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Kapitel 

MÄRCHEN AUS KORDOFAN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1923

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS / JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE MIT EINER KARTE


26. Das Löwenweib

Im Lande der Djur war früher eine Frau, die war tagsüber ein schönes Weib, nachts aber wurde sie zu einer Löwin, die sich im Menschenmord nicht genug tun konnte. Die Frau war reicher als irgend jemand anderes, und als Löwin hatte sie einen Schweif von Gold.

Eines Tages sagte ein junger Mann zu seinem Vater: "Ich will hingehen und dieses Weib, das nachts eine Löwin ist, sehen." Der Vater sagte: "Tue das nicht. Die Löwin hat schon sehr viele getötet." Der Sohn sagte: "Wenn sie die andern getötet hat, braucht sie noch nicht mich zu töten. Ich will hingehen!" Der junge Mann nahm seinen Speer und begab sich auf den Weg.

An einem Nachmittag kam der junge Mann zu dem Hause, in dem die Löwin wachte und in dem alle ihre Schätze aufgespeichert lagen. Als der junge Mann kam, war aber nur eine alte Frau da, die der Löwenfrau dienstbar war. Die alte Frau sagte: "Junger Mann! Eile, daß du von dannen kommst, denn die Löwin wird bald nach Hause kommen." Der junge Mann sagte: "Verstecke mich doch, daß die Löwin mich nicht sieht." Die alte Frau sagte: "Die Löwin wird dich riechen." Der junge Mann sagte: "Ich gehe nicht wieder fort!" Darauf versteckte die alte Frau ihn in einem Korbe und warf viele Felle über ihn.



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Bald darauf ging die Sonne unter und die Löwin kam nach Hause. Sie hatte über jeder Schulter eine Antilope, die sie erlegt hatte. Die Löwin witterte umher und sagte: "Ich rieche einen Menschen." Die alte Frau sagte: "Du mußt dich irren, denn du weißt selbst, daß keine Menschen kommen." Die Löwin witterte weiter umher, blickte überall hin und schaute in jeden Winkel. Die Löwin sagte: "Ich rieche einen Menschen." Die alte Frau sagte: "Es ist möglich, daß von dem letzten Menschenfleisch, das du hierher brachtest, noch etwas Geruch blieb." Die Löwin sagte: "Das kann es sein." Die Löwin fand den jungen Mann nicht. Sie verzehrte ihr Nachtmahl und legte sich hin.

Die Löwin schlief ein. Als der junge Mann nun hörte, daß die Löwin eingeschlafen war, kam er aus seinem Versteck hervor. Er nahm die prächtigen Sachen, die an den Wänden waren, ab und packte sie zu einem Bündel zusammen. Er nahm dann seinen Speer und schnitt mit ihm den Schwanz der Löwin, der aus Gold war, ab. Dann rannte er mit dem Schwanz und mit dem Schatzbündel von dannen, so schnell er konnte. Der junge Mann rannte auf dem Wege nach der Seriba seines Vaters dahin.

Die Löwin erwachte langsam von dem Schlage und wurde durch das heraustropfende Blut ganz erweckt. Die Löwin stand auf und sah, daß ihr goldener Schwanz abgeschlagen war. Die Löwin sprang zum Hause hinaus und hinter dem jungen Manne her. Die Löwin lief auf dem Wege zur Seriba des jungen Mannes. Die Löwin lief sehr schnell. Die Löwin lief schneller als der junge Mann, der vor ihr floh. Die Löwin kam ganz dicht zu dem jungen Manne. Die Löwin erreichte den jungen Mann beinah. Der junge Mann kam gerade an die Tür der Seriba seines Vaters. Die Löwin wollte auf ihn springen, da eilte der junge Mann durch das Tor und schlug die Tür hinter sich zu.

Die Löwin rannte um die Seriba, nach einem andern Eingang zu suchen. Der junge Mann begann aber die Nugarra zu schlagen und mit der Trommel die Männer der andern Seriben herbeizurufen. Die Männer kamen herbei mit ihren Lanzen. Die Männer kamen von allen Seiten. Die Löwin lief um die Seriba. Sie traf auf die Männer. Die Männer töteten die Löwin mit ihren Lanzen.


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