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Kapitel 

Sieben Geschichten von den Ostland Familien


Übertragen von Gustav Neckel

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1913


6. Wie Thorstein Genugtuung leistete

Grani Goldhut kam heim nach Hof und erzählte Thorstein dem Weißen, zwei Söhne Thorsinns und zwei Knechte Thorirs wären tot. Der Alte fragte ihn: ,Und wo ist mein Sohn Thorgils: Grani antwortete: ,Der ist auch tot.' Da sagte Thorstein: ,Du hast eine elende Art, Neuigkeiten zu erzählen. Von dir kommt immer nur Schlimmes.' — Als die Nachricht bekannt wurde, schien es den Leuten etwas Großes darum.

Im Sommer wurde gegen Thorstein, Thorsinns Sohn, die Klage erhoben und er wegen des Totschlages an Einar geächtet. —Brodd-Helgi war drei Jahre alt, als sein Vater siel, und er wurde bald ein tüchtiger Bursche für sein Alter. Nach fünf Jahren kam Thorstein, Thorsinns Sohn, nach Island zurück. Er landete im Mittfjord und ritt sogleich nach Hof mit vier Begleitern. Brodd-Helgi, damals achtjährig, spielte gerade auf dem Platze vor dem Hause und lud die Ankommenden sämtlich ein, dort zu bleiben. Thorstein fragte ihn, wie er dazu komme, Gäste einzuladen. Der Knabe erwiderte, er sei mit seinem Großvater zusammen Herr im Hause.

Darauf traten Thorstein und seine Leute ein. Thorstein der Weiße verspürte sogleich den Seemannsgeruch und fragte, wer da wäre. Thorstein, Thorsinns Sohn, antwortete der Wahrheit gemäß. Da sagte der Alte: ,Meintest du, ich sei nicht genug geprüft, wenn du mich alten, blinden Mann unbesucht ließest?' Er erwiderte: ,So etwas ist mir nicht eingefallen. vielmehr bin ich da, dir Selbsturteil 1 zu bieten für deinen Sohn Thorgils. Ich besitze genug, um ihn so hoch zu büßen, daß noch kein Mann teurer bezahlt wurde.' Thorstein der



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Weiße erklärte, er wolle seinen Sohn nicht im Beutel tragen 1. Sein Namensvetter wurde Thorstein der Schöne genannt, Thorstein der Schöne sprang auf und legte seinen Kopf dem Greise in den Schoß. Da sprach Thorstein der Weise: ,Ich will dir nicht den Kopf vom Halse schlagen lassen; die Ohren stehn am besten da, wo sie gewachsen sind. Aber das will ich als vergleich festsetzen, daß du mit all deiner Habe nach Hof übersiedeln sollst, um hier zu wirtschaften. Bleibe hier, so lange ich will, und verkaufe dein Schiff!' Auf diesen vergleich ging Thorstein der Schöne ein.

Als die Fünf aus dem Hause traten, spielte der Knabe Helgi, Thorgils' Sohn, mit dem goldbeschlagenen Speer, den Thorstein der Schöne beim Hineingehn an der Tür hingestellt hatte. Thorstein sagte: ,Soll ich dir den Speer schenken?' Helgi beriet sich mit seinem Pflegevater, Thorstein dem Weißen, ob er den Speer annehmen solle. Der Alte entschied: gewiß solle er ihn annehmen und die Gabe reichlich vergelten.

Fürs erste blieb Thorstein der Schöne eine Nacht in Hof. Dann ritt er zu seinem Schiff, verkaufte es und zog alsbald mit all dem Seinigen in die Waffenförde nach Hof.

Er brachte Thorsteins des Weißen viehstand tüchtig vorwärts . Und als er einige Zeit dort gewesen war, da wünschte Thorstein der Weiße, sein Namensvetter solle um die Hand der Helga, Krakis Tochter, anhalten, und der tat es. Thorstein der Weiße begleitete ihn, und die Sache nahm einen guten verlauf, denn sie war gerade nach dem Sinne des Kraki. Helga zog gleich mit Thorstein dem Schönen nach Hof, denn der alte Thorstein wollte die Hochzeit bei sich abhalten, weil er zu hinfällig zu sein glaubte, um auswärts eine Hochzeit mitzufeiern; und darum geschah es so. Die Hochzeit verlief gut, und die Ehe war glücklich.

Zehn Jahre wohnte Thorstein der Schöne zu Hof bei seinem Namensvetter und war ihm wie ein Sohn bei jeglicher Arbeit. Dann sagte eines Tages Thorstein der Weiße zu ihm: ,Eine gute Stütze bist du mir gewesen; du bist ein tüchtiger und



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wackerer Bursche in allen Dingen. Aber jetzt möchte ich, daß du ein anderes Leben anfängst; ebenso dein Vater und dein Schwiegervater Kraki. Rüstet euch zur Ausreise mit allem, was ihr besitzt! Denn ich glaube, mein Enkel und Pflegesohn Helgi ist dein Freund nicht. Er ist jetzt achtzehn Jahre alt, ich aber lebe wohl nicht lange mehr, und ich möchte, daß wir in Frieden scheiden. Helgi aber wird ein übermütiger und gewalttätiger Mann werden. Befolge meinen Rat in dieser Sache: Bleibe nicht länger hier, als ich dir rate!' Thorstein der Schöne willigte ein. Er kaufte zwei Schive und segelte ab mit seinem ganzen Anhang. Sein Vater Thorsinn und sein Schwiegervater Kraki reisten auch ab. Sie landeten in Drontheim, sogen im folgenden Sommer nach Helgeland und ließen sich dort mit ihrem ganzen Anhang nieder. Dort wohnte Thorstein der Schöne den Rest seines Lebens als wohlangesehener Mann.


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