Projektseite Volksmärchen Sagen Geschichten Etnologie Beriche © Arpa data
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

Grönländer und Färinger Geschichten


Übertragen von Erich von Mendelssohn

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1912


9. Von Thormod und Kolbak

Jetzt ist von Thormod zu berichten, was er unternahm, während Thorgeir auf seinen Fahrten war. Nachdem er sich von Thorgeir getrennt hatte, ging er zu seinem Vater Bergi nach Quellenhof und blieb dort viele Winter. Oft langweilte er sich, denn wenige Menschen waren bier.

Eine Frau hieß Grima. Sie wohnte auf einem Gehöfte, das Kleinbucht dieß. Sie war Witwe und wohlhabend. Es wurde über sie gesagt, daß sie sich auf manches verstünde, und zauberkundig wäre. Und da das Christentum jung und schwach war, schien es manchen Leuten, es bedeute viel, zauberkundig zu sein. Thordis hieß Grimas Tochter, sie war schön und tüchtig in ihrer Arbeit, aber übermütig. Sie lebte zu Hause bei ihrer Mutter. Kolbak hieß einer von Grimas Knechten, er war groß und stark und schön von Aussehen, aber sehr streitbar. Thormod legte seinen Weg oft nach Kleinbucht und saß im Gespräche bei Thordis, und seiner Besuche wegen kam die Rede auf, daß er sie verführen wolle.

Als Grima das hörte, kam sie mit Thormod ins Gespräch und sagte "Es gebt das Gerücht, Thormod, daß du meine Tochter Thordis verführen willst. Es gefällt mir wenig, daß sie deinetwegen in den Mund der Leute kommt; nicht deshalb, als ob du ihrer nicht wert wärest, sondern deshalb, weil Männer, die die Absicht haben, um sie zu werben, meinen könnten, daß hier ein Troll vor der Tür steht, wenn sie hören, daß du es auf sie abgesehen hast. Aber wenn du sie zum Weibe begehrst, werde ich sie dir geben." Thormod antwortete: "Gut verstehst du deine Worte in dieser Sache zu wählen, und gewiß werde ich ihrer gedenken. Aber mein Sinn ist nicht auf Heiraten gerichtet. Obgleich ich mir kein besseres Weib als deine Tochter erhoffen kann, wird nichts daraus werden."

Nach diesem Gespräche schieden sie voneinander. Thormod ging nach Hause und blieb den Sommer über dort.

Mit dem Winter kam dickes Eis, und die Wege wurden gut, auch der Kleinbuchtsee fror zu.

Thormod langweilte sich, denn wenig Vergnügen gab es in



Thule-Bd.13-192 Groenlaender u. Faerinder Geschichten Flip arpa

Quellenhof. Schließlich begannen wieder seine Besuche in Kleinbucht und seine Gespräche mit Thordis.

Da kamen dieselben Gerüchte und Reden über Thordis und Thormods Freundschaft wieder auf.

Thormod pflegte sich mit Schild und Schwert auszurüsten, wenn er nach Kleinbucht ging, denn er lag im Unfrieden mit einigen Männern.

Grima redete nun mit Thormod und jagte, daß er seine Besuche unterlassen solle: " — damit meine Tochter nicht ins Gerede kommt." Thormod antwortete freundlich, aber kam wieder dorthin.

Da geschah es eines Tages, als Thormod in Kleinbucht war, daß Grima zu Kolbak sagte: "Ich will dich nach einem Gehöfte mit Einschlag schicken, der gewebt werden soll."

Kolbak machte sich fertig. Grima schloß eine Truhe auf, die ihr gehörte, nahm einige Garnknäuel heraus und ein kurzes Schwert, das alt, spitz und scharf war, legte es Kolbak in die Hände und sprach: "Nimm es, damit du nicht wehrlos bist." Kolbak nahm die Waffe in die Hand, aber Grima verbarg die Knäuel unter seinen Kleidern und strich mit ihren Händen über seinen ganzen Körper.

Darauf ging Kolbak seines Weges. Die Luft wurde schwer und tauig, und der Schneefall, der geherrscht hatte, war im Abnehmen.

Als der Tag zur Neige ging, sagte Thordis zu Thormod: "Ich wollte, daß du einen andern Weg nach Hause gehst, als den, den du gewohnt bist. Geh am Kleinbuchtfjorde entlang und dann über die Halde nach Quellenhof." Thormod erwiderte: "Was ist der Grund deines Wunsches, daß ich diesen Weg nehme:" Thordis antwortete: "Es ist möglich, daß das Eis in der Bucht mürbe geworden ist, weil die Luft tauig ist. Ich will nicht, daß du dich einem Unglück aussetzst." Thormod antwortete: "Das Eis wird fest sein" Thordis sagte: "Ich bitte dich um so wenig, Thormod, daß ich es übel aufnehmen würde, wenn du meine Bitte abschlügest."

Da sah Thormod, daß Thordis viel daran gelegen war, wenn er den Weg ginge, den zu gehen sie ihn bat, und er versprach es ihr.



Thule-Bd.13-193 Groenlaender u. Faerinder Geschichten Flip arpa

Spät am Abend verließ Thormod Kleinbucht. Als er ein kurzes Stück gegangen war, meinte er, daß es Thordis gleichgültig sein könne, wo er ginge. Er veränderte seinen Beschluß und ging den kürzesten Weg über das Eis der Bucht. Ein Schafhaus stand am Strande, und um die Hütte war eine Wiese. Thormod ging an der Tür vorbei.

In diesem Augenblick sprang Kolbak mit gezogenem Schwerte heraus und schlug nach Thormod. Der Hieb traf oberhalb des Ellbogens in den Arm und verursachte eine große Wunde. Thormod warf den Schild fort, faßte das Schwert mit der linken Hand und hieb mit beiden Händen auf Kolbak ein. Schnell folgten seine Hiebe aufeinander. Das Schwert verwundete aber nicht, denn Kolbak war durch Grimas Zauber so gehärtet, daß keine Waffe ihn verletzen konnte. Kolbak hatte nur das eine Mal nach Thormod geschlagen. Er sprach: "Alles kann ich dir zufügen, Thormod, wenn ich will. Aber ich werde dir nichts mehr antun."

Kolbak wandte äch jetzt nach Hause und erzählte das vorgefallene . Grima meinte, daß er Thormod zu wenig angetan hätte. Sie sagte, daß sie mehr von ihm erwartet hätte.

Thormod riß, seine Leinwandhose in Streifen und verband seine Wunde. Dann ging er nach Hause nach Quellenhof. Eine Dienstmagd erwartete ihn in der Stube. Dort war noch Licht, obgleich alle andern Leute zu Bett gegangen waren.

Als Thormod in die Stube kam, wurde ein Tisch vor ihn hingestellt und Essen aufgetragen. Thormod ass nur wenig.

Die Magd sah, daß er blutig war. Sie ging zu Bersi und sagte ihm, daß Thormod mit blutbefleckten Kleidern nach Hause gekommen wäre. Bergi stand auf und ging in die Stube, grüßte Thormod und fragte ihn, was geschehen sei. Dieser erzählte von seiner Begegnung mit Kolbak und der Wunde, die jener ihm zugefügt hatte. Bergi sagte: "verhielt es sich so, daß kein Eisen Kolbak verletzte:" Thormod antwortete: "Oft schlug ich mit dem Schwerte nach ihm und verwundete ihn nicht stärker als wenn ich mit Fisch bein geschlagen hätte." Bersi sagte:"Das kam von Grimas Zauberei." Thormod sagte das Lied:



Thule-Bd.13-194 Groenlaender u. Faerinder Geschichten Flip arpa

"Wund ist mein Arm,
Das hat ein Weib verursacht.
In heißem Streit
Schwang ich den Schild,
Den mir weihte der König.
Nicht weiß ich, wann ich
Rache nehmen kann
Am rohen Sieger."

Bersi sagte: "Es ist ungewiß, wann diese Schande gerächt werden wird, denn mit Zauberei haben wir es zu tun."


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
Auch bitten wir Sie um weitere Anregungen in Bezug auf Erweiterungen und Verbesserungen.
Im voraus Dank für die Mithilfe. Spenden können Sie unter In eigener Sache

Ihr arpa team: www.arpa.ch Kontakt