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Kapitel 

Sieben Geschichten von den Ostland Familien


Übertragen von Gustav Neckel

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1913


15. Wie Thorkel dem Bjarni nachstellte

Nun kam Thorkel, Geitirs Sohn, aus dem Auslande zurück, ritt sogleich nach seinem Hof an der Kreuzbucht und verhielt sich so, als hätte er für nichts aufzukommen. Da schickte Bjarni Leute zu ihm, die Freunde beider Parteien waren, um ihm ehrenvolle versöhnung und Selbsturteil an



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anbieten. Als sie aber ihr Anliegen vorbrachten, tat Thorkel, als hörte er nicht, und ließ sich von dem vorher geführten Gespräch nicht abbringen. Da kehrten die Abgesandten zurück und erzählten Bjarni, wie es stand. Man sah es so an, daß Thorkel wohl auf Rache sänne.

Bjarni pflegte jeden Herbst auf die Bergweide hinaufzugehn, wie schon sein Vater getan hatte. Niemand wagte es, da oben jemandem Böses zuzufügen. Nun bemerkte Thorvard der Arzt, daß Thorkel sich zur Bergfahrt rüstete und Leute auswählte zu seiner Begleitung, und er ließ es Bjarni wissen, Da blieb dieser zu Hause und schickte andere statt seiner. So ging man nun also auf die Bergweide. Das Zusammentreffen mit Bjarni wurde nicht so, wie Thorkel es sich gedacht hatte, und sie saßen den Winter hindurch ruhig zu Hause.

Demnächst ist zu berichten, daß Thorkel einen Mann nach Egilshausen zu Thorarin schickte. Der Bote hieß Roll. Sein Auftrag war, in Erfahrung zu bringen, wie starke Mannschaft in Hof versammelt war. Als er nach Egilshausen kam, traf er Thorarin draußen und erzählte ihm seinen Auftrag. Thorarin sagte: ,Rechne nicht auf freundlichen Empfang dort. Reite lieber schleunigst heim, daß jene nichts merken. Ich will schon herausbekommen, was Thorkel zu wissen wünscht', und versprach ibm Nachricht zu schicken. Also machte Roll sich auf den Heimweg. Es war aber spät geworden.

Nun traf es sich, daß am selben Abend in der Nachbarschaft von Sirekshof ein Mann sich das Bein brach und man nach Thorvard dem Arzt schickte. Der kam und verband den Fuss-man lud ihn zum Bleiben ein, er wollte aber lieber in der Nacht heimreiten. und da begegnete er unterwegs dem Roll. Sie begrüßten einander und Sagten, was es Neues gäbe. Thorvard Sagte, woher Roll komme, und dieser dagegen, was ihn des Nachts im Sattel sitzen lasse. Thorward erwiderte, darauf komme es nicht an: ,erzähle mir lieber von deinem Geschäft, Roll" ,Ich bin ausgeritten, um Schafe zu suchen, habe aber nicht gefunden,' entgegnete er. Sie trennten sich, und Roll kam in der Nacht heim, ebenso Thorvard.

Gleich am Morgen stieg er wieder zu Pferde und ritt hinauf



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nach Hof. Dort ward er gut aufgenommen und nach Neuigkeiten gesagt. Er erzählte, ein Mann habe sich das Bein gebrochen . Dann nahm er Bjarni beiseite und berichtete ihm, er sei Roll begegnet, der jedenfalls aus Egilshausen gekommen wäre, und wisse sicher, daß Kall ihm über sein vorhaben kein wahres Wort gesagt habe. ,Ich sehe,' sagte Bjarni, ,dir liegt daran, daß nichts draußen im Bezirk vorgeht, was ich nicht weiß. Habe Dank dafür: Reite nun beim und kehre in dem Hofe Zur Faskrudshöhe ein, mitten im Bezirk. Da triffst du Leute des Thorkel, und wirst du gefragt, wie viele unser sind, so erzähle, heute morgen seien einige von unsern Leuten angekommen und Pferde von der Weide geholt worden, nicht ganz wenige, aber du wüßtest nicht wozu.' Thorvard machte sich auf und kam zur Höhe. Er wurde gefragt, wie starke Mannschaft in Hof wäre, antwortete, wie ihm geheißen war, und ritt dann heim. Kaum war er fort, so kam Botschaft nach Egilshausen, in Hof wäre eine starke Besatzung. Daraufhin ließ Thorarin dem Thorkel, Geitirs Sohn, sagen, unter diesen Umständen sei in Hof nichts zu machen. So verging der Winter.

Im Frühling hatte Bjarni einen Ritt an den Strand zu machen, und er mußte den oberen Weg wählen, über die Bergheide, weil unten an den Buchten das Wasser zu hoch stand. Auf der Heide waren Sennhütten. Bjarni ritt gerade mit seinen beiden Begleitern an einer Sennhütte vorbei, da sah er vor sich Thorkel, Geitirs Sohn, mit acht Mann; der hatte von seiner Reise Wind bekommen. Vor der Sennhütte stand ein großer dreibeiniger Holzbock. Wir wollen den Bock nehmen,' sagte Bjarni, ,ihn in meinen Mantel stecken und in meinen Sattel setzen. Nehmt ihn dann in die Mitte, stützt ihn, daß er nicht hintenüber fällt, und reitet auf den ersten Hügel hinter uns. Ich will in die Sennhütte gehn. Wenn sie dann euch nachreiten und über die Hütte hinaus sind, gehe ich in den Wald und bringe mich in Sicherheit. Kommen sie aber in die Hütte, so wehre ich mich, soweit Mut und Kräfte reichen.' Sie taten, wie er sagte.

Thorkel hatte nicht besonders scharfe Augen, aber er war klug und umsichtig, und als die Entfernung zwischen ihnen geringer wurde, da Sagte er, ob sie deutlich sähen, daß es drei Männer



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wären, die da von der Sennhütte rückwärts ritten; ,denn das wäre ein Ausweg,' sagte er, ,in die Hütte hineinzugehn und dann, wenn wir vorbei sind, in den Wald.' Sie sagten aber, sie sähen deutlich drei Reiter. ,Ich sehe nur, daß es drei Pferde sind,' sagte Thorkel, ,aber ich bin nicht sicher, ob auch auf jedem ein Mann sitzt.' ,Sicher sitzt auf jedem ein Mann,' war die Antwort, ,man sieht ja deutlich, daß der in der Mitte der größte ist.' ,verlassen wir uns also auf eure Augen,' sagte Thorkel, ,aber verkehrt scheint es mir doch, daß wir die Sennhütte nicht untersucht haben.' So setzten sie die Verfolgung fort. Als sie nahe heran waren, da ließen Bjarnis Begleiter den Holzbock fallen und ritten dann davon. Bjarni selbst aber entkam in den Wald. Thorkel kehrte um und kam nach Hause, übel zufrieden mit der Sache. Sobald Bjarnis Begleitern die Luft rein zu sein schien, suchten sie ihren Herrn auf und ritten zusammen weiter — und für diesmal wurde die Entfernung zwischen Bjarni und Thorkel noch wieder größer.


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