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Grönländer und Färinger Geschichten


Übertragen von Erich von Mendelssohn

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1912


48. Der Vergleich zwischen Thrand und den Färingern

Nach dem Tode Karl von Mores und dem Überfalle auf den Zeltmann Gillis des Gesetzeskundigen wurden Thrands Verwandte Sigurd, der Sohn Thorlaks, Thord der Kleine und (Sant der Rote landevverwiesen und von den Färöern verjagt. Thrand gab ihnen ein seetüchtiges Schiff und etwas Geld. Es schien ihnen aber, daß sie schlecht ausgestattet seien und machten Thrand große vorwürfe, daß er sich ihr väterliches Erbe angeeignet hätte und es ihnen vorenthielte. Thrand sagte, sie hätten viel mehr erhalten, als ihnen zukäme. Er hätte sie lange verpflegt und ihnen oft Dinge gegeben, aber schlechten Dank dafür erhalten.

Jetzt stachen Sigurd und seine Genossen in See. Sie waren zwölf Männer auf dem Schiffe. Man meinte, daß sie nach Island segeln wollten. Und als sie eine kurze Zeit auf dem Meere gewesen waren, erhob sich ein großer Sturm, und das Unwetter hielt fast eine Woche lang an.

Alle Färinger wußten, daß dieses Wetter der Fahrt Sigurds und seiner Genossen aufs höchste entgegen war, und man stellte verschiedene Vermutungen über ihre Fahrt an.

Als der Herbst zu Ende ging, fand man die Trümmer ihres



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Schiffes auf der Oftinsel, und als der Winter kam, gingen viele Gespenster auf Gata und überall auf der Ostinsel um, und Thrands verwandte zeigten sich oft, und das war den Männern von großem Schaden: manche erlitten Knochenbrüche oder andere verletzungen. Sie suchten Thrand so hart heim, daß er nirgendwo hinzugehen wagte. Im Winter wurde viel hierüber gesprochen.

Als der Winter zu Ende ging, sandte Thrand Leif eine Botschaft, daß sie zusammenkommen wollten. Das taten sie, und als sie zusammen waren, sagte Thrand: "Wir gerieten, Pflegesohn , im vorigen Sommer in große Schwierigkeiten, und es war nahe daran, daß alle Thing leute miteinander gekämpft hätten. Jetzt will ich, mein Pflegesohn, daß unser Kat zum Gesetz erhoben wird, daß die Männer nie bewahret auf ein Thing kommen, wo sie ihre Angelegenheiten und Vergleiche besprechen sollen." Leif antwortete, das sei wohl gesprochen: " —und darüber sollten wir mit meinem Vetter Gilli dem Gesetzeskundigen beratschlagen. Gilli und Leif waren Schwestersöhne .

Jetzt trafen sie alle zusammen und besprachen sich hierüber. Gilli antwortete Leif so: "Gefährlich scheint es mir zu sein, Thrand zu trauen, und ich werde dem vorschlage nur dann zustimmen, wenn wir vertrauensleute des Königs alle unsere Waffen behalten und ebenso einige Männer aus unserem Gefolge die andern mögen aber waffenlos sein." Jetzt beschlossen sie das.

Der Winter ging nun vorüber, und im Sommer versammelten sich die Männer zum Thinge auf der Strominsel.

Jetzt geschah es eines Tages, daß Gilli und Leif von ihren Zelten auf einen Hügel gingen, der auf der Insel war, und dort miteinander sprachen. Da sahen sie, daß im Osten der Insel unter dem Sonnenaufgang nicht wenige Männer auf ein Vorgebirge stiegen, das dort lag. Sie konnten dreißig Männer zählen. Im Sonnenscheine blinkten schöne Schilde und blanke Helme, Äxte und Spieße. Es war eine kriegerische Schar. Sie sahen, daß ein großer und kräftiger Mann in rotem Mantel voranging, dessen Schild halb blau und halb gelb de



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malt war. Er hatte einen Helm auf dem Kopfe und einen großen Schlagspieß in der Hand. Sie glaubten in ihm Sigurd, Thorlaks Sohn, zu erkennen. Neben ihm ging ein starker Mann in rotem Mantel und hatte einen roten Schild. Sie glaubten, mit Sicherheit zu erkennen, daß es Thord der Kleine sei. Der dritte Mann hatte einen roten Schild, auf dem ein Menschenkopf gemalt war. Er hielt eine große Art in der Hand. Das war Gaut der Rote.

Leif und Gilli kehrten jetzt schnell zu ihren Zelten zurück.

Sigurd und seine Genossen kamen bald, und sie waren alle woblbewaffner. Thrand ging aus seinem Zelte mit vielen Männern ihnen entgegen, und alle seine Mannen waren bewaffnet.

Leif und Gilli hatten nur wenige Männer, und der größte Unterschied gegen Thrands Schar war, daß nur einige wenige Waffen hatten.

Thrand ging mit seinen Genossen auf Leifs Schar zu und sagte: " So verhält es sich, Pflegesohn Leif, daß meine Verwandten hierhergekommen find, die neulich eilig von den Färöern fortgefahren sind. Jetzt will ich mich nicht mehr mit meinen verwandten unter dein und Gillis Joch beugen. Ich stelle zwei Bedingungen: entweder entscheide ich allein zwischen euch, oder, wenn ihr das nicht wollt, werde ich meine verwandten nicht von ihrem vorhaben abhalten."

Leif und Gilli sahen, daß ihre Schar es nicht mit der Thrands aufnehmen könnte. Sie nahmen die Bedingung an, die ganze Entscheidung Thrand zu überlassen, und dieser sprach sie sofort aus und sagte, daß er später nicht weiser sein würde. "So ist mein Spruch," sagte er, "daß es meinen verwandten freistehen soll, sich hier auf den Färöern aufzuhalten, wo es ihnen beliebt, obwohl sie vorher landesverwiesen sind. Bußgelder sollen nicht bezahlt werden. Die Herrschaft über die Färöer soll so geteilt werden, daß ich ein Drittel habe, das zweite Leif, dritte Sigmunds Söhne. Diese Herrschaft ist lange die Ursache von Haß und ein Zankapfel gewesen. Dir, Pflegesohn Leif; biete ich an, deinen Sohn Sigmund aufzuziehen. Das will ich noch für dich tun." Leif antwortete: "Ich will, daß die Frage



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der Erziehung meines Sohnes von der Bestimmung meines Weibes Thora abhängen soll, ob sie will, daß ihr Sohn mit dir geht, oder bei uno bleibt."

Darauf trennten sie sich, und als Thora davon erfuhr, daß Thrand ihren Sohn erziehen sollte, antwortete sie: "vielleicht bin ich hierüber wieder anderer Ansicht als du. Aber ich will meinem Sohn Sigmund diese Erziehung nicht nehmen, denn mir dünki, daß Thrand viel vor den meisten Männern voraus hat."

Sigmund, der Sohn Thoras und Leifs, ging zur Erziehung zu Thrand nach Gata und wuchs dort auf. Er war damals drei Jahre alt, und man konnte das Beste von ihm erwarten.


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