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Kapitel 

Sieben Geschichten von den Ostland Familien


Übertragen von Gustav Neckel

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1913


4. Der Zweikampf

Alles war ruhig bis nach dem Julfest. Da ergriff eines Abends Rannveig, als Bjarni und sie zu Bett gingen, das Wort: ,Was meinst du?' sagte sie, ,worüber spricht man jetzt am meisten im Bezirk?' ,Ich weiß nicht,' anwortete Bjarni auf mancher Leute Reden gebe ich nicht viel.' ,Der gangbarste



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Gesprächsstoff ist jetzt der: die Leute Sagen sich, wie Thorstein Stangenhieb es anstellen musse, damit du eine Rache an ihm nötig hältst. Er hat schon drei deiner Knechte erschlagen. Deine Thingleuie verlieren das vertrauen zu dir, wenn das ungerächt bleibt; und die Hände in den Schoß legen heißt sie am falschen Orte anlegen!' Bjarni entgegnete: ,Es ist gegangen nach dem Wort: wenige lassen sich warnen durch anderer Unfall. Aber ich willfahre dir schon in allem, was du sagst. Übrigens hat Thorstein kaum einen unverdient erschlagen.' Mehr sagten sie nicht und schliefen die Nacht durch.

Am Morgen erwachte Rannveig, als Bjarm seinen Schild von der Wand nahm, und sie fragte, wohin es gehe. Er antwortete: ,Jetzt soll es sich entscheiden zwischen mir und Thorstein im Sonnental, wer angesehener bleibt.' ,Wie viele werdet ihr sein?' Sagte sie. ,Ich will nicht große Mannschaft zusammenziehen gegen Thorstein,' erwiderte er, ,ich nehme niemanden mit.' ,Tu das nicht,' sagte sie, ,geh nicht allein vor die Klinge des Höllenkerls!' Bjarnt sagte: ,Du wirst es nicht machen wie jene Frauen, die heute weinen über etwas, wozu sie gestern antrieben. Ich lasse oft deine und anderer Hetzreden lange über mich ergehn; bin ich aber einmal entschlossen zur Tat, so nützt es nicht. mich zurückzuhalten.'

Bjarni ritt ins Sonnental. Thorstein stand vor der Tür; und sie wechselten wenige Worte. Bjarni: ,Du sollst heute mit mir zum Zweikampf antreten, Thorstein, auf dem Hügel hier vor dem Hause.' Thorstein: ,Dazu fehlt es mir allem, mich mit dir zu schlagen. Aber ich will ins Ausland reisen, sobald Schiff geht; denn ich kenne deine wackere Gesinnung: du wirst meines vaters dich annehmen, wenn ich fortgehe.' Bjarni: Ausreden verfangen jetzt nicht.' Thorstein: ,Dann wirst du mir doch erlauben, vorher mit meinem Vater zu sprechen.' Bjarni: ,Gewiss.'

Thorstein ging ins Haus und sagte seinem Vater Bjarni sei da und fordere ihn zum Zweikampf. Da erwiderte der Alte: Wer mit einem Mächtigeren zu tun hat, der im selben Bezirk sitzt, und ist ihm zu nahe getreten, der muß immer darauf gefaßt sein, daß er nicht mehr viele Hemden verbrauchen wird.



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Du hast genug Ursache gegeben, und ich kann dich deshalb nicht beklagen, Nimm also deine Sassen und wehre dich so schneidig wie möglich. Zu meiner Zeit wäre ich vor so einem wie Bjarni nicht gewichen. . . Bjarm ist freilich ein gefährlicher Gegner, Aber will lieber dich verlieren als einen Feigling zum Sohn haben.' Thorstein ging hinaus. Sie traten auf den Hügel und begannen sich kräftig zu schlagen, so daß die Schilde auf beiden Seiten arg zerhauen wurden. Als der Kampf lange gedauert hatte, sagte Bjarni zu Thorstein: ,Mich fängt an zu dürsten, denn ich bin an diese Art Arbeit nicht so gewöhnt wie du.' Dann geh zum Bach und trink,' sagte Thorstein. Bj arni tai es und legte das Schwert neben sich auf den Boden. Thorstein hob es auf und sagte: ,Dieses Schwert hättest du im Bödvarstal nicht brauchen können.' Bjarni antwortete nicht. Sie gingen wieder hinauf auf den Hügel und stritten eine Weile weiter. Bjarni fand den Gegner kampftüchtig und seinen Widerstand härter, als er sich gedacht hatte. ,Allerhand stößt mir heute zu,' sagte er, ,jetzt ist mein Schuhband losgegangen.' ,So binde es wieder fest" sagte Thorstein. Nun bückte Bjarni sich nieder, und Thorstein ging inzwischen ins Haus und holte zwei Schilde und ein Schwert. kam auf den Hügel zu Bjarni und sagte: Hier sind Schild und Schwert, die schickt dir mein Vater, und dies Schwert wird durch die Hiebe gewiß nicht mehr abgestumpft als dein bisheriges. Ich selbst wage auch nicht länger ohne Schild deinen Hieben standzuhalten. Übrigens möchte ich jetzt gern das Spiel beenden, denn ich Fürchte, dein Glück ist mächtiger als mein Unglück; jeder hängt am Leben, solange er kann.' ,Losbitten hilft nichts,' sagte Bjarni, ,es wird weiter gekämpft.' ,Ich will nicht den ersten Hieb haben,' sagte Thorstein. Da schlug Bjarni ihm den ganzen Schild weg. Dann Thorstein dem Bjarni ebenso. ,Das war ein mächtiger Hieb,' sagte Bjarni. Thorstein versetzte ,Deine sind nicht weniger mächtig.' Bjarni: ,Das Schwert, das du von Anfang an gehabt hast, schneidet jetzt besser.' Thorstein: ,Ich möchte mich vor Unheil hüten, solange ich kann, und mit Bangigkeit schlage auf dich ein. Ich bin noch jetzt bereit, alles deinem Urteil zu überlassen.' Nun war Bjarni an der Reihe; einen Hieb zu



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tun, und beide standen ohne Schild da. Da sagte Bjarni: ,Das wäre eine schlechte Bezahlung, wollte ich glücklichen Zufall mit Übeltat vergelten. Ich betrachte meine drei Leute als voll ersetzt, wenn ich dich bekomme und du mir treu sein willst.' Thorstein sagte: ,Heute hätte ich genug Gelegenheit gehabt, dich zu verraten, wenn ein mächtigerer Unstern über mir gewesen wäre als Heil über dir. Und ich werde dich auch künftig nicht verraten.' ,Ich sehe; du bist mehr wert als andere,' sagte Bjarni. ,Jetzt wirst du mir erlauben, daß ich zu deinem Vater hineingehe und ihm erzähle, was mir gut dünkt.' ,Meinetwegen geh hinein, wenn du willst,' sagte Thorstein, ,doch sei vorsichtig.'


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