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Grönländer und Färinger Geschichten


Übertragen von Erich von Mendelssohn

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1912


7. Thormanns Weinlandfahrt

Im selben Sommer kam ein Schiff von Norwegen nach Grönland . Der Steuermann hieß Thormann Mannessproß. Thorsinn war sehr reich. Er verbrachte den Winter in Steilhang bei Leif; Erichs Sohn. Bald gewann er Gudrid lieb und bat sie, sein



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Weib zu werden, aber sie forderte Leif auf, für sie Antwort zu geben. Sie wurden verlobt, und die Hochzeit fand im selben Winter statt.

Jetzt wurde wieder viel von einer Fahrt nach Weinland gesprochen , und Gudrid und die Männer rieten Thorsinn sehr dieser Fahrt. So entschloß er sich zur Fahrt und nahm sechzig Männer und fünf Frauen mit. Diese Übereinkunft schlossen sie miteinander, daß alles Gut, das sie bekommen würden, gleicherweise zwischen ihnen geteilt werden sollte. Sie hatten verschiedene Arten Vieh mit sich, denn sie gedachten das Land zu bebauen, wenn es möglich sein würde. Thorsinn bai Leif um dessen Häuser in Weinland, aber Leif antwortete, er wolle sie ihm leihen, aber nicht geben.

Dann stachen sie in See und kamen wohlbehalten bei Leifs Häusern an und trugen ihre Felldecken ans Land. Sie machten bald einen großen und guten Fang, denn ein großer und guter Wal wurde ans Land getrieben. Sie gingen hin und zerlegten den Wal. Da mangelte es ihnen nicht an Nahrung.

Das Vieh ging aufs Land, und bald wurden die männlichen Tiere wild und verursachten viel Beschwerde. Sie hatten auch einen Stier mit

Thorsinn ließ Bäume fällen und für sein Schiff zurechthauen und sie zum Trocknen auf einen Berg bringen. Sie genossen alles, was das Land darbot: Weintrauben, Jagdbeute verschiedener Art und anderes.

Im Sommer, der auf den ersten Winter folgte, wurden sie Wilde gewahr. Sie kamen in einer großen Schar aus dem Walde. Dort in der Nähe stand das Vieh, und der Stier begann gewaltig zu brüllen und zu schreien, und davon erschraken die Wilden und liefen mit ihren Bürden fort. Sie hatten Grauwerk und Zobel und alle Arten Felle. Die Wilden wandten sich Thorsinns Gehöft zu und wollten in die Häuser dringen, aber Thorsinn ließ die Türen absperren. Sie verstanden nicht der Andern Sprache. Die Wilden nahmen ihre Säcke herunter, öffneten sie, wiesen den Inhalt vor und boten ihn an und wollten am liebsten Waffen dafür eintauschen, aber Thorsinn verbot seinen Leuten, Wassen zu verkaufen, und



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kam auf den Einfall, die Frauen zu bitten, Milchspeise herauszutragen , und als jene die Milchspeise sahen, wollten sie die kaufen und nichts anderes. So endete die Kauffahrt der Wilden, daß sie ihre Waren in ihren Magen forttrugen, aber Thorsinn und seine Genossen behielten die Säcke und die Felle. Jetzt ist zu berichten, daß Thorsinn einen starken Pfahlzaun um seinen Hof herum errichten lieg.

In dieser Zeit gebar Gudrid, das Weib Thorsinns, einen Knaben, und dieser wurde Snorri genannt,

Bei Beginn des zweiten Winters kamen die Wilden wieder mit ihnen zusammen. Ihrer waren viel mehr als das erste Mal, und sie hatten dieselben Waren mit. Da sagte Thorsinn zu den Frauen: "Jetzt müßt ihr dieselbe Speise hinaustragen, nach der sie das vorige Mal so begierig waren, aber nichts anderes." Und als jene die Speise sahen, warfen sie ihre Säcke über den Pfahlzaun hinein.

Gudrid saß in der Tür an der Wiege ihres Sohnes Snorri. Da fiel ein Schatten in die Tür, und eine Frau trat herein. Bekleidet war sie mit einem schwarzen Gewande und trug ein Band um den Kopf. Sie war klein, hatte hellbraunes Haar und so große Augen, wie niemand ähnlich im Kopf eines Menschen gesehen hatte. Sie ging zu Gudrid und Sagte: "Wie heißt du:" "Ich heiße Gudrid, aber wie ist dein Name:" antwortete Gudrid. "Ich heiße Gudrid," sagte jene. Da reichte die Hausfrau Gudrid jener die Hand, daß sie sich neben sie hinsetze, aber im selben Augenblick hörte sie großen Lärm und die Frau war verschwunden. Einer der Wilden war von einem der Leute Thorsinns getötet worden, weil er ihre Waffen nehmen wollte. Die Wilden eilten fort, aber ihre Kleider und Waren blieben liegen. Niemand anders hatte jene Frau gesehen, als Gudrid allein.

"Jetzt müssen wir einen klugen Entschluß fassen," sagte Thorsinn, "denn ich denke, daß jene zum drittenmal in Unfrieden kommen werden und in großer Anzahl. Zebn Männer sollen auf diese Landenge gehen und sich dort zeigen, aber die andern sollen in den Wald gehen und eine Lichtung unser vieh aushauen, für den Fall, daß die Wilden aus dem Walde



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kommen, Wir müssen auch unsern Stier ver uns hergehen lassen," Dort, wo sie dachten, daß es zum Kampf kommen würde, war ein See auf der einen Seite und Wald auf der andern.

Alles wurde getan. wie es Thorsinn bestimmt hatte. Jetzt kamen die Wilden auf die Stelle, die sich Thorsinn als Kampfplatz gedacht hatte. Der Kampf begann, und viele von den Wilden wurden getötet.

Ein Mann unter den Wilden war groß und schön, und Thorsinn glaubte; daß er ihr Häuptling sein müsse. Einer der Wilden hatte eine Art aufgehoben und betrachtete sie eine Weile, schwang sie gegen einen seiner Genossen und hieb nach ihm. Der fiel sofort tot nieder. Da nahm der große Mann die Art, betrachtete sie eine Weite und schleuderte sie dann in den See, soweit er konnte. Aber dann flohen sie in den Wald, so schnell ein jeder laufen konnte, und damit war der Kampf zu Ende.

Thorsinn und seine Leute blieben den ganzen Winter über dort, aber im Frühling sagte Thorsinn, daß er nicht länger bleiben, sondern nach Grönland zurückkehren wolle. Da rüsteten sie sich zur Fahrt und nahmen viel Gut mit: Weinranken, Beeren und Pelzwerk.

Sie stachen in See und kamen wohlbehalten im Erichsfjorde an und blieben dort den Winter über.


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