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Kapitel 

SPIELMANNS GESCHICHTEN DER SAHEL

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1921

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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MIT EINER KARTE DER SAHARA UND

EINER BILDERTAFEL / TITEL- UND

EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE


5. Dama Ngiles Schwert

Dama Ngile war der Sohn Daibus. Als die Frau Daibus mit dem Kinde schwanger ging, sagte Gott eines Nachts zu Daibu: "Nenne den Sohn, den deine Frau zur Welt bringen wird, ,Dama Ngile'." Dama bedeutet eine große Art von Rindern, die in Wagadu heimisch ist und Ngile bedeutet: groß. Als Daibu das von Gott hörte, wußte er Bescheid; denn dieser Name stand eingeschrieben in die Klinge eines alten verheißenden Schwertes, zu der eine goldene Scheide gehörte. Als Daibu das hörte, wußte er, daß aus seinem Geschlechte der zukünftige König Wagadus hervorgehen würde.

Dama Ngile war fürs erste Jäger und war oft mit vielen Hunden auf der Jagd. Er wußte aber von dem Vorhandensein des Schwertes, und im Traume hatte er gehört, daß dies Schwert in die Hände Sunjattas gefallen sei, der damals Mande beherrschte. Somit machte sich Dama Ngile eines Tages auf und wanderte nach Mande. In der Stadt Sunjattas ward er zunächst bei einem Garanke aufgenommen und untergebracht. Bei diesem verbrachte er drei Monate. Dann begab er sich aber eines Tages zu Sunjatta und sagte: "Gib mir ein Messer, denn ich bin ein Jäger und ich werde so besser das Wild abhäuten und zerlegen können." Sunjatta hatte ein ganzes Magazin voller Messer. Darüber hatte er einen Aufseher gesetzt, der war, wie alle Leute des Landes, ein Malinke. Sunjatta sagte nun zu diesem Manne, er solle alle Messer durcheinander und das Messer mit Dama Ngiles Namen zu unterst werfen. Der Aufseher tat es.

Sunjatta gab Dama Ngile die Erlaubnis, sich ein Messer aus dem großen Haufen herauszugreifen. Dama Ngile griff zu. Sogleich hatte er das rechte Messer, wenn es auch unter den anderen nicht zu sehen war. Man mischte die Messer nochmals, und nochmals griff Dama Ngile sogleich das rechte Messer heraus. Man mischte zum dritten Male, aber wiederum erhaschte Dama Ngile die rechte Waffe und darauf sagte Sunjatta: "Gut, so mag er das Messer nehmen, denn Dama Ngile ist die Liebe dieses Schwertes."

Vor seiner Abreise nach Mande besaß Dama Ngile schon eine Frau, die hieß Djuma Turre und deren Vater war Dindingalhi Turre. Sonst hatte er nur noch einen Hund und einen Sklaven. Als er nun zurückkehrte, beschloß er, in Banebagade bei Kinki im Wagadulande zu jagen. Aus der Gegend von Kumiakase, wo die Diarra herrschten, konnte man seinen Kopf und seine Schultern emporragen sehen, so mächtig war Dama Ngile gebaut. Es wurde dem



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Jäger ein Sohn geboren, der hieß: Sira Maga. Dama Ngile nannte ihn Tare (= König) Sira Maga und sagte: "Mein Sohn Sira Maga wird König werden."

Im Diarragebiete herrschten damals Fatame Niarrate und Mana Maga Niarrate, zwei Brüder, Kinder der gleichen Eltern. Die beiden konnten oft die ungewöhnliche Größe Dama Ngiles sehen. Fatame Niarrate hatte einen Sohn, der hieß Bemba Niarrate. Das war ein roher und gewalttätiger Bursche. Zuweilen ließ er schwangere Frauen töten und untersuchte die Lage des Embryo. Einmal wollte er sehen, wie die Kinder im Mutterleibe ernährt werden. Er gab einer schwangeren Frau ein Stück Leber zu essen. Die Frau schluckte das Stück herunter. Als es in ihrer Speiseröhre war, ließ er schnell die Frau totschlagen und aufschneiden und als er sah, daß ein Stück Leber in der Speiseröhre der Mutter und ein kleines in der des ungeborenen Kindes war, sagte er: "Nun weiß ich es." — Wenn große Tanzfeste waren, dann schoß er auch rechts und links unter die Leute und schoß auf jeder Seite wohl sechzig Menschen tot. Die anderen durften sich im Tanze nicht stören lassen. Wenn die Leute zu Fatame Niarrate kamen, um sich zu beschweren, so sagte der Vater des ungeratenen Burschen: "Ach, laßt doch nur. Er ist ja noch ein Kind. Wenn Bemba erst erwachsen sein wird, dann macht er auch nicht mehr solche Torheiten."

Eines Tages war ein Mohammedaner namens Fassa auf dem Wege von Diaffumu zu dem Platz Dama Ngiles. Er blieb unterwegs in der Stadt Diarra, in der Bemba wohnte, über Nacht liegen. Es war gerade Dimmu (Tanzfest) und Bemba schoß seine Bune (Pfeile, Bogen = bundange, hat die gleiche Form wie die Kayes-Bogen). Bemba schoß auch einen Pfeil auf Fassa. Der Pfeil, der Fassa traf, war vergiftet, und dieses Gift hatte es zur Folge, daß er nicht mehr schlafen konnte. Er war so müde und schwach, daß er, nachdem er zwölf Monate lang nicht mehr geschlafen hatte, zu sterben beschloß. Fassa ging also in den Busch um zu sterben.

Als er in dem Busch war, traf er da eine Frau, die sammelte Holz. Er fragte: "Wer bist du?" Die Frau entgegnete: "Ich bin die Djuma Turre, die Frau eines armen Jägers und sammle hier Holz. Was machst du hier?" Fassa sagte: "Ich bin von einem Pfeil verwundet und kann infolgedessen nun schon seit zwölf Monaten nicht mehr schlafen. Jetzt will ich im Walde sterben." Djuma Turre sagte: "So will ich dich bitten, doch lieber mit in unser Dorf zu kommen. Es ist ein einfaches, armes Jägerdorf, aber es ist besser als im Walde.



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Wir sind arme Leute, aber wir werden dir geben, was wir haben." Fassa sagte: "Du bist freundlich. Ich will mit dir kommen." Und Fassa ging mit in das Lager Dama Ngiles.

Dama Ngile hatte jüngst einen Kanjam-barre (ein großer Vogel mit mächtigem Schnabel) getötet. Es war noch etwas vorhanden. Als Djuma für Fassa Speise, eine Schüssel mit Reis, bereitete, legte sie von dem kalten Vogel auf die Schüssel. Sie wußte aber nicht, daß gerade das Fleisch dieses Vogels ein ausgezeichnetes Mittel gegen solches Pfeilgift ist. Als Fassa nun gegessen hatte, legte er sich hin und entschlief sogleich. Er schlief lange und sehr fest. Er wachte erst am anderen Tage auf. Inzwischen kam Dama Ngile heim. Seine Frau erzählte ihm alles. Als nachher Fassa erwachte, fragte Dama Ngile ihn: "Wie befindest du dich?" Fassa sagte: "Ich befinde mich wieder recht gut." Daraufhin gab ihm Dama Ngile von dem frischen Fleische eines soeben getöteten Kanjambarre.

Als Fassa das gegessen hatte, ward er gesund und so kräftig, als wenn nichts vorgefallen wäre. Er sagte zu Dama Ngile: "Ich will Gott bitten, daß er dich zum Könige von Diarra mache." Dama Ngile sagte: "Ach, ich bin arm. Ich habe nur Weib, Kind, Sklave und Hund. Ich bin ein einfacher Jäger und sonst nichts." Fassa aber sagte: "Das macht gar nichts." Fassa machte neun Safaje (Amulette aus Schriftstreifen mit Koranversen). Mit den neun Safaje ging er in die Diarraortschaft und grub heimlich einen an jedem Hauspfosten und einen unter dem Sitz ein. Das hatte zur Folge, daß unter den Söhnen Mana Maga Niarrates, der der ältere der beiden Brüder war, und denen Fatame Niarrates Streit ausbrach.

Im Diarragebiet entstand Krieg. Bemba kam um das Leben. Sagna Niarrate wanderte nach Netubullu am Senegal, das in der Richtung auf Bondu zu liegt. Ein Bruder dieses kam mit seinem Volke in das Bamakogebiet. In kurzer Zeit war die Kraft des Diarragebietes so geschwächt, daß die Alten sich nicht mehr zu helfen wußten. Darauf zog Dama Ngile nach der Königstadt und fragte: "Wie ist der Brauch dieses Landes?" Mana Maga Niarrate sagte: "Der eine bringt mir von Jagdbeute und Schlachtvieh die Brust, der andere dagegen die Seitenstücke (Koteletten)." Dama Ngile sagte: "Das werde ich in Zukunft auch tun." Darauf sagte Mana Maga Niarrate: "Wenn du das tun willst, so sollst du in Zukunft hier Herr sein, und ich will dein Diare (Spielmann - gleich den Dialli der zentralen Mande) werden."



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So baute sich Dama Ngile in Diarra an. Er sagte aber zu seinem Sohne Sira Maga: "Wenn ich sterbe, so laß mich in mein Land Bamba Gade zurückbringen und in jenem Lande bestatten." Sira Maga versprach es und führte es auch aus. Aber er wurde nicht allein bestattet. —Neben ihm ruhte Djon Fisko, sein erster Höriger, mit dem er schon in Mande war. Das Grab liegt zwischen Njoro und Gumba und zwar (genauer) zwischen Njerere und Turrungume. Es ist sechzig Fuß lang.


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