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Grönländer und Färinger Geschichten


Übertragen von Erich von Mendelssohn

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1912


13. Thorgeir rächt König Olafs Hofmann. Vegglags Diebstähle

Thorir hieß ein Mann, der auf Hrofach im Stemgrimsfjorde wohnte. Er war ein großer Lärmmacher, störrisch und unfreundlich.



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Mit einem Hofmann König Olafs war er bei einem Handel im Steingrimsfjorde uneins geworden und hatte dem Königsmanne eine schwere Wunde zugefügt,

In dieser Sache war kein Vergleich geschlossen worden, und als der König davon hörte, mißfiel es ihm sehr. Er sagte zu Thorgeir, Havars Sohn "Ich wünsche, Thorgeir, daß du die Gewalttat, die meinem Hofmanne auf Island zugefügt wurde, so rächst; daß es den Isländern Leid wird, meine Leute zu mißhandeln." Thorgeir antwortete: "Ich hoffe, daß ich rächen kann, was hier wider Euch verbrochen wurde." Der König sagte: "Ich übergebe dir dies zu tun, weil ich glaube, daß du meinen Willen erfüllen wirst."Thorgeir antwortete:"Schuldig bin ich dir, deinen Willen zu erfüllen."

Er rüstete sein Schiff und fuhr früh im Sommer nach Island. Der Wind war ihm günstig. Er landete mit seinem Schiffe in Flachwasser. Dann fuhr er westwärts nach Reykjaholar und begann ein Haus zu bauen. Ein Mann hieß Vegglag, der auch am Hause baute. Jeder weitere baute eine Seite des Hauses. Eine einzige Scheidewand ging der Länge nach durch das Haus. Sie stand noch, als der weite Magnus Bischof in Skalholt war.

Beim Anfange des Winters fuhr Thorgeir nordwärts zum Steingrimsfjorde nach Hrofach. Ihn begleitete der Baumeister Vegglag. Sie kamen spät am Abend zum Gehöfte und klopften an. Eine Frau kam zur Tür, grüßte sie und fragte, wer sie wären. Thorgeir sagte wahrheitsgemäß, wer sie seien und fragte, ob der Bauer Thorir zu Hause wäre. Sie antwortete; er sei da. Thorgeir sagte: "Bitt ihn, herauszukommen."

Sie ging hinein und sagte Thorir, daß Männer draußen wären: " —sie wollen mit dir sprechen." Thorir fragte: "Wer sind die Männer:" Sie antwortete: "Ich glaube, der eine ist Thorgeir, Havars Sohn." Thorir stand auf, nahm seinen Speer, ging zur Tür und setzte die Spitze auf die Schwelle. Er grüßte die Angekommenen. Thorgeir erwiderte seinen Gruß nicht. Er sagte: "Das ist mein Geschäft hier, daß ich hören will, welche Buße du König Olaf die Schändung seines Hofmannes geben willst."Thorir fragte: "Bist du der gesetzliche



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Führer dieser Sache:" Thorgeir antwortete: "Ich bin der Führer in dieser Sache, denn ich handle im Auftrage des Königs ." Thorir erwiderte: "Wahr mag es sein, daß du in seinem Auftrage handelst. Doch kaum ist es für mich dasselbe, ob ich den König höre oder dich."Thorgeir antwortete: "Wahr ist es, daß du ihn nicht selbst sprechen hörst; aber doch kannst du seine Macht zu fühlen bekommen."

Und als Thorir es am wenigsten erwartete, stieß Thorgeir mit dem Speere nach ihm. ,Der Stoß traf in die Brust, und Thorir fiel in die Tür und war auf der Stelle tot. Etwas später waren Thorgeir und sein Begleiter fort, und nichts ist weiter über ihre Fahrt nach Reykjaholar berichtet. Über diese Ereignisse hat Thormod dies Lied gedichtet

"Des Seefahrers denk ich,
Des herrlichen Sohnes von Havar.
Trefflich durch glückliche Taten,
Durchbohrte er Thorir. Der edle
Meerheld rächte so Odd.
Die Adler Saßen sich satt.
Tapfer wie immer war Thorgeir,
Als er dies alles vollbrachte."

In diesem Winter wurde viel auf Reykjaholar gestohlen. Den Leuten verschwanden viele Kostbarkeiten aus den Truhen. und so schlimm ging es zu, daß fast aus eines Jeden Truhe etwas verschwand, so stark die Schlösser auch waren, und doch war kein Schloß erbrochen. Aris Sohn, Jllugi, war in diesem Winter zu Hause in Reykjaholar.

Kurz nach Weihnachten versammelten die Brüder ihr Gesinde. Thorgils begann zu sprechen: "Es ist allen Leuten bekannt, daß hier im Winter viel gestohlen wurde. vieles ist verschwunden, das unter Schloß und Riegel lag. Wir wollen, daß jetzt alles untersucht wird. Zuerst sollen die Truhen von meinem Bruder und mir nachgesehen werden, und dann die aller andern. Wenn das Gestohlene nicht hier gefunden wird, dann werden wir zu den andern Gehöften gehen und dort alles durchsuchen." Jetzt wurden die Truhen aller Leute untersucht, aber man fand nichts vom Vermißten. Der Baumeister Vegglag hatte einen



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großen Kasten, der nicht untersucht worden war. Thorgils sagte, er solle den Kasten aufschließen und zeigen, was darin wäre. Er antwortete: "Niemals bin ich wie ein Dieb untersucht worden. Ich werde den Kasten nicht ausschließen." Thorgils sagte: Du bist nicht der einzige, dem das geschieht. Unsere Truhen sind untersucht worden. Du mußt nur dasselbe dulden, was über viele andere ergangen ist." Da antwortete Vegglag: "Obgleich bei euch allen untersucht worden ist, werde ich doch nicht meinen Kasten zur Untersuchung aufschließen."

Jetzt sprang Jllugi auf. Er hielt ein Beil in der Hand, ging zur Kiste und sagte: "Hier habe ich einen Königsschlüssel. der auf alle Kästen und Schlösser paßt. Mit ihm werde ich jetzt den Kasten aufschließen, wenn du mir nicht den Schlüssel gibst." Vegglag sah, daß Jllugi den Kasten zerschlagen würde, wenn er nicht aufschlösse, und gab ihm den Schlüssel.

Jllugi öffnete den Kasten und fand dort viele Schlüssel, die auf alle Schlösser paßten, die es in Reykjaholar gab. Er fand dort auch viele Kostbarkeiten, die die Leute vermißt hatten. Da glaubten die Leute zu wisen, daß Vegglag der Dieb war. Er wurde zum Geständnis gezwungen und begleitete die Leute zu den verschiedenen Stellen, wo er die Diebesbeute versteckt hatte.

Jetzt sagte Jllugi: "Mir scheint; daß Vegglag sein Leben verscherzt hat. Meiner Meinung nach muß er gehängt werden." Thorgeir erwiderte:"Du wirst nicht einem deiner eigenen Leute ein solches Ende bereiten wollen." Jllugi antwortete: "Unrecht scheint mir zu sein, einen so großen Dieb entschlüpfen zu lassen." Da sagte Thorgeir: "Was dir auch das Rechte in dieser Sache zu sein scheint; so wird euch dieser Mann teuer zu stehen kommen. Ihr dürft ihm nicht sein Leben nehmen, wenn ihr auf mich hören wollt." Jllugi sagte: "Mit großem Eifer verwendest du dich für den Dieb, und keinen Vorteil wird es dir bringen. Dein Eid wird ihn nicht immer gleicher Weise retten, wenn er auch heute entschüpfen mag. Aber er soll jetzt gleich Rauchspitz verlassen und nie wiederkommen." Thorgeir antwortete: "So soll es sein."

Thorgeir begleitete Vegglag westwärts nach Quellenhof im



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Quellentale zu Bersi und Thormod und bat sie, ihn bis zum Vorsommer bei sich zu behalten und ibn dann in Flachwasser aufs Schiff zu bringen. Er sagte, daß er ihn dann von Island fortschaffen würde. Thorgeirs wegen behielten jene Vegglag den Winter über bei sich. Thorgeir kehrte nach Reykjaholar zurück und blieb den Winter über dort.

Im Frühling rüstete er sein Schiff. Vegglag kam zu ihm. Thorgeir nahm ihn mit und brachte ihn fort. Ihr Schiff kam zu den Orkney -Inseln. Rögnvald, Brusis Sohn, hatte sich damals zu einer Heerfahrt gerüstet, denn viele Wikinger lagen damals bei den Inseln und raubten Bauern und Kaufleute aus, und Rögnvald wollte sie für ihre Übeltaten strafen. Thorgeir verkaufte sein Schiff und verdingte sich bei Rögnvald. Rögnvald hielt ihn und seine Genossen hoch in Ehren, denn je größer die Gefahren waren, desto tapferer zeigte sich Thorgeir , wie Thormod in seinem Liede sagt:

"Der tapfere Kämpfe;
Kühn ging er aufs Schiff,
Mit Rögnvald wollte erfechten.
Nicht sparte in Fehden
Das Leben der Helden
Havars herrlicher Sohn.
Der Ruhm des Recken
Wuchs reich durch die Tat."

Bei der Heerfahrt zeigte sich Thorgeir als hochgesinnter und waffengeübter Mann.

Der Jarl wurde durch diesen Kriegszug berühmt, denn er siegte in allen Kämpfen in diesem Sommer und verschaffte Bauern und Kaufleuten Frieden,

Vegglag aber fuhr nach Schottland und zeigte sich auch dort als großer Dieb und wurde später getötet.


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