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Grönländer und Färinger Geschichten


Übertragen von Erich von Mendelssohn

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1912


11. Von Thormod und Thorbjörg Schwarzbraue

Thormod dünkte es langweilig zu sein, zu Hause bei seinem Vater zu leben. Im Sommer nach dem Thinge rüstete er sich zur Fahrt mit den Knechten seines Vaters, um Fische zu holen. die Bersi draußen in der Stapelbucht hatte. Sie benutzten ein Fahrzeug, das Bersi gehörte. Sie segelten bei gutem Wetter



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den Eisfjord entlang. Als sie das Adlertal erreichten, bekamen sie Gegenwind und mußten landen. Sie warfen Anker und schlugen ein Zelt am Strande auf. Sie blieben dort eine Weile, denn sie konnten nicht weiterfahren

Katla hieß eine Frau, die im Adlertale wohnte. Sie war die Witwe eines Mannes, der Glum gehießen hatte. Ihre Tochter hieß Thorbjörg. Sie lebte zu Hause bei ihrer Mutter. Thorbjörg war wohlerzogen, aber nicht besonders schön. Sie batie schwarzes Haar und schwarze Brauen —weshalb man sie Schwarzbraue nannte — ein kluges Gesicht und reine Haut, war gerade und hoch gewachsen und setzte die Füße auswärts beim Geben.

Da geschah es eines Tages, daß Thormod vom Zelte hinauf zum Gehöfte ging. Er betrat die Stube. Hier waren keine Männer, nur die Frauen ganz allein. Katla begrüßte den Ankömmling und Sagte ihn nach dem Namen. Thormod sagte den seinen. Sie Sagte ihn, wessen Sohn er wäre. Er beantwortete ihre Frage. Katla sprach: "Ich habe von dir reden hören, aber erst heute sehe ich dich."

Thormod blieb den Tag über da, und die Frauen waren sehr froh über ihn. Thormod wandte seine Augen der Tochter der Hausbau zu, und sie gefiel ihm sehr. Sie hatte sich auch ihn betrachtet und sie fand Gefallen an ihm. So blieb Thormod den Tag über dort und kehrte am Abende zu seinem Zelte zurück. von nun an kam Thormod oft zu Katlas Haus, und einige Liebeslieder dichtete er damals, die den Frauen sehr gefielen.

Da geschah es eines Tages, daß Raila sagte: "Hast du, Thormod , ein Geschäft in der Bucht, wo du dich mit den Knechten deines Vaters aufhältst:" Thormod antwortete: "Ich habe kein anderes Geschäft, als mich zu vergnügen, und langweilig scheint es mir zu Hause zu sein." "Was würde dir angenehmer sein, mit jenen zu gehen oder hier zu bleiben und dich hier zu vergnügen, während jene den Dörrfisch holen: Du bist willkommen, wenn du bier bleiben willst, denn viele Freude bereitest du uns." Thormod antwortete "Gut stellst du deine Worte, und ich werde das mit Dank annehmen, was du mir bietest, denn es scheint mir unterhaltender bei euch zu sein."



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Dann ging Thormod zu seinen Genossen und sagte ihnen, daß er zurückbleiben würde, während sie in die Bucht hinaus nach den Fischen führen. Er bat sie, beim Adlertal wieder anzulegen, wenn sie zurückkämen. Dann würde er wieder zu ihnen aufs Schiff kommen.

Damit schieden sie. Thormod ging zum Gehöfte, jene aber fuhren ihrem Geschäfte nach, sobald sie Wind bekamen.

Thormod war einen halben Monat im Adlertale. Er dichtete ein Loblied auf Thorbjörg Schwarzbraue, das er Schwarzbrauenlied nannte. Als das Gedicht fertig war, sagte er es so, daß es viele Leute hörten. Ratla zog einen Goldring von ihrer Hand, der groß und gut war, und sagte: "Diesen Ring will ich dir, Thormod, als Skaldenlohn und zur Namensfeste schenken, denn ich will dir einen Beinamen geben, und du sollst Thormod Schwarzbrauenskald heißen."

Thormod dankte ihr für das Geschenk und den Namen, den er auch behielt.

Bersis Knechte kamen zurück, um mit Thormod zusammenzutreffen. Er ging zu ihnen aufs Schiff und dankte der Hausfrau für die Gastfreundschaft, die sie ihm erwiesen hatte. Katla sagte, Thormod solle nicht an ihrem Gehöfte vorbeigehen, wenn er wieder in die Gegend käme, und damit schieden sie. Thormod fuhr nach Hause nach Quellenhof und blieb dort, bis der Sommer vorbei war.

Als der Winter kam, und Eis die Wasser deckte, gedachte Thormod der Freundschaft, die er für Thordis, Grimas Tochter in Kleinbucht gehabt hatte und ging dorthin.

Grima empfing ihn mit dem freudigsten Gesicht, aber Thordis war mürrisch zu ihm und hob die Schultern, wie es Frauen zu tun pflegen, denen nicht alles bei einem Manne gefällt. Das fühlte Thormod gleich und sah auch, daß sie ihn zuweilen von der Seite oder über die Schulter ansah. Da fiel ihm ein, daß man leichter ziehen könnte, wenn man die halbe Last vom Wagen ablädt. Er erinnerte sie an die alte Freundschaft, die zwischen ihnen bestanden hatte. Thordis sagte: "Ich habe gehört, daß du eine neue Liebste bekommen und ein Loblied auf sie gedichtet hast." Thormod antwortete: Wer ist die



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Liebste, von der du sagst, daß ich ein Lied auf sie gedichtet habe?"Thordis antwortete: "Es ist Thorbjörg aus dem Adlertale" . Thormod antwortete: "Es ist nicht wahr, daß ich ein Lied auf Thorbjörg gedichtet habe. Aber dieses ist wahr: als ich im Adlertale war, habe ich ein Loblied auf dich gedichtet, denn es fiel mir ein, daß deine Schönheit hoch über Thorbjörgs steht, und ebenso deine Sittsamkeit. Jetzt bin ich hierher gekommen, um dir dies Lied mitzuteilen."

Thormod sagte jetzt das Schwarzbrauenlied und veränderte die Stellen, die am meisten Thorbjörg galten, zum Lobe von Thordis. Und wie eine Regenwolke aus dem Meere aufsteigt und nach kurzer Dunkelheit vorbeizieht, und dann hellerer Sonnenschein mit warmer Luft kommt, so sog das Lied alle traurigen Gedanken und alle Dunkelheit aus Thordis' Seele und füllte sie mit heißer Liebe und warmer Zärtlichkeit zu Thormod.

Thormod kam von da an oft nach Kleinbucht und wurde freundlich empfangen.

Als eine seit vergangen war, geschah es in einer Nacht, als Thormod zu Hause im Quellentale war, daß er träumte, Thorbjörg Schwarzbraue kamme zu ihm und frage ihn, ob er wache oder schlafe. antwortete, daß er wache. Sie sagte: "Du schläfst, aber das, was ich dir sagen werde, wird so sicher in Erfüllung gehen, als wenn du wach wärst. Denn wie verhält es sich: hast du nicht einer anderen Frau das Lied gegeben, das du auf mich gedichtet hast" Thormod antwortete: "Das ist nicht wahr" . Thorbjörg sagte: "Wahrheit ist, daß du mein Loblied Grimas Tochter Thordis gegeben hast; und das verändert hast, was mich am meisten betraf. Du wagtest nicht, kleiner Mensch, einzugestehen, welche Frau du das Lied gedichtet hattest. Aber jetzt werde ich deine Falschheit und Lüge lohnen. Du wirst so starke und strenge Augenschmerzen bekommen, daß dir beide Augen aus dem Kopfe springen. wenn du nicht deine schändliche Handlung bekannt machst, daß du mein Loblied von mir nahmst und es einer andern Frau gabst. Du wirst nie mehr gesund werden, wenn du nicht die Stellen zurück nimmst, die du zum Lobe von Thordis



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verändert hast, und sie wieder so herstellst, wie du sie auf mich gesagt hast, und das Lied nicht nach einer andern nennst, als nach der, für die es gedichtet wurde." Thormod schien, daß Thorbjörg zornig und schrecklich anzusehen war. Er glaubte, ihren Geist zu sehen, als sie hinausging.

Er erwachte mit so starken Augenschmerzen, daß er kaum unterlassen konnte zu schreien, und nicht schlief, solange die Nacht währte. Er blieb am Morgen lange liegen.

Bersi stand auf, wie er es zu tun pflegte, und als alle außer Thormod aufgestanden waren, ging er zu ihm und fragte, ob er krank wäre, da er nicht aufstände, wie er es sonst zu tun pflegte. Thormod sagte das Lied:

"Weh! Ich gab dem Weib
Was Schwärbraues war.
Streng erschien des Goldrings
Göttin mir im Traum,
Bracht mir ihren Spruch.
Strafe muß ich tragen,
Die vom Mädchen kam.
Wär' ich mit ihr doch versöhnt"

Bersi fragte: "Was hast du geträumt:" Thormod erzählte den Traum und alles, was das Gedicht betraf. Da sagte Bersi: "Schädliche Geliebte hast du: der einen wegen bist du so verstümmelt worden, daß du nie mehr ein gesunder Mann werden wirst, und jetzt läufst du der andern wegen Gefahr, daß dir beide Augen aus dem Kopf springen. Ich will dir raten, das Gedicht wieder so zu wenden, wie es zuerst gewesen ist. Thorbjörg Schwarzbraue sollst du es geben, da du es sie gedichtet hast." Thormod antwortete: "Deinem Rate will ich folgen."

Jetzt gab er öffentlich bekannt, wie es sich mit dem Gedichte verhielt, und gab es in Gegenwart vieler Zeugen Thorbjörg aufs neue. Sein Augenübel besserte sich schnell, und er wurde ganz gesund von dieser Krankheit.

Jetzt werden wir die Erzählung von Thormod Schwazbrauenskald ruhen lassen und etwas von Thorgeir berichten.


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