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Sieben Geschichten von den Ostland Familien


Übertragen von Gustav Neckel

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1913


7. Von Thord und Thormod, und wie es Geitir in Hof erging

Ein Mann namens Thord wohnte im Sonnental auf dem Gut Zur Aue, auf derselben Seite des Flusses, wo Hof liegt. Er war Helgis Thingmann. Er und Thormod Stockblind besaßen zusammen einen Wald. Sie wurden uneins wegen des Hol fallens und auch wegen der Weide, und Thord glaubte sich von Thormod vergewaltigt. Da ging er zu Brodd-Helgi und sagte ihm von Thormods Übergriffen. Brodd-Helgi erklärte, er wage es nicht. wegen Thords Vermögen Streit anzufangen, und werde sich in die Sache nicht mischen, wenn jener ihm nicht sein Vermögen übertrüge und mit seiner ganzen Habe nach Hof übersiedelte. Jener ging darauf ein und wurde Brodd -Helgis Schutzbefohlener.

Eines Tags forderte Brodd-Helgi Thord auf mit ihm auf die Allmende zu reiten und nach seinem Vieh zu sehen, das dort weidete. Sie brachen auf und kamen auf die Allmende. Da sagte Brodd-Helgi: ,So hätten wir also die Tiere gemustert, die einst dir und Thormod gehörten.' Und er ritt hinzu, ließ die Ochsen, die Thormod gehörten, zusammentreiben und ihnen die Köpfe abschlagen und ließ sie da liegen. Dann ritt er heim, schickte einen Mann an Thormod und ließ ihn auffordern, einmal nach seinen Ochsen ausschauen zu lassen. —Das geschah, und das Fleisch wurde heimgeschafft.

Alsbald ritt Thormod nach der Kreuzbucht, machte Geitir Mitteilung und bai ihn, die Sache in Ordnung zu bringen. Der aber erklärte, er wolle lieber nicht mit Brodd-Helgi an



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binden. Da sagte Thormod: ,Es ist nicht anständig von dir, wenn du mich ohne Unterstützung läßt.' ,Ich unterstütze dich nicht,' sagte Geitir, ,aber laß das Ochsenfleisch hierher schaffen, ich werde es kaufen und dich schadlos halten.' Nicht viel klüger als er gekommen ritt Thormod heim.

Bald hörte Brodd-Helgi, er sei vermutlich bei Geitir gewesen, um ihm sein Leid zu klagen. ,Es wäre mir lieb,' sagte Brodd-Helgi, ,wenn er in solchen Geschäften nicht weiter auszureiten brauchte.' Und bald danach versammelte er seine Pächter um sich und heischte ihre Begleitung, ebenso die Knechte und Gäste, und sie zogen in den Wald, an dem Thormod Miteigentum hatte, fällten sämtliche Bäume und schleppten sie ohne Ausnahme heim nach Hof. ?lts Thormod merkte, was für ein Schade ihm angetan war, ritt er von neuem zu Geitir und erzählte , er sei wiederum vergewaltigt. Da erwiderte Geitir: Ich verstehe es wohl, wenn dich dieser Schade härter ankomme , als jener frühere, denn der schien mir gering. Ich will dir nicht geradezu beistehen gegen Brodd-Helgi, doch ich stelle dir meinen Rat zur Verfügung. Geh zu deinen verwandten, den Söhnen des roten Ref, Stein und Hreidar, und bitte sie, mit dir zur vorladung nach Hof zu reiten. Geb auch nach Gudmundhausen und bitte Tjörvi um seine Begleitung. Seid eurer nicht mehr als acht. Auch ich werde mich an der vorladung des Thord beteiligen. Richte dich so ein, daß Brodd-Helgi nicht zu Hause ist, sonst geht die Sache schief.'

Mit diesem Bescheid reitet Thormod und sucht die Leute auf, die Geitir genannt hatte. Alle sagen zu, und sie verabreden den Zeitpunkt. Dann reitet Thormod heim und schickt Geitir Nachricht, wie es sich anläßt. Doch es geht, wie so oft und wie das Sprichwort sagt: ,Gesprochenes Wort springt nur so dahin', die Sache kommt Brodd-Helgi zu Ohren, und er bleibt zu Hause gegen die Berechnung,

Am Morgen, wo man die Kläger erwartete, sagte Brodd-Helgi zu seinen Knechten, sie sollten den Tag über sich nahe beim Hause halten. ,Schneidet euch tüchtig lange Ruten und Stöcke aus dem Walde,' sagte er, ,ich erwarte heute Besuch,



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und da sollt ihr die Stöcke brauchen, ihnen die Pferde anspornen und sie vom Hofe jagen.'

Thormod und die Seinen brechen von Hause auf, wie verabredet, und kommen nach Hof. Draußen sehen sie keinen Menschen und reiten gleich vor das Haus. Thormod ernennt seine Zeugen und lädt Thord vor Gericht wegen des Holzfällens. Helgi, der von drinnen die vorladung hört, springt sogleich heraus, jagt seinen Speer Thormod durch den Leib und ruft: Jagen wir das Gesindel weg und lassen sie heute nicht umsonst gekommen sein" Gleich springen die Knechte hervor und schlagen auf die Pferde ein, alles drängt den vorplatz hinab, und das Ende war kläglich genug: Geitirs Leute erreichten das Weite unter Prügeln und Wunden, und einige blieben tot liegen. Es wurde als gewiß berichtet, daß die Gefallenen alle von Brodd-Helgi selbst erlegt wären. Er ließ die Leichen auf einen Grasplatz schaffen und Reisig darüber häufen.

Geitir Leute waren übel zufrieden mit ihrem Lose, am übelsten damit, daß sie nicht dazu gekommen waren, ihre Verwandten und Freunde zu beerdigen. Sie redeten oft darüber mit Geitir. Der hieß sie noch eine Weile sich gedulden und sagte: ,Wer ein kurzes Messer hat, ist aufs Gelenk angewiesen; auch Brodd-Helgi ist nicht lauter Knochen.'


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