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Sieben Geschichten von den Ostland Familien


Übertragen von Gustav Neckel

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1913


8. Von Eyvind, Bjarnis Sohn

Es wird berichtet, daß in die Rotwalförde ein Schiff einlief . Der Steuermann war Eyvind, Bjarnis Sohn. Er war sieben Jahre draußen gewesen, hatte sich tüchtig herausgemacht und war ein starker, mutiger Mann geworden. Bald erfuhr er, was vorgegangen war, sagte aber wenig dazu. Er war einer von denen, die sich nicht gern um alles kümmern.

Sobald Sam benachrichtigt wurde, ritt er zum Schiff. Es gab ein frohes Wiedersehen zwischen den Brüdern. Sam lud Eyvind zu sich ein. Der nahm es an und bat Sam, vorauszureiten und ihm Pferde entgegenzuschicken für seine Waren. Er ließ sein Schiff auf den Strand ziehen und festmachen. In wischen tat Sam nach seiner Bitte, ritt heim und ließ Eyvind Pferde entgegentreiben.



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Als dieser seine Waren aufgepackt hatte, brach er auf nach dem Hrafnkelstal und sog die Rotwalförde entlang. Sie waren ihrer fünf; dazu kam als sechster Eyvinds junger Diener. Der war Isländer von Geburt und mit Eyvind entfernt verwandt, Eyvind batie den Zungen dem Elend entrissen, mit nach Norwegen genommen und wie seinen eigenen Sohn gehalten. Diese Handlungsweise Eyvinds war allgemein bekannt, und es gab nur eine Stimme darüber, daß wenige seinesgleichen wären.

Sie ritten hinauf auf die Thorirtalheide und trieben sechzehn beladene Packpferde vor sich her. Es waren zwei Knechte Sams und drei Schiffsleute, alle in bunten Kleidern und mit blanken Schilden. Sie überquerten das Rutschental und kamen über den Hals ins Fließtal, beim Bolungfeld, und hinab auf den Gilsachstrand; der tritt von Osten an das Fließ heran zwischen Hallormshausen und Hrafnkelshausen. Sie ritten am Seefließ aufwärts, unterhalb der Felder von Hrafnkelshausen um das Seende herum und bei der Häuserfurt über die kleine Gletscherach. Da war es mitten zwischen Weck zeit und Frühstückszeit. Eine Magd stand am Wasser und spülte ihre Wäsche. Sie sah die Reiter, raffte die Wäsche zusammen und lief heim, Draußen bei einem Holzstoß warf sie sie hin und sprang ins Haus. Hrafnkel war noch nicht aufgestanden, auch einige Vor knechte lagen noch im Schlafraum. die Arbeitsleute aber waren aufs Feld gegangen. Es war um die Zeit der Heuarbeit.

Als die Frau hereinkam, sing sie an: ,Wahr ist, was die väter sagten: je älter, um so sager! Rasch zu Ansehen kommen ist nichts wert, wenn man dann nicht mehr weiß, wao man 1ich schuldig ist und sich nicht getraut, einmal Genugtuung zu nehmen inen! Sehr zu verwundern ist so etwas bei einem Manne; der einst tüchtig war! Umgekehrt ist es mit solchen, die beim Vater aufwachsen und von euch übersehen werden, dann aber, wenn sie erwachsen find, ein Land nach dem andern durchstreifen und nirgends, wo sie hinkommen, übersehen werden — und dann kommen sie heim und gelten mehr als die Häuptlinge. Eyvind, Bjarnis Sohn, ist eben bei der Häuserfurt über den Fluß geritten mit so blankem Schild, daß es nur so leuchtete; er istein ansehnlicher Mann - es würde sich lohnen!' Die Magd war



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tüchtig im Zuge. Hrafnkel stand auf und antwortete ihr: ,Kann sein, daß du so ziemlich die Wahrheit sagst — und offenbar nicht zu deinem eigenen Nutzen. Es geziemt sich, daß du auch deine Mühe davon hast. Lauf, so schnell du kannst, nach Weitfelden zu den Söhnen des Hallstein, Sigvat und Snorri. Sag' ihnen, sie sollen sogleich zu mir kommen mit allen Waffenfähigen , die bei ihnen sind.'

Eine weite Magd schickte er nach Hrolfshausen, um die Söhne des Hrolf, Thord und Halli, mit ihren waffenfähigen Leuten zu holen. Beide, die von Weitfelden und Hrolfshausen, waren Männer von Ruf und Erfahrung. Auch nach seinen Knechten schickte Hrafnkel. Sie wurden ihrer achtzehn, waffneten sich in Eile und ritten über den Fluß, jenen nach,

Da waren Eyvind und seine Leute auf die Heide gelangt. Er ritt westwärts durch die Bessigasse mitten auf die Heide. Da ist ein offenes Moor, es reitet sich da wie durch lauter Schlamm, und der reichte ihnen immerfort bis ans Knie oder gar halb den Oberschenkel hinauf, zuweilen bis an den Leib; unten ist es hart wie Fels. Westlich folgt eine nackte Felsplatte. Als sie diese erreichten, sah der Bursche sich um und sagte zu Eyvind Es reiten Leute hinter uns her, nicht weniger als achtzehn. Dabei ist ein großer Mann in blauen Kleidern, der sieht mir wie der Gode Hrafnkel aus; freilich hab' ich den lange nicht gesehen.' Eyvind entgegnete: ,Was geht uns das an: Ich habe von Hrafnkel nichts zu fürchten, hab ihm nichts getan. Er wird Geschäfte haben drüben im Gletschertal, vielleicht will er Freunde dort besuchen.' Der Bursche antwortete: ,Mir ist, als wollte er dich besuchen.' ,Meines Wissens,' sagte Eyvind, ,hat er mit meinem Bruder Sam nichts gehabt, seit sie sich damals versöhnten.' Der Bursche antwortete ,Ich wünschte, daß du dich westwärts ins Tal davon machst; da wirst du geborgen sein. Ich kenne Hrafnkels Sinnesart: bekommt er dich nicht, so wird er uns nichts tun. Alles ist in Ordnung, wenn du in Sicherheit bist. Da ist dann eben der Fuchs aus dem Eisen geschlüpft. Und es ist gut, was auch aus uns wird.' Eyvind erklärte, er werde sich nicht so eilig davon machen; ,ich weiß ja gar nicht, was das für Leute sind,' sagte er, ,manchem würde



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es lächerlich vorkommen, wenn ich so ins Blaue hinein auskneife'

Sie ritten über das Steinfeld hinaus. Da hatten sie vor sich ein zweites Moor, das Ochsenmoor; das ist weithin mit Gras bewachsen. Es hat solche Schlammmassen, daß es beinahe unwegsam ist. Deshalb hatte seinerzeit der alte Hallfred die Straße oben herum gelegt, obwohl das weiter war. Eyvind ritt in das Moor hinein. Da saßen bald die Lasttiere im Schlamme fest, und das hielt sie sehr auf. Jene aber, die ledig ritten, kamen schnell näher und ritten bald ihrerseits in das Moor hinein. Da hatten Eyvind und die Seinen den jenseitigen Rand erreicht, und nun erkannten sie Hrafnkel und seine beiden Söhne. Man bat Eyvind, davonzureiten: ,die unwegsamen Strecken liegen alle hinter uns; du wirst Adelfarm erreichen, ehe sie über das Moor herüber sind.' Eyvind antwortete: ,Ich fliehe nicht vor Leuten, denen ich nichts zu leide getan habe.'

Sie reiten auf den Bergrücken hinauf. Oben erheben sich einzelne Anhöhen und vor der einen ein verwehter Strandhaferhügel , der rings steil abfiel. Zu diesem Hügel reitet Eyvind, steigt ab und wartet. ,Jetzt wird sich gleich zeigen, was sie vorhaben,' sagt er. Sie besteigen den Hügel und brechen oben eine Anzahl Steine los. Inzwischen biegt Hrafnkel vom Wege ab und auf den Hügel zu. Ohne ein Wort zu sagen, beginnt er sogleich den Angriff. Eyvind wehrt sich gut und wacker.

Sein Bursche wußte sich nicht kräftig genug zum Kämpfen, nahm sein Pferd, ritt über den Bergrücken nach Adelfarm und meldete Sam, was los war. Sam gab sogleich Folge und schickte nach Leuten. Sie wurden ihrer zwanzig; es war eine wohlausgerüstete Schar. Mit ihnen ritt Sam auf die Heide hinauf und dahin, wo der Kampfplatz gewesen war. Da hatte es sich zwischen ihnen entschieden. Man sah Hrafnkel ostwärts davon reiten. Eyvind war gefallen und mit ihm alle seine Leute.

Das erste, was Sam tat, war, nachzusehen, ob sein Bruder noch ins Leben zurückzurufen war. Aber das Stück Arbeit war gründlich getan: sie waren alle fünf tot. Auf Hrafnkels Seite waren zwölf gefallen; sechs ritten von dannen.



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Sam hielt sich nicht lange auf und befahl seinen Leuten, die verfolgung aufzunehmen. Hrafnkel und die Seinen ritten, so scharf sie konnten, hatten aber müde Pferde. Da sagte Sam: Einholen können wir sie, denn sie haben müde Pferde und wir lauter frische. Ob es uns gelingt, muß sich zeigen, ehe sie von der Heide herunter sind.' Inzwischen war Hrafnkel bis auf die Ostseite des Ochsenmoors gekommen. Es ritten nun beide Parteien, bis Sam an den Rand der Heide gelangte. Da sah er, daß Hrafnkel schon weit hinab in die vorhügel gekommen war, und erkannte, daß er ins flache Land entwischen würde. Da sagte er; ,Hier wollen wir umkehren, denn Hrafnkel wird Zuzug erhalten.'

Damit kehrte Sam um, kam an die Stelle, wo Eyvind lag, griff zu und bestattete ihn und seine Gefährten unter einem Hügel. Seitdem heißt es dort Eyvindhügel, Eyvindberg und Eyvindial.

Dann ritt Sam mit der ganzen Ware nach Hause nach Adelfarm. Heimgekommen schickte er nach seinen Thingleuten, sie sollten am nächsten Morgen vor dem Frühstück sich einfinden. Er wollte ostwärts über die Heide — und ,werde dann, was mag!' Als Sam am Abend zu Bett ging, war schon ein guter Teil der Mannen zur Stelle.


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