Projektseite Volksmärchen Sagen Geschichten Etnologie Beriche © Arpa data
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

Grönländer und Färinger Geschichten


Übertragen von Erich von Mendelssohn

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1912


3. Thorgeir tötet Jödur. Die Schwurbrüder kommen zu Sigrfljod

Es ist berichtet, daß Thorgeir sich wenig um Frauen kümmerte. Er sagte, es wäre eine Schande für seine Kraft, sich vor Weibern zu bücken. Selten lachte er. Unfreundlich war er fast immer gegen die Leute. Er war bach gewachsen, mannhaft anzusehen und stark. Er besaß eine sehr graße und breite Art



Thule-Bd.13-169 Groenlaender u. Faerinder Geschichten Flip arpa

Sie war sehr scharf und hatte vielen Raben Nachtfraß verschafft. Er hatte auch einen breiten Spieß mir gehärteter Spitze und scharfen Schneiden, mit langem Schaftrohre und dickem Schafte. In jener Zeit wurden auf Island selten Schwerter gebraucht.

Als Thorgeir den Tod seines Vaters erfuhr, veränderte sich sein Gesicht nicht, er errötete nicht, denn der Zorn drang ihm nicht in die Haut, er wurde nicht blaß, denn der Zorn drang ihm nicht in die Knochen. Er veränderte sich nicht, denn sein Herz war nicht bluterfüllt wie das eines Vogels, der vor Furcht bebt, sondern vom höchsten Schmiede war es gehärtet worden und bereit zu jeder mannestat.

Er ging nach Reykjaholar zu Thorgils und sagte ihm, er wolle südwärts zum Borgfjorde, hinüber zu seiner Mutter gehen. Er bat ihn, ihn über den Breitfjord übersetzen zu lassen. Thorgils erfüllte seine Bitte.

Jetzt ging Thorgeir südwärts, und es ist nicht bekannt, wo er die Nächte zubrachte. Die Wege waren gut, und in der ganzen Gegend lag kein Schnee. Alle Wasserläufe waren zugefroren. Als er die andere Seite der Weißach erreichte, nahm er den Weg nach Schalenhang. Die Luft war neblig und lau. Es war dunkel, des Nebels wegen, und weil die Nacht hereinbrach.

Spät am Abend kam Thorgeir nach Schalenhang.

Als er an das Gehöft kam, waren die Türen geschlossen, und die Leute waren eben aus der Küche in die Stube gekommen. Hier brannte Licht.

Thorgeir klopfte an die Tür. Jödur sagte: "Es hat geklopft. Geh einer von euch Burschen hinaus."

Da ging ein Knecht hinaus und sah einen bewaffneten Mann vor der Tür stehen und Sagte; wer er wäre. Jener antwortete: ",Kampflust' heiß ich." Der Knecht sagte: "Tritt ein, Obdach sollst du haben." Thorgeir antwortete. "Nicht ein Knecht soll mir eine Nachtstätte anweisen: sag du, daß Jödur herauskommen soll." Der Knecht ging hinein, aber Thorgeir blieb draußen stehen.

Der Bauer Sagte den Knecht, als er in die Stube kam: "Wer ist der Mann draußen:" Der Knecht anwortete: "Ich glaube



Thule-Bd.13-170 Groenlaender u. Faerinder Geschichten Flip arpa

nicht, daß er es selbst weiß. Wie sollte ich es wissen!" Jödur fragte: "Batest du ihm Nachtstätte an:" Er antwortete: Ich bot sie ihm an." Jödur fragte: "Was antwortete er hierauf:" "Er wollte nicht das Angebot zur Nachtstätte von einem Knechte annehmen. Er bat dich herauszukommen."

Jödur nahm einen Speer in die Hand und setzte einen Helm auf. Er trat unter die Tür. Zwei Knechte waren bei ihm.

Er sah den Mann vor der Tür stehen, senkte den Speer und setzte die Spitze auf die Schwelle. Dann fragte er, wer der Ankömmling sei. Dieser sagte: "Ich heiße Thorgeir." Jödur fragte: "Was für ein Thorgeir bist du?"Er antwortete: "Ich hrn Havars Sohn." Jödur Sagte:"Was für ein Geschäft führt dich hierher:" "Wie es verlaufen wird, weiß ich nicht: denn ich will Sagen, ob du Bußgeld für den Totschlag geben willst, den an meinem Vater verübt hast." Jödur sagte: "Ich weiß nicht, ob du gehört hast, daß ich manchen Totschlag begangen habe, ohne je dafür Bußgeld zu geben." "Unkundig bin ich dessen," sagte Thorgeir, " aber wie es sich auch damit verhält, meine Sache ist es, jetzt Bußgeld zu verlangen, denn abe von mir fiel dein Schlag." Jödur erwiderte: "Ich bin nicht unwillig, dir in irgendeiner Weise entgegenzukommen. ther deshalb kann ich dir nicht Bußgeld für diesen Totschlag geben, Thorgeir, weil es dann andern dünken würde, daß ich ihnen die Totschläge büßen müßte." Thorgeir antwortete: Du magst bestimmen, welche Genugtuung du mir geben willst, aber meine Ansicht darüber ist meine Sache."

Als sie diese Worte wechselten, stand Thorgeir nicht sehr nahe der Tür. Er hielt einen Speer in der rechten Hand, mit der Spitze nach vorn und eine Art in der linken Hand.

Jödur und seinen Leuten fiel es schwer, in das Dunkel zu sehen, da sie aus dem Licht kamen. Aber für Thorgeir war es leichter, jene zu sehen, die in der Tür standen. Als sie es am wenigsten erwarteten, ging Thorgeir auf sie zu und durchstieß Jödur, so daß erin die Arme seiner Leute fiel.

Thorgeir ging schnell im Dunkel der Nacht fort, während Jödurs Knechte sich mit dem Toten abgaben.



Thule-Bd.13-171 Groenlaender u. Faerinder Geschichten Flip arpa

Damals war Thorgeir fünfzehn Winter alt, und es war dieser Totschlag, den Thormod im Totenlied auf Thorgeir meinte:

"Dies war seine erste
Sübntat: Kläings Sohn
Starb durch seinen Stoß.
Rache nahm für Havar
Kühner Seeheld. Kundig war
Er zu solchen edlen
Dingen. Damals nur
Fünfzehn Winter alt."

Thorgeir ging durch die Nacht und hielt nicht an, bevor er Havarsheim erreichte. Er klopfte dort an der Tür, aber es dauerte lange, bis jemand kam. Thorelf sagte einem Knechte, er solle hinausgehen. Dieser erwachte, rieb sich die Augen und hatte keine Lust aufzustehen und sagte: "Ich sehe nicht ein, daß es notwendig ist, hinauszugehen, wenn Leute in der Nacht kommen. Thorelf sagte: "Wer in Nacht und großer Dunkelheit kommt, hält es gewiß für notwendig." "Das weiß ich nicht," sagte der Knecht und stand auf, aber ziemlich langsam . Er ging zur Tür und sah einen Mann draußen im Dunkel der Nacht stehen und grüßte ihn nicht, eilte wieder herein, legte sich ins Bett und breitete die Decke über sich.

Thorgeir ging hinein und schloß die Tür hinter sich und kam in die Stube. Thorelf fragte: "Was ist das ein Mann:" Der Knecht antwortete: " Weder weiß ich das, noch scheint mir das wissenswert zu sein." Thorelf sprach:"Wenig neugierig bist du." Sie sagte zu einer Dienerin: "Steh du auf und sieh, wer der Ankömmling ist."

Die Dienen stand auf und ging zur Stube, öffnete die Tür ein wenig und fragte, ob jemand in der Stube wäre. Ihr wurde geantwortet: "Hier ist ein Mann." Sie Sagte, wer er wäre. Er antwortete: "Thorgeir heiß ich." Sie schloß die Tür wieder und ging in die Schlafftube. Thorelf fragte: Wer ist der Mann:" Die Dienerin antwortete: "Ich glaube, daß es dein Sohn Thorgeir ist."

Da stand Thorelf auf, machte Licht und ging in die Stube. Sie begrüßte ihren Sohn und Sagte ihn, was es gäbe. Thor



Thule-Bd.13-172 Groenlaender u. Faerinder Geschichten Flip arpa

geir antwortete: "Eine Wunde wurde beute abend auf Schalenhang geschlagen." Thorelf fragte:"Wer hatte Teil daran " Thorgeir antwortete: "Ich kann nicht leugnen, daß ich dabei war," Thorelf fragte: "Wie groß war die Wunde?" Thorgeir antwortete: "Ich glaube nicht, daß die Wunde, die er von mir empfing, verbunden zu werden braucht. Das sah ich an meinem Speer, daß er ganz durch gegangen war, und der Mann fiel rücklings in die Arme seiner Leute." Da rief Thorelf aus froher Brust: "Nicht knabenhaft war die Tai, und Heil sei mit dir, mein Sohn. Aber warum verfolgten seine Leute dich nicht:" "Beschäftigt waren sie zuerst mit anderen Dingen und dann verloren sie mich der Dunkelheit wegen bald aus dem Gesichte." Thorelf sagte: "So wird es sich verhalten."

Dann wurde das Nachtmahl für Thorgeir aufgetragen, und als er satt war, sagte Thorelf: "Jetzt scheint mir am rätlichsten zu sein, daß du dich jetzt zum Schlafen niederlegst, aber vor Tagesanbruch aufstehst, dein Pferd besteigst und westwärts zum Breitfjorde reitest. Meine Knechte werden dich so weit begleiten, wie du willst. Hierher werden morgen Leute kommen und dich suchen, und wir sind nicht stark genug, um dich gegen viele zu verteidigen. Die Waßerläufe werden bald aufbrechen, wenn das Tauwetter anhält, und schwerer wird der Weg, wenn sie wieder fließen. Jetzt hast du das Notwendigste getan. Überbring meinem Vetter Thorgils diese Botschaft vor mir: er soll mir im Westen eine Zufluchtsstelle bei sich schaffen, denn ich werde meinen Besitz hier verkaufen d dorthin ziehen, wo mein Geschlecht gewohnt hat."

Thorgeir folgte dem Ratschläge seiner Mutter, legte sich zum Schlafen hin und stand bei Tagesanbruch auf. Er ritt bald darauf fort, und nichts ist über seine Fahrt bekannt, als daß nach dem Breitfjorde kam, Wo er ein Schiff bestieg und westwärts nach Rauchspitz fuhr und die Tötung Jödurs berichtete.

Alle Leute, die diese Nachricht hörten, meinten, es wäre ein wunderbares Ereignis, daß ein junger Mann einen so mächtigen Häuptling und großen Helden wie Jödur gefällt hatte.



Thule-Bd.13-173 Groenlaender u. Faerinder Geschichten Flip arpa

Aber doch war es nicht wunderbar, denn der höchste Bildner hatte in Thorgeirs Brust ein so kühnes und hartes Herz gelegt, daß er sich nicht fürchtete und sich in allen Mannesproben wie ein Löwe hielt. Und da alle guten Dinge Gottes Gaben sind, ist auch die Tapferkeit von Gott in die Brust mutiger Männer gelegt und damit die Freiheit ihrem eigenen Willen nach gut oder böse zu handeln. Denn der Heiland hat die Christen zu seinen Söhnen gemacht, aber nicht zu seinen Knechten. Doch wird er jeden nach seinen Taten belohnen. Thorgeir hielt sich nun zuweilen auf Reykjaholar auf und zuweilen westlich beim Eisfjorde.

Im Frühjahre darauf zog Thorelf mit ihrem ganzen Gute westwärts nach Rauchspitz.

Im Sommer wurde ein Vergleich über Jödurs Tod geschlossen.

Thorgeir hielt üch jetzt oft bei Bersi auf. Er und Thormod waren die besten Freunde. Sie verschafften sich ein Boot. Mit sieben andern Männern besuchten sie im Laufe des Sommers verschiedene Orte und waren nicht gern gesehen.

Ingolf hieß ein Mann, der im Gleischerfjorde wohnte. Er wurde Ingolf der versengte genannt. Dav Gehöft, auf dem er wohnte, hieß Sengstätte. Thorbrand hieß sein Sohn. Er war ein tapferer Mensch, gewalttätig und unbeliebt. Beide, Vater und Sohn, waren sehr unbillige Männer, die oft anderer Leute Gut mit Gewalt und Raub an sich brachten. Sie waren Vermunds Thingleute. Er hielt immer seine Hand über sie, denn sie machten ihm große Geschenke. Ihr Übermut, den sie gegen viele zeigten, wurde deshalb nicht gerächt, weil Vermunds Schwur sie schützte.

Sigrsljod hieß eine Witwe, die im Gletscherfjorde wohnte. Sie war klug und beliebt, und manchem war sie von Nutzen gewesen. Zwischen Sigrsljods und Ingolfs Gehöften lag ein Fjord, aber doch hatte die Witwe in vielen Dingen große Unannehmlichkeiten durch Vater und Sohn.

Thorgeir und Thormod rüsteten sich nordwärts nach Strand, um auf Fang zu gehen. Als sie fertig waren, bekamen sie Gegenwind und konnten nicht aus dem Fjorde hinauskommen, und



Thule-Bd.13-174 Groenlaender u. Faerinder Geschichten Flip arpa

viele Männer litten durch sie große Ungemach in diesem Sommer. Als der Winter herankam, erhob sich günstiger Wind. Sie setzten die Segel auf und fuhren aus dem Eisfjorde bei gutem, aber schwachem Winde hinaus. Das Schiff ging langsam, und als sie eine Weile gesegelt waren, begann die Luft dicker zu werden. Dann fing es an zu schneien, und als sie vor den Gletscherfjord kamen, blies ihnen scharfer, kalter Wind mit Schneewehen entgegen, so daß sie nicht wußten, wo sie fuhren. Der Nacht und des Schneegestöbers wegen war es sehr dunkel. Sie drehten das Schiff nach dem Winde und bekamen schwere Sturzwellen, daß sie alle naß wurden und die Kleider an ihnen gegoren. Raus Töchter 1 lockten sie und boten ihnen ihre Umarmung an.

Schließlich kamen sie in einen Fjord und fuhren in ihn hinein. Am Ende des Fjordes war ein Schuppen mit Booten. dort legten sie mit ihrem Schiff an, zogen es herauf und befestigten es. Dann gingen sie ans Land, suchten irgendeine Unterkunft und fanden endlich ein kleines Gehöft. Sie klopften an die Tur. Ein Mann trat heraus, grüßte sie und bat sie herein zu kommen, weil das Wetter so schlecht sei. Sie gingen in die Stube, und dort brannte Licht. Sie wurden willkommen geheißen und setzten sich auf die geringere Bank.

Da fragte eine Frau, wer von den Angekommenen der Führer wäre. Ihr wurde geantwortet, daß es Thorgeir und Thormod wären: " —aber wer fragt:" Ihnen wurde gesagt, daß esche Hausbau Sigrfljod getan hätte.

"Ich habe über euch sprechen hören," sagte sie, " aber ich habe euch noch nicht gesehen. Sind Wetter und Leute euch heute gut gesinnt gewesen:"

Sie antworteten:"viele würden sagen, daß beider Gesinnungen einander ähnlich gewesen sind. Doch werden darüber nicht alle übereinstimmen, ob die Gesinnungen günstig oder ungünstig waren." Sigrsljod sagte: "Es mag sein, daß es sich so verhält."


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
Auch bitten wir Sie um weitere Anregungen in Bezug auf Erweiterungen und Verbesserungen.
Im voraus Dank für die Mithilfe. Spenden können Sie unter In eigener Sache

Ihr arpa team: www.arpa.ch Kontakt