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Grönländer und Färinger Geschichten


Übertragen von Erich von Mendelssohn

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1912


10. Grima schafft Kolbak nach Norwegen

Bersi verband dann Thormods Wunde, denn er war ein guter Arzt. Am Morgen ging er mit vielen Begleitern nach Kleinbucht.

Bevor sie zu dem Gehöfte kamen, sagte Grima zu ihren Knechten: "Jetzt solli ihr in die Stube gehen und euch auf die geringere Bank setzen. Dort müßt ihr sitzenbleiben, solange Bersi mit seinen Leuten hier ist."

Sie taten wie Grima gebot, gingen in die Stube und setzten sich auf die geringere Bank. Sie waren alle bewahret. Grima setzte Kolbak mitten auf die Bank und bewegte die Hände über seinem Kopf.

Jetzt kam Bersi mit seinen Männern zum Gehöfte und klopfte an. Grima ging zur Tür und begrüßte ihn. Bersi sagte: "Wir meinen, daß unser Wohlergehen dich wenig kümmert und du sollst auch wissen, daß es uns wenig betrüben würdewenn es dir schlecht ginge." Grima erwiderte: "Sehr unerwartet kommt mir deine Rede. Wir dachten, daß du unser Freund seist; wie wir deine Freunde sind. Oder habt ihr etwas zu berichten:" Bergi antwortete: "Diese eine Nachricht bringen wir, die du schon wissen wirst." Grima sagte: "Wir haben keine Neuigkeiten in letzter Zeit gehört. Was könntet ihr berichten" Bergi antwortete: "Wir können von der Wunde berichten , die dein Knecht Kolbak meinem Sohne Thormod zugefügt hat." Grima sagte: "Das ist eine große und böse Nachricht, und das schlimmste ist, daß sie wahr zu sein scheint, denn



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ich schickte Kolbak mit Einschlag zu einem Gehöfte, und gestern abend kam er nicht nach Hause. Ich vermute. das er mir nicht unter die Augen zu treten wagt, weil er weiß, wie groß meine Freundschaft zu Thormod ist. Ich habe es mir lange gedacht, daß Kolbak es auf Thordis abgesehen hat. Jetzt hat er die große Torheit begangen, aus seiner Eifersucht heraus Thormod zu verwunden, diesen tüchtigen Mann. Er hat meine Tochter ins Gerede gebracht und uns Scham und Schande bereitet . Es ist meine Schuldigkeit; sein Vergehen zu rächen, so gut ich es vermag." Bersi antwortete: "Es sagen manche Leute, Grima, daß du es zuweilen verstehst, gegen dein besseres Wissen zu reden. Aber es wird bald sich zeigen, wie aufrichtig du in dieser Sache bist." Grima sagte: "Ich werde euch dankbar sein und es gern sehen, wenn ihr mein Haus jetzt untersucht, damit ihr den Verdacht aufgebt, daß wir an Kolbaks Untat teilhaben."

Da ging Bersi mit seinem Gefolge in die Stube und setzte sich auf die vornehme Bank. Dort saß er eine Weile, ohne Kolbak zu sehen, denn Grima hatte einen Tarndelm über ihn gedeckt, daß niemand ihn sehen konnte. Bersi ging weiter und suchte überall im Hofe, aber fand Kolbak nicht.

Darauf machte er die Untat bekannt, die Kolbak gegen Thormod begangen hatte, und ging nach Hause; als das geschehen war.

Thormods Wunde wurde schlechter. Er mußte lange liegen und blieb sein ganzes Leben lang linkshändig.

Kolbak blieb den Winter über in Kleinbucht, wo Grima ibn verborgen hielt.

Im Frühling kam Bersis Klage gegen ihn vor das Thing, und Kolbak wurde zur Friedlosigkeit verurteilt.

Ein Schiff lag in Flachwasser am Lande. Es wurde von einem Norweger gesteuert; der Ingolf hieß. Auf dem Schiffe war alles zurzeit des Althings bereit, aber sie hatten keinen Wind. Als die Männer aus der Gemeinde zum Thinge geritten waren, kam Grima mit Kolbak ins Gespräch und sagte: "Sicher erscheint mir, daß sie dich der Wunde wegen, die du Thormod zugefügt hast, friedlos erklären werden. Aber weil du es



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meinetwegen getan hast, will ich dir die Freiheit geben, und du sollst nicht länger Knecht sein. Du mußt vier Pferde im Geheimen bereitmachen, zwei zum Reiten und die zwei andern als Lastpferde für die Waren und die Kost; die ich dir mitgeben will. Ich will dich heimlich zum Schiffe begleiten, wenn es nur irgend möglich ist, und dich von Flachwasser fortbringen." Kolbak war sehr glücklich über die Freigabe und die Geschenke, die er von Grima erhielt.

In der Nacht bereitete er heimlich die Reise vor, so daß sie Kleinbucht verlassen konnten, ohne daß jemand ihrer gewahr wurde. Sie ritten über die Glamasheide um Adlerfjorde und dann über das Hochland und an den Bergen entlang nach Bardisstrand und kamen nachts nach Flachwasser.

Die Kaufleute schliefen auf dem Schiffe, aber der Steuermann in einem Zelte am Lande.

Grima schlug eine Zeltdecke auf, während Kolbak auf die Pferde achtgab. Sie ging ins Zelt und weckte den Steuermann Ingolf, deim sie kannte ihn vom Ansehen.

Ingolf grüßte sie und Sagte nach Neuigkeiten. Grima sagte: Das ist mein Geschäft dessentwegen ich zu euch gekommen bin: ich will euch einen Mann mitgeben, der mit mir hergeritten ist." Ingolf fragte: "Wer ist der Mann:" Grima antwortete: "Kolbak heißt er." Ingolf Sagte: "verwundete er nicht Bersis Sohn Thormod:" "Ja, das hat er getan." Ingolf sagte: "Schwierig scheint es mir zu sein, diesen Mann mitzunehmen, denn sicherlich wird er in diesem Sommer für friedlos erklärt werden, und so hartnäckige Leute verfolgen ihn wie Thormod und sein Vater Bersi. Wir sind bier jetzt so lange mit segelfertigem Schiffe gelegen, und es kann sein, daß Bersi in diese Gegend zurückkehrt, bevor wir günstigen Wind bekommen. Und es wäre dann möglich, daß wir den Mann nicht verbergen könnten."

Als Grima sah, wie langsam Ingolf in dieser Sache war, zog sie einen Geldbeutel unter ihrem Mantel hervor, schüttete zweihundert Silberstücke dem Steuermann auf die Knie und sagte: "Dies Geld will ich dir geben, wenn du dich Kolbaks annimmst." Ingolf antwortete: "Schön ist dies Geld, aber



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teuer wird es sein, wenn Vater und Sohn uns finden, bevor wir fortkommen und den Friedlosen mitnehmen können." Da sagte Grima: "So schlage ich einen andern Handel vor: du nimmst Kolbak zu dir und das Geld, das ich dir geboten habe, und bringst ihn von Island fort und nimmst dich seiner an, falls ihr heute günstigen Wind bekommt." Ingolf antwortete: "Es soll geschehen, wie du willst."

Ingolf nahm das Geld entgegen, stand auf und brachte Kolbak und seine Waren aufs Schiff.

Aber Grima blieb den Tag über am Lande und entsann sich der alten Lieder, die sie in ihrer Kindheit gelernt hatte. Im selben Augenblick legte sich der Gegenwind, der lange geweht hatte. Ingolf hieß die Felldecken an Bord bringen und sich mit den Vorbereitungen eilen.

Früh am Morgen war alles gerüstet, und als die Sonne im Südosten stand, erhob sich günstiger Wind.

Ingolf und Kolbak gingen aufs Land und boten Grima Lebewohl. Grima machte sich auf den Heimweg. Nichts ist über ihre Reise bekannt, als daß sie nach Kleinbucht kam. Das war lange bevor die Männer vom Thinge zurückkehrten. Sobald Grima fort war, ging Ingolf aufs Schiff und hißte die Segel. Sie hatten guten Wind und waren nur kurze Zeit auf dem Meere; bis sie nach Norwegen kamen. Kolbak schloß sich einigen Wikingern an und zeigte sich als tapferer Mann in allen Mannesproben.

Thormod kam vom Thinge nach Quellenhof und blieb einige Winter bei seinem Vater Nichts haben wir darüber gehört, ob Thormod größere Genugtuung für Kolbaks Überfall bekam , als Kolbaks Friedlosigkeit.


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