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Kapitel 

SPIELMANNS GESCHICHTEN DER SAHEL

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1921

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



Atlantis Bd_06-0004 Flip arpa

MIT EINER KARTE DER SAHARA UND

EINER BILDERTAFEL / TITEL- UND

EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE


Die Volksschichten

Es sind Hunderte und Tausende von Völkersplittern und Völkertrümmern, die sorgsam durcheinandergemengt über die Westsahel und den Westsudan hingestreut sind wie eine Kiesdecke. Unter ihnen findet der Ethnograph das, was den Afrikanern sonst allgemein zu fehlen pflegt, "Geschichte", gute, zum Teil klar dozierende Überlieferungen in Fülle, dem Anschein nach ein Dorado des Forschers, und doch haben an diesen Stoffen zunächst alle Forscher mit Weisheit und Geist Schiffbruch gelitten, weil ihrer so unendlich viel Sandkörner im Kies sind. In der Tat gibt es eine solche Menge von Rassen, Kasten, Stämmen, Familien, Reichen, Gruppierungen, daß ein Durchkommen durch diesen Wirrwarr einfach ausgeschlossen ist, wenn wir mit den Fragen nach den Differenzierungen der Rassen und Stämme und geschichtlichen Überbleibseln anfangen. Wir wollen also den Anfang da machen, wo eine hübsche Übereinstimmung herrscht: im Kastenwesen.

Ich sehe zunächst alle Westsahelen als "eins" an, eine Schicht, ein Produkt, einen Charakter, eine einheitliche Wesenheit. Nicht lange braucht man nach einem wesentlichen Beleg für diese Übereinstimmung zu suchen. Der Ausdruck ist dadurch gegeben, daß sie alle die gleiche Kasteneinrichtung haben. Diese Kasten sind nicht allerorts derart versteinert wie bei den alten Indern, vielmehr sind sie noch recht beweglich. Ein Kriegsunglück kann eine Familie der Vornehmen oder Adligen, wenn der siegreiche, vielleicht barbarische, kulturarme Feind einfällt, zu Bauern oder Handwerkern machen, die alterworbene und langbewahrte Kulturkunst nunmehr im Dienste eines Siegers üben müssen, der zwar kein Tyrann ist, dessen Zufriedenheit zu gewinnen aber oft schwer genug sein mag. Während aber das Kriegsglück einen Stammesteil unterwirft und unfrei macht, zieht ein zweiter gewarnt von dannen, erobert ein neues Stück Land, in dem der "Stärkere" ihm nicht auf den Fersen sitzt und wird hier doppelt Herr; ein dritter aber versucht weder das unzuverlässige Kriegsglück, noch mag er auswandern; er bietet sich als Höfling und Dienstmann an und wird ein Dialli. So wechseln die Stämme und sogar Sippen bruchstückweise die Heimat, den Namen und die Kaste, und das ist der Grund der Buntfarbigkeit des westlichen Sudan.

Die einfachsten Bezeichnungen siehe umstehende Seite.

Indem ich diese genauen Bezeichnungen gebe, möchte ich gleich betonen, daß die volkstümlichen Ausdrücke der Westsahelen nicht überall so genau begrenzen, sondern daß vielmehr der Volksjargon den Stamm oder die ursprüngliche Sippe einfach als Diamu,* die



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Familie als Mbadi und die Kaste als Schi (oder Kabila) bezeichnet. Diese drei wohl überall verstandenen Abkürzungen werde ich auch häufig anwenden, betone aber, daß sie trotz ihrer Ublichkeit nicht allzu schöne Ausdrucksweisen darstellen.

bei heißt Stamm Familie Kaste
Wolof . . . . santa: domandai: lodon:
Pl.: santaja Pl.: domdeji Pl.: lungendon
Malinke. . . idiamo: mbadingu: issio:
Pl.: diamolu Pl.: mhadingulu Pl.: issiolu
Marka. andiamo: mareme: dambe:
Pl.: diamunu Pl.: marennu Pl. dambu
Fulbe . . . . jatode: mbandirado: lenjol:
Pl.: jatodemodon Pl.: mbandirabe Pl. ledji
Bammana . djamu: mballima: ischi:
Pl.: djamulu Pl.: mballimalu Pl. schilu

Gehen wir nun zur Beschreibung der ersten Kaste über, der dann eine Aufzählung der anderen, tieferen Schichten folgen mag.


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