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Kapitel 

Sieben Geschichten von den Ostland Familien


Übertragen von Gustav Neckel

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1913


10. Der Kampf im Eyvindtal

Nun geht die Geschichte da weiter, wie Helgi, Droplaugs Sohn, im Fönntal saß. Dort stieß Thorkel wieder zu ihm, und sie blieben die Nacht dort. Helgi schlief unruhig und mußte in der Nacht dreimal geweckt werden. Als Thorkel ihn fragte, was ihm geträumt habe, erwiderte er: ,Das werde ich



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nicht sagen.' Sie kleideten sich an. Helgi bat Thorstein, für Rannveigs Unterhalt zu sorgen; ,laß sie zu meinem Bruder Grim bringen, wenn du willst,' sagte er,

vor Tag verließen sie das Fönntal und wandten sich, neun Mann stark, hinauf auf die Bergheide. Als sie die Vor hügel hinter sich hatten, ruhte Helgi sich aus, weil er sich erschöpft fühlte, und er breitete seinen Mantel unter sich. Da kratzte er sich die Wange und rieb sich das Kinn und sagte dies: ,Ehe der Abend kommt, hört es auf bier zu jucken. Liegt dir, Thorkel , noch ebenso viel daran, meinen Traum zu hören, wie heute nacht" ,Nicht weniger jetzt als damals', versetzte der. ,Mir war,' erzählte Helgi, ,als kämen wir dieses Weges, den wir eben hinter uns haben, und gingen dann das Eyvindtal hinab zum Kalbs hügel. Da rannten uns achtzehn oder zwanzig Wölfe entgegen, einer davon bei weitem der größte. Wir wollten auf den Hügel, konnten aber nicht. Sie fielen sogleich uns an, und einer kam mir mit der Tatze ans Kinn und an die Zähne. Da wurde ich geweckt.' Thorkel meinte: ,Gewiß lauert man dir auf. Es wird Helgi, Asbjörns Sohn, sein und andere aus dem Bezirk. viele hier nehmen Anstoß an deiner Überlegenheit . Wir beide haben Freundschaft geschlossen, und ich möchte, daß du mich nach meinem Hause begleitest und dort eine Zeitlang bleibst.' Helgi versetzte: ,Ich gebe, wo ich gebn wollte.'

Sie gingen hinab ins Eyvindtal und kamen auf den Hof der Thordis. Sie war eine alte Frau, häßlich und schwarz. Helgi wollte sie fragen, was sie Neues wisse. Aber in diesem Augenblick nahm ein Mann eine Handvoll Schnee auf, machte einen Ball daraus und warf ihn der Thordis an die Wange. Sie ward böse und rief: ,Die Trolle über euch" Da sagte Helgi Ungezogene Knaben werfen nach Frauen, und den schlimmsten Feind hat man selbst im Gefolge.' So bekam also Helgi dort nichts Neues zu hören.

Sie gingen weiter und kamen zur Valakluftache. Da erbot sich Thorkel, noch bis Eyvindach mitzugehn. ,Nicht nötig', sagte Helgi, und sie trennten sich. Als Thorkel ein kurzes Stück durch die Hügel bergauf gegangen war, kehrte er um und kam wie



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der zu Helgi. Der begrüßte ihn freundlich und sagte: das heiße sich als Freund bewähren.

Sie kamen zum Kalbsfurtstrand. Da sahen sie auf einmal, wie achtzehn Männer ihnen entgegen liefen. Helgi, Droplaugs Sohn, und die Seinen wollten auf den Kalbshügel, konnten aber nicht. Da wandten sie sich vom Wege aufwärts zum Rande der Schlucht über der Strandkluftache. Dort war eine kleine Bodenerhebung und an ihrem Fuße eine Schneewehe. Heute ist der ganze Abhang mit Gebüsch überwachsen; an der Stelle, wo )ie kämpften, steht eine kleine Warte aus Steinen.

Helgi Sagte seinen Bruder Grim, ob er Helgi, Asbjörns Sohn' oben oder unten treffen wolle, und Grim wählte oben. ,Zu Tode treffen willst du also meinen Namensvetter nicht,' sagte Helgi; ,da, wo ich hinschieße, schützi ihn kein Schild.' Sie warfen beide zugleich die Speere gegen Helgi, Asbjörns Sohn. Grims Speer drang durch den Schild, verwundete aber Helgi, Asbjörns Sohn, nicht. Helgi, Droplaugs Sohn, aber traf die Kniescheibe; der Speer riß auch das ganze Schienbein auf und durchbohrte noch den Ansatz des Fußes. Helgi, AsbjörnsSohn, war sofort kampfunfähig. Björn der Weiße setzte sich auf den Boden nieder und stützte seine Schultern; keiner von beiden beteiligte sich mehr am Kampfe. Auch Özur vom Rücken trat beiseite. Er werde nicht gegen Helgi, Droplaugs Sohn, kämpfen, sagte er und saß untätig dabei.

Thord Scharf, des Asbjörnsohnes Kundschafter, hatte im Flusse gelegen, und seine Kleider waren gefroren. Der stürmte die Schneewehe hinan gegen Helgi, Droplaugs Sohn; er meinte, er habe ihm etwas heimzuzahlen. Und als er oben auf die Webe kam, warf Helgi den Speer nach ihm, zwischen die Beine und durch die Schamgegend. Er fiel sogleich zurück. Der Speer blieb im Schnee stecken, und er hing dort an der Wehe den ganzen Tag.

Nun reizte Helgi, Asbjörns Sohn, seine Schwiegersöhne zum Angriff und rief zuerst Hjarrandi auf. Da gingen Hjarrandi und Karl auf Helgi, Droplaugs Sohn, los, die Söhne Hallsteins und noch einer auf Grim. Thorkel Schwarzdichter griffen die beiden Norweger an; Sigurd war der drittbeste Streiter



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in der Schar. Thorkel Schwarzdichter fiel, nachdem erden andern Norweger getötet und Sigurd schwer verwundet hatte. Denn Thorkel war der beste Streiter auf seiner Seite nächst Helgi und Grim.

Der Kampf wurde heftig. Als Hjarrandi und Kari auf Helgi, Droplaugs Sohn, loskamen, da sprang Helgi der Magere von Strom Kari entgegen, und sie wechselten Hiebe, bis siel und Helgi schwer verwundet stand. Inzwischen rückte Hjarrandi dem Droplaugsohn auf den Leih mit starken und schnellen Hieben , und jener wehrte sich ebenso. Aber das Schwert, das er in der Hand hatte, taugte nichts. Da rief Helgi Hjarrandi zu: Deine ganze Kraft bekäme man wohl erst zu sehen, wenn deine Frau eine freigeborene Tochter Helgis des Asbjörnsöhnes wäre!' Hjarrandi versetzte: ,Laß es drauf ankommen! Gleich nah verwandt sind ihm beide Töchter.' Und er ging schärfer vor als bis dahin, obgleich solche Worte gefallen waren. Der Schild Helgis, des Droplaugsohnes, ging arg in Stücke, und er sah, daß es so nicht weitergehn könne. Da zeigte Helgi seine Kampfkünste: er warf Schild und Schwert in die Luft, ergriff das Schwert mit der Linken und hieb nach Hjarrandi. Es traf den Schenkel. Aber das Schwert schnitt nicht, sobald es auf den Knochen stieß, und glitt abwärts in die Kniekehle. Von dieser Wunde wurde Hjarrandi kampfunfähig. Im selben Augenblick aber schlug er nach Helgi. Der hielt den Schild vor, und das Schweri glitt ab und ihm ins Gesicht. Es traf die vorderzähne und schnitt die Unterlippe ab. Da sagte Helgi: Schön sah ich niemals aus; aber du hast nichts daran gebessert.' Er griff mit der Hand zu, schob sich den Bari in den Mund und biß darauf. Hjarrandi aber glitt die Schneewehe herab und setzte sich nieder. — Man sagt allgemein, das Zusammentreffen der beiden hätte sich schneller entschieden, wenn Helgi sein eigenes Schwert zur Hand und nicht um mehrere Gegner sich zu kümmern gehabt hätte. Und doch war Hjarrandi so tapfer wie einer.

Da sah Helgi, daß sein Bruder Grim gefallen war. Seine Gegner waren beide tot und Grim auf den Tod verwundet. Da ergriff Helgi Gäms Schwert und sagte: ,Nun ist der ge



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fallen, von dem ich am meisten hielt. Mein Namensvetter wird einverstanden sein, daß wir es damit nicht genug sein lassen,' Und er stürmte hinab auf die Stelle zu, wo Helgi, Asbjörns Sohn, saß. Da waren schon alle Angreifer von der Schneewehe zurückgewichen, und keiner wollte Helgi standhalten. Da stehst du, Özur,' sagte Helgi, ,aber vor dir brauche ich mich nicht vorzusehen, denn du hast mich mit Wasser de. sprengt." Er kam gerade auf Özur los. Da mußte dieser sich schnell entschließen, denn es handelte sich darum, welcher der beiden Helgi jetzt sterben sollte. Özur fand den Ausweg, daß er mit dem Spieß gegen Helgi, Droplaugs Sohn, auslegte und ihn durchbohrte. Helgi lief auf den Spieß auf und sprach zu O ur: ,Betrogen hast du mich!' Özur sah, daß Helgi auf ihn loskam und ihn mit dem Schwerte erreichen konnte. Da gab er dem Speer und dem was daran hing, einen Ruck vorwärts; der Schaft drang in die Erde, und Özur ließ los. Als Helgi sah, daß er ihn nicht erreichte, sprach er: ,Ich bin zu langsam , doch du bist schnell genug!' Und er sank vorwärts in den Schnee. Das war das Ende Helgis, des Droplaugsohnes.

Fünf Mann von der Gegenseite hatten das Leben vor ihm gelassen; und alle andern waren wund, außer Björn dem Weißen und Özur. Mit Helgi, Droplaugs Sohne, fielen dort Thorkel Schwarzdichter und sein Begleiter, ein Norweger, den Helgi von Hause mitgebracht hatte, und sein Bruder Grim.


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