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Kapitel 

SPIELMANNS GESCHICHTEN DER SAHEL

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1921

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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MIT EINER KARTE DER SAHARA UND

EINER BILDERTAFEL / TITEL- UND

EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

5. Kumba Sira Maga*

Kumba Sira Maga (oder Maka) war in Muria (oder Murdia) im Lande Wagadu zu Hause. Er wollte ein kleines Mädchen heiraten, die hieß Njelle. Damals war in Segu Monsong König. König Monsong war mächtig. Seitdem Njelle klein war, hatte Kumba Sira Maga ihr Geschenke gemacht. Sie wohnte auf dem Lande nahe bei Murdia. Eines Tages aber kam König Monsong mit großer Kriegsgewalt in das Land. Und just einen Tag, nachdem Kumba Sira Maga dem schönen Mädchen einen Ring geschenkt hatte, fiel König Monsong über dies Land her und nahm außer anderer Beute auch die schöne Njelle mit sich fort. Kumba Sira Maga hörte es alsbald, daß König Monsong das Mädchen, das seine Frau werden sollte, geraubt habe.

Kumba Sira Maga wohnte bei dem Bruder seines Vaters, der Fasa hieß. Er sagte zu seinem Onkel Fasa, daß er nach Segu gehen wollte, seine Njelle wiederzuholen. Dreimal verbot ihm Fasa, solche Sachen zu sagen. Dann aber reiste Fasa eines Tages selbst in eigener Angelegenheit nach Segu und sagte nochmals zu Kumba Sira Maga: "Leb wohl und laß den Gedanken an Njelle fallen." Er reiste fort. In einiger Entfernung folgte ihm aber heimlich Kuinba Sira Maga. Als Fasa in der Nähe Segus war, zeigte sich Kumba Sira Maga. Fasa sagte entsetzt: "Ich fürchte, du wirst Unruhe erregen und Streit anfangen." Der Bursche aber sagte: "Fürchte dich nicht, mein älterer Bruder meines Vaters. Ich werde dir keine Schande bereiten."

Als sie in Segu angekommen waren und die Mittagszeit verstrichen war, sagte Kumba Sira Maga zu seinem Onkel: "Ich werde jetzt ein wenig promenieren, die Stadt verlassen und mir die Umgebung ansehen." Kumba Sira Maga ging von dannen und versteckte sich da, wo die Kühe grasten. Als es Abend war, kamen die einzelnen Sklavinnen, um die Kühe ihrer Herrschaft zu melken. Er trat an jede einzelne Sklavin heran und fragte sie: "Wem gehörst



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du? Wem bringst du die Milch?" Jede einzelne sagte es. Er aber kümmerte sich um keine einzige mehr. Endlich kam ein kleines Mädchen, die fragte er wieder und die antwortete: "Ich bin die Gada (d. i. ein kleines Sklavenmädchen) der Njelle." Darauf gab Kumba Sira Maga dem kleinen Mädchen hundert weiße Kolanüsse und sagte: "Sage deiner Herrin Njelle, daß Kumba Sira Maga, von dem sie bei Murdia den Goldring erhielt, hier ist und sie grüßen läßt." Die Gada lief so schnell sie konnte zurück und wiederholte alles ihrer Herrin. Njelle sagte: "Das ist mein Kumba Sira Maga. Geh noch einmal zu ihm zurück und sage ihm, daß ich von hier nicht fort kann, weil ich von Mauern eingeschlossen bin, daß ich ihn aber sehr schön grüßen lasse." Die Gada sprang zurück und sagte alles dem Helden, der noch vor den Toren der Stadt war. Kumba Sira Maga sagte: "Es ist gut. Sage Njelle, sie solle heute abend an dem Niege-ngu (Wasserausfuhrloch am Mauerfuße) wohl achtgeben." Die Gada lief wieder zurück und sagte alles Njelle wieder. Njelle aber brachte ihr Zimmer in Ordnung und sorgte auch, daß das Bett richtig hergerichtet sei.

Als es Abend war, mußte die Gada am Niege-ngu aufpassen. Kumba Sira Maga kam. Er schlüpfte durch das Wasserablaufloch. Die Gada sagte: "Bist du es, Kumba Sira Maga?" Der Held sagte: "Ja, ich bin es." Die Gada sagte: "Meine Herrin Njelle hat mir einen Schal gegeben, den sollst du um das Gesicht schlagen, damit du nicht zu fürchten brauchst, erkannt zu werden." Kumba Sira Maga sagte: "Nein, so etwas mag ein feiger Sklave tun, aber ich tue es nicht. Zeige mir, wo hier im Königshofe das Haus Njelles, deiner Herrin, ist." Die Gada führte Kumba Sira Maga dahin. Der Held blieb drei Tage im Hause Njelles.

Im Hofe waren ein Gakobo oder Tegeng (Eunuch) und eine Frau mit der Aufsicht über die Frauen und Mädchen des Königs betraut. Die mußten von Zeit zu Zeit das Kiläischeng nehmen, das heißt gebrannte Kolanüsse essen und schwören: "Wenn ich dir nicht alles sage, was hier passiert, so sollen mich die Kolanüsse verbrennen." Zwei Tage lang sagten die beiden Aufseher dem Könige nichts. Sie wußten aber, daß jemand im Hause Njelles war, denn sie hatten Kumba Sira Maga sprechen hören. Sie besprachen miteinander diese Sache und erwogen, wie der Mann wohl in den Hof und in Njelles Haus hineingekommen war. Denn alle sieben Torhäuser, die den Zutritt bildeten, waren mit wachthabenden Soldaten besetzt. Am dritten Tage sollten die beiden wieder das Kiläischeng nehmen. Da



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nahmen sie sich ein Herz, besprachen die Sache noch einmal miteinander, gingen zum Könige und sagten: "Es ist ein Mann aus Murdia gekommen, der heißt Kumba Sira Maga. Wir wissen nicht und haben es nicht in Erfahrung bringen können, wie es geschah; aber dieser Mann ist in den Königshof eingedrungen und schläft seit zwei Tagen bei Njelle, die der König Monsong aus dem Lande bei Murdia mitgebracht hat." Der König Monsong fragte: "Ist dieser Kumba Sira Maga noch da oder ist er inzwischen fortgegangen ?" Die Aufseher sagten: "Der Mann ist noch immer im Hause Njelles."

Darauf rief König Monsong alle seine Soldaten und Soldatenführer zusammen und sagte: "Es ist etwas Unerhörtes geschehen. Ein fremder Mann namens Kumba Sira Maga ist aus Murdia gekommen, ist auf unerklärliche Weise in den Hof gekommen und schläft seit zwei Tagen im Hause der Njelle, die ich aus dem Lande bei Murdia mitgebracht habe. Nun sage einer, was man mit ihm anfangen soll? Soll man ihn rösten, soll man ihm die Hände abschlagen und ihn köpfen, soll man ihn kochen, oder was soll mit ihm geschehen?" Der eine sagte: "Man soll ihn köpfen." Der andere sagte: "Man soll ihn rösten." Der dritte sagte: "Und dann soll man nach Murdia ziehen und das ganze Land verwüsten, damit sein Stamm und seine Familie bestraft werden." Es war da aber ein alter Schmied mit Namen Numu Tji oder Tschi. Das war der klügste Ratgeber des Königs Monsong. Der ward auch zur Beratung herangezogen und sagte: "Es gibt jeder seinen Rat." König Monsong sagte: "Der deine ist mir besonders wertvoll. Sprich also."

Numu Tschi sagte: "Da ist das Dorf Djonkollonia. Das ist noch nicht unterworfen vom Könige von Segu. Wir wissen aber, daß von dort jeden Tag ein neuer Herrscher über Segu kommen kann. Denn es sind in Djonkollonia neun Ngana (Helden), von denen jeder die Kraft und Fähigkeit besitzt, sich zum Herrscher aufzuschwingen. Seit drei Jahren führen wir mit jenen Leuten Krieg, und ein Weiser hat uns gesagt, daß es einem der Unseren entweder gelingt, den Kopf einer schwarzen Katze, gehüllt in roten Stoff, in den Brunnen mitten im Dorfe zu werfen, oder daß die Ngana von Djonkollonia uns besiegen werden. Sendet doch nun diesen Kumba Sira Maga, der ein Held zu sein scheint, in die Stadt Djonkollonia. Gelingt es ihm, diese Sache auszuführen, so sind wir von dieser Sorge und Gefahr befreit. Er hat dann seine Schuld gutgemacht. Gelingt es ihm nicht, so



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kommt er eben dabei ums Leben." Darauf sagten der König und alle Leute, daß dieser Rat der beste sei.

Kumba Sira Maga ward gerufen. Er kam sogleich. König Monsong sagte: "Du hast dich schwer gegen die Rechte und Gesetze meines Hofes vergangen. Wenn du nun bereit bis, den schwarzen Katzenkopf in rotem Stoffe in den Brunnen, der inmitten der Stadt Djonkollonia liegt, zu werfen, soll dir die Schuld vergeben werden." Der Held sagte: "Gebt mir nur den Katzenkopf her. Sorgt aber, daß einige Reiter mir nachfolgen, die alles, wie es sich abspielen wird, mit ansehen." Der König sagte: "Das soll geschehen." Kumba Sira Maga stieg zu Pferde. Er nahm seine Waffen. Er ritt von dannen. Es folgten ihm hundert freie Reiter, hundert Diallireiter, hundert hörige Reiter. Als der Zug eine Strecke weit gekommen war, befiel die Sklaven Angst. Sie blieben zurück. Wieder ein Stück weiter hielten auch die Freien an. Als aber Djonkollonia in Sicht kam, hielten auch die Dialli an, stiegen ab und sahen zu, wie Kumba Sira Maga in die Stadt hineinritt.

Der Held kam durch das Stadttor. Er kam unbehelligt durch das Lager der Krieger, und niemand hielt ihn an, weil jeder ihn für einen Boten hielt. Er kam bis an den Brunnen. Er zog den Katzenkopf heraus und schrie: "Hallo, ihr Leute von Djonkollonia, König Monsong von Segu sendet mich. Hier halte ich das in der Hand, was eine Stadt zerstört. Seht. Seht." Damit warf er den in roten Stoff gehüllten schwarzen Katzenkopf in den Brunnen hinab. Sogleich begannen alle Weiber und Kinder zu schreien. Die Weiber schrien: "Das Unglück über die Stadt bricht herein. Ist kein Mann in Djonkollonia, der den Mann packen und töten kann ?" — Kumba Sira Maga verließ gelassen den Platz, passierte das Tor und machte vor der Stadt unter einem mächtigen Merebaume halt, um abzuwarten, was sich nun weiter ereignen würde."

In der Stadt rüsteten sich alsogleich die neun Ngana, und einer der Helden nach dem anderen kam herausgeritten, um mit dem Helden Kumba Sira Maga zu kämpfen. Da kam zuerst der Anführer Killindi-Kallondo. Der sah immer nur, wenn er mit einem um den Kopf geschlungenen Tuche die allzutief herabhängenden Augenbrauen hochzog. Kumba Sira Maga schoß ihn, als er heransprengte, ins Herz und schnitt ihm dann mit einem Schwerthiebe das Haupt ab. Sein Pferd band er an den Baum. — Als zweiter kam Turani-Kabato, der hatte ein so langes Glied, daß er es immer hochbinden mußte, wenn er in den Krieg zog. Mit dem ging es



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ebenso wie mit Killindi-Kallondo. Dann sprengte Niamaku heran (der anscheinend ein Sako war), dann Niamaku Njelle (denn seine Mutter hieß Njelle), dann Siga di Baba (Baba, der Sohn -di, der Siga), dann Ngolo Korroba, dann Ngoloni Djenni, dann Monson Dierra, dann Keffa Sulle (der Mannstöter), und einem erging es wie dem anderen. Kumba Sira Maga schlug jedem einzelnen den Kopf ab und band sein Pferd an den Baum. Als das ganze Werk vollendet war, band er alle neun Häupter zusammen und nahm sie zu sich auf sein Pferd. Er nahm die anderen neun Rosse an die Leine und kehrte nach Segu zurück.

Als das Gefecht vor den Toren von Djonkollonia begonnen hatte, waren zuerst die 100 Dialli zurückgekehrt und hatten im Vorbeireiten die ioo Freien und die 100 Hörigen mitgenommen, so daß Kumba Sira Maga den Weg ganz menschenleer und verlassen fand. In der Stadt Segu hatten die 300 verkündet, daß Kumba Sira Maga in Djonkollonia zerschossen, zerhackt und zerstückt sei. Der siegreiche Held kam nun an, aber er ritt nicht zum Könige Monsong, sondern zu dem Numu Tschi, der den Rat gegeben hatte, Kumba Sira Maga gegen die Stadt mit den neun Helden auszusenden.

Numu Tschi führte Kumba Sira Maga und die Häupter der neun Helden zu König Monsong und sagte: "Nun sieh, ob mein Rat nicht gut gewesen ist. Du wolltest eines Weibes wegen diesen Mann töten und eine Provinz wie Murdia zerstören. Nun hat der eine Mann dir aber neun Häupter und neun Provinzen erobert."

Der König sagte: "Du hast recht gehabt und dein Rat war wertvoll. Ruft die Frau Njelle." Njelle ward herbeigebracht. Der König stattete sie reich mit Kauri aus und gab sie dann dem Helden (= ngana) Kumba Sira Maga. Er sagte: "Hier hast du einiges davon, was du als tapferer Mann verdient hast. Im Vergleich mit dir muß ich sogar wie ein Weib erscheinen."


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