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Kapitel 

DICHTEN UND DENKEN IM SUDAN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1925

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT EINER KARTE UND EINER TAFEL

7. Sunjatta in der Verbannung

Das Kengebugurilala hatte zu Sunjatta gesagt: "Zunächst gehe hin und verstecke dich im Lande Merna." Faran Tungara, der



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erste Tungara von Merna, war an einer Kette vom Himmel gestiegen. Ihm folgte Farambram oder Brain Tungara, diesem Mene Tungara, diesem Menemene Tungara, diesem Kundu Tungara. Zu jener Zeit herrschte Farambram, der erste Nachfolger Faran Tungaras. Zu ihm kam Sunjatta und vertraute sich ihm an. Er sagte: "Ich komme mit meinen Angehörigen zu dir, weil ich in Mande die Subaga und meine Verwandten fürchten muß." Zunächst blieb er in diesem Lande.

In das Mandeland fiel damals Susu Sumanguru ein. Sumanguru, der König der Susu, hatte seinen Namen, weil er von zwei Müttern geboren worden war. Seine beiden Mütter hießen Sansu und Dabi. Als diese schwanger waren, war die eine es immer tagsüber, und die andere immer nachtsüber und dafür die eine zu dieser Zeit nicht trächtig. So wechselten sie immer ab. Nachts verließ der Knabe den Mutterleib und lief im Hause herum. Aber die Frauen konnten das Kind nicht gebären. Da wandten sie sich an das Orakel und fragten, was dazu tun sei. Das Orakel antwortete: "Stellt in dem Zimmer, in dem die beiden Frauen Sansu und Dabi schlafen, einen großen Holzmörser auf, wie ihr ihn zum Stampfen gebraucht. Dann wartet ab, was sich ereignen wird!" Wie das Orakel es angab, so wurde im Hause der beiden schwangeren Frauen ein Holzmörser aufgestellt. Wie immer schlüpfte in der Nacht Sumanguru aus dem Mutterleibe und lief umher. Nachher wollte er in den Leib der andern Mutter zurückkehren, er traf aber auf den Holzmörser und setzte sich in den Mörser. Beide Frauen saßen dabei aufrecht im Bette, auch entfloß beiden Blut wie bei der Entbindung, was man Ulodjoli (Ulo = sich legen; djoli = Blut) nennt. Darauf sagten die Leute: "Sansu und Dabi haben geboren." Sie nannten den Knaben Susu Sumanguru und erzählten von ihm, daß er zwei Mütter habe. Die beiden Mütter stritten aber miteinander. Sansu sagte: "Er ist mein Sohn." Dabi sagte: "Er ist mein Sohn." Sie stritten sich hin und her. Sumanguru wurde groß und stark. Wenn Sunjatta von ihm hörte, sagte er: "Es wird sich niemand mit Sumanguru schlagen können."Sumanguru aber sagte: "Niemand kann Sunjatta widerstehen."

Susu Sumanguru wurde groß und begann seine Kriege, als Sunjatta in Merna weilte und in Mande Mansa Dangaratuma herrschte. Er begann den Krieg gegen Mande, fiel in das Land ein und eroberte einen Teil nach dem andern. Es weilte noch eine kleine Schwester Sunjattas im Lande, namens Sigassuko. Sumanguru taufte sie um und nannte sie Taffesiga (Ta-Feuer, fe-blasen, Siga ist



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der Name. — Die Massari nennen die Frauen Siga, die Männer Keita). Er packte fernerhin Balla Fasege Kuate, den Sänger. Massa Dangaratuma floh und kam mit seinen Leuten in das Land Nkissi (Nkissi heißt "Wohlbefinden"). Da ließen sie sich nieder, und es entstand das Volk der Nkissi. Mande verfiel, und die Leute sagten: "Wenn Sunjatta nicht bald zurückkehrt, ist Mande für immer verloren." Andere sagten: "Man soll Sunjatta rufen." Andere aber sagten: "Wie sollen wir Sunjatta finden?" Sie dachten nach und einige sagten: "Alle Mali essen für ihr Leben gern Sirabulu (Sirablätter), die es in keinem andern Lande gibt. Nun soll man Sirabulu auf alle Märkte senden und ausrufen: "Sirabulu, Sirabulu!"Sogleich werden Sunjatta und seine Leute herbeikommen und die Blätter kaufen wollen. Daran erkennt man sie und kann ihnen die Botschaft berichten. Das schien allen gut, und man sandte die Leute aus. Susu Sumanguru hörte aber davon und ließ eine Last Gold bereiten. Er sandte diese Last an Farambram und ließ ihm sagen, er solle Sunjatta töten lassen. Farambram liebte über alle Maßen das Siggispiel, ein Spiel, bei dem es darauf ankommt, auf welche Seite die ausgeworfenen Eisenwürfel fallen. Er rief Sunjatta zum Siggispiele, schüttelte das Eisen in der Hand und sagte: "Wenn mir jemand seinen Vater gibt, daß ich ihn töte, so töte ich ihn. Wenn mir jemand seine Mutter gibt, daß ich sie töte, so töte ich sie. Wenn mir jemand seine Verwandten gibt, daß ich sie töte, so töte ich sie." Mit diesen Worten warf er. Sunjatta ergriff das Eisen, schüttelte es in der Hand und sagte: "Wenn dir jemand eine schlechte Arbeit gibt und Gold, so laß die schlechte Arbeit und laß das Gold." Mit diesen Worten warf er. Sunjatta gewann.

Sunjatta und sein jüngerer Bruder Simbombatangajagati waren einmal auf der Jagd nach wilden Büffeln und von Merna abwesend. Da kamen die Mandeboten und hielten die Sirabulu laut rufend feil. Killikillimadjumasuko ging über den Markt. Sie hörte die Rufe und ging hin. Sie nahm die Sirabulu in die Hand und sagte: "Das sind Blätter aus meinem Lande." Sie fragte die Leute: "Woher kommt ihr?" Und sie antworteten: "Wir kommen aus Mande." Sie fragte die Leute: "Weshalb reist ihr im Lande umher?" Da sagten sie: "Wir suchen Sunjatta. Wir wollen ihn zurückrufen. Wenn er nicht kommt, wird das Mandeland zerfallen."Killikillimadjumasuko sagte: "Ich will euch das Haus Sunjattas zeigen. Kommt mit mir." Sie führte die Boten in das Haus und sagte: "Ich werde euch sogleich etwas Essen bereiten." Sunjatta und sein Bruder hatten inzwischen



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neun Büffel erlegt. Die Schwester wußte das (infolge ihrer Zauberkräfte). Sie zog die Herzen und Lebern aus den neun Büffeln, ging nach Merna und machte daraus für die Boten ein Gericht. Das setzte sie den Männern vor. Im Busch schnitten die beiden Jäger den ersten Büffel auf. Sie fanden kein Herz, keine Leber darinnen. Simbombatanjagati sagte: "Was ist das? Hier ist keine Leber, kein Herz?" Sie schnitten alle Büffel auf. Es war in keinem ein Herz, in keinem eine Leber. Sunjatta sagte: "Das hat unsere Schwester Killikillimadjumasuko getan. Es ist sicher ein Bote gekommen, dem sie ein gutes Essen vorsetzen wollte." Die beiden Brüder machten sich auf den Heimweg. Vor den Toren trafen sie die Schwester. Simbombatanjagati schlug die Schwester ins Gesicht, daß ihr Kleid zerriß und sagte: "Was hast du mit den Lebern und den Herzen unserer Büffel gemacht?" Die Schwester sagte: "Du hast mich beleidigt."

Killikillimadjumasuko sagte zu Sunjatta: "Es ist eine Botschaft aus Mande gekommen. Susu Sumanguru ist ins Land gekommen, hat den König verdrängt, und jetzt zerstört er es. Die Leute aus Mande lassen dir sagen, wenn du nicht bald kämst, würde das Reich vollständig zerstört werden. Die Leute sind gekommen, dich zurückzurufen." Sunjatta sagte: "Ich kann jetzt nicht dahin zurückkehren, denn meine Mutter ist alt und kann den weiten Weg nicht mehr zurücklegen." Sugulunkurmang sagte: "Du willst mein Leben nicht für eine ungewisse Sache auswerfen. Deshalb gehe hin und schwöre, daß du mein Leben nicht für nichts hingeben willst, daß du nicht etwas Unsicheres unternehmen willst. Wenn du König werden wirst, so werde ich sterben. Wirst du nicht König, so werde ich am Leben bleiben."Sunjatta ging aus der Stadt und in den Busch. Er schwor: "Ich schwöre, daß ich nicht fortgehen werde, wenn ich nicht König von Mande werde."Sunjatta ging aus dem Busch wieder nach Haus, und als er heimkehrte, war seine Mutter gestorben.

Darauf ging Sunjatta zu Farambram und sagte: "Meine Mutter ist gestorben, ich will sie begraben." Der König sagte: "Du kannst deine Mutter begraben, du mußt aber das Land und die Erde kaufen, um darin Sugulunkurmang zu begraben. Tust du das nicht, so mußt du ihre Leiche zurückführen bis Mande."Sunjatta fragte: "Was kostet die Erde ?" Farambram sagte: "Land und Erde kostet Mutukaili (hundert Gramm Gold)." Sunjatta sprang auf und sagte: "Ich werde dir das Land und die Erde bezahlen, damit ich meine Mutter begraben kann." Er ging hin und brachte das Geld auf; dann tat er aber in eine Kalebasse eine Feder von einem Perihuhn, eine Feder



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von einem Feldhuhn, ein kleines Stück einer zerbrochenen Kalebasse, ein kleines Stück eines alten zerbrochenen Topfes, eine eiserne Gewehrkugel, denn damals kamen die ersten Gewehre auf (da die Tradition Vorgänge aus dem Anfange des dreizehnten Jahrhunderts schildert, so muß die Einschiebung der Verwendung von Gewehren eine ziemlich späte sein). Diese Dinge tat er in eine Kalebasse und sandte die mit dem Gelde zusammen zu Farambram.

Als Gold und Kalebasse ankamen, saßen die drei alten Weisen bei dem Könige. Er fragte sie: "Was ist denn das in dieser Kalebasse?" Die drei Weisen waren Kemoro-kubelong (der alles kennt), Kemoro-kubakurosi (der alles merkt und versteht) und Kemoro-komabefu (der alles sagt und verkündet). Als der König so gefragt hatte, beugte sich Kemoro-kubelong über die Kalebasse, blickte hinein und sagte: "Ng!" Kemoro-kubakurosi beugte sich vor und sagte: "Ich weiß es!" Kemoro-komabefu aber hob den Kopf und sagte: "Die Stücke einer zerbrochenen Kalebasse sollen bedeuten, daß Sunjatta einstmals wieder nach Merna kommen und das Land dann zerbrechen könne; das Stück eines zerschellten alten Topfes soll sagen, daß Merna zerspringen würde wie ein morsches, altes Gefäß; die Feder eines Perlhuhns und die Feder eines Feldhuhns sagen, daß die wilden Tiere ihre Nahrung in den Ruinen Memas suchen werden; die Gewehrkugel sagt, daß deine Leute unter diesem Geschosse fallen und auseinandergetrieben werden." Als Kemoro-komabefu das gesagt hatte, schob Farambram das Gold und die Kalebasse zurück und sagte zu Sunjatta: "Ich will nicht dein Gold. Nimm dein Gold und bestatte deine Mutter. Du brauchst die Leiche Sugulunkurmangs nicht in das Land Mande zurückzutragen." Da bestattete Sunjatta die Leiche seiner Mutter und sagte: "Nun will ich in mein Land zurückkehren."


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