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Kapitel 

DICHTEN UND DENKEN IM SUDAN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1925

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT EINER KARTE UND EINER TAFEL

4. Die geschichtlichen Überlieferungen der Leute aus Bingo oder Fada Gurma

Die historische Vergangenheit der Stämme von Bingo oder Fada-Gurma beansprucht ganz besonderes Interesse, denn sie stellt



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den Übergang zwischen den Mossi und den Ostsonghai dar. So war es mir denn eine große Freude, als der Administrateur der französischen Station Fada-Gurma meiner Bitte Raum gab und mir einige alte, in der Geschichte wohlbewanderte Leute zu Studienzwecken nach Wagadugu sandte. Später konnte ich selbst noch einiges im Mobalande hören und endlich hatte auch Hauptmann Mellin die Freundlichkeit, den auf deutsches Gebiet entflohenen König von Pama abzuhören. Wie nachgehend an der Hand des Stammbaumes gezeigt werden wird, entsprechen meine in Wagadugu gesammelten, und die von Hauptmann Mellin in Mangu gesammelten Stammbaumangaben einander vollkommen.

Die Bingoleute Gurmas nennen sich selbst Binumba (Sing. Bina) und berichten von ihrem Ursprunge folgendes:

Djaba, der erste Mensch, fiel vom Himmel zur Erde herab. Damals war die Erde noch weich, und so drückten sich seine Glieder tief in die Erde ein. Man kann diese Stelle heute noch sehen. Otiennu, das ist Gott, sandte noch andere Menschen alidort herab, und so ward das Menschenvolk. Vor allen war aber Djaba der erste. Als er kam, hatte er seine Kalebasse bei sich. Er verließ den Platz, an dem er herniedergekommen war, und baute sich andern Ortes an. Da errichtete er Häuser. Aber jener Ort des ersten Herniederkommens wird heute noch heilig gehalten. Er heißt Lompodenni und liegt etwa vier Tagereisen nördlich von Fada-Gurma. Kein Mensch darf daselbst seinen Acker bauen. Bis vor kurzer Zeit (die heutige Landeshauptstadt ist ein wenig weit entfernt und so hat man den Brauch aufgegeben) wurden daselbst große Opfer dargebracht und viele heilige Zeremonien abgehalten. — Djaba gilt auch als erster Gesetzgeber und Ordner. An dem Tage, da er herniederfiel, sagte er: "Meine Leute sollen nicht Usuano (Vampyrmenschen, in Mande Subaga) werden. Sie sollen auch nicht Djondjonne (Diebe) sein." Fernerhin sagte er: "Bis heute sind es nicht viele Menschen. Aber es werden deren sehr, sehr viele werden. Ihr sollt andere Völker bekriegen, aber unter euch sollt ihr immer Frieden halten." Im Anfange bestellten die Binumba nicht den Acker. Djaba und seine Leute gewannen Korn, Vieh, Frauen und Kleider nur durch Kriege. Die Vornehmen sind bei dieser Lebensweise geblieben und lassen heute noch die Sklaven arbeiten, selbst nichts anderes tuend als befehlen.

Eines Tages wurde Djaba krank. Er war sehr lange krank und starb endlich. Man packte ihn auf ein Pferd und führt ihn so ans Flußufer, wo der Strom eine große Höhle in den Felsen gefressen hatte. Ein Pferdejunge führte das Pferd mit der wertvollen Last dahin. Der Junge kam nicht wieder. Man weiß nicht, wo Leiche, Pferd und Pferdejunge geblieben sind. Auch kennt man die Stelle nicht



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mehr, an die die Leiche gebracht war. Nur erinnert man sich noch recht genau der Einkleidung der Leiche. Es war ein Stier getötet, seine Haut abgezogen und dahinein die Leiche gehüllt worden. Darauf hatte man sie auf einen Pferdesattel gesetzt und ihr ein weißes Gewand umgehängt, so daß es war, als wenn ein Lebender ritte. Auf dem Pferdesattel war er festgebunden und fortgeführt.

Ihm folgte sein ältester Sohn Tidafo oder Tidabo. Man betrachtet ihn, glaube ich, als den ersten König von Fada-Gurma. Der Sohn dieses Obato (Obato soll das alte Wort für König sein) ging nach Gambakka. Er gewann viele Anhänger, indem er an tapfere, aber arme Leute Kleider, Pferde und auch wohl ein Weib vergab. Als er so ein starkes Gefolge beisammen hatte und eines Tages von einem Großen, namens Djamfallama, hörte, versammelte er die sorgsam gewonnenen Freunde, überfiel jenen und zerstörte dessen Markt. Djamfallama war der Herr eines Kanibalenvolkes, das weit im Süden, weit südlicher als Djuggu oder Dsuggu (Wangara) wohnte. Möglicherweise ist dieser Name aber nicht der eines Königs, sondern der eines Volkes. Nach diesem Kriege lebte er außerordentlich friedlich. Ihm folgte sein Sohn Untani.

Von dem Obato Untani erzählte man sich sehr merkwürdige Sachen. Er soll ein riesengroßer und grausig starker Mann gewesen sein. Er hatte die Gewohnheit, am Morgen Pfeil und Bogen zu nehmen und auf die Jagd zu gehen. Gemeiniglich erlegte er einen Elefanten, und von dem verspeiste er dann die Hälfte. Er war so stark, daß er einen Elefanten auf dem Kopfe zu tragen vermochte. Über den Arm gestreift trug er einen Litandi genannten Steinring, der war von so mächtigem Umfange, daß ihn kein gewöhnlicher Mensch über den Arm zu streifen vermochte. Ähnliche Steinringe werden übrigens heute noch in Billanga hergestellt. Untani war nur Jäger und führte keine Kriege. Von seinen Jagden aber werden ganz erstaunliche Sachen erzählt. So sollte er eines Tages einen Elefanten lebend fangen. Er packte ihn an einem Zahn. Er hielt ihn fest. Unter dem Sträuben des Elefanten brach das Elfenbein. Der Zahn blieb in der Hand Untanis, und der Elefant lief von dannen.

Ihm folgte sein Sohn Banjiroba, der war im Gegensatz zu seinem Vater außerordentlich kriegerisch. — Leider brach an dieser Stelle die Geduld meiner Legendenerzähler ab. Ich mußte froh sein, die historischen Angaben schon vorher verzeichnet zu haben.

Indem ich hier den Stammbaum mit der Angabe der Gebietseinnahme wiedergebe, betone ich, daß in Gurina, ebenso wie im alten Mossi jeder Herrscher eine neue Provinz aufgesucht zu haben scheint, die sein Sohn (vielleicht als Kurita) besiedelte.



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Mellins Reihe,
Die von mir in Wagadugu aufgenommene aufgenommen
Reihe in Sansanno Mangu
1. Djaba, lebte in Lompodenni. Siehe oben. Fehlt
2. Tidafo oder Tidabo, sandte seinen Sohn nach Tiderpo
Gambakka. Nachkommen sollen heute
noch im Dorfe Madjoali wohnen.
3. Untani sandte seinen Sohn nach Tenkodugu. Untah
Nachkommen sollen noch in Piete oder
Piedo wohnen.
4. Bairoba sandte seinen Sohn nach Bulsi oder Banyidoba
Bulsena. Nachkommen sollen heute noch
in Konguaung wohnen.
5. Labetieto sandte seinen Sohn nach Bilanga. Labedeto
Nachkommen sollen noch in Toboga wohnen.
6. Tedi Utueteba sandte seinen Sohn in das Tantodeba
Land Djaforri, d. i. die Gegend von Sansannu
Mangu. Die Leute nennen ein Dorf
"Kankambo". Sollte das das Konkombavolk
sein? Jedenfalls ward dieser Sproß
Djaforrinaba genannt. Nachkommen sollen
noch in Sabodaga wohnen.
7. Tokurum sandte seinen Sohn in das Land Takurmu
Boko, das westlich von Fada Gurina liegen
soll. Nachkommen sollen noch in Jirine
leben.
8. Nima sandte seinen Sohn nach Janga zwi- Nyima
sehen Tenkodugu oder Pama. Wohl gleichbedeutend
mit Sanga. Nachkommen noch
in Nagali.
9. Bogali sandte seinen Sohn nach Gajelli, das Goli (offenbar
zwischen Fada-Gurma und der französi- mit dem Fol.
sehen Nigerortschaft Njame gelegen ist. genden ver-Nachkommen
noch in Logobu. tauscht)
10. Goli sandte seinen Sohn in die gleiche Rich- Borle (offenbar
tung nach Boti oder Botu, das auch nach mit dem Vor-Njame
oder Niamey hin liegt. Nachkom- hergehenden
men noch in Kinde-komu. vertauscht)
11. Kambambi sandte seinen Sohn nach Kallungu Kambamba
oder Djallungu, das in gleicher Gegend
liegen soll. Nachkommen noch in Tanga.



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Mellins Reihe, Die von mir in Wagadugu aufgenommene aufgenommen Reihe in Sansanno Mangu
12. Tantjalli oder Tankjalli sandte seinen Sohn Tantyall
nach Kantamballi, das in gleicher Gegend
liegen soll. Nachkommen noch in Bjau.
13. Lessuangi sandte seinen Sohn nach Se-dani, Yesonge
das nahe Fada-Gurma liegt. Nachkommen
noch in Djemu.
14. Jendabelli sandte seinen Sohn nach Kualla, Yendabli
einer Landschaft, die südlich Doris liegt.
Nachkommen noch in Njambi.
15. Jembillima sandte seinen Sohn nach Dsuggu Yembilmq
oder Djuggu im Borgugebiet. Nachkommen
noch in Guellesaga.
16. Bau gama sandte seinen Sohn nach Boanganti, Bangama
einer Landschaft, die auch nach Don-Liptako,
aber weiter als Bilanga gelegen
ist. Nachkommen leben noch in Guarna.
17. Jengama sandte seinen Sohn nach Naga, das Jengama
in der Richtung auf Djuggu in Borgu, und
zwar in den Bergen gelegen ist. Nachkommen
noch heute in Tamonsa.
18. Jenkirrima sandte seinen Sohn nach Koba, Yenkilma
das in der Gegend von Naga liegen soll.
Nachkommen noch heute in Odju.
19. Jenkabilli sandte seinen Sohn nach Tjaung- Yentyable
batu oder Tschaungbatu (Batu-Land), das
wieder in der Richtung auf Don zu liegt.
20. Jempabo sandte seinen Sohn nach Jambi, das Dyempabu
in der Richtung auf Bussuma zu liegt.
Nachkommen heute noch in Namudjungu.
21. Jampatogo sandte seinen Sohn nach Jen- Dyabampadegu
quam, einem Ort, der zwischen Wagadugu
und Fada-Gurma liegt. Nachkommen leben
heute noch in Kongimadu.
22. Jonkuoli sandte seinen Sohn nach Namum, Dyenkoli
einem Lande (daher Namumbatu), das
einen Tag östlich von Fada-Gurma liegt.
Nachkommen noch in Kuoli oder Kuali.
23. Bansanti, heutiger Machthaber von Fada- Baniyanti
Gurina.



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Ich möchte nicht unterlassen darauf hinzuweisen, daß die sämtlichen Ortschaften oder Länder, in die die Söhne "gesandt" wurden (vielleicht soll es auch heißen, daß sie da geboren wurden, daß also die Väter dort ansässig waren), in einer bestimmten Gegend liegen. Sie nehmen nämlich nach den Fada-Gurmaleuten ganz genau den zwischen dem Niger-kualla und dem Mossilande gelegenen Landstrejfen ein.

Die schöne Übereinstimmung der Linie Hauptmann Mellins mit der meinen wird noch durch folgende Nachricht Mellins (vom 30. Januar 1909) vertieft: "Der Ahn der Gurma-Königsfamilie ist Lumpo. Nach seinem Tode wurde das Reich unter Tiderpo (Fada Gurina) und Tyima (Pama) geteilt. Eine dritte Linie soll nach Bilanga nordwestlich von Gurina gewandert sein. Von dieser Linie sowie über die Lage von Bilanga können nähere Angaben nicht gemacht werden. Mein Gewährsmann Bangama will keine Familienbeziehungen zu Mossi und Dagomba haben, kennt auch nicht die Bingosage. Gurina wird auch Bima genannt. Die Gurma-Königsfamilie ißt nicht: "Wildschwein, schwarze und rote Affen, Hund, Riesenschlange, Esel, Pferd." Letzteres anbelangend habe ich für Fada-Gurma als vererbtes Speiseverbot notiert: Ziege (Unguabo), Elefant (Uolummo und Hund (Uosanguanlo). Den königlichen Beamten von Fada-Gurma ist die historische Abhängigkeit des Mossireiches besser bekannt als den Pamaleuten. Sie sagen: "Wenn der Wagadugu-Mogonaba stirbt, senden die andern Naba nach Fada-Gurma: ein Pferd, einen Sklaven, das Sitzfell des verstorbenen Königs und Salz. Dazu sagen sie: "Dein Sohn ist gestorben; gib uns einen andern Sohn." Das ist streng gewahrtes Gesetz. —Allerdings haben die Mossi von Wagadugu mir das bestätigt.


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