Projektseite Volksmärchen Sagen Geschichten Etnologie Beriche © Arpa data
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

Grönländer und Färinger Geschichten


Übertragen von Erich von Mendelssohn

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1912


6. Erichs Sohn Thorstein stirbt in der westlichen Ansiedelung

Es hatte sich inzwischen auf Grönland zugetragen, daß Thorstein im Erichsfjorde sich Thorbjörns Tochter Gudrid zum Weibe nahm, von der berichtet worden ist, daß sie vorher das Weib Thorirs des Norwegers gewesen war. Jetzt gelüstete es Thorstein, Erichs Sohn, nach Weinland zu fahren, um die Leiche seines Bruders Thorvald zu holen. Er rüstete dasselbe Schiff und wählte sich starke und große Leute als Gefolgschaft. Er hatte fünfundzwanzig Männer mit sich und Gudrid sein Weib, und als sie bereit waren, stachen sie in See und verloren das Land aus dem Gesichte. Sie trieben den ganzen Sommer auf dem Meere umher und wußten nicht, wo sie fuhren, und als eine Woche vom Winter verstrichen war, landeten sie im Weißlmgsfischerfjorde im westlichen Teil des besiedelten Grönlands . Thorstein suchte Obdach und fand es für seine ganze Mannschaft, aber er und sein Weib waren obdachlos.

Sie kehrten zum Schiffe zurück und blieben dort einige Nächte. Damals war das Christentum noch jung auf Grönland.

Da geschah es eines Morgens, daß Leute zu Thorsteins Zelt kamen. Ihr Führer fragte, wer im Zelte sei. Thorstein antwortete: "Nur zwei sind hier, aber wer Sagt:" "Thorstein heiß ich und werde der schwarze Thorstein genannt. Und das ist mein Geschäft hier, daß ich dir und deinem Weibe Obdach bei mir bieten will." Thorstein antwortete, er wolle die Ansicht seines Weibes hören, aber Gudrid sagte, er solle bestimmen, und da nahm er das Angebot an. "So werde ich morgen mit Pferden kommen und euch holen, denn es fehlt mir an nichts, so daß ich euch Obdach bieten kann. Aber sehr einsam ist es bei mir, denn nur aus mir und meinem Weibe besteht mein Haushalt, denn ich gehe meine eigenen Wege. Auch habe ich einen andern Glauben als ihr, doch glaube ich, daß der eurige besser ist."



Thule-Bd.13-042 Groenlaender u. Faerinder Geschichten Flip arpa

Am nächsten Morgen kam er mit Pferden, um sie zu holen, und sie fanden Obdach beim schwarzen Thorstein und hatten es gut bei ihm. Gudrid war stattlich anzusehen und klug und verstand mit unbekannten Leuten umzugehen.

Beim Anfang des Winters brach eine Seuche unter den Leuten von Thorstein, Erichs Sohn, aus, und viele seiner Genossen starben. Thorstein ließ Särge für die Leichen machen und sie aufs Schiff bringen: " — denn ich will alle Leichen im Sommer in den Erichsfjord bringen lassen."

Jetzt dauerte es nicht lange, bis die Seuche auch zum Gehöfte des schwarzen Thorstein kam, und sie ergriff zuerst Thorsteins Weib, das Grimhild hieß. Sie war ungewöhnlich groß und stark wie ein Mann, aber doch wurde sie wieder überwältigt. Bald darauf ergriff die Seuche auch Thorstein, Erichs Sohn, und er und Grimhild lagen zu gleicher Zeit. Grimhild starb. Als sie tot war, ging der schwarze Thorstein aus der Stube, um ein Brett zu holen, auf das er die Leiche legen wollte. Da sagte Gudrid : " Eil dich, Thorstein." Er antwortete, daß es so geschehen solle. Da sagte Thorstein, Erichs Sohn: Sonderbar führt sich unsere Hausbau jetzt auf, sie stützt sich auf die Ellbogen und streckt die Füße über den Bettrand und langt nach ihren Schuhen."

In diesem Augenblick kam der schwarze Thorstein herein, und Grimhild legte sich hin, und jeder Balken im Zimmer knirschte. Jetzt machte Thorstein einen Sarg für Grimhilds Leiche, trug sie heraus und begrub sie. Er war groß und stark, und doch brauchte er alle seine Kräfte; um sie aus dem Gehöfte zu tragen. Die Krankheit von Thorstein, Erichs Sohn, verschlimmerte sich, und er starb. Gudrid, sein Weib, war darüber sehr betrübt. Sie waren alle in der Stube versammelt. Gudrid hatte auf einem Stuhl vor der Bank gesessen, auf der ihr Gant Thorstein lag. Jetzt hob sie der schwarze Thorstein vom Stuhl auf, nahm sie in seine Arme und setzte sich mit ihr auf eine andere Bank der Leiche Thorsteins gegenüber und sprach ihr zu und tröstete sie und versprach ihr, mit ihr und Thorsteins Leiche und Thorsteins Genossen zum Erichsfjorde zu fahren. "Und dann werde ich hierher mehr Leute nehmen," sagte er,



Thule-Bd.13-043 Groenlaender u. Faerinder Geschichten Flip arpa

dir zum Trost und zur Ermunterung." Sie dankte ihm. Da setzte sich Thorstein, Erichs Sohn, auf und sagte: "Wo ist Gudrid :" Dreimal Sagte er, aber sie schwieg. Endlich Sagte sie den schwarzen Thorstein: "Soll ich ihm Antwort auf seine Frage geben oder nicht:" Er bat sie, nicht zu antworten, ging quer durch das Zimmer und setzte sich auf den Stuhl, Gudrid aber hielt er auf seinen Knien und sprach: "Was willst du, Vetter :" antwortete nach einer kleinen Weile: Mich verlangt danach, Gudrid ihre Zukunft zu verkünden. damit sie leichter meinen Tod erträgt, denn ich bin zu guter Ruhestätte eingegangen. Aber das sage ich dir, Gudrid, daß du das Weib eines Isländers werden wirst, und ihr werdet lange zusammen leben, und zahlreich wird eure Nachkommenschaft sein, kräftig und leuchtend, herrlich, süß und duftend. Ihr werdet von Grönland nach Norwegen fahren, von dort nach Island und dort werdet ihr euch niederlassen. Dort werdet ihr lange wohnen, aber du wirst deinen Gatten überleben. Du wirst nach Norwegen und südwärts fahren und nach Island zu deinem Wohnort zurückkehren, und dort wird eine Kirche gebaut werden, und du wirst die Nonnen weihen empfangen, und dort wirst du sterben." Da sank Thorstein wieder zurück, und sie besorgten die Leiche und brachten sie aufs Schiff.

Der Bauer Thorstein hielt alles, was er Gudrid gelobt hatte. Er verkaufte im Frühling sein Land und sein vieh und ging mit Gudrid und allem seinem Gute aufs Schiff. Er rüstete das Schiff und besorgte sich mehr Leute und fuhr dann zum Erichsfjorde. Dort wurden die Leute bei der Kirche begraben.

Gudrid ging zu Leif nach Steilhang, aber der schwarze Thorstein ließ sich im Erichsfjorde nieder und wohnte dort so lange er lebte und wurde als ein überaus tüchtiger Mann angesehen.


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
Auch bitten wir Sie um weitere Anregungen in Bezug auf Erweiterungen und Verbesserungen.
Im voraus Dank für die Mithilfe. Spenden können Sie unter In eigener Sache

Ihr arpa team: www.arpa.ch Kontakt