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Grönländer und Färinger Geschichten


Übertragen von Erich von Mendelssohn

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1912


23. Thormod erschlägt Thorgrim. Seine Großtaten in seiner Friedlosigkeit

Egil hieß ein Knecht bei Skuf. Er war hochgewachsen und stark, häßlich anzusehen, plump und unverständig. Er führte den Spottnamen: Narrenegil.

Jetzt war Thormod lange verstimmt, und als Bjarni und Skuf ihn Sagten, ob sie sein Gemüt nicht erheitern könnten, antwortete er "Ich wollte, ihr gäbt mir einen Gefolgsmann, der mich überallhin begleiten soll." Sie antworteten, es solle geschehen und baten ihn, sich unter ihren Knechten den auszuwählen,



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den erhaben wollte. Thormod sagte: "Narrenegil — er ist groß und stark —ihn wähle ich. Er wird nicht zu klug sein, um alles zu tun, was man von ihm verlangt." Jene antworteten , er solle seinen Willen haben, aber sie wunderten sich, daß er Egil wählte.

Bjarni schmiedete eine breite Art für Thormod nach dessen Anweisung. Das ganze Blatt war bis zur Schneide ohne besondere Stahleinlage aus einem Stück gehämmert. Die Waffe sah sehr scharf aus.

Im Sommer darauf gingen die Leute zum Thinge nach Gardar im Einarsfjorde. Die Männer aus dem Erichsfjorde hatten ihre Zelte so aufgeschlagen, 1 daß zwischen ihnen und denen aus dem Einarsfjorde ein Hügel stand.

Als die meisten schon ihre Zelte aufgeschlagen hatten, fehlte noch Thorgrim. Aber bald wurde sein Herannahen bemerkt. Er hatte ein prächtiges Schiff und eine ausgesuchte und gut gerüstete Gefolgschaft. So groß war sein Übermut, daß die Leute kaum mit ihm zu sprechen wagten.

Das Jagdgerät hatten die Grönländer immer auf dem Schiffe. Als Thorgrim am Lande angelegt hatte, gingen Leute an den Strand, um die prächtigen Kleider und Waffen zu betrachten. Thormod war auch dort und hob eine Harpune auf, die am Lande lag. Ein Gefolgsmann von Thorgrim nahm sie ihm fort und sagte: "Fort von der Harpune, Mann l In deinen Händen wird sie unbrauchbar sein, denn ich meine, du wirst dich wenig auf den Gebrauch von Harpunen verstehen." Thormod antwortete: "Ungewiß scheint es mir zu sein, ob du sie besser zu brauchen verstehst als ich." "Kein Zweifel kann darüber sein," erwiderte jener. Da sagte Thormod dieses Lied:

"Der Baldur der Brünnen
Rühmt sich die Harpune
Härter für den Fang —
Als ich kann —zu brauchen.
In der Schildburg erste Reihe
Stellte mich der König,



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Reich beschenkt er uns, Er besitzt das Gold."

Dann ging er zu Thorgrims Zelt, das gerade mit großer Sorgfalt aufgeschlagen und aufs beste eingerichtet wurde.

Da geschah es an einem Tage, als das Wetter schön war; daß alle Leute aus dem Zelte von Skuf und Bjarni fortgegangen waren. Nur Thormod lag noch da und schlief. Er hatte über sich einen Mantel gebreitet, der an beiden Seiten behaart war, auf der einen Seite war er schwarz, aber weiß auf der andern. Dieser Mantel gehörte ihm.

Als er eine Weile geschlafen hatte, erwachte er und sah, daß alle Leute fortgegangen waren. Er wunderte sich darüber, denn als er einschlief, waren viele im Zelte gewesen. In diesem Augenblicke kam Egil in das Zelt gelaufen und sagte: "Zu fern von einem großen vergnügen hältst du dich." Thormod Sagte: "Wo kommst du her, und mit welchen Spielen vergnügt man sich jetzt:" Egil antwortete: "Ich war im Zelte von Thorgrim, dem Sohne Einars. Dort sind jetzt die meisten Thingleute versammelt." Thormod fragte: "Womit vergnügt man sich :" Egil antwortete: "Thorgrim erzählt eine Saga." Thormod fragte: "von wem handelt die Saga, die er erzählt:" Egil antwortete: "Ich weiß nicht genau, von wem die Saga handelt. Aber dies weis ich, daß Thorgrim schön und unterhaltend erzählt. Er sitzt auf einem Stuhle vor dem Zelte, und die Leute sitzen um ihn herum und hören ihm zu." Thormod sagte: "Du solltest doch irgendeinen Mann aus der Saga nennen können, besonders da du die Saga so unterhaltend findest." Egil erwiderte: "von irgendeinem großen Helden Thorgeir war die Rede in der Saga. Dann glaube ich, daß Thorgrim selbst darin vorkam, und daß er sich als einen großen Helden gezeigt hat, wie es ja auch von ihm zu erwarten war. Ich wollte, du gingest hin und hörtest zu." "Es soll geschehen," sagte Thormod und stand auf. Er legte sich den Mantel um mit der schwärzen Seite nach außen, nahm seine Art in die Hand und setzte sich einen Hut auf den Kopf. Dann ging er zu Thorgrims Zelt, und Egil begleitete ihn. Sie nahmen an der Zeltwand Platz und



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lauschten, konnten aber nicht recht verstehen, was erzählt wurde.

Das Wetter war bis dahin klar gewesen und die Sonne hatte immer geschienen. Aber gerade als Thormod sum Zelte gekommen war, begann die Luft sich zu verdichten. Thormod sah abwechselnd auf den Himmel und vor sich auf die Erde. Egil Sagte: "Wonach schaust du aus :" Er antwortete: "Himmel und Erde sehen aus, als ob es bald einen schrecklichen Donnerschlag geben würde." Egil fragte: "Wann pflegt das einzutreten:" Thormod antwortete: "Immer vor großen Ereignissen. Wenn du ihn jetzt hörst, so schütz dich so gut es geht und lauf in unser Zelt so schnell du kannst. Verbirg dich dort."

Als sie noch zusammen sprachen, kam ein großer Regenschauer und starkes Unwetter. Die Leute liefen fort, ein jeder nach seinem Zelt, denn niemand hatte sich für einen Regenguß vorgesehen . Viele liefen in Thorgrims Zelt hinein und in der Tür entstand ein großes Gedränge. Thorgrim blieb auf seinem Stuhle sitzen und wartete, bis es mehr Raum in der Zelttür gäbe. Jetzt sagte Thormod zu Egil "Bleib hier. Ich werde zum Zelte gehen und nachsehen, was dort vorgeht. Wenn du aber einen Schlag hörst, so lauf so schnell du kannst in unser Zelt." Dann ging Thormod dorthin wo Thorgrim saß. Er sagte: "Was für eine Saga hast du vorhin erzählt:" Thorgrim antwortete: "Das kann man nicht in wenigen Worten sagen. Aber von großen Dingen handelt sie. Doch wie ist dein Name?"Thormod sagte: ,Traumir nicht' beiß ich." "Wessen Sohn bist du :" ",Gefahr' heißt mein Vater."

Jetzt wollte Thorgrim sich von seinem Stuhle erheben, aber Thormod hieb ihn in den Kopf und spaltete ihn bis auf die Schultern. Dann verbarg er die Art unter seinem Mantel und stützte Thorgrim unter den Armen und rief: "Kommt her! Thorgrim ist erschlagen worden." Da kamen viele herzu und sahen das Geschehene. Sie fragten Thormod, ob er wüßte, wer Thorgrim erschlagen hätte. Er antwortete: "Eben habe ich ihn noch gesehen, aber ich sprang herzu, um Thorgrim zu stützen, als er den Hieb empfing, und so sah ich nicht, wohin der Mörder lief. Jetzt sollten einige von euch Thorgrim



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stützen, die andern aber den Mörder verfolgen." Da griffen einige Thorgrim unter die Arme. Thormod aber ging an den Strand und um eine Landzuge herum. Dort legte er seinen Mantel so um, daß die weiße Seite sichtbar war.

Als Egil den Schlag gehört hatte, den Thormod gegen Thorgrim führte, lief er nach seinem Zelte. Skufs Leute sahen ihn laufen und glaubten, er wäre Thorgrinis Mörder. Egil fürchtete sich sehr, als er sich durch Bewaffnete verfolgt sah. Als sie ihn ergriffen, zitterte jedes Glied von ihm vor Angst. Jene sahen aber, daß es Egil war und glaubten zu wissen, daß er nicht der Mörder Thorgrims sein könne. Da verließ ihn die Angst wie die Hitze das Eisen.

Dann durchsuchten jene alle Zelte, aber fanden niemand. Sie gingen an den Strand und um die Landzunge herum. Dort trafen sie einen Mann in weisem Mantel und fragten ihn nach seinem Namen. Ernannte sich ,Kampflust'. Sie Sagten, wohin er ginge. Er anwortete: Ich suche den Mann, der Thorgrim erschlagen hat." Sie trennten sich dann und ein jeder ging so schnell, daß sie bald weit voneinander entfernt waren. Skuf und Bjarni hatten inzwischen Thormod vermißt. Es schien ihnen nicht unwahrscheinlich zu sein, daß er der Täter wäre, denn Skuf hatte in Norwegen die Worte des Königs über die Rache für Thorgeir dem Sohne Havars gehört.

Als sich die Männer etwas beruhigt hatten, nahmen sich Skuf und Bjarni ein Boot, legten einige Lebensmittel hinein und ruderten dann um die Halbinsel herum, denn es war gesagt worden, man hätte dort einen Mann in weißem Mantel gesehen , der sich ,Kampflust' nannte.

Als sie um die Landzunge herumgekommen waren, bemerkten sie Thormod. Sie ruderten ans Land und riefen ihm zu, er solle ins Boot kommen. Er tai es. Sie fragten ihn, ob er Thorgrim erschlagen habe. Er antwortete, er hätte es getan. Sie Sagten ihn, wie alles vor sich gegangen sei und wie groß die Wunde sei, die er Thorgrim zugefügt hatte. Thormod antwortete mit diesem Liede:

"Den zum Tod geweihten
Traf der Tritt des Mannes,



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Dem die Rechte lahm ist. Aller Ruhm verließe Mich den Skalden, hätt ich Schwächlich in den schwarzen Kopf ibn nur getroffen. Doch er ist gestorben."

Dann sagte er: "Es ist möglich, daß ich nicht sehr stark zugeschlagen habe, denn ein linkshändiger Mann schlug. Aber ich schlug nur einmal zu, denn ich dachte, es würde genügen." Skuf antwortete:"Glücklich bist du, daß jene dich nicht erkannt haben, als du Thorgrims Haupt stütztest oder als sie dich bei der Landzunge trafen" . Da sagte Thormod das Lied:

"Leicht bin ich zu kennen,
An der Sprache wie am Haar.
viele Zeichen trag ich.
Nicht war es bestimmt,
Dieses Mal zu sterben
Für den Krieger, der den
Kampf der Schwerter kennt.
Jener sank zur Erde."

Leicht zu erkennen bin ich", wiederholte Thormod",schwarzes lockiges Haar habe ich und stottere. Aber es war mir nicht bestimmt, jetzt zu sterben. Es ist möglich, daß ich nicht umsonst entkommen bin, und daß sich noch manche aus Thorgrims Sippe vor mir ins Gras legen werden." Bjarni antwortete: Laß es jetzt mit der Rache für Thorgeir gut sein. Du hast deine Pflicht getan." Da sagte Thormod dieses Lied:

"Nicht mit vielen stritt ich
Um die Rächung Thorgeirs.
Gab dem Raben rohen
Fraß der Wölfe.
Einen schlug ich, mögen
Andre Freunde Thorgeirs
Stärkre Rache üben
Mein Schwert hat geklungen."

"Mir scheint," sagte Bjarni, "daß du nichts weiter als Rache für Thorgeir zu tun brauchst. Eine große, große Tat hast



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du, ein Ausländer, allein vollbracht, da du den zweitgrößten Häuptling von ganz Grönland gefällt hast, und nicht weißt, ob du entschüpfen kannst, denn Thorgrim hat viele mächtige Freunde und eine eifrige Gefolgschaft."

Sie brachten jetzt Thormod in den Erichsfjord und begleiteten ihn in eine Höhle, die jetzt Thormodshöhle heißt. Sie liegt wischen den Klippen auf der andern Seite von Stokkanes. Über und unter der Höhle sind steile Abhänge, und der Zugang ist schwierig. Skuf und Bjarni sagten zu Thormod: "Halte dich jetzt in der Höhle verborgen. Wir werden wieder zu dir kommen, sobald das Thing vorbei ist." Dann gingen sie fort und kehrten zum Thinge zurück.

Dort wurde Thormod vermißt. Jetzt verstanden die Leute, daß er Thorgrim erschlagen haben müßte. Bödvar und Falgeir verklagten ihn, und er wurde dieses Totschlags wegen für friedlos erklärt.

Skuf und Bjarni besuchten ibn und brachten ihm Lebens- mittel und anderes, dessen er bedurfte. Sie berichteten ihm das Urteil. Sie sagten, er solle in der Höhle bleiben. Er wurde nirgends Frieden haben, wenn die Leute wüßten, wo er wäre. Sie sagten auch, sie würden zuweilen zu ihm kommen. vor dem Eingang der Höhle war ein Grasfleck so tief unten, daß nur die geschicktesten Männer von dem Abhange auf ihn springen konnten.

Thormod langweilte sich in der Höhle, denn es gab dort nur wenig, um sich die seit zu vertreiben,

Eines Tages, als das Wetter schön war, ging er fort. Er kletterte an den Klippen hinauf. Seine Art hatte er bei sich. Als er sich ein kleines Stück Wegs von der Höhle entfernt hatte, begegnete er einem Manne. Dieser war hochgewachsen, sah aber dumm und häßlich aus. Er hatte einen Mantel an, der aus vielen Flicken zusammengenäht und gefaltet wie ein Labmagen war, einen Hut trug er von ähnlicher Ari, und alles war voll von Läusen. Thormod fragte ihn, wie er hieße. Er antwortete: "Ich heiße Oddi." Thormod Sagte: "Was bist du, odde Er antwortete: " Ein Unfreier und ein Bettler bin ich und man nennt mich Lause-Oddi. Faul bin ich und nicht ver



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logen, vieles weiß ich und lebe von den Gaben guter Leute. Wie heißt du aber:" Thormod antwortete: "Ich heiße Torrad." Oddi Sagte: "Was bist du, Torrad:" Er antwortete: "Ich bin ein Kaufmann. Willst du mir nicht etwas verkaufen: Oddi antwortete: "Ich habe wenig zu verkaufen. Was willst du denn von mir kaufen:" "Ich will deinen Mantel kaufen," Oddi erwiderte: "Du brauchst mich nicht zu verspotten." Thormod antwortete: "Das ist kein Spott. Ich will dir meinen Mantel geben. wenn du mir den deinen gibst und eine Botschaft von mir nach Stokkanes bringst. Du sollst Skuf und Bjarni sagen, daß du einem Mann begegnet bist, der sich Torrad nannte, und der mit dir den Mantel tauschte. Ich verlange sonst nichts von dir. Mein Mantel soll dir gehören, sobald du diese Botschaft überbracht hast." Oddi sagte: "Es ist nicht leicht, über den Fjord zu kommen. Dazu brauche ich ein Boot. Aber wenn ich will, kann ich wohl heute abend noch Stokkanes sein." Dann tauschten sie ihre Mäntel. Oddi empfing Thormods schwarzen Mantel und gab ihm seinen dafür.

Thormod begab sich jetzt nach dem Einarsfjorde; wo er einen Schafhirten von Thordis auf Längenspitz traf. Er fragte, ob Thordis' Söhne zu Hause wären. Der Schafhirt antwortete: "Bödvar ist nicht zu Hause. Seine Brüder waren letzte Nacht hier, aber jetzt sind sie zum Fischfang fortgerudert. Thormod antwortete: "Das mag wohl sein." Damit trennten sich Thormod und der Schafhirt und dieser dachte, er hätte mit Laufe Oddi gesprochen,

Thormod ging in Thordis Bootshaus und versteckte sich dort. Als der Abend herankam, sah Thormod, daß die Brüder ans Land ruderten. vorn ruderte Thorkel, in der Mitte Thord und Falgeir im Schöppraum,

Sobald das Schiff den Strand berührte, stand Thorkel auf und ging um Steven, um das Schiff anzulegen. Da trat Thormod aus dem Bootshaus. Jene aber glaubten, es wäre Lause-Oddi. Thormod näherte sich Thorkel und hieb ihm mit beiden Händen auf den Kopf, daß die Hirnschale sprang und er tot umfiel. Thormod lief dann fort und warf den Mantel ab. Thord und Falgeir verfolgten ihn, aber Thormod lief mit



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aller Kraft, erreichte die Klippen über der Höhle und sprang auf den Grasfleck hinunter. Thord sprang ihm nach, sank aber in die Knie und beugte sich dabei vor. Da schlug ibm Thormod zwischen die Schultern mit solcher Kraft; daß die Art bis zum Schafte eindrang. Bevor er aber die Ari wieder aus der Wunde ziehen konnte, sprang Falgeir auf den Grassieck hinunter und hieb nach ihm. Der Schlag traf ibn zwischen die Schultern und verursachte eine tiefe Wunde. Weil er waffenlos war, lief er Falgeir unter die Arme, aber er merkte daß er diesem unterlegen war. Es schien ihm, daß es schlimm um ihn stände, da er waffenlos und schwer verwundet war. Er wandte seine Gedanken König Olaf zu und setzte seine Hoffnung auf dessen Glück. Im selben Augenblicke entglitt Falgeirs Art dessen Hand und fiel über die Klippen ins Meer. Thormod faßte gleich neuen Mut, da sie jetzt beide waffenlos waren. Dann stürzten sie beide über die Klippen ins Meer. Sie versuchten ihre Schwimmkünste und tunkten einander wechselweise. Thormod fühlte, daß die tiefe Wunde und der Blutverlust ihn geschwächt hatten, aber weil es ihm nicht bestimmt war, damals zu sterben, platzte das Band an Falgnrs Hose. Thormod sog ihm die Hose herunter. Jetzt konnte Falgeir sich nur schwer über Wasser halten. Einmal übers andere wurde er untergetunkt und schluckte viel Wasser. Sein Gesicht und sein Steiß tauchten auf, und bei seinem Tode erschien sein Gesicht. Mund und Augen waren aufgerissen und glichen denen eines lächelnden Mannes.

Thormod war jetzt sehr müde. Er schwamm zu einer Schäre, kletterte hinauf und legte sich hin. Er erwartete nichts anderes, als daß er dort sein Leben lassen würde, denn er war erschöpft und schwer verwundet, und das Land war weit.

Jetzt ist von Laufe-oddi zu berichten, daß er seiner Verabredung mit Thormod gemäß zu Skuf und Bjarni ging und ihnen sagte, daß er einem Manne begegnet sei, der sich Torrad nannte und mit ihm den Mantel tauschte und ihm gebot nach Stokkanes zu Bjarni und Skuf zu gehen und ihnen von ihrem Zusammentreffen und Kleidertausche zu berichten. Sie erkannten den Mantel und glaubten zu wissen, daß Thormod Lause-Ooddi zu



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ihnen geschickt habe, weil er irgendeine Großtat im Sinne hatte.

Sie nahmen sich am Abende heimlich ein Boot und ruderten in der Nacht über den Fjord. Als sie sich der Höhle näherten, sahen sie etwas Lebendiges auf einer Schäre und fragten sich, ob es ein Seehund wäre oder etwas anderes. Sie ruderten zur Schäre hin, stiegen hinauf und sahen einen Mann dort liegen. Sie erkannten Thormod und fragten ihn, was vorgefallen sei. Er erzählte; was in der Nacht geschehen war.

Skuf sagte:"Du bist nicht umsonst von dem Gardarihinge entkommen, wenn du an einem Abend drei so tapfere Männer aus vornehmem Geschlechte erschlagen hast." Thormod antwortete: "Nur das eine dachte ich, bevor ihr kamt: daß ich hier auf der Schäre mein Leben lassen müßte. Aber jetzt scheint es mir nicht mehr unmöglich zu sein, daß ich wieder gesund werde. Ich denke auch nicht, daß ich um sonst gerettet worden bin." Sie fragten ihn nach seinem Streite mit Falgeir und dessen Brüdern. Thormod antwortete mit dem Liede: "

Als der törichte Mann
Schimpflichem Tode erlag,
Ruhte ich auf dem Meere.
Lächelnd streckt er die Beine.
Den feigen Träger des Schwertes
Hasen die Götter. Der Fant
Glotzte mich an und verzog
Grinsend im Tod sein Gesicht."

Skuf und Bjarni trugen Thormod auf einer Decke in ihr Boot denn er war nicht imstande zu gehen. Dann holten sie aus der Höhle seine Kleider und Lebensmittel, denn sie meinten, er könne dort nicht länger sein und ruderten nach dem Erichsfjorde.

Gamli hieß ein Mann, der am Ende des Erichsfjordes, dicht unter den Gletschern, wohnte. Er war ein armer Mann, der seine eigenen Wege ging, und ein großer Jäger. Bei ihm wohnte nur noch sein Weib, das Grima hieß. Sie war in vielen Dingen tüchtig, heftig, eine gute Ärztin und verstand auch etwas von Zauberei. Sie kamen selten zu andern Leuten, und selten kamen Leute zu ihnen.



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Skuf und Bjarni legten ihr Boot in der Nähe von Gamlis Gehöft an. Skuf ging zu den Häusern, aber Bjarni blieb bei Thormod.

Grima empfing Skuf freundlich und fragte ihn, womit sie ihm behilflich sein könne. Skuf sagte: "Einen wunden Mann haben wir bei uns, und ich wollte, daß ihr ihn in Pflege nähme." Grima Sagte: "Wer ist der Mann:" Skuf antwortete: "Thormod der Skalde und Hofmann König Olafs ist schwer verletzt." "Wer hat ihn verletzt" Sagte Grima. Skuf erzählte ihr das vorgefallene. "Großes ist geschehe- und viele Schwierigkeiten hat er sich zugezogen. Gefährlich ist es, sich eines Mannes anzunehmen, der auf Betreiben von Thorgrims Sippe für friedlos erklärt worden ist; zumal er noch so große Taten in seiner Friedlosigkeit vollbracht hat." Skuf erwiderte: "Ich werde die gesetzliche Geldbuße für ihn bezahlen, falls man dich seinetwegen zur Verantwortung ziehen will. Der Ausgaben wegen, die er dir verursachen wird, brauchst du auch keine Sorge zu haben."

Damit schloß ihr Gespräch. Grima nahm Thormod bei sich auf. Er wurde zum Hause hinaufgetragen, Grima wusch und verband seine Wunde, und gleich fühlte er sich besser. Skuf und Bjarni kehrten nach Stokkanes zurück.

Allen Leuten schienen das große Ereignisse zu sein.

Es dauerte aber lange, bis die ganze Wahrheit bekannt war, denn als Falgeirs Leichnam gefunden wurde, hatten viele geglaubt , daß auch Thormod dort ertrunken wäre.

Thormods Wunde war schwer zu behandeln, und er mußte zwölf Monate liegen. Im Winter nach diesen Ereignissen konnte er zwischen Küche und Stube gehen, aber seine Wunde war noch nicht geheilt.

Im Frühling darauf geschah es, daß Thordis auf Längenspitz in einer Nacht unruhig schlief. Die Leute meinten, es wäre am besten, sie zu wecken. Ihr Sohn Bödvar aber sagte: "Laßt meine Mutter ihrer Träume genießen, denn vielleicht wird ihr etwas offenbart, was sie zu wissen begehrt."

Sie wurde nicht geweckt. Aber als sie aufwachte, holte sie schwer Atem. Ihr Sohn Bödvar Sagte Du schliefst so unruhig, Mut



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ier, hast du etwas im Traume gesehen" Thordis antwortete: "Weit fort bin ich heute nacht gewesen und Dinge habe ich erfahren , die mir vorher unbekannt gewesen sind." Bödvar fragte: "Was sind das für Dinge:" Thordis antwortete: "Thormod, der Mörder meiner Söhne und deiner Brüder, lebt und wohnt bei Gamli und Grima am Ende des Erichsfjordes. Ich will jetzt zu ihnen geben und Thormod mit schmachvollem Tode für den Schaden lohnen, den er uns zugefügt hat. Wir werden jetzt nach Steilhang aufbrechen und Thorkel bitten, uns zu begleiten. Er würde es übel aufnehmen, wenn Gamli und Grima Schaden zugefügt würde, da er seine Hand über sie hält." Bödvar antwortete, er wäre bereit, sofort zu gehen.

In der Nacht standen sie auf und nahmen eine Schute, die ihnen gehörte, bestiegen sie mit dreizehn Männern und ruderten nach dem Erichsjorde.

In derselben Nacht, wo Thordis sich mit ihren Genossen auf den Weg machte, lag Grima, wie berichtet wird, unruhig im Schlafe. Thormod sagte zu Gamli, er solle sie wecken. Gamli antwortete: "Grima liebt nicht geweckt zu werden, denn oft werden ihr im Schlaf Dinge offenbart, die sie betreffen." Damit schloß ihr Gespräch, und bald wachte Grima auf. Gamli Sagte sie: "Unruhig hast du geschlafen, Grima. Was hat sich dir offenbart:" Grirna antwortete: "Dieses hat sich mir offenbart, , daß Thordis von Längenspitz sich mit dreizehn Knechten auf den Weg gemacht hat und zu uns kommen will, denn sie hat durch ihre Zauberkunst erfahren, daß Thormod hier bei uns lebt. Sie will ihn töten. Jetzt bitte ich dich, daß du heute zu Hause bleibst und nicht auf die Jagd gehst, denn ihr seid ja nicht zu viele, wenn fünfzehn gegen euch zwei kommen, besonders erb, da Thormod nicht kampffähig ist. Aber doch möchte ich euch nicht auf die Gletscher schicken. Bleibt lieber zu Hause." In der Nacht war Thordis nach Steilhang gekommen. Thorkel empfing sie freundlich und fragte, ob sie seiner bedürfte. Thordis antwortete:"Dieses liegt vor: ich habe im Sinne, deine Thingleute Gamli und Grima aufzusuchen, denn ich halte es für sicher, daß der durch uns für friedlos erklärte Thormod bei ihnen ist, obgleich viele glauben, daß er ertrunken sei. Ich wollte, daß



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du mit uns gingest und uns hilfst, unser Recht bei Gamli und Grima durch zu setzen, Du wirst am besten verstehen, was zwischen uns vorliegt, wenn du unsere Gespräche hörst."Thorkel antwortete: "Unglaubhaft scheint mir zu sein, daß Grima den friedlosen Thormod beherberge. Ich werde dich aber begleiten , wenn du es wünschst

Dann aßen Thordis und ihre Begleiter dort ihr Morgenbrot, aber Thorkel sammelte seine Männer; denn er traute Thordis und Bödvar nicht, im Falle, daß sie sich nicht gütlich mit Gamli und Grima einigten.

acts die Männer satt waren, bestieg Thorkel mit zwanzig Begleitern ein Schiff Sobald alles gerüstet war, fuhren sie ab.

Gamlis Weib, Grima, hatte einen Stuhl, auf dessen Rücklehne ein großes Bildnis von Thor ausgeschnitten war.

Am Morgen sagte sie: "Jetzt will ich alles bestimmen, wie es heute vor sich gehen soll: meinen Stuhl werde ich mitten in die Stube stellen. Ich will, daß du, Thormod, auf dem Stuhle sitzest; wenn die Leute kommen, und nicht solange Thordis auf dem Gehöfte ist. Wenn es dir auch scheinen wird, daß Seltsames geschieht oder Unfrieden dich bedroht, so darfst du doch nicht aufstehen, denn wenn der Tod du bestimmt ist, nützi es dir nichts, dich in die Sinket zu verkriechen. Gamli soll einen Kessel über das Feuer setzen und Seehundfleisch dann kochen und Kehricht auf das Feuer werfen, damit das Haus sich mit Rauch fülle. Ich aber werde in der Tür sitzen und spinnen und die Fremden empfangen."

Beide taten, wie Grima sagte: sobald man die Schiffe von Thorkel und Thordis sah, setzte sich Thormod auf den Stuhl, Gamli hängte den Kessel über das Feuer und warf Kehricht auf das Feuer. Da füllte dichter Rauch das ganze Haus, und es wurde so dunkel, daß man nichts mehr sehen konnte. Grima saß auf der Schwelle. Sie spann und sang dazu etwas, was niemand verstehen konnte.

Die Schiffe legten an. Thorkel ging mit seinen Genossen zum Gehöfte hinauf. Grima begrüßte ihn freundlich und bat ihn, bei ihr zu verweilen. Thorkel antwortete: "Thordis von Längenspitz



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ist mit uns. Sie glaubt, daß der friedlose Thormod bei dir ist. Wir verlangen, daß du ihn freigibst, wenn du weißt, wo er ist, denn es wird deine Kräfte übersteigen, einen Friedlosen gegen Thordis und ihren Sohn Bödvar zu beschützen." Grima antwortete: "Seltsam scheint mir Thordis' Meinung zu sein, daß ich einen Friedlosen vor so mächtigen Leuten, wie denen in Längenspitz verbergen könnte, da ich hier allein mit meinem Gatten lebe." "Gewiß ist das seltsam, aber doch wollen wir dein Haus durchsuchen." Grima sagte: "Das könntet tun, auch wenn ihr nicht so viel Leute bei euch hättet. Ich freue mich immer, wenn du in mein Haus kommst. Aber wenig würde es mir gefallen, wenn die Leute aus dem Einarsfjorde durch mein Besitz eilen und alles zerschlagen." Thorkel antwortete: "Thordis und ich allein werden hinein kommen und das Haus durchsuchen."

Das taten die beiden. Sie gingen hinein, um alles zu durchsuchen. Das war kein langer Aufenthalt, denn das Haus war sehr klein, und als sie die Tür zur Stube öffneten, war alles voll Rauch, so daß sie nichts sehen konnten. Überall war Rauch, und sie blieben kürzere Zeit drin, als sie getan hätten, wenn es keinen Rauch gegeben hätte. Sie verließen das Haus und durchsuchten den Hof.

Dann sagte Thordis: "Ich habe des Rauches wegen nicht alles in der Stube sehen können. Wir müssen in die Stube zurückgehen und die Fenster 1 öffnen, daß er hinausziehen kann und dann genau sehen, was in der Stube ist."

Jetzt traten Bödvar und Thordis wieder in die Stube und öffneten die Fenster. Da zog der Rauch hinaus, und sie konnten alles in der Stube sehen. Sie konnten Grimas Stuhl sehen, der in der Mitte der Stube stand, sie sahen Thor mit seinem Hammer an der Rücklehne des Stuhles ausgeschnitten, aber Thormod sahen sie nicht. So gingen sie wieder zur Tür,

Jetzt sagte Thordis: "Bei Grima ist noch etwas Heidentum zurückgeblieben, da Thors Bild auf der Rücklehne ihres Stuhles ausgeschnitten ist." Grima antwortete: "Ich komme selten in die Kirche, um gelehrter Männer Rede zu hören, denn



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ich muß weit gehen, und wir sind nur wenige hier auf dem Gehöfte. Wenn ich Thors Bild sehe, das aus Holz gemacht ist, und das ich zerbrechen und verbrennen kann, wann ich will, muß ich oft daran denken, wieviel größer der sein muß, der Himmel und Erde geschaffen hat und alle sichtbaren und unsichtbaren Dinge und allen Dingen Leben gegeben hat, und den niemand überwinden kann." Thordis antwortete: "Es mag sein, daß du solches denken mußt, aber das weiß ich: wäre nicht Thorkel mit seinem großen Gefolge hier, würde ich dich zwingen, die Wahrheit zu sagen, denn ich bin überzeugt, daß du weißt; wo Thormod ist." Grima erwiderte: "Jetzt kommt es, wie das Wort sagt: ,oft irrt, wer vermutet' und der wird geborgen, dem der Tod nicht bestimmt ist.' Aber du bedarfst des Schutzes der Heiligen, damit der Teufel dich nicht so sehr in seine Gewalt bekommt, wie du es selbst zu wünschen scheinst. Es ist zu entschuldigen, daß man zuweilen falsche vermutungen hegt, aber nicht zu entschuldigen ist, daß man die Wahrheit nicht glauben will, obgleich sie klar daliegt."

Mit diesem Gespräche schieden sie. Thorkel fuhr nach Steilhang und Thordis nach ihrem Gehöfte.

Skuf und Bjarni kamen heimlich zu Gamli und Grima und brachten ihnen, was sie brauchten und erstatteten ihnen reichlich die Kosten, die sie Thormods wegen gehabt hatten.


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