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Kapitel 

SPIELMANNS GESCHICHTEN DER SAHEL

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1921

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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MIT EINER KARTE DER SAHARA UND

EINER BILDERTAFEL / TITEL- UND

EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

7. Bongoe oder Bongowe

Fast alle Fulbe waren schon zum Mohammedanismus bekehrt. Sie verrichteten die vorgeschriebenen Gebete und hatten das Trinken aufgegeben. Nur der kleine König Bongoe war immer noch geblieben, was vordem die Alten waren. Er hatte sich nicht bekehren lassen. Das hörte der Schechu Ahmadu, und er sandte eine Botschaft an Bongoe und ließ ihm sagen: "Laß das Trinken sein. Nimm die Lehre Mohammeds an und verrichte die vorgeschriebenen Gebete." Bongoe empfing diese Nachricht und ließ sagen: "Ich werde das Trinken nicht unterlassen. Ich werde die Lehre Mohammeds nicht annehmen. Ich werde die vorgeschriebenen Gebete nicht verrichten. Ich werde tun, was mir paßt, und solange ich mit meinen Sachen in meinem Dorfe Dumma (nahe Badiangara) bleibe, geht das niemand etwas an; somit auch nicht den Schechu Ahmadu."

Über diese Antwort wurde der Schechu Ahmadu sehr böse, und er ließ zurücksagen: "Wenn du das Trinken nicht sehr bald läßt und dich nicht sehr bald zur Lehre Mohammeds bekehrst, dann werde ich dein Uarraba (so nennen die Fulbe die kleinen Häuschen, die den Toru oder Zaubermitteln zum Aufenthalt dienen) zerstören und an anderer Stelle eine Moschee errichten." Darauf entgegnete Bongoe: "Solange ich lebe, wird das nicht möglich sein. Wenn ich erst tot bin, dann kann das ja vielleicht geschehen." Bongoes Spielmann (Skalde) war der Diawando (aus Kaarta, wo die Diawando Skalden sind) Forefdiiru, d. h. der Schakalskopf. Zu diesem Diawando sandte Schechu Ahmadu auch eine Botschaft und ließ ihm sagen: "Wenn dein Herr Bongoe so verstockt ist, so wende du dich wenigstens von diesen bösen Sitten ab, laß das Trinken, bekehre dich zur Lehre Mohammeds und verrichte die vorgeschriebenen Gebete." Der Diawando ließ antworten: "Ich glaube nur an das, was ich erfahren habe und was ich sehe. Euren Allah sehe ich nicht. Aber meinen Herrn Bongoe kenne ich. Der ist tapfer und freigibig. Dem werde ich treu bleiben." Schechu Ahmadu ließ sagen: "Gut, so werde ich euch mit Krieg überziehen."



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Bongoe hatte außer seinem Diawando Forefciiiru nur sieber Reiter. Die nannte er Djedidi.

Noch heute nennt man eine Schar von sieben Reitern Djedidi. Mehr hatte er nicht. Nach einiger Zeit sandte Schechu Ahmadu achthundert Reiter, um Bongoe mit seinem Diawando zu töten oder zu fangen. Sie kamen in der Nähe Dummas an, gerade als Bongoe schlief. Die Leute kamen vom Felde, weckten ihn und sagten zu ihm: "Es kommt eine Kriegsmacht." Bongoe stand nicht auf. Er rief seinen Diawando und sagte: "Rüste dich und die Djedidi. Seht einmal nach, was es mit dem auf sich hat, was die Leute reden." Dann drehte Bongoe sich herum und schlief weiter.

Inzwischen ritt der Diawando Forefciiiru mit den Djedidi den achthundert Leuten Schechu Ahmadus entgegen. Bala sah er sie. Er fragte die Djedidi: "Wollen wir wegen dieser Handvoll Leute Bongoe wecken?" Die Djedidi sagten: "Nein." Darauf ritten Diawando und die sieben Reiter auf den Feind zu, und sie schlugen die achthundert Mann. — Als Bongoe erwachte und den Diawando zurückkommen sah, fragte er: "Wo kommst du her?" Der Diawando sagte: "Ich habe mich nur danach umgesehen, ob die Truppen des Schechu Ahmadu kommen." Bongoe fragte: "Kommen sie?" Der Diawando sagte: "Nun ja, es waren so ein paar Leute da. Es lohnte sich aber gar nicht die Mühe. Ich habe sie mit den Djedidi schon fortgebracht."

Schechu Ahmadu war sehr erzürnt über die Niederlage seiner Leute. Er sandte darauf eine Macht von eintausendfünfhundert Reitern, die Bongoe fangen oder töten sollten. Als diese Krieger bei Dumma ankamen, schlief Bongoe gerade. Deshalb ritt der Diawando mit den Djedidi ihnen entgegen und schlug sie. Als Bongoe erwachte, sagte er: "Es waren wieder einige Leute von diesem Schechu Ahmadu da. Da sie aber ungeduldig waren und nicht lange warten wollten, half ich ihnen bei der Umkehr."

Als Schechu Ahmadu hörte, daß seine zweite Kriegsmacht wiederum geschlagen war, sandte er ein Herr von nicht weniger als zweitausendfünfhundert Reitern. Denen befahl er, Bongoe lebend oder tot herbeizubringen. Die Reiter machten sich sogleich auf den Weg. Sie kamen bis in die Gegend von Dumma, da trafen sie auf den Diawando Forefdiiru und die sieben Djedidi; die waren ein wenig ausgeritten, weil Bongoe gerade schlief. So gerieten die zweitausendfünfhundert Reiter Schechu Ahmadus mit dem Diawando und seinen sieben Leuten aneinander, und nach einigen



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Kämpfen mußten jene fliehen. Nachher sagte der Diawando ZU Bongoe: "Heute sprachen einige Leute Schechu Ahmadus hier vor. Es scheint, daß Schechu Ahmadu nun nächstens wirklich eine Kriegsmacht nach hier senden will."

Als Schechu Ahmadu hörte, daß auch seine dritte Kolonne vor diesem Bongoe nicht hatte bestehen können, da war er über alle Maßen zornig und rief: "Was, diesen Kaffir (Ungläubige), diesen Floh, diesen Säufer, — was, diesen Menschen soll ich nicht überwinden können? Das möchte ich doch sehen!" Und Schechu Ahmadu ließ einen großen heiligen Krieg ansagen und ließ verkünden, alle waffenfähigen Leute sollten kommen und sollten unter seiner Fahne gegen einen Mann kämpfen, der der Teufel selbst zu sein schiene. Er sammelte ein Heer von zwanzigtausend Fußsoldaten und sechstausend Reitern. Er sagte: "Zieht gegen Dumma und deckt das Dörflein ganz ein, fallt darüber her wie die Heuschrecken über die jungen Felder."

Bongoe hatte eine Frau. Die spann gerade, als sie die Nachricht von dem Herannahen der zwanzigtausend Fußsoldaten und sechstausend Reiter erhielt. Da zog sie das Spinnstäbchen aus dem Wirtel und löste den Faden ab. Sie gab das Stäbchen einem Boten, ließ es ihrem Manne Bongoe bringen und sagen: "Wenn mein Mann Bongoe etwa Angst hat, so soll er dies Spinnstäbchen nehmen. Mir soll er dann dafür eine Lanze senden." Dadurch wurde Bongoe gereizt.

Bongoe rüstete sich. Der Diawando Forefdiiru rüstete sich. Die Djedidi rüsteten sich. Sie ritten den sechstausend Reitern und zwanzigtausend Fußsoldaten Schechu Ahmadus entgegen. Bongoe nahm die rechte Seite. Der Diawando nahm die linke Seite. Die sieben Ritter kämpften gegen die Mitte. Der Kampf begann mit Sonnenaufgang. Der Kampf hörte auf mit Sonnenuntergang. Dann waren die Leute des Schechu Ahmadu geschlagen und flohen heimwärts.

Während sieben Jahre führte Schechu Ahmadu so gegen den Heiden Bongoe Krieg. Aber er vermochte ihm nichts anzuhaben. Bongoe blieb unabhängig, trank, nahm nicht die Lehre Mohammeds an und verrichtete nicht die vorgeschriebenen Gebete. Bis heute ist seine Familie heidnisch geblieben. Die Nachkommen trinken und sind so ihres Lebens froh. Noch heute leben sie im Dorfe Dumma nahe Badiangara (nach Bankassi hin). Ihr Diamu ist Diagadiatte.


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