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Kapitel 

MÄRCHEN AUS KORDOFAN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1923

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS / JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE MIT EINER KARTE

a) Die Geburt Die Mutter wußte aber, daß nun auch Hassan in der Höhle des

D Rul gefangen war. Die Mutter weinte und sagte: "Was soll ich nun! Auch Hassan, mein jüngster Sohn, ist von dem Rul gefangen. Ich habe nun keine Kinder mehr, als die bei dem Rul. Ich will also auch zu dem Rul reiten." Danach bestieg die Mutter ihren Esel und ritt in die Wüste hinaus.

Die Mutter ritt weit in die Wüste hinaus. Es war heiß, und sie empfand großen Durst. Als nun der Esel, auf dem sie ritt, einmal sein Wasser abschlug, fing sie davon mit den Händen auf und trank es. Gleich danach fühlte die Mutter, daß sie schwanger war. Die Frau weinte aber und schrie und sagte: "Drei Kinder habe ich geboren, die sind alle vom Rul genommen! Wie soll es nun mit dem vierten Kinde werden?" Da sprach das Kind im Leibe der Mutter und sagte: "Um mich sorge dich nicht, meine Mutter. Ich werde bald jedem Rul gewachsen sein! Zunächst will ich nur bald geboren werden." Kurze Zeit danach gebar die Mutter in der Wüste, und das Kind konnte laufen, als es geboren wurde. Das Kind hatte aber wohl auf der einen Seite das Ohr des Menschen, auf der andern jedoch das eines Esels. Deshalb erhielt der Knabe den Namen Wudan (Ohr) Dahasch (Esel).

Wudandahasch lief gleich nach seiner Geburt neben der Mutter her und zeigte ihr den Weg aus der Wüste. Sie gingen einige Zeit, dann kamen sie an eine große Stadt. Die Mutter weinte aber und sagte: "Nun sind wir in einer fremden Stadt, und ich habe kein Geld, um Butter und Honig zu kaufen, und ich bin zu müde, um noch in den Basaren nach dem nötigsten auszuschauen." Wudandahasch sagte: "Aber meine Mutter, weshalb weinst du denn? Du hast doch mich jetzt, daß ich dir helfe und beistehe. Ich werde sogleich in die Basare gehen und werde alles besorgen, was du brauchst!"

Darauf ging Wudandahasch in den Basar und kaufte Butter bei einem Manne. Als der Mann sah, wie klein Wudandahasch war, da lachte er und sagte: "Seht den kleinen Butterkäufer!" Darauf sagte Wudandahasch: "Du sollst nicht lachen über mich!" Und er schlug den Butterhändler so, daß ihm der Kopf schief auf dem Halse sitzenblieb. Dann ging Wudandahasch zu einem andern Manne und kaufte Honig. Der andere Mann aber lachte auch und



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sagte: "Seht den kleinen Honigkäufer!" Darauf sagte Wudandahasch: "Du sollst nicht lachen über mich!" Und er schlug den Honighändler so, daß ihm der Kopf schief auf dem Halse sitzenblieb. Von da an fürchteten die Leute Wudandahasch und lachten nicht mehr über ihn.

Wudandahasch ging mit seiner Mutter nun in die Wüste (soll offenbar heißen, daß sie an der Grenze der Wüste nahe der Stadt Wohnung nahmen). Die Mutter fragte Wudandahasch: "Mein Sohn, was brauchst du nun?" Wudandahasch sagte: "Ich brauche vor allen Dingen einen Stock. Besorge mir einen Stock, meine Mutter." Die Mutter ging nun hin und suchte einen Stock. Es war ein fester Holzstock. Den gab sie dem kleinen Wudandahasch; Wudandahasch nahm ihn aber und zerbrach ihn zwischen den Fingern. Die Mutter brachte einen großen und schweren Stock. Wudandahasch zerbrach ihn zwischen den Händen und sagte: "Es muß ein Stock aus Eisen sein!" Die Mutter brachte nun einen Eisenstock, der fünfzig Ratl (= Pfund) wog. Wudandahasch zerbrach ihn aber über dem Knie. Wudandahasch sagte: "So laß mir doch einen starken Stock schmieden." Darauf ging die Mutter zu den Schmieden und ließ einen Stock schmieden, der wog (tultumi) 300 Rat!. Wudandahasch nahm den Stock und hob ihn in die Luft. Wudandahasch sagte: "Das ist ein Stock, wie ich ihn gebrauchen kann."


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