem Naba der Mossi den Krieg ins Land tragen." Nun überlegte sie, wie sie Maliki Egudusega dazu bewegen könne, den Naba der Mossi mit Krieg zu überziehen.

Sie stellte hundertzwanzig Krüge mit Besu her. Sie rief hundertzwanzig Sklaven, ließ diese die hundertzwanzig Krüge mit Honigwein aufnehmen und begab sich an der Spitze des Zuges an den Königshof. Der König saß just in der besten Laune mit den Genossen bei der Zecherei, als Diko Dierra Ali ankam. Als Maliki Egudusega den Zug sah, fragte er die Frau: "Was bringst du da?" Die Frau sagte: "Honigwein." Maliki Egudusega sagte: "Was, hundertzwanzig Krüge Besu? Willst du ihn verkaufen ?" Die Frau sagte: "Ja." Maliki Egudusega fragte: "Bist du zufrieden, wenn ich dir fünfzig Gefangene dafür gebe?" Die Frau sagte: "Nein." Maliki Egudusega sagte: "Was willst du denn dafür haben?" Da antwortete Diko Dierra Ali: "Ich will nichts anderes dafür haben, als einen Naba der Mossi." Maliki Egudusega sagte: "Es gibt den Naba Sigiri, den Naba Uagadugu, den Naba Uahiguja, den Naba Kudji. Welchen willst du haben?" Die Frau sagte: "Ich will den haben, der die Fulbe beleidigt hat, den Naba Uahiguja." Maliki Egudusega sagte: "Gut - du wirst ihn erhalten."

Nach einiger Zeit sandte der Naba von Uahiguja an den König der Sidibe die Nachricht: "Meine tausend Geier haben Hunger - wirst du bald senden?" Maliki Egudusega ließ zurückbestellen: "Gedulde dich noch ein klein wenig, denn wir sind gerade noch beim Zählen beschäftigt." Der König rüstete sein Heer. Er hatte achttausend Reiter beisammen. Er sagte zu der Diko Dierra Ali: "Komm mit und sieh, wie wir den Krieg führen." Die Frau bestieg ein Pferd und kam mit.

Als der Naba von Uahiguja hörte, was der kleine König der Sidibe vorhabe zu wagen, rüstete er auch seine Leute und kam den Fulbe entgegen. Er hatte eine Million Reiter bei sich. Auf halbem Wege trafen sie sich an einem Wasser. Damals gab es bei den Mossi eine sehr merkwürdige Sitte. Wenn ein Naba sein Heer begleitete und es zum Gefechte kam, dann wurde er auf einen schwarzen Esel gesetzt, und die Füße wurden ihm unter dem Eseisbauche mit Eisenringen



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zusammengeschlossen, so daß er genau so gefesselt war wie ein Sklave. — Die beiden Heere kamen zum Gefecht. Die Fulbe drangen siegreich vor. Da wurde Maliki Egudusegas Pferd totgestochen. Er saß am Boden. Nun drangen die Mossi siegreich vor, und die Fulbe mußten weichen. Ein Mabo fing aber ein anderes Pferd ein und brachte es dem Fürsten der Sidibe. Er schwang sich hinauf, griff aus, und sogleich mußten die Mossi vor den siegreich vorrückenden Fulbe zurückgehen. Da wurde Maliki Egudusegas Pferd wieder zu Boden gestochen, und es kam genau wie vordem.

Dreimal brachte der Mabo dem Herrn ein neues Pferd. Als er das viertemal angreifen wollte, rief er alle seine Leute zusammen: "Ihr Fulbe! Wenn ihr jetzt nicht endgültig siegt, steche ich euch selbst alle Pferde nieder, schneide erst euch und dann mir selbst den Hals durch."

Dann griff er mit seinen Leuten an. Darauf wurden die Mossi von den Sidibe endgültig in die Flucht geschlagen. Der Naba aber ward gefangen genommen.

Maliki Egudusega rückte bis Uahiguja vor. Dort überreichte er Diko Dierra Ali den Naba. Diko Dierra Ali sagte zu dem Naba: "Ich will dich nicht töten, denn du bist genug bestraft. Aber wage es nie wieder, solche Worte den Fulbe zu sagen. Verkehrt vielmehr in Freundschaft und Frieden mit ihnen." Sie ließ ihn frei.

Seitdem sind die Mossi und die Fulbe gute Freunde.


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