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Kapitel 

SPIELMANNS GESCHICHTEN DER SAHEL

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1921

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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MIT EINER KARTE DER SAHARA UND

EINER BILDERTAFEL / TITEL- UND

EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

6. Hamadi Fing und Bassala-n' Sa

Eines Tages spielten Buge Korroba, Buge Ntienni und Sagate Sungallu (oder Singo) auf dem Marktplatze von Kalla "Paddi". (Löcher sind im Boden gemacht. Jeder wirft hinein und erzählt etwas von seinen Taten zum Spiele. Sonst ist es dem bekannten Brett-Mangalla-Spiele ähnlich.) Buge Korroba sagte, was er da und da getan habe. Buge Ntienni sagte, was er da und da getan habe. Sagate Sungallu sagte, was er da und da getan habe. Es war aber in



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Kalla ein Mann namens Hamadi Fing, der war von Kind auf feige gewesen und hatte nie etwas Kriegerisches mit den anderen unternommen.

Hamadi Fing lehnte an einem Pfeiler der Galla (Plattform auf Holzsäulen, die auf dem Marktplatz oder vor den Toren bei Tänzen und Spielen die Bühne der Zuschauer bildet), unter der die Recken Paddi spielten. Er sah ihnen zu. Buge Korroba, Buge Ntienni (Buge der Kleine) und Sagate Sungallu sahen auf, gewahrten alle drei Hamadi Fing und alle drei schrien ihn an: "Was hast du je getan? Wann bist du je im Kriege gewesen? Nie werden wir von dir und deinen Sprossen im Pui hören. Also mach, daß du aus unseren Mauern kommst. Du kümmerst uns nicht mehr. Du bist nur eine Schande für Kalla. Zieh von dannen!" Hamadi Fing sagte: "Was wollt ihr? Ich bin ein redlicher Mann, ich habe nicht gestohlen, ich habe euren Frauen nichts Schlechtes getan, bin euren Weibern nicht nachgelaufen und habe euer Besitztum nicht angesehen!" Die drei Helden aber sagten: "Du bist eine Schande, mach, daß du von dannen kommst. Du bist für Kalla eine Schande. Flieh aus unserem Kreise!" Hamadi Fing sagte: "So erlaubt mir, daß ich meine Frau Essen bereiten lasse, was vierzehn Tage in Anspruch nehmen wird." Die Helden sagten: "Wegen der vierzehn Tage ist es uns gleichgültig; aber wir wollen dann auf alle Zeit von der Schande befreit sein, mit Gesindel deiner Art zusammen leben zu müssen."

Nach 14 Tagen hatte Hamadi Fing alles zum Aufbruch bereitet. Er nahm sein Roß und bestieg es. Sein Weib saß auf einem Packochsen. So zog er von dannen. Er kam am Platze vorbei, auf dem die Helden Paddi spielten. Er rief ihnen zu: "Ich gehe. Auf euch aber fällt diese Angelegenheit." Die Helden spotteten: "Was da fällt, wird für unsere Schultern nicht zu schwer werden, denn aus deinem Stamme kann nur Leichtes kommen." Hamadi Fing zog mit den Seinen von dannen.

Hamadi Fing zog mit seiner Frau bis nach Beledugu. Er kam nach dem Orte Bassala. Den beherrschte ein Dugutigi mit Namen Sa. Der Ort Bassala gefiel Hamadi Fing. Er kam zu Sa und sagte: "Gib mir einen Platz, damit ich mir für mich und die Meinen ein Haus baue." Sa sagte: "Von wo kommst du?" "Hamadi Fing sagte: "Ich komme aus Kalla. Aber die Leute aus Kalla haben mich verjagt." Sa sagte: "Wenn du aus Kalla kommst, ist das schon schlimm; aber wenn sogar die Kallaleute dich verjagt haben, dann mußt du ein ganz gefährlicher Räuber sein." Hamadi Fing



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sagte: "Ich bin ein anständiger Mann, der niemand etwas Schlimmes tut. Die Leute von Kalla haben mich verjagt, weil ich eben niemals in den Krieg gehe und ein Feigling bin." Da sagte der Dugutigi Sa: "Wenn es so steht, so magst du bleiben. Wir sind einfache Ackerbauern und verlangen von niemand einen kriegerischen Sinn. Lasse dich hier ruhig nieder, baue ein Haus, bestelle deinen Acker."

Hamadi Fing baute sein Haus, zuerst aus Strohplatten (Secko), dann mauerte er es aus Lehm. Ein Jahr später zog er um sein Gemeinwesen eine umfangreiche Lehmmauer. Dann kam Hamadi Fings Frau mit einem Knaben nieder. Hamadi Fing aber lud den Dugutigi zur Taufe, und der Knabe erhielt den Namen des Oberhauptes: Bassala-n' Sa.

Hamadi Fing sorgte, daß dem Knaben alles zuteil würde, was ihm etwa im Leben von Nutzen sein konnte. Er ließ aus sieben Städten sieben Marabut kommen, ließ jeden an einem besonderen Platz schlafen, so daß keiner von der Anwesenheit des anderen wußte. Jeder mußte dem Knaben besondere Weihe angedeihen lassen. Dann ließ er sieben Bammana kommen, die mit heidnischem Zauber wohl Bescheid wußten. Sie kochten jeder ein wirksames Baschi, das gegen Kugeln und jede Wunde wohl und sicher schütze. So ward dem Knaben Bassala-n' Sa alles, was nach Menschenkräften getan werden konnte.

Ferner ließ er zwei Dialli kommen, die wurden dem Knaben im Hofe als Lehrer beigegeben. Sie mußten ihm das Pui vorsingen. Der Knabe durfte den Hof zwar nicht verlassen, aber es wurde ihm ein Pferd gegeben, auf dem konnte er sich fröhlich umhertummeln. So verbrachte das Kind im Mauerkreise eine von bester Erziehung gesegnete Jugendzeit, und das währte, bis er bald erwachsen war. Aber er war noch nicht Jüngling, sondern nur ein großer Knabe.

Bassala-n' Sa war ein großer Knabe. Da fragte er eines Tages die beiden Dialli: "Wie kommt man in das Pui?" Die Diallj sagten: "Man kommt in das Pui, indem man große Taten vollführt, und zwar im Kriege; Taten, die man ganz allein ausführt, die niemand anders tut und bei denen niemand hilft. In das Pui kommen die ganz Tapferen." Bassala-n' Sa fragte: "Wo verrichtet man solche Taten?" Die Dialli sagten: "Solche Taten verrichtet man in dem Lande Kalla." Der Knabe sagte: "Ich werde mir das Land Kalla einmal ansehen. Weshalb bin ich immer in dieser Mauer? Weshalb gibt mir mein Vater Pferd und Gewehr? Weshalb läßt er



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mir durch zwei Dialli vom Pui wieder und immer wieder vorsingen? Nein, ich will nicht mehr hierbleiben. Ich will in die Welt hinausreiten und im Lande Kalla vom Pui etwas erleben! Mein Sufa soll mein Pferd satteln."

Die Dialli sagten: "Dein Vater wird nicht einverstanden sein. Dein Vater wird sehr böse werden." Der Knabe sagte: "Ich will nicht mehr in dieser Mauer leben. Ich will in das Land Kalla reisen." Die Dialli sagten: "Reize deinen Vater nicht." Bassala-n' Sa sagte: "Es ist genug! Sufa, rüste mein Pferd." Der Sufa rüstete das Pferd. Bassala-n' Sa schwang sich hinauf und nahm sein Gewehr. Er ritt aus dem Tore. Der Sufa folgte ihm. Er sprengte auf den Marktplatz von Bassala. Da saß Hamadi Fing mit den Alten des Dorfes. Er ließ vor dem Vater das Pferd hoch aufsteigen. Der Vater sah erstaunt auf. Der Knabe sagte: "Ich will nach Kalla reisen."

Hamadi Fing sagte: "Was willst du?" Der Knabe sagte: "Ich möchte nach Kalla reisen." Hamadi Fing sagte: "Was willst du in Kalla? Was treibt dich nach Kalla?" Der Knabe sagte: "Mein Vater, die Dialli haben mir alle Tage vom Pui vorgesungen. Alle Tage habe ich vom Pui gehört. Ich möchte es sehen, wie man in das Pui kommt." Hamadi Fing sagte: "Wenn du nach Kalla zurückkehrst, wirst du von mir kein Geld, keine Sklaven, nichts erhalten. Denn ich stamme aus Kalla und mich haben die Helden von Kalla, die Helden des Pui, Buge Korroba, Buge Ntienni, Sagate Sungallu, verjagt, weil ich nichts tat, um in das Pui zu kommen. Was willst du nun dort? Sie werden dich verspotten. Sie werden dich töten. Sie haben gesagt, sie wollten nichts mehr mit mir und den meinen zu tun haben. Und nun willst du zum Lande Kalla reiten, um in das Pui zu kommen?"

Bassala-n' Sa sagte: "Vater, ich will nichts von deinem Besitztum und von deinen Sklaven. Ich verlange nichts anderes als die Erfüllung einer Bitte: Gib mir meinen kleinen Sufa als Pferdejungen mit. Mehr brauche ich nicht. Mehr will ich nicht. Ich muß aber nun gerade nach Kalla, um den Helden Buge Korroba, Buge Ntienni und Sagate Sungallu guten Tag zu sagen. Laß mich reiten, mein Vater."

Hamadi Fing sagte: "Bassala-n' Sa, du bist ein törichter Knabe, aber ich will und kann dich nicht vor deinem Schicksal bewahren. Nimm deinen Sufa mit. Außerdem will ich dir hundert weiße Kola und Getreidemehl als Wegzehrung mitgeben." Hamadi Fing ließ die Nahrung bereitstellen. Er ließ alles bereiten. Hamadi Fing



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sagte nochmals: "Bassala-n' Sa, die Leute von Kalla wollen uns nicht wohl, sie werden dich töten." Bassala-n' Sa ließ sein Pferd aufbäumen. Er ritt zum Orte hinaus und nach der Richtung von Kalla von dannen.

Hamadi Fing lachte hinter ihm her.



***
Unter der Galla in Kalla saßen die drei Helden Buge Korroba, Buge Ntienni und Sagate Sungallu. Sie spielten Paddi. Buge Korroba sagte, was er da und da getan habe; Buge Ntienni sagte, was er da und da getan habe; Sagate Sungallu sagte, was er da und da getan habe. Bassala-n' Sa kam an die Galla, — er hielt vor der Galla und rief: "Buge Korroba, gib mir Wohnung bei dir. Buge Ntienni, gib mir Wohnung bei dir. Sagate Sungallu, gib mir Wohnung bei dir." Buge Korroba sah auf und sagte spöttisch: "Sonst sucht man immer nur bei einem Wohnung. Hier scheint aber einer zu sein, der keine Bescheidenheit und kein Schamgefühl hat." Der Sufa des Bassala-n' Sa sagte: "Das Schamgefühl wird wohl eher euch fehlen, sonst würdet Ihr erst genau nachsuchen, ob jemand nicht Veranlassung zu ungewöhnlichem Wunsche hat." Ein Alter aus Kalla war da, der sagte: "Ihr Männer, streitet nicht. Ihr wißt nicht, was der junge Mann ist, und er hat uns seinen Charakter noch nicht erschlossen. Es scheint mir eine besondere Bewandtnis mit ihm zu haben. Darum sage ich: streitet nicht!"

Darauf sagte Buge Korroba: "Du sollst bei mir wohnen." Es sagte Buge Ntienni: "Du sollst bei mir wohnen." Es sagte Sagate Sungallu: "Du sollst bei mir wohnen." So ward Bassala-n' Sa gut empfangen. Die Leute schlachteten einen Ochsen und bewirteten ihn gut. Niemand aber wußte, daß Bassala-n' Sa ein Sohn Hamadi Fings war.

Eines Tages spielte ein Dialli und sang vom Pui. Die Helden und Bassala-n' Sa waren dabei. Einer der Helden spottete über den großen Knaben und sagte: "Ein junger Affe (das soll heißen, ein junger Ankömmling) soll hier kein Mehl erhalten (soll nicht zuhören)." Bassala-n' Sa entgegnete: "Ich kann mir das denken. Wie aber, wenn der junge Affe größer ist als ein Elefant? Dann kann er doch wohl nehmen?" Buge Korroba sagte: "Wenn es draußen so große Affen gibt, so werden sie um so größere Ziele abgeben für die guten Jäger und Schützen, deren es in Kalla genug gibt." Ein Dialli unterbrach die Streitenden und sagte: "Laßt den Streit, singt lieber ein jeder von den Taten, die er begangen hat!"



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***
Es war ein Berze (ein Dialli aus Kaarta) im Kreise, der hieß Muke. Dieser Muke schnippste mit dem Finger an der Gitarre und sagte: "Pui! Ich singe aus dem Pui vom Morgen bis zum Abend. Ich selbst bin im Pui !" Darauf erzählte Muke:

"Ich reiste von Kaarta ab, denn mich gelüstete, die Taten der Männer von Kalla zu sehen und vom Pui zu erleben! Zwei Sklaven nahm ich mit mir. Zunächst reiste ich nach Segu und kaufte für den einen Sklaven so viele Kolanüsse ein, als der andere zu tragen vermochte. Mit dem Sklaven, der die Kolanüsse trug, kam ich hier an.

Zuerst dachten die Leute, ich sei nur als Diulla, als reisender Kaufmann, nach Kalla gekommen, und doch war ich gekommen, um den Charakter der Kallaleute zu erforschen und das Pui kennen zu lernen. Ich verkaufte meine Kolanüsse nicht. Eines Tages sagten aber die Kallaleute: ,Es gibt einen gar gefährlichen Jäger, den Fa-Mussa im Busche, den hat noch niemand überwunden. Wir wollen ausziehen, den Fa-Mussa zu überwinden. Das wird uns Ehre einbringen.' Ich sagte zu den Kallaleuten: ,Das ist recht, laßt mich mitreiten; denn ich will auch etwas Tüchtiges miterleben.' Die Kallaleute sagten: ,Ach du, du bist nur ein Diulla, was willst du dabei?' Ich aber entgegnete: ,Ich bin nur gekommen, mit euch etwas zu erleben, ich will euch von meinen Kolanüssen als Wegzehrung mitgeben, soviel ihr wollt, aber laßt mich mit euch ziehen.' Da sagten sie mir: ,So komm denn in Allahs Namen mit uns!' Ich ritt mit ihnen.

Fa-Mussa war ein großer, ganz gewaltiger Jäger und schoß mit Bogen, Pfeil und Gewehr. Im Norden bei den Mauren hatte er einen Strauß getötet und aus den schönen Straußenfedern hatte er sich einen Kopfputz gemacht. Daran erkannte ihn jeder Mann, und dieser Straußenfederkopfputz war im ganzen Lande berühmt. Fa-Mussa hatte zwei Söhne. Die waren schon tüchtig im Gebrauche von Bogen und Gewehr, wenn sie auch noch sehr junge Burschen waren. Fa-Mussa und seine Leute waren lange von aller Welt gefürchtet und kein Mensch wagte bis dahin, mit ihnen Streit anzufangen.

Eine Reihe tapferer Kallaleute brach auf, gegen diesen Unhold zu Felde zu ziehen, und ich durfte mich ihnen anschließen. Die Kallaleute sagten mir: ,Gib du uns deine Kolanüsse, wir werden dir einen der Söhne Fa-Mussas dafür als Sklaven geben.' Damit war ich einverstanden. Aber ich wußte sehr wohl von den Kallaleuten, daß, wenn andere ioo Männer gekommen wären, Fa-Mussa sie



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doch überwunden hätte. So war ich sehr begierig darauf, das Werk meiner Führer selbst sehen zu dürfen.

Wir ritten so lange, bis wir den Federschmuck Fa-Mussas durch die Bäume leuchten sahen. Meine Begleiter ritten mutig einige Schritte auf ihn zu, dann aber kehrten sie um. Die Kallaleute sagten: ,Er steht da in voller Bewaffnung, wir wollen lieber nach Kalla zurückkehren.' Darauf sagte ich ihnen: ,Ihr Männer von Kalla, wo soll der Glanz eures Namens bleiben, wenn ihr so, ohne einen Kampf aufgenommen zu haben, nach Hause zurückkehren wollt? Wegen eines Mannes und zweier unreifer Burschen dürfen Kallaleute nicht umkehren. Tut, wie ihr mir versprachet, tötet den Jäger und gebt mir einen der Knaben für meine Kolanüsse.' So sagte ich.

Darauf ritt einer der Kühnsten voran und sprengte auf den Jäger zu. Aber einer der beiden Knaben, die dahinter im Busche lagen, schoß einen Pfeil, und unser Mann brach auf seinem Pferde zusammen. Er war tot. Der Jäger aber nahm seinen Bogen, schlug mit ihm auf den Knaben, der geschossen hatte, und sagte: ,Du voreiliger Bursch! Willst du mir wohl meine Arbeit lassen?! Wie kannst du schon schießen, wenn es noch gar nicht der Sache wert ist?!' Als die Kallaleute diese Sache hörten und sahen, befiel sie noch viel mehr Angst. Ich habe ihnen aber gesagt: ,So ist es im Kriege, bald fällt auf der einen Seite einer, bald auf der anderen. Versucht es noch einmal.' So munterte ich sie nach meiner Art auf, — denn ich bin kein Diulla (Wanderkaufmann), sondern ein Spielmann (Dialli) aus Kaarta.

Noch einmal wagte es einer der Kallaleute vorzusprengen. Diesmal schoß der andere Knabe des Jägers. Der Getroffene brach auf seinem Pferde tot zusammen. Es nützte ihm nichts (wörtlich), daß der Jäger seinen Bogen nahm und auf den Burschen schlug. Der Jäger sagte: ,Höre, du vorwitziger Bursche, du bist nicht ein wenig besser als dein Bruder. Kinder, wenn ihr mir doch meine Sache überlassen wolltet.' Wiederum entstand unter den Kallaleuten große Furcht. Sie wollten heimkehren. Ich sagte ihnen aber: ,Ihr Männer aus Kalla, so dürft ihr nicht heimkehren. So greift doch die Jäger und seine Burschen alle miteinander an.' So sagte ich.

Nun machten sich alle Kallaleute auf und ritten vor. Als der Jäger das sah, sagte er zu seinen Jungen: ,So, meine Burschen, nun geht einmal beiseite, nun fängt meine Arbeit an!' Die Jungen des Jägers gingen fort. Der Jäger nahm zwei Pfeile auf einmal an die



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Sehne, und das Gewehr faßte er mit den Zehen. So stand er da. Als die Reiter aus Kalla herankamen, flogen die beiden Pfeile von der Sehne. — Der eine tötete den ersten Reiter, der zweite dessen Roß. Der Jäger hatte es nicht nötig, noch sein Gewehr abzuschießen. Alle Kallaleute flohen so schnell als möglich zu mir zurück. Sie hatten allen Mut verloren.

Ich sah es den Kallaleuten wohl an, — sie waren zornig darüber, daß ich ihre Schande mitangesehen hatte, weil ich ein Dialli bin. Ich sah es ihnen an, daß sie überlegten, ob sie mich nicht beiseite bringen könnten. Deshalb sagte ich zu den Leuten: ,Hört, ihr tapferen Männer von Kalla, zuweilen gelingt einem Schwachen das, was vielen Starken nicht möglich ist. Wollt ihr mir erlauben, gegen den Fa-Mussa vorzurücken?' Natürlich erlaubten sie es mir, denn so glaubten sie mich am sichersten loszuwerden. Sie sagten auch: ,Muke, so ist es recht, hole dir den Sklaven für deine Kolanüsse selbst.' Ich sagte ihnen: ,Gut, wir sind dann in der Ordnung. Nur müßt ihr mir auf jeden Fall einen Gefallen tun. Ihr müßt nämlich in die Hände vorher den Takt klatschen, damit ich vor Beginn des Werkes tanze.' Das taten sie. Ich tanzte. Ich tanzte lange Zeit.

Dann ging ich auf Fa-Mussa zu. Fa-Mussa zielte mit dem Pfeile. Da brach die Sehne des Bogens. Er ergriff das Gewehr und legte auf mich an, aber das Gewehr versagte. Ich aber sprang schnell herzu, packte ihn vorne an der Brust und schüttelte ihn gewaltig. Der Jäger sagte: ,Du raubst mich, denn ich bin nicht vorbereitet.' Ich antwortete: ,Nichts Schlechtes soll man von mir sagen. Geh zur Seite und bereite dich vor!' Der Jäger nahm das Gewehr eines seiner Knaben. Ich fragte ihn: ,Bist du bereit?' Darauf rief er: ,Ja!' Er wollte wieder schießen, und zum zweiten Male warf ich ihn hoch in die Luft. Dabei sagte ich ihm: "Wenn ich dich das drittemal überwinde, willst du mir dann geben, was ich will?' Fa-Mussa sagte: ,Das wird nicht geschehen; denn man kann mich unmöglich dreimal überwinden.' Er ging zur Seite. Ich fragte ihn: ,Bist du gerüstet?' Er sagte: ,Ja, ich bin gerüstet.' Dann wollte er mit dem Gewehr des anderen Knaben schießen, es versagte aber auch. Als ich ihn nun zum dritten Male hoch in der Luft hatte und ihn fragte: ,So, wie ist es denn mit dem dritten Male?' Da sagte er: ,Verlange alles von mir, verlange nur nicht, daß ich als Sklave den Kallaleuten folge.' Ich sagte: ,Nein, gib mir nur als Zeichen, daß ich dich überwunden habe, deinen Federkopfschmuck! Dich können dann die Kallaleute selber suchen.' Er gab mir den Kopfschmuck.



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Ich kam zurück, zeigte den Federschmuck hoch in der Luft und rief den Kallaleuten zu: ,Den Jäger hätten wir glücklich überwunden. Aber abholen müßt ihr ihn selbst - läßt er euch sagen.' Da jagten die Kallaleute nach Kalla zurück.

Ich aber kam so in das Pui."



***
Muke berichtete das unter der Galla von Kalla aus dem Pui. Als der Spielmann (Dialli) gesungen hatte, sagten Buge Korroba, Buge Ntienni und Sagate Sungallu: "Wir wollen diesem Dialli zeigen, daß es noch andere Recken gibt außer ihm. Auf! Wir wollen alle drei die Pferde rüsten und gegen die Jäger zu Felde ziehen!" Bassala-n' Sa sagte: "So erlaubt mir, daß ich euch begleite." Die drei Helden sagten: "Du bist noch zu unerfahren." Bassala-n' Sa sagte: "Muß nicht ein jeder damit anfangen, seine Erfahrungen zu sammeln?" Die Dialli sagten: "Das ist richtig!" Ein Alter sagte: "So könnt ihr bei der Gelegenheit seine Art, seinen Charakter und das sehen, was er uns bisher nicht gesagt hat." Die Helden meinten: "So mag er uns folgen."

Buge Korroba, Buge Ntienni, Sagate Sungallu, Bassala-n' Sa und einige Spielleute bestiegen ihre Pferde, nahmen ihre Waffen, beorderten ihre Knappen hinter sich und rückten dann gegen den Wald vor, in dem gefährliche Jäger heimisch waren. Während des Weges nun fragte Bassala-n' Sa einen Dialli: "Wie muß ich es nun anfangen, daß ich in das Pui komme ?" Der Spielmann antwortete: "Warte nur, bis wir dort angekommen sind, so wirst du schon sehen, was diese herrlichen Recken machen und wie sie in das Pui gekommen sind. Ahme ihnen dann nur nach, und du wirst alle Erfahrung machen können, die du von nöten hast."

Sie kamen an. Am Buschrande lagen vier Jäger. Jeder hatte sich hinter einem Baume versteckt und wartete mit gesenkter Waffe. Es waren vier sehr gefürchtete Jäger. Buge Korroba sprengte zuerst vor. Er galoppierte bis zur Hälfte des Raumes, der die Helden von den wilden Männern trennte, zielte dort mit dem Gewehr nach einem Jäger und kehrte zurück. Die Jäger aber rührten sich nicht. Der Dialli sagte zu Bassala-n' Sa: "Siehst du, so mußt du es nachher auch machen." Darauf rückte Buge Ntienni vor und machte es ganz ebenso. Dann sprengte Sagate Sungallu vor und kam zurück. Die Jäger hatten sich aber hinter ihren Bäumen nicht gerührt.

Nunmehr bestieg Bassala-n' Sa sein Roß. Er sprengte vor bis zu



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dem Punkte, wo die anderen umgekehrt waren. Er ritt noch weiter und kam so ganz nahe zu den Jägern. Er machte aber nicht kehrt. Er stieg vielmehr ab, ließ sein schnaufendes Pferd verpusten und untersuchte den Sattelgurt. Dann stieg er ganz gemächlich wieder auf. Zwei Jägerburschen schossen auf ihn. Sie trafen ihn nicht. Er ritt langsam einmal im Kreise herum und ritt dann gegen die Bäume vor.

Zweimal schoß Bassala-n' Sa auf die Jäger während des Anreitens. Zwei Jäger fielen. Die anderen beiden flohen. Er aber jagte hinter ihnen beiden her und packte im Laufe erst den einen, dann den anderen. Er band sie beide an und kam zu den Helden zurück. Bassala-n' Sa kam zu den Seinen zurück. Es waren die Dialli da, — sie hatten neben den anderen Helden gestanden. Die Helden und die Dialli hatten bis dahin nur gesehen, und keiner hatte ein Wort gesagt.

Als der Jüngling zurückritt, begannen die Dialli zu singen. Sie sangen nur: "Bassala-n' Sa! Bassala-n' Sa! Bassala-n' Sa!" Der Bursch kam zurück. Er fragte: "Ist das denn nun die Art, wie man in das ,Pui' kommt?" Die Dialli lachten, — die Dialli sagten: "Ja, so kommt man in das Pui!" Alle machten sich auf den Heimweg. Hinter Bassala-n' Sa ritten die Dialli. Die Dialli sangen: "Heute war kein Mann aus Kalla der Vorderste. Heute war Bassala-n' Sa der erste! Heute war kein Mann aus Kalla der vorderste, heute war Bassala-n' Sa der erste."

Sie kamen in Kalla an. Alle Leute von Kalla wußten schon, was es gegeben hatte; alle wußten, daß Bassala-n' Sa heute mehr geleistet hatte, als die anderen. Die Helden zogen in Kalla ein. Die Frauen von Buge Korroba kamen und brachten niederkniend Bassala-n' Sa das Wasser dar. Die Frauen von Buge Ntienni kamen und brachten niederkniend Bassala-n' Sa das Wasser dar. Die Frauen von Sagate Sungallu kamen und brachten niederkniend Bassala-n' Sa das Wasser dar. (Die Frauen bringen dem, den sie ehren wollen, das Wasser entgegen. Das ist allgemeine Sitte.) Die anderen Helden standen daneben, aber sie hatten kein Wasser. Bassala-n' Sa nahm von dem Wasser und trank. Bassala-n' Sa gab von dem Wasser seinem Pferde, daß es trinke. Bassala-n' Sa badete und wusch sein Pferd. Die anderen Helden standen daneben und sahen es und keiner sagte etwas. Die Spielleute aber schlugen die Saiten und sagten: "Bassala-n' Sa, Bassala-n' Sa, Bassala-n' Sa ist heute der erste. Bassala-n' Sa ist der Tapferste in Kalla. Bassala-n' Sa ist im Pui!"



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Einige Tage nachher spielten Buge Korroba, Buge Ntienni und Sagate Sungallu wieder unter der Galla Paddi. Jeder von ihnen sagte: "Ich habe das und das getan." Einer rühmte nach dem anderen, was er alles getan habe. Sie rühmten sich und sagten: "Unsere Taten sind die ersten. Was nicht aus Kalla kommt, gleicht nicht uns und kann uns nie gleich werden." Bassala-n' Sa ging nach Hause und sattelte sein Pferd. Er ritt mit seinem Sufa über den Marktplatz. Unter der Galla saßen Buge Korroba, Buge Ntiennj und Sagate Sungallu. Die Helden spielten (noch immer) Paddi und jeder sagte: "Ich habe das und das getan." Sie sagten: "Unsere Taten sind die ersten; was nicht aus Kalla kommt, gleicht nicht uns und kann uns nie gleich werden."

Bassala-n' Sa kam vorbei. Bassala-n' Sa sagte zu den drei Helden: "Wißt ihr denn, woher ich kam? Wißt ihr, wessen Sohn ich bin? Wißt ihr noch den Tag, da ich ankam und Gastrecht verlangte und als ihr mich verspottetet? Wißt ihr das alles? —Nun, dann will ich es euch sagen: Mein Vater ist Hamadi Fing, den ihr vertrieben habt. Meine Heimat ist Bassala im Lande Beledugu. Was ich tat, tat ich, um euch zu verspotten, weil ihr allzu spottsüchtig seid. Ihr sähet wohl gerne, daß ich jetzt bliebe, da ich im Pui bin. Ich kehre aber nach Hause zurück, — ich reite nach Bassala. Ich habe euch verspottet und verspotte euch nochmals. Wenn ihr glaubt, mit mir etwas zu erledigen zu haben, so kommt dahin, wohin ich jetzt gehe, nach meiner Heimat Bassala. Den Weg wird euch jeder zeigen, und im Hofe meines Vaters können wir dann etwas anderes spielen als Paddi."

Bassala-n' Sa ritt langsam von dannen und kam zu seinem Vater. Er lebte in Bassala.


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