Projektseite Volksmärchen Sagen Geschichten Etnologie Beriche © Arpa data
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

DICHTEN UND DENKEN IM SUDAN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1925

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



Atlantis Bd_05-0004 Flip arpa

TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT EINER KARTE UND EINER TAFEL

d) Edsu Audu und der Jäger Landudu

Einmal unternahm Edsu Audu einen Krieg gegen die Stadt Nakoti, die liegt im Nordosten von Bida, in der Richtung auf Uschischi zu. Dieser Krieg währte drei Jahre. Edsu Audu streifte mit seinen Leuten im Lande umher und fing Leute ein. Von Zeit zu Zeit aber kam er nach Nakoti, schloß die Stadt ein und fing die Leute, die ein- oder ausgingen.

Die Leute von Nakoti sagten: "Was können wir gegen diesen Edsu Audu ausrichten! Wir können allein nichts machen. Wir wollen den Jäger Landudu um Hilfe bitten!" Der Jäger Landudu wohnte in der Landschaft Ebodji, die nahe dem Kaduna ist. Die Boten machten sich auf den Weg und kamen zu dem Jäger Landudu. Die Boten sagten: "Wir sind seit drei Jahren mit dem Edsu Audu im Kriege. Wir können aber nichts gegen ihn ausrichten. Deshalb kommen wir zu dir und bitten dich, uns zu helfen!" Der Jäger Landudu sagte: "Es ist gut. Ich will euch antworten. Erst muß ich aber einmal Ege (Guineakornbier) trinken." Die Frauen des Jägers brachten ihm Bier. Landudu setzte den Topf an. Er trank ihn aus. Er setzte den leeren Topf beiseite und sagte: "Nun will ich antworten! Ihr wollt meine Hilfe gegen Edsu Audu. Ihr sollt meine Hilfe haben. Wenn er wieder gegen eure Stadt rückt, so bleibt nur ganz ruhig daheim. Rührt euch gar nicht. Ich will ganz allein mit diesem Audu fertig werden. Ruft mich nur, wenn er wieder nach Nakoti kommt!" Die Boten gingen.

Nach einiger Zeit kamen fünftausend Reiter Edsu Audus und umlagerten die Stadt. Sie ritten um den Wall. Die Nakotileute sandten sofort eine Botschaft an Landudu. Die Boten sollten sagen: "Edsu Audus Reiter sind wieder da. Komm und hilf uns!"Die Boten kamen bei Landudu an. Landudu hatte die Angewohnheit, immer drei Tage zu schlafen und drei Tage zu wachen. Als die Boten ankamen, schlief Landudu gerade. Die Boten riefen Landudu an. Landudu hörte nicht. Landudu schlief. Die Boten schrien Landudu an. Landudu hörte nicht. Landudu schlief. Die Boten nahmen zwanzig Stöcke und begannen auf Landudu zu schlagen. Landudu fühlte nichts. Landudu schlief. Die Boten zündeten um Landudu ein Feuer an. Das Feuer



Atlantis Bd_05-195 Flip arpa

verbrannte den Jäger. Landudu aber fühlte nichts. Er wachte nicht auf. Er schlief weiter. — Die Boten fragten die Frauen Landudus: "Wie macht ihr es, wenn ihr Landudu wecken wollt?" Die Frauen sagten: "Man braucht nur die Saiten seiner Dungeru (Gitarre, Jägergitarre) zu berühren, dann wacht er auf." Die Boten schlugen gegen die Saiten seiner Dungeru. Da wachte Landudu auf.

Landudu fragte die Leute: "Was wollt ihr denn?" Die Boten sagten: "Wir sind die Boten aus Nakoti. Edsu Audus Reiter sind wieder da. Komm und hilf uns!" Landudu erhob sich. Er nahm einen Pfeil. Den Pfeil legte er zum Schusse auf die Sehne. Er schoß den Pfeil in der Richtung auf Nakoti ab. Dann legte er sich hin und schlief weiter. Der Pfeil Landudus flog bis nach Nakoti. Er traf den Anführer der Reiter Edsu Audus. Der Anführer fiel sogleich vom Pferde. Er sagte zu den andern: "Sagt Audu, daß der Pfeilschuß gut traf! Ich sterbe!" Der Anführer starb. Dann aber begann einer der Reiter Audus nach dem andern zu sterben. Die letzten ritten fliehend von dannen, um Edsu Audu zu berichten, was sich ereignet hatte. Die Leute von Nakoti aber sandten eine Botschaft an Landudu und ließen ihm sagen: "Wir danken dir sehr, Landudu! Wir danken dir sehr!" Sie schickten ihm zweihunderttausend Kauri.

Die letzten Reiter kamen zu Edsu Audu zurück. Sie sagten zu Edsu Audu: "Die Leute von Nakoti haben mit einem Jäger Landudu Freundschaft geschlossen. Der schoß einen Pfeil von Ebodji aus ab. Der Pfeil traf unseren Führer. Der Führer starb. Alle andern starben auch. Nur wir konnten noch entrinnen." Als Edsu Audu das hörte, wurde er sehr zornig. Er sagte zu seinen Leuten: "Paßt mir auf, wenn Landudu auf die Jagd geht! Wie kann ich den Mann, der mir so Schlimmes zugefügt hat, strafen! Paßt mir gut auf, wenn er zur Jagd geht!" Edsu Audu versammelte vierhundert Reiter. Er sagte zu den vierhundert Reitern: "Geht dahin, wo Landudu zur Jagd weilt, und fangt ihn!" Die vierhundert Reiter machten sich auf den Weg. Sie kamen in Landudus Gebiet. Landudu war im Dickicht. Er trank gerade Klibombo (Haussa =Gonda; Joruba =Abo: scheinen Früchte einer Landolphia zu sein). Die vierhundert Reiter kamen ganz dicht an ihn heran. Als Landudu sie sah, kniete er nieder. Er legte einen Pfeil auf den Bogen und zielte. Er zielte nur nach den Reitern hin. Er schoß nicht. Aber bis auf zwei stürzten alle vierhundert Pferde und Reiter tot zu Boden. Die zwei übrigen fielen vor Landudu auf die Erde und baten ihn: "Was sollen wir zwei gegen dich tun, wo du so leicht fast vierhundert Reiter getötet hast. Laß



Atlantis Bd_05-196 Flip arpa

uns am Leben!" Landudu sagte: "Kehrt zu Edsu Audu zurück und erzählt ihm alles!"

Die zwei Reiter kamen zu Edsu Audu zurück und sagten: "Alle andern sind von dem Jäger Landudu durch ein Zielen getötet. Nur uns ließ er am Leben, um dir das zu sagen!" Edsu Audu rief seinen Saba (Jerima) und sagte: "Reite zu dem Jäger Landudu; bitte ihn dessentwegen, was ich gegen ihn vorhatte, um Verzeihung und schließe Frieden mit ihm!" Der Saba machte sich auf den Weg. Er kam zu dem Jäger Landudu und sagte zu ihm: "Edsu Audu schickt mich zu dir. Er bittet dich dessentwegen, was er gegen dich vorhatte, um Verzeihung. Er will mit dir Frieden machen!" Der Jäger Landudu sagte: "Es ist gut." Dann nahm er aus seiner Medizinalkalebasse ein weniges heraus und hielt es den dreihundertachtundneunzig Pferden vor das Maul und den dreihundertachtundneunzig Reitern vor den Mund. Hierauf sprangen die Pferde und Reiter wieder auf und ritten mit dem Saba zurück zu Edsu Audu nach Jirna.

Die Leute Edsu Audus besprachen nun untereinander: "Wie können wir diesen Jäger Landudu töten ?" Ein Mann ging zu Edsu Audu und sagte: "Laß ein Loch in die Erde graben. Breite eine Matte darüber aus. Rufe den Jäger Landudu zu dir. Laß ihn sich auf die Matte setzen. Wenn er hinabgestürzt ist, wirf die Grube mit Steinen zu. So verliert Landudu das Leben." Edsu Audu sagte: "Das ist gut." Edsu Audu ließ auf der Veranda seiner Katamba ein tiefes Loch graben. Er breitete eine Matte darüber aus. Man sah nichts von der Grube. Er sandte eine Botschaft zu dem Jäger Landudu. Der Bote kam zum Jäger Landudu. Der Bote sagte: "Edsu Audu läßt dich zu ihm rufen. Edsu Audu will mit dir Frieden machen." Der Jäger Landudu sagte: "Ich werde kommen!"

Der Jäger Landudu kam nach Jirna. Die Leute führten ihn zu der Matte über der Grube. Die Leute sagten: "Nimm auf dieser Matte Platz. Edsu Audu wird sogleich kommen." Der Jäger Landudu trat auf die Matte. Er stürzte mit der Matte in die Grube. Edsu Audu rief: "Werft schnell Steine auf ihn! Füllt die Grube mit Steinen aus!" Die Leute taten es. Sie schleppten Steine herbei. Sie bedeckten den Körper des Jägers Landudu mit Steinen. Sie füllten die Grube mit Steinen aus.

Als die Leute mit der Arbeit fertig waren, sagten sie: "Heute haben wir den Jäger Landudu bewältigt!" Die Leute wandten sich um. Da sahen sie den Jäger Landudu von außen her auf das Haus des Edsu Audu zukommen. Er trug einen schweren Knüppel über der Schulter.



Atlantis Bd_05-197 Flip arpa

Der Jäger Landudu kam heran und sagte: "Der Edsu Audu hat mich durch Boten gebeten, hierherzukommen. Hier bin ich. Willst du etwas gegen mich unternehmen?" Edsu Audu sagte: "Ich bitte dich um Verzeihung; ich will nun nichts mehr gegen dich unternehmen."

Der Jäger Landudu sagte: "Was hast du gegen mich? Was willst du gegen mich unternehmen?" Edsu Audu sagte: "Du hast mir vor Nakoti viele Leute getötet. Du hast mich gekränkt. Ich hatte dir nichts getan. Deshalb wollte ich dich töten!" Der Jäger Landudu sagte: "Du hast recht! Ich habe damit begonnen, dir Schlimmes zu tun. Du hast recht. Nimm mich und töte mich. Ich gebe mich dir freiwillig." Edsu Audu rief seine Leute zusammen. Er sagte zu ihnen: "Bindet den Jäger Landudu!" Die Leute banden den Jäger Landudu. Edsu Audu sagte: "Werft ihn in den Niger!" Die Leute trugen ihn an den Niger, banden ihm Steine um und warfen ihn in das Wasser. Die Leute sahen ihn im Wasser versinken. Die Leute gingen nach Haus.

Als die Leute in Edsu Audus Haus kamen, saß der Jäger Landudu neben Edsu Audu auf der Matte. Der Jäger Landudu sagte zu Edsu Audu: "Was hast du nun noch weiter mit mir vor?" Edsu Audu sagte: "Ich will dir nun nichts mehr tun. Ich will nichts mehr gegen dich unternehmen. Ich bitte dich um Verzeihung. Wir wollen Freunde sein. Ich will dir eine Frau geben!" Der Jäger Landudu sagte: "Dann werde ich dir auch eine Frau geben. Wie es meiner Frau ergehen wird, ebenso soll es mit deiner Frau sein."

Edsu Audu gab dem Jäger Landudu ein Mädchen zur Frau. An dem Tage, an dem dieses Mädchen geboren war, hatte die Mutter einen Schmied gerufen und ihm den Auftrag gegeben, um den Hals des Mädchens einen Ring zu schmieden. Der Schmied hatte dem Mädchen um den Hals einen Ring geschmiedet und hatte gesagt: "An dem Tage, an dem das Mädchen heiratet, werde ich den Ring wieder abnehmen!" Als das Mädchen nun dem Jäger Landudu zugebracht war, kam der Schmied und sagte: "Ich will diesen Ring wieder abnehmen, denn das Mädchen heiratet jetzt." Der Schmied versuchte, den Ring dem Mädchen über den Kopf zu ziehen. Es gelang aber nicht, denn das Mädchen war nun erwachsen und hatte einen zu großen Kopf. Die Leute Landudus sagten: "Man muß den Ring zerschneiden!" Der Schmied sagte: "Nein, ich habe den Ring als ganzen gearbeitet und will ihn wieder ganz zurückhaben. Man muß eben dem Mädchen den Kopf abschneiden." Die Leute Landudus



Atlantis Bd_05-198 Flip arpa

sagten: "Das Mädchen ist Landudus. Er will das nicht!"Der Schmied sagte: "Kommt, wir wollen den Richter fragen!"Sie gingen zum Richter. Der Richter sagte: "Dann müssen wir eben dem Mädchen den Kopf abschneiden." Man schnitt dem Mädchen den Kopf ab. Der Schmied erhielt seinen Ring zurück. Der Jäger Landudu hatte die Frau aber wieder verloren.

Der Jäger Landudu sandte an Edsu Audu das Mädchen. Sie bauten dem Mädchen ein Haus, das hatte neben der Türe eine Luke zum herausblicken. Als dem Mädchen, das der Jäger Landudu von Edsu Audu erhalten hatte, der Kopf abgeschnitten war, sandte der Jäger Landudu drei Jäger. Diese drei Jäger gingen an dem Hause des Mädchens vorbei, das der Jäger Landudu dem Edsu Audu geschenkt hatte. Das Mädchen sah die drei Jäger Landudus. Es sah sie vorübergehen. Es wollte ihnen nachsehen. Es zwängte den Kopf zur Luke neben der Tür heraus und sah ihnen nach. Als die Jäger vorbeigegangen waren, wollte das Mädchen den Kopf wieder zurückziehen. Sie konnte aber den Kopf nicht wieder durch die Luke zurückzwängen. Der Kopf schwoll. Das Mädchen schrie. Es kamen Leute Audus. Die Leute versuchten, den Kopf zurückzupressen. Die Leute sagen: "Das geht nicht; wir müssen die Mauer zerbrechen!" Die drei Jäger Landudus kamen dazu und sagten: "Das Haus darf nicht zerbrochen werden. Das Haus haben die Leute Landudus für das Mädchen gebaut." Die Leute Edsu Audus sagten: "Wir bekommen den Kopf des Mädchens aber nicht wieder durch die Luke!" Die drei Jäger Landudus sagten: "Dann muß man eben dem Mädchen den Kopf abschneiden!" Die Leute Edsu Audus sagten: "Das Mädchen gehört dem Edsu. Der Edsu will nicht, daß man ihm den Hals abschneidet." Die Leute Landudus sagten: "Kommt, wir wollen zum Richter gehen!" Sie gingen zum Richter. Der Richter sagte: "Dann muß man dem Mädchen eben den Kopf abschneiden."Man schnitt dem Mädchen den Kopf ab. Der Edsu Audu hatte die Frau wieder verloren.

Darauf begann Edsu Audu gegen den Jäger Landudu einen Krieg. Der Jäger Landudu starb in diesem Kriege. Der Edsu Audu starb in diesem Kriege. Damit ist das zu Ende.


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
Auch bitten wir Sie um weitere Anregungen in Bezug auf Erweiterungen und Verbesserungen.
Im voraus Dank für die Mithilfe. Spenden können Sie unter In eigener Sache

Ihr arpa team: www.arpa.ch Kontakt