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SPIELMANNS GESCHICHTEN DER SAHEL

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1921

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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MIT EINER KARTE DER SAHARA UND

EINER BILDERTAFEL / TITEL- UND

EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

Die Numu = Schmiede. (Zumal im Malinkegebiet.)

Nach allen meinen Forschungen, nach allen Fragen, die ich in dieser Richtung stellte, kann es für mich kein Zweifel sein, daß die heute so verachtete Kaste der Schmiede, der Numu, erstens der zur Unterschicht degradierte Restbestand der Oberschicht eines alten Volkes ist und das zweitens dieses Volk nicht, wie die Dialli-Historiker und islamischen Schriftsteller es gern hinstellen möchten, ein niederes, kulturloses, sondern daß es ein für alte Verhältnisse sehr kultiviertes, kluges, geistig und.materiell reiches Volk war. Die Nachrichten, die uns über Susu Sumanguru, die Fanne, Kamme und Kante erhalten sind (vgl. Bd. V: Sunjatalegende), zeigen uns an, in welcher Richtung wir forschen müssen, wenn wir noch zutage liegende, anstehende Schicht dieser Kultur finden wollen. Aber ohne erst nach den Sternen zu schweifen, griff ich während des Aufenthaltes in den Mandingoländern das auf, was die Numu selbst noch sind, wissen und darstellen, und da hat sich ein klares Bild ergeben. Diese Leute sind die Träger eines uralten Gewerbes, einer alten sozialen Bundform, und uralter, religiöser Überlieferungen. Die islamischen Stürme, die zwischen dem 10. und 17. Jahrhundert mit langwellenden Stößen über diese Länder hinbrausten, haben vielerlei überdeckt, haben viel Schutt und Trümmer über die alte Numu-Kultur geworfen; aber an vielen Stellen ragen aus diesen Massen noch die Turmspitzen und Giebelfirsten der Numustädte hervor, die sonst vergraben liegen. Hier einiges Material:

Man behauptet: die Numu seien verachtet. Das trifft in dem Sinne, wie etwa im Mittelalter die Juden verachtet waren, nicht zu. Es ist wahr, daß man nie die Ehe mit einem Numuweibe eingeht, wenn man ein Horo ist. Das würde schlimme Folgen haben. Auch verkehrt man nicht gerne mit den Vertretern dieser Kunst allzu intim, aber diese Abneigung beruht mehr auf dem Gefühl der Angst, als auf dem der Verachtung. Jeder Mensch hat in diesen Ländern persönlich ein wenig Angst vor den Numu. Man bleibt einem Numu beileibe nichts schuldig, weil man seine geistige Rache



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fürchtet. Die Numu sind die eigentlichen alten Herren, Inhaber, Verwalter des Naina und des Komma (d. h. der heiligen Fernbünde). Die Numu sind es, die die Beschneidung ausführen. Welch merkwürdiges, sozial-religiöses Schauspiel! die stolzen, vom islamischen Adel ihr Dasein und ihre Gesittung ableitenden Haibberber lassen ihre Sprossen von den Vertretern und immer wieder als solche signierten Nachkommen des verachteten, todfeindlichen Heidentumes beschneiden!

Es gibt viele Sitten und Anschauungen, die gleiche Richtungstendenz haben: Wenn die Mandingo in den Krieg zogen und der erste Tote ein Numu war, so floh das ganze Heer. Denn das ward unbedingt als ein sehr schlechtes Zeichen angesehen. Oder: wenn ein Dorf gegründet ward, und der erste darin Sterbende ein Numu war, so glaubte man nicht mehr an ein glückliches Gedeihen der Gemeinde an dieser Stelle, und oft ward dann die Ortschaft verlegt. —Oder: wenn einer vornehmen Mandingofrau ein Kind nach dem andern starb, so brachte sie zuletzt ihre Sprossen bei Familien niederer Kaste unter, daß sie da aufwuchsen. Man brachte sie zu Dialli, Ulussu, vor allem aber zu den Numu. Solche Kinder, die in niederer Kaste aufwuchsen, hießen Diallikunda, Djongkunda (d. i. Hörigenzöglinge, Sklavenzöglinge) und Numukunda (Schmiedezöglinge). Zu Dialli und Ulussu brachte man sie nur dann, wenn keine Numufamilie in der Nähe war. Bei den Numu glaubte man sie entschieden am besten aufbewahrt und vor dem frühzeitigen Sterben gesichert. Und im späteren Leben galt ein Numukunda auch stets als allen Kindern solcher Art und auch vornehmer Aufziehung überlegen, ja gewissermaßen als deren Herr.

Bei dem üppigen Auftreten solcher Symptome fragt eine gewisse berechtigte Skepsis unwillkürlich: kann die Schmiedekaste wirklich als eine in unserem Sinne verachtete bezeichnet werden? — Es spielt Furcht eine große Rolle und man sah den Numu als einen Schwarzkünstler an, der eine im Grunde genommen nicht "ehrliche" (weil staatlich nicht sanktionierte) Religionspaktierung geschlossen hatte, sowie man im Mittelalter scheu und ärgerlich auf die Leute sah, die "mit dem Teufel paktiert hatten". So wird ein allgemein bekannter Spruch verständlich: "Wenn ein Numu Jäger wird, so wird er ein besserer und glücklicherer Jäger als alle anderen." Und doch, wenn etwa angenommen wird, damit eine erschöpfende Erklärung und volles Verständnis für die Stellung der Schmiede gefunden zu haben, so beruht das auf einem gewaltigen Irrtum, wie an einem Gegenstück leicht zu zeigen ist. Das alte Volkslied der Mande sagt: "Man dankt den Numu folgendes: 1. die Flöte, 2. wenn man Kindersegen hat, 3. wenn man guten und angenehmen Beischlaf findet, 4. gutes Essen, 5. Herrschaft über Gehöft,



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Herrschaft über Land, 6. ein glückliches und ereignisloses Überschreiten des Djalli-ba (Niger), 7. die Beschneidung, 8. anständige Bestattung." — Ein Zusammenzählen und Überfliegen aller dieser acht Punkte (von denen ich übrigens nicht sagen kann, ob sie in richtiger Reihenfolge gegeben sind, da sie mir verschieden gereiht gesagt wurden) zeigt, daß man dieser Anschauung nach den Numu eben den ganzen Lebenswandel, soweit er glücklich und angenehm verlief, verdankt und von ihrem Segen abhängig erachtete.

Es gibt aber noch klarere Beweise für direkte Achtung, die den Numu erwiesen wurde! — Bekanntlich gab es an den Höfen der Mandingo Kaiser und Könige keine hierarchischen Großwürdenträger wie bei Haussa, Mossi und anderen Völkern nach Osten und Südosten, bis zu den Bakuba etc. Der Herrscher war nur umgeben von seinen Barden, den Hofsängern, die ihm lobsangen und Speichellecker waren. Galt es nun eine wichtige, ernste Sache zu besprechen, so wandte sich der Machthaber nicht an diese Dialli, sondern an die - Numu. Mit denen beriet er. Deren Rat hörte er.

In verschiedentlichen Zeremonialhandlungen, die nicht mit Naina und Komma zusammenhingen, spielten die Numu die Rolle hauptsächlicher, einzig entscheidender Akteure. Da ist zum Beispiel das Gottesgericht Dabakung, in dem eine uralte Hackenklinge ausschlaggebend ward über Schuld oder Unschuld eines der Lüge, des Diebstahls, des Totschlags, des Mordes oder anderer Verbrechen Angeklagten. Derartige rechtsentscheidende, uralte Hackenklingen gab es im Lande auch früher sehr wenige, heute wohl nur noch ganz vereinzelte. Natürlich waren sie stets im Besitze einer Numufamilie und der Fürst oder Dorfchef, der solches Instrument zur Rechtsentscheidung benötigte, mußte oft weit fortsenden und schwere Entschädigung resp. hohen Sold an den Besitzer zahlen. Wer das heilige Hackeneisen herbeibrachte, mußte sehr sorgsam und vorsichtig damit umgehen. Unterwegs durfte er mit keiner Frau ausruhen. Er mußte es immer auf derselben Seite tragen. Hatte er es links aufgenommen, so mußte es in der linken Hand bleiben, und er durfte es nicht etwa auf die rechte Seite bringen. Und hatte er es anfangs rechts getragen, durfte er es unterwegs nicht etwa in die linke Hand bringen. Das Eisen war zuerst in weißen Stoff gehüllt und dann noch einmal in Ziegenhaut gewickelt.

Am Morgen, an dem die Orakel-Ordalzeremonie vor sich gehen sollte, ging der Numu schon früh in den Wald und schleppte einen tüchtigen Holzblock auf den Platz. Der König oder Bürgermeister hieß alle Welt zusammenzukommen. Das Volk gruppierte sich rundum. Vor versammeltem Volke zog alsdann der Numu alle Kleider aus und legte alles bis auf das kleinste Schmuckstückchen



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ab. Er behielt nur einen alten Baumwollappen um die Lenden als Schambedeckung. Dann zerhackte er unter Zuschauen aller Welt das Holz und entzündete endlich ein neues Feuer. Anscheinend ward dies in der Weise gemacht, daß ein stehender Pennisetumhaim in die Kerbe eines liegenden, gleichen Kornhalmes gequirlt wurde. Das nennt man: sanjo-kallata. Damit waren die Vorbereitungen getroffen. Das neu entzündete Feuer lohte um das geschlagene Holz empor.

Der Schmied wickelte erst die Ziegenhauthülle, dann den Baumwollstoff ab. Er legte das uralte Hackeisen ins Feuer. Man wartete, bis es rotglühend war. Dann sagte der Schmied: "Hier ist der N. N. Man sagt, er habe das und das getan. Zeige, ob das wahr ist. Wir wissen es nicht, denn er selbst sagt, er habe solches nie unternommen. Darum wenden wir uns an dich. Wenn er es tat, so verbrenne ihn. Wenn er unschuldig ist, dann sei in seinem Munde wie frische Milch." Der Angeklagte trat heran. Er ergriff das Eisen und Feuer und wiederholte seinerseits: "Ich bin N. N. Man sagt von mir, ich habe das und das getan. Ich bin aber unschuldig. Zeige den Leuten die Wahrheit. Wenn ich es tat, so verbrenne mich. Wenn ich unschuldig bin, dann sei in meinem Munde wie frische Milch!" Nach dieser Beschwörung führte er das Eisen an den Mund, auf die Lippen; er ward entweder furchtbar verbrannt oder aber, er ging heil und wie unberührt aus der Probe hervor. Dann führte er das Eisen noch über Gesicht und Zunge. War er unschuldig, so konnte ihm all das nichts schaden. Im übrigen wurde für den Untersuchten eine Pfeife und Tabak zum Rauchen und eine Schale mit Milch zum Trinken bereitgehalten.

Eine zweite Kultushandlung, die lediglich in den Händen der Numu lag, war das bidun-tane-lo (bei Malinke), oder biblakulang-korro (bei Bammana), das auf dem Ambos, dem tane der westlichen Malinke, dem kulang der Bammana sich abspielte und daher seinen Namen hatte. Es war eine schlimme Form der Verfluchung. Wenn einer den anderen einer Schlechtigkeit zieh oder wenn zwei sich so schwer stritten, daß sie glaubten, die Sache nur dadurch ausgleichen zu können, daß dem, der Unrecht hatte, Haus und Hof vernichtet wurden, so ward diese schwere Beschwörungszeremonie vorgenommen. Aber nur ein ganz reiner Numu, in dessen Blut kein Tropfen vom Dialli oder Horo rollte, — man sieht, nicht nur bei Horo, sondern auch bei den Numu war die Rassenreinheit eine bedeutende Sache -also nur ein reiner Numu konnte diese Handlung mit Erfolg am Montag oder Freitag vollziehen. Er legte ein Saatkorn (njanikomg, d. i. weißes Sorghum) auf den Amboß und sagte: "Wer hier Unrecht hat (also im speziellen: log, stahl, totschlug), der soll zugrunde gehen!" Jeder der Streitenden



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wiederholte darauf dieselben Worte. Dann schlug der Numu auf das Njaninkong-Korn, einmal -nicht öfter! Die Folge davon war, daß der Schuldige innerhalb drei Monaten starb, während dem Unschuldigen nichts geschah. Man behauptet allgemein, stets sei das ganze Hauswesen des Schuldigen unter der Wucht dieses Numufluches zugrunde gegangen.

Wenn ein Schuldiger solchem Unheil unter dem Druck eines schlechten Gewissens entgegensah, so nahm er einen Baumwollschurz, ging damit zu dem Numu und beichtete. Der Numu verlangte eine Handvoll von jeder Getreideart, aber auch von anderen Feldfrüchten, wie Erdnüssen, Erderbsen, Bohnen, Reis usw. War alles vereinigt, so legte der Numu den Amboß, der ihm vordem zum Fluchschlage diente, ins Wasser, fügte auf dem Boden des Hauses zusammengescharrten Staub, des ferneren alle seine Instrumente und endlich ein wenig von all den Feldfrüchten, die ihm der Reuige gebracht hatte, hinzu. Er sprach zu dem Amboß: "Hier ist der, der das und das tat, tue ihm nichts, denn jetzt hat er alles angegeben, wie er es machte!" Mit dem Wasser über dem Amboß mußte der Delinquent sich über und über waschen, und dadurch wurde er dann frei vom Fluche. Es geschah ihm nichts mehr.

Sehr interessant ist es, daß die Fane, das älteste Numuvolk, sonst gemeiniglich das weiße Huhn als Tana (Totemtier) haben; am Tage dieses Gottesgerichtes essen sie aber ein weißes Huhn.

Dann gibt es noch weitere Ordale, die in den Händen der Numu liegen. Da ist senji, der Ost-Mali und senni, der Bammana. Das ist der Gottesgerichtstrank, der hier angeblich keinerlei Giftstoffe, wohl aber Erde, die aus Gräbern genommen ist, enthält. Kein Numu darf ohne Erlaubnis des Königs solche Erde zu solchem Zwecke nutzen. Der Herrscher selbst ist es, der den Giftbecher reicht, aber der Numu ist der Zeremonienmeister. Er ist der, der die machtvollen Fluchworte spricht. Natürlich wird solches Ordal nur nach ganz schwerer Anklage gereicht und auch dann lediglich, wenn sonst keine Klarheit in eine Sache zu bringen ist. Wer das Getränk trinkt und im Unrecht ist - will sagen, falsch geschworen hat -, dem schwillt der Bauch mächtig auf. Bei solchem Meineid gibt es kein Zurück; da nutzt keine nachherige Beichte. Der Mann stirbt.

Daß die Numu vordem eine Beziehung zur heute noch einheimischen Ackerwirtschaft hatten, geht aus dem Fluche der Samenzertrümmerung hervor. Als frühere Herren des bebauten Landes, wenn jetzt auch unfrei gewordene und Unterdrückte erkennt man sie aber leicht aus folgendem Brauche: Von jedem Ackergewinn erhält der Numu des Dorfes bei der Ernte eine Abgabe. So von Fonio per Acker acht Bündel. Man nennt das numukurru. Von allen Kornfrüchten als Sanjo, Suna, Fini, Kenenge, auch Kaba je



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einen Korb voll per Acker. Es gab einen besonderen Korb für diesen Zweck in jedem Dorfe. Und wer gerade für den Numu das Deputat abmessen will, holt ihn von dem, der zuletzt den Korb zu gleichem Zwecke benutzte. Man nannte diesen Korb Numu-sagi oder auch Sumana-ke-sage. Sehr eigentümlich ist auch die versteckte Form der Überbringung dieser Abgabe. Angeblich überbringt man diese Abgabe nämlich dem Könige, aber der König und jeder weiß, daß sie für den Numu bestimmt ist. Und man kann sich darauf verlassen, daß sie dem Numu auch auf jeden Fall überwiesen wird. Oftmals, wenn in seiner Gemeinde kein Numu ansässig ist, wandert der Bauer eine Tagesreise weit mit dem Erntezins nur um diese dem Acker und der nächstjährigen Ernte günstige Abgabe an einen Schmied leisten zu können. Geschieht das nicht, so gereicht das sicher seinem Anbau zum Nachteil.

Der Numu hat aber eine Gegenleistung zu bieten, deren Entstehung uns zu einer der interessantesten Numusitten führt. Jeder Numu hat das Recht, in der Trockenzeit so viele der gambung-tung genannten (gambung = Küche, Küchenhaus, also Feuerhaus - tung = Termitenhaufen oder Köcher) kleinen Hochöfen zu errichten, als er denkt oder will, um die für seine Verschmiedungsarbeit genügende Eisenmenge auszuhütten. Gegen Ende der Trockenzeit aber ist er verpflichtet, einen besonders großen und mächtigen Hochofen zu errichten. Der heißt: barkuna-buntung. Das Eisen, das hier ausgeschmolzen wird, ist nur einem einzigen Zwecke gewidmet: es sollen daraus die Dabalu, die Hackenklingen für die Horolu, geschmiedet werden. Und der Tag, an dem dies Eisen ausgehüttet wird, ist ein ganz großer Festtag für die Numu.

Sobald der Hochofen errichtet ist, benachrichtigt der leitende Schmied, gewöhnlich der Älteste einer großen Sippe, alle die Vornehmen, die ihm Korn als Abgabe bei der Ernte gesandt haben. Er selbst aber sammelt mit allen seinen Leuten am frühen Morgen schon Holz. Von allen Seiten kommen die Horo herbei. Sie bringen alles mögliche mit: Schlachttiere, wie Hunde, Ziegen und Korn und Dolo (Bier), vor allem sieben rote Hähne. Ein guter Teil dieser Naturalien wird zubereitet und an Ort und Stelle verspeist. Der Rest fällt den Numu zu. Diese Zusammenkunft findet meistens am Sonntage, zuweilen auch am Donnerstage, das Festessen am gleichen Abende statt. Die feierliche Ofenöffnung aber erst am mohammedanischen Feiertage, am Montag oder Freitag. (Diese Zeitangaben, wie überhaupt die große Anzahl von Mitteilungen über diese Dinge verdanke ich den Malinke. Es ist sehr, sehr schwer über diese "uralten" und mit peinlicher Sorgfalt verheimlichten, zum Teil nur noch selten geübten, zum Teil ganz ausgestorbenen Sitten Auskunft zu erhalten, und es gelang mir bei den leichteren



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und klügeren Malinke viel leichter, als bei den schwerfälligeren und plumperen Bammana. Aber, wenn ich nicht sehr irre, fand die feierliche Ofenaufbrechung früher am Donnerstage statt!)

Sicher ist, daß bei diesem, dem größten Feste der Numu, niemals Dialli zugegen sein dürfen. Zwischen Numu und Dialli besteht eine klare Gegensätzlichkeit. Die Dialhi dürfen ja auch nie dem heiligen Numubund des Komma nahetreten!

Am Abend des Festessens, nach sechs oder sieben Uhr, bringt jeder Vornehme, vom König anfangend, bis zum ärmsten Horobauern herab, einen Strohhalm herbei. Wer nicht kommen kann, sendet seinen Strohhalm durch einen Freund. Der legt dann zwei Halme vor und sagt: "Der Halm hier ist für mich und jener für den N. N., der nicht selbst kommen kann." Der Oberschmied vereinigt alle Halme zu einem Bündel; er tritt an den Hochofen. Er sagt: "Alle Menschen verdanken uns alles. Sie verdanken uns" (dann zählt er die acht oben schon erwähnten Lebenswohltaten auf und das alles spricht er in schöner Rede) . . . Er tötet sodann die sieben roten Hähne. Sie werden verspeist. Aber keiner, der nicht reinen Blutes ist, darf davon essen. Die Federn dieser Hähne werden mit Blut auf Töpfe geklebt, die mystischer Bedeutung und magischer Wirkung sind. Die Töpfe werden an langen Stangen rund um den Hochofen aufgehängt. Dann erst wird mit dem Bündel der beigebrachten Strohhalme der Ofen entzündet.

Die nun folgende Nacht vom Sonntag zum Montag (oder auch vom Donnerstag zum Freitag) heißt: numu-katenne-su oder numuluka-arajuma-su. Es ist eine schreckensreiche, von Spukgestalten belebte Nacht. "Der" Komma, an zehn oder fünfzehn Riesenmasken gehen um und halten widrige "Kräfte" fern, aber walten auch als Richter. Wenn ein König sehr schlecht war, ungerecht und willkürlich, vor allem ein Unterdrücker der unteren Kasten, zumal der Numu, so konnte er früher durch die Numu in dieser Nacht abgesetzt werden. Außerdem hatten die Numu in dieser Nacht die Macht, mit ihren magischen Fähigkeiten alle Widersacher zu töten.

Während zweier Tage brennt der Ofen. Dann muß der Eisenfluß gelungen sein. Man zerbricht ihn, um die Eisenluppen herauszuziehen. Die Schmiede haben einen Graben ausgehoben und mit Wasser gefüllt. Dahinein wird das Eisen geworfen, um es zu kühlen. Jeder Anwesende sucht ein wenig von dem aufkochenden Rest des bei der mächtigen Glut verdampfenden Wassers für sich zu retten, um sich damit zu waschen. Denn das Wasser gilt als ein starkes Zaubermittel.

Von diesem Eisen werden alsdann durch die Schmiede alle im Gebiet für die Horo notwendigen Hackenklingen geschmiedet. Und



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die Horo brauchen hierfür nichts zu bezahlen. Ist dieser Verpflichtung nachgekommen, so kann der Schmied von dem "heiligen" Eisen dieser festlich begangenen Verhüttung noch eiserne Armbänder machen, sog. sarka-nege, die als Zaubermittel oder Amulette sehr beliebt sind. Den Rest oder einen Rest dieses Gusses muß er aber auf jeden Fall bis zum nächstjährigen Festguß aufbewahren. Denn es muß stets etwas von diesen heiligen Eisen im Hause bleiben. Ist wieder eine neue Luppe gewonnen, dann erst kann der Rest des Vorjährigen zu Amulettringen verarbeitet werden.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich übrigens noch einiges über die Arbeitstechnik, Verhüttung usw. einfügen. — Wenn der Lehmofen aufgebaut war, so legte man auf den Boden ein wenig glühende Kohlen; dann mauerte man die zunächst offengelassenen Türen zu, ließ aber Raum für die Pfeifen, die für Luftzufuhr, zum Einblicken und zum Stochern mit Bambusstangen bestimmt waren. Man warf von oben - zu dem Zweck waren die gemauerten Leitern da - auf die glühende Kohle sechs große Körbe voll Holzkohle, dann sechs kleine Körbe voll roten Eisenerzes. War das etwas heruntergebrannt, so folgten von oben zwei große Körbe guter Holzkohle, zwei kleine Körbe mit Eisenerz usf. — Die Numu pflegten ihr selbst ausgehüttetes Eisen auch selbst zu verarbeiten. Die Luppen wurden sehr selten verhandelt, eher schon Axt- und Beilklingen. Die Arbeit war eine ähnliche wie ich sie später bei den Bassari und Transkarastämmen näher kennen lernte. Mit einem Timballikurru, einem schweren Eisenhammer, wurde die negekallang genannte Luppe zertrümmert. Dann wurde Lehm geballt, und zwar in Plattenform zurechtgeknetet; war eine Hacke beabsichtigt, so ward sie rund und man drückte mit Holzform einen tellerartigen Eindruck hinein; war ein Beil beabsichtigt, so ward sie lang-rechteckig gestaltet und man machte den Eindruck wie einen kleinen Federkasten hinein. Die so gebildete Ausschälung ward mit Stückchen der zerschmetterten Luppe gefüllt, und dann mußte, solange die Lehmform noch feucht war, ein Lehmdeckel darauf gesetzt werden. Der so mit Eisen gefüllte Lehmblock ward in die Sonne zum Trocknen gelegt. Vor großen Schmieden konnte man 25, ja 50 solcher Lehmplatten in der Sonne trocknen, ihren Eiseninhalt der Verarbeitung harren sehen. Wenn trocken, kam die Lehmplatte ins Feuer. Mit der Baja (Zange) nahm der Schmied, wenn der Lehm abgefallen und das Eisen verschweißt war, die rohe Form aus dem Feuer. Auf dem Tane (Amboß) verrichteten Fuluma resp. Mantargi (das sind Eisenhammer mit Holzgriff) oder Schimbondingu (Eisenhammer) das Werk. Eisengeld fehlte den nördlichen Mande.

Nun noch eine Reihe von Einzelangaben. —Über den Schmieden sah ich einen schwarzen Vogel mit brennend rotem Kopfe und



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Brust, zu mehreren Exemplaren getrocknet, aufgehängt. Das ist insofern wichtig, als bei den Bata Mawa in Nordtogo und bei Adamauaschmieden genau das gleiche beobachtet ward. Eine kleine, aber desto bedeutsamere und auffallendere Sitte, denn von Kayes bis nach Adamaua ist eine Entfernung von ca. 2500 km. — Die Vögel scheinen überhaupt eine große Rolle bei den Numu zu spielen. Oben sahen wir die Beziehung zum "weißen Huhn-Tanna". Der rote Hahn tritt oft auf. Komma, ihr wichtigster Geheimbund, bedeutet den Kronenkranich. Außerdem: Ihr wichtigster Gesang fängt an mit den Worten: "Jiran-fa-tuma; jira ist für mich unübersetzbar; fa heißt der Vater oder der Narr; tuina =die Stunde; dann fährt er fort mit dem Anruf der beiden Vögel Jambatubu (die eine kleine, grüne tututu-rufende Straßenvogelart sind) und Naganaga (der Schwalbe); beide sind den Schmieden heilig und besonders der erstere gilt als feuerschützend.

Man redet den arbeitenden Schmied mit "Ani Bara" an, was so viel zu heißen scheint als: "Ihr seid bei der Arbeit." Aber unter sich begrüßen die Schmiede sich als Numu-fing, d. h. also als schwarze Menschen. Alle anderen Leute sehen die Numu als hellfarbig an, sich selbst aber als die einzigen Dunkelhäutigen. Das ist über alle Maßen wesentlich - denn dadurch belegt die Kaste anscheinend selbst den einstigen Rassenunterschied, wenn sich das fing = schwarz nicht auf den Ruß bezieht, denn heute sind die Schmiede nicht einen Deut dunkler als andere Malinke oder gar Bammana. Im übrigen sind sich alle Numu darin einig, ihren Ursprung von "Dumfaila" abzuleiten. Das scheint keine Dialliweisheit zu sein, sondern Numuerinnerung. Ob der Name ein Land, ein Volk, einen Menschen bedeutet, das wissen die Numu nicht.

Die Numu arbeiten prinzipiell nie am Sonntage, und das hat mit etwaigen neueren Missionseinflüssen nichts zu tun.

Eine große Zeremonie ist es, wenn ein alter, ehrwürdiger Numu begraben werden soll. Man bringt die Leiche nicht vor dem dritten Tage unter die Erde und erhält sie so lange in einem leidlichen Zustande, indem man sie mit Wasser bespritzt, in dem Segi mit Kohle aufgekocht wird. Acht Tage lang aber feiert man. Alltäglich werden aus allen vier Himmelsrichtungen Blätter geholt und an zwei Stellen Westen und Osten des Gehöftes aufgeschichtet. Wenn die Leute mit den Büscheln kommen, jauchzen ihnen die Dorffrauen entgegen. Während der acht Tage geht allnächtlich der Komma um. (Der Komma wirkt also bei allen Numufesten: Beschneidung, Tod eines Numu, Hochofenfest!) Es werden Tänze aufgeführt. Eine Daba, und zwar ein großes Hackenblatt, wie die Numu es benutzen, liegt da bereit. Damit tanzen die Schmiede. Geschickte werfen sie in die Luft und wissen sie dann zwischen gespreizten Zeige- und



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Mittelfingern oder auch mit dem Nacken aufzufangen, ohne daß das Eisen sie verwundet. Es werden von den Schmiedeleuten im Wechselgesange folgende Verse gesungen:

Sege ne sirima,
Tunga in maramu,
Numu tumbere dingo,
Nabaja bambu(e) dingo.

Aber was diese Worte bedeuten, wußte man nicht zu sagen. Ein archaistisches Wort ist auch folgendermaßen angewendet. Wenn einer von der Reise nach Hause kommt, nicht weiß, was daheim sich ereignet, und nach einem inzwischen verstorbenen Numu fragt, sagt der befragte Numu als Antwort: "Lilimansa." Das soll soviel heißen wie "unter der Erde" (mansa = König). Aber niemand kann den Sinn angeben.

Im übrigen dürfen die Numu sonst nicht ohne bestimmte Genehmigung tanzen. Wie das bei den nördlicheren Stämmen ist, werden wir nachher sehen.

Beachtenswert ist, daß bei allen Stämmen Senegambiens und des Niger bei Timbuktu und bei den Mossi die Köpfe sämtlicher Schlachttiere den Numu zufallen, wie man ihnen wohl auch überall bei Gelegenheit einer Hochzeit eine Ziege schenkt.


Copyright: arpa, 2015.

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