Projektseite Volksmärchen Sagen Geschichten Etnologie Beriche © Arpa data
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

SPIELMANNS GESCHICHTEN DER SAHEL

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1921

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



Atlantis Bd_06-0004 Flip arpa

MIT EINER KARTE DER SAHARA UND

EINER BILDERTAFEL / TITEL- UND

EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE


1. Gassires Laute

Viermal stand Wagadu im Tageslichte herrlich da; viermal ging V es verloren, so daß die Menschen es nicht sahen: Einmal durch die Eitelkeit, einmal durch den Bruch der Treue, einmal durch Habgier und einmal durch den Zwiespalt. Viermal hat Wagadu den Namen geändert. Erst hieß es Dierra, dann Agada, dann Ganna, dann Silla. Viermal hat Wagadu das Gesicht gewandt. Einmal schaute es nach Norden, einmal nach Westen, einmal nach Osten, einmal nach Süden. Denn stets hat Wagadu, so oft es den Menschen sichtbar auf der Erde errichtet war, vier Toro, eins nach Norden, eins nach Westen, eins nach Osten, eins nach Süden. Das sind die Richtungen, aus denen die Kraft Wagadus kommt und in der sie fortzieht, gleichviel ob Wagadu aus Stein, Holz und Erde gebaut ist oder nur wie ein Schatten im Sinn und in der Sehnsucht seiner Kinder lebt. Denn an sich ist Wagadu nicht aus Stein, nicht aus Holz, nicht aus Erde. Wagadu ist die Stärke, die im Herzen der Menschen lebt und einmal erkennbar ist, weil die Augen sie erkennen lassen, weil die Ohren die Streiche der Schwerter und die Klänge am Schild hören, und einmal unsichtbar ist, weil sie ermüdet und bedrängt durch die Unzähmbarkeit der Menschen eingeschlafen ist. Zum Schlafen kam Wagadu aber einmal durch die Eitelkeit, zum zweiten durch den Bruch der Treue, zum dritten durch die Habgier und zum vierten durch den Zwiespalt. Wenn Wagadu aber nunmehr zum vierten Male wiedergefunden wird, dann wird es so gewaltig in dem Sinn der Menschen leben, daß es nicht wieder verloren werden kann und daß ihm Eitelkeit, Bruch der Treue, Habgier und Zwiespalt nie wieder etwas anhaben können.

Hoooh! Dierra, Agada, Ganna, Silla! — Hoooh! Fasa!

Jedesmal, wenn Wagadu unterging durch die Schuld der Menschen, gewann es eine neue Schönheit, die seine nächste Herrlichkeit noch größer machte. Die Eitelkeit brachte den Sang der Barden (Diare) mit sich, die alle Völker nachahmen und heute preisen. Der Bruch der Treue brachte den Menschen den Regen von Gold und steinernen Perlen (= lutemma?). Die Habgier brachte den Menschen die Schrift, wie sie heute noch die Burdama üben, die in Wagadu die Kunst der Frauen war. Der Zwiespalt wird aber dem fünften Wagadu die Fähigkeit geben, ebensowenig vergänglich zu sein wie die Regen des Südens und die Felsen der



Atlantis Bd_06-054 Flip arpa

Sahara, weil jeder Mann dann Wagadu im Herzen und jede Frau ein Wagadu im Schoße bergen wird.

Hoooh! Dierra, Agada, Ganna, Silla! Hoooh! Fasa!

Das erstemal ging Wagadu verloren durch Eitelkeit. Damals schaute Wagadu nach Norden und hieß Dierra. Sein letzter König hieß Nganamba Fasa. Die Fasa waren stark. Sie wurden alt. Täglich kämpften die Fasa gegen die Burdama und gegen die Boroma. Sie kämpften jeden Tag und jeden Monat. Nie nahm der Kampf ein Ende. Aus dem Kampfe wuchs die Stärke der Fasa. Alle Männer Nganambas waren Helden (Gana), alle Frauen waren schön und sehr stolz auf die Kraft und das Heldentum der Männer Wagadus.

Alle Fasa wurden alt, wenn sie nicht im Zweikampf mit den Burdama fielen. Nganamba war sehr alt. Nganamba hatte einen Sohn, der hieß Gassire, und der war auch schon alt genug, denn er hatte schon acht erwachsene Söhne, die wieder ihre Kinder hatten. Alle diese lebten gleichzeitig und Nganamba herrschte in seiner Familie und als erster über die Fasa und die bündischen Boroma. Nganamba wurde so alt, daß Wagadu darüber verloren ging und die Boroma wieder zu Dieben und zu Sklaven (Dion) der Burdama wurden, die das Recht des Schwertes an sich rissen. Wäre Nganamba früher gestorben, wäre dann wohl Wagadu zum ersten Male verloren gegangen?

Hoooh! Dierra, Agada, Ganna, Silla! — Hoooh! Fasa!

Nganamba starb nicht. Im Herzen Gassires fraß ein Schakal. Gassire sprach alle Tage mit seinem Herzen: "Wann stirbt Nganamba? Wann wird Gassire König werden?" Gassire schielte alle Tage nach dem Tode des Vaters, wie ein Liebender ausschaut nach dem Aufgang des Abendsterns. Wenn Gassire tagsüber als Held gegen die Burdama kämpfte und die untreuen Boroma mit dem Sattelgurt seines Pferdes trieb, dann dachte er nur an den Kampf und an das Schwert, den Schild und das Pferd. Kam Gassire aber abends in die Stadt und saß er im Kreise der Männer und seiner Söhne, dann hörte er wohl, wie die Helden seine Taten rühmten; sein Herz war aber nicht anwesend; sein Herz lauschte nach den Atemzügen Nganambas; sein Herz war voll des Jammers und der Sehnsucht.

Gassires Herz war voll der Sehnsucht nach dem Schilde des



Atlantis Bd_06-055 Flip arpa

Vaters, den er erst tragen durfte, wenn der Vater gestorben war, und auch nach dem Schwert, das ihn erst zieren durfte, wenn er König war. Gassires Zorn und Sehnsucht wuchsen täglich. Gassire ward vom Schlafe gemieden. Gassire lag, und der Schakal fraß an seinem Herzen. Gassire fühlte den Kummer den Hals hinaufsteigen. Gassire sprang eines Nachts auf, ging aus dem Hause und zu einem alten weisen Manne (Kiekorro), der mehr wußte als andere Leute. Er trat bei ihm ein und sagte: "Kiekorro! Wann wird Nganamba, mein Vater, sterben und mir Schwert und Schild lassen?" Der alte Mann sagte: "Ah! Gassire! Nganamba wird sterben; dir aber wird er nicht Schwert und Schild lassen! Du wirst eine Laute führen. Schild und Schwert aber werden andere erben. Über deine Laute aber wird Wagadu verlorengehen! Ah! Gassire!" Gassire sagte: "Kiekorro, du lügst. Ich sehe, du bist nicht weise! Wie soll Wagadu verloren gehen, da seine Helden täglich Siegen? Kiekorro, du bist ein Narr!" Der alte weise Mann sagte: "Ah! Gassire! Du kannst mir nicht glauben. Dein Weg wird dich aber zu den Feldhühnern führen. Du wirst ihren Schrei verstehen, und das ist dann dein Weg und der Weg Wagadus."

Hoooh! Dierra, Agada, Ganna, Silla! — Hoooh! Fasa!

Am anderen Tag zog Gassire wieder mit den Helden in den Kampf gegen die Burdama. Gassire war zornig. Gassire rief den Helden zu: "Bleibt hier zurück. Ich will heute allein mit den Burdama kämpfen." Die Helden blieben zurück. Gassire ritt allein gegen die Burdama vor. Gassire warf seine Speere. Gassire ritt auf die Burdama ein. Gassire schwang das Schwert. Gassire traf einen Burdama zur Rechten. Gassire traf einen Burdama zur Linken. Gassires Schwert war wie das Schnittmesser im Korn. Die Burdama erschraken. Die Burdama schrien entsetzt: "Das ist kein Fasa, das ist kein Ganna, das ist ein Damo (dem Sänger selbst unbekanntes Wesen)." Die Burdama wandten die Pferde. Die Burdama warfen beide Speere fort und flohen.

Gassire rief die Ganna. Gassire sagte: "Sammelt die Speere!" Die Ganna kamen heran. Die Ganna sammelten die Speere. Die Ganna sangen: "Die Fasa sind Helden. Gassire war stets der erste Held der Fasa. Gassire hat stets Großes getan. Heute aber war Gassire größer als Gassire." Gassire ritt in die Stadt. Die Helden ritten hinter ihm her. Die Helden sangen: "So viel Speere wie heute hat Wagadu noch nie gewonnen."



Atlantis Bd_06-056 Flip arpa

Gassire ließ sich von den Frauen baden. Die Männer kamen zusammen. Gassire setzte sich nicht zu ihnen. Gassire ging hinaus in das Feld. Gassire hörte die Feldhühner. Gassire ging dicht herzu. Ein Feldhuhn saß auf einem Busch. Die Jungen saßen im Grase. Das Feldhuhn sang: "Hört das Dausi! Hört meine Taten!" Das Feldhuhn sang von seinem Kampf mit der Schlange! Das Feldhuhn sang: "Alle Geschöpfe müssen sterben, werden begraben und vermodern! Könige und Helden sterben, werden begraben und vermodern. Auch ich werde sterben, werde begraben und werde vermodern. Aber das Dausi, das Lied meiner Kämpfe, wird nicht sterben. Es wird weitergesungen werden und länger leben als alle Könige und Helden. Hoooh, daß ich solche Taten ausführen durfte! Hoooh! Daß ich das Dausi singen darf! Wagadu wird verloren gehen. Das Dausi aber wird bestehen und leben!"

Hoooh! Dierra, Agada, Ganna, Silla! Hoooh! Fasa!

Gassire ging zu dem alten weisen Manne. Gassire sagte: "Kiekorro! Ich war auf dem Felde. Ich verstand die Feldhühner. Das Feldhuhn rühmte sich, daß das Lied von seinen Taten länger leben würde als Wagadu. Das Feldhuhn sang das Dausi. Sage mir, ob die Menschen auch das Dausi kennen und ob das Dausi noch das Leben und den Tod überstehen wird." Der alte weise Mann sagte: "Ah, Gassire, du treibst schnell dem Tode entgegen. Niemand kann dich aufhalten. Da du kein König werden kannst, wirst du ein Diare werden. Ah! Gassire! Als die Könige der Fasa noch am Meere wohnten, waren sie auch große Helden, und sie kämpften mit Menschen, die besaßen Lauten und sangen das Dausi. Oft erschraken die Fasa über das Dausi der Feinde. Sie selbst waren stets große Helden. Das Dausi haben sie nie selbst gesungen, weil sie selbst die ersten, weil sie Horro waren, das Dausi aber von den zweiten, den Diare gesungen wird. Jene anderen kämpften nicht mehr als Helden für den Tag, sondern als Trinker für den Ruhm des Abends. Du aber, Gassire, willst nun, da du nicht zweiter der ersten sein kannst, der erste der zweiten sein. Darüber wird Wagadu verloren gehen." Gassire sagte: "Mag Wagadu verloren gehen!"

Hoooh! Dierra, Agada, Ganna, Silla!— Hoooh! Fasa!

Gassire ging zu einem Schmiede. Gassire sagte: "Stelle mir eine Laute her!" Der Schmied sagte: "Ich werde es tun. Aber die Laute wird nicht singen." Gassire sagte: "Schmied, treibe deine



Atlantis Bd_06-057 Flip arpa

Arbeit, das andere ist meine Sache." Der Schmied stellte die Laute her. Der Schmied brachte Gassire die Laute. Gassire ergriff die Laute. Gassire schlug an die Laute. Die Laute sang nicht. Gassire sagte zum Schmiede: "Was ist das? Die Laute singt nicht!" Der Schmied sagte: "Ich sagte es vorher!" Gassire sagte: "So mache, daß die Laute singt." Der Schmied sagte: "Dafür kann ich nichts mehr tun. Das übrige ist deine Sache." Gassire sagte: "Was kann ich tun?" Der Schmied sagte: "Dies ist ein Holz. Es kann nicht singen, wenn es nicht ein Herz hat. Das Herz mußt du ihm geben. Das Holz muß auf deinem Rücken mit in den Kampf ziehen. Das Holz muß widerklingen beim Schwerthieb. Das Holz muß niedertropfendes Blut aufsaugen, Blut von deinem Blute, Atem von deinem Atem. Dein Schmerz muß werden sein Schmerz, dein Ruhm sein Ruhm. Das Holz darf nicht mehr sein wie das Holz des Baumes, aus dem es geschlagen ist, sondern muß eingehen zu deinem Diamu (Stamm, Sippe). Deshalb muß es leben nicht nur mit dir, sondern auch mit deinen Söhnen. Dann wird der Laut, der aus deinem Herzen kommt, im Ohr deines Sohnes widerhallen und in den Leuten weiterleben, und das Blut, das aus seinem Herzen quillt, wird auf deinen Leib niederrinnen und in diesem Holze weiterleben. Wagadu aber wird darüber verloren gehen." Gassire sagte: "Mag Wagadu verloren gehen!"

Hoooh! Dierra, Agada, Ganna, Silla! — Hoooh! Fasa!

Gassire rief seine acht Söhne. Gassire sagte: "Meine Söhne, heute ziehen wir in den Kampf. Aber die Schläge unserer Schwerter sollen nicht mehr in der Sahel verklingen. Sie sollen ihren Klang für alle Zeiten behalten. Ich und ihr, meine Söhne, wir wollen vor allen Helden im Dausi weiterleben. Mein ältester Sohn, heute wollen wir beide, ich und du, im Kampfe die ersten sein!"

Gassire ritt mit seinem ältesten Sohne zusammen den Helden voran in den Kampf. Gassire hatte die Laute über den Rücken geworfen. Die Burdama kamen näher. Gassire und sein ältester Sohn ritten auf sie zu. Gassire und sein ältester Sohn kämpften als erste. Gassire und sein ältester Sohn ließen die anderen Helden weit hinter sich. Gassire kämpfte nicht wie ein Mensch; er kämpfte wie ein Damo. Sein ältester Sohn kämpfte nicht wie ein Mensch; er kämpfte wie ein Damo. Gassire kam in einen Kampf mit acht Burdama. Die acht Burdama brachten ihm schwere Not. Sein ältester Sohn



Atlantis Bd_06-058 Flip arpa

kam hinzu. Er erschlug vier Burdama. Einer der Burdama stieß ihm den Speer in das Herz. Der älteste Sohn fiel tot vom Pferde. Gassire ward zornig. Gassire schrie auf. Die Burdama flohen. Gassire stieg vom Pferd. Er nahm die Leiche seines ältesten Sohnes auf und über den Rücken. So ritt er zu den anderen Helden zurück. Das Blut aus dem Herzen des ältesten Sohnes tropfte auf die Laute, die auf dem Rücken Gassires hing. So ritt Gassire an der Spitze der Helden in Dierra ein.

Hoooh! Dierra, Agada, Ganna, Silla! — Hoooh! Fasa!

D er älteste Sohn Gassires ward begraben. Dierra trauerte. Die Urne der Leiche war rot vom Blute. Gassire ergriff abends die Laute und schlug gegen das Holz. Die Laute sang nicht. Gassire ward zornig. Gassire rief seine Söhne. Gassire sagte zu seinen Söhnen: "Meine Söhne, morgen reiten wir gegen die Burdama."

Sieben Tage ritt Gassire mit den Helden in die Schlacht. An jedem dieser sieben Tage ritt einer seiner Söhne des Morgens mit ihm als erster in die Schlacht. An jedem dieser sieben Tage trug Gassire die Leiche eines seiner Söhne über die Schulter und über der Laute zur Stadt zurück. So tropfte an jedem Abend das Blut eines seiner Söhne auf die Laute. Nach diesen sieben Tagen des Kampfes war große Trauer in Dierra. Alle Helden und Frauen trugen weiße und rote Kleider. Überall floß das Blut der Boroma. Alle Frauen klagten. Alle Männer wurden zornig. Ehe noch der achte Tag des Kampfes herankam, versammelten sich alle Helden und Männer Dierras und sprachen zu Gassire: "Gassire, dies soll ein Ende haben. Wir sind bereit zu kämpfen, wenn es not tut. Du aber bist in deinem Zorn zum Kampf ohne Vernunft und Grenze. Ziehe fort von Dierra! Einige werden sich dir anschließen und mit dir ziehen. Nimm auch deine Boroma und dein Vieh. Wir anderen verlangen mehr nach dem Leben als nach dem Ruhm. Sicher wollen wir nicht ruhmios leben, aber wir wollen auch nicht um des Ruhmes willen sterben."

Der alte weise Mann sprach: "Ah, Gassire! So geht also Wagadu heute zum erstenmal verloren.

Hoooh! Dierra, Agada, Ganna, Silla! — Hoooh Fasa!

Gassire und sein letzter, jüngster Sohn, seine Frauen, seine Freunde, seine Boroma zogen fort in die Wüste. Sie ritten durch die Sahel. Viele Helden begleiteten ihn zum Tor hinaus.



Atlantis Bd_06-059 Flip arpa

Viele kehrten zurück. Einige begleiteten Gassire und seinen jüngsten Sohn in die Sahara.

Sie ritten weit: Tag und Nacht. Sie kamen in die Einsamkeit. Sie rasteten in der Einsamkeit. Alle Ganna und alle Frauen und alle Boroma schliefen. Gassires jüngster Sohn schlief. Gassire wachte. Gassire saß am Feuer. Gassire saß lange am Feuer. Gassire schlief ein. Gassire fuhr auf. Gassire horchte auf. Gassire hörte neben sich eine Stimme. Die klang, als käme sie aus seinem Innern. Gassire horchte. Gassire begann zu zittern. Er hörte die Laute singen. Die Laute sang das Dausi.

Als die Laute zum ersten Male das Dausi gesungen hatte, starb in der Stadt Dierra der König Nganamba; als die Laute zum ersten Male das Dausi gesungen hatte, war Gassires Zorn verronnen; Gassire weinte. Als die Laute zum ersten Male das Dausi gesungen hatte, war Wagadu zum ersten Male verschwunden.

Hoooh! Dierra, Agada, Ganna, Silla! — Hoooh Fasa!

Viermal stand Wagadu im Tageslichte herrlich da; viermal ging es verloren, so daß die Menschen es nicht sahen: Einmal durch die Eitelkeit, einmal durch den Bruch der Treue, einmal durch Habgier und einmal durch den Zwiespalt. Viermal hat Wagadu den Namen geändert. Erst hieß es Dierra, dann Agada, dann Ganna, dann Silla. Viermal hat Wagadu das Gesicht gewandt. Einmal schaute es nach Norden, einmal nach Westen, einmal nach Osten, einmal nach Süden. Denn stets hatte Wagadu, so oft es den Menschen sichtbar auf der Erde errichtet war, vier Tore, eines nach Norden, eines nach Westen, eines nach Osten, eines nach Süden. Das sind die Richtungen, aus denen die Kraft Wagadus kommt und in der sie fortzieht, gleichviel ob Wagadu aus Stein, Holz und Erde gebaut ist oder nur wie ein Schatten im Sinn und in der Sehnsucht seiner Kinder lebt. Denn an sich ist Wagadu nicht aus Stein, nicht aus Holz, nicht aus Erde. Wagadu ist die Stärke, die im Herzen der Menschen lebt und einmal erkennbar ist, weil die Augen sie erkennen lassen, weil die Ohren die Streiche der Schwerter und die Klänge am Schild hören und einmal unsichtbar ist, weil sie ermüdet und bedrängt durch die Unzähmbarkeit der Menschen eingeschlafen ist. Zum Schlafen kam Wagadu aber einmal durch die Eitelkeit, zum zweiten durch den Bruch der Treue, zum dritten durch die Habgier und zum vierten durch den Zwiespalt. Wenn Wagadu aber nunmehr zum vierten Male wiedergefunden wird,



Atlantis Bd_06-060 Flip arpa

dann wird es so gewaltig im Sinn der Menschen leben, daß es nicht wieder verloren werden kann und daß ihm Eitelkeit, Bruch der Treue, Habgier und Zwiespalt nie wieder etwas anhaben können.

Hoooh! Dierra, Agada, Ganna, Silla! — Hoooh! Fasa!

Jedesmal wenn Wagadu unterging durch die Schuld der Menschen, gewann es eine neue Schönheit, die seine nächste Herrlichkeit noch größer machte. Die Eitelkeit brachte den Sang der Barden mit sich, die alle Völker nachahmen und heute preisen. Der Bruch der Treue brachte den Menschen den Regen von Gold und steinernen Perlen. Die Habgier brachte den Menschen die Schrift, wie sie heute noch die Burdama üben, die in Wagadu die Kunst der Frauen war. Der Zwiespalt wird aber dem fünften Wagadu die Fähigkeit geben, ebensowenig vergänglich zu sein wie die Regen des Südens und die Felsen der Sahara, weil jeder Mann dann Wagadu im Herzen und jede Frau ein Wagadu im Schoße bergen wird.

Hoooh! Dierra, Agada, Ganna, Silla! — Hoooh! Fasa!


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
Auch bitten wir Sie um weitere Anregungen in Bezug auf Erweiterungen und Verbesserungen.
Im voraus Dank für die Mithilfe. Spenden können Sie unter In eigener Sache

Ihr arpa team: www.arpa.ch Kontakt