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Fünf Geschichten aus dem Westlichen Nordland


Mit einer Übersichtskarte


Übertr. von W. H. Vogt u. Frank Fischer

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1914


2. Thorhall findet Hilfe bei Broddi. Skapti und Gudmund geben das Recht der Selbstentscheidung aus der Hand

Ein Mann hieß Broddi Bjarnisson 2 ; er war mit Thorstein verschwägert. Der saß ihm zunächst. Broddi war damals zwanzig Jahre alt. Ölkofri hatte die Bude verlassen, nachdem Thorstein ihm die Hilfe verweigert hatte.

Da sagte Broddr "Mir scheint; als ob dieser Mann nicht für die Acht bestimmt ist, Schwager! Es ist keine Ehre, ihn zu verklagen, für Leute, die sich so groß dünken. Das wäre ritterlich, ihn zu unterstützen, Schwager, und würde dir wohl anstehen." Thorstein antwortete: "Unterstütz du ihn. wenn du so darauf aus bist, ich werde dir dabei helfen, wie ich es auch sonst tue."



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Broddi sagte zu seinem Nachbarn, er solle Ölkofri nachlaufen. Der tat es und traf Ölkofri gleich beim Hinausgehen an der Budenwand. Da stand er und weinte jämmerlich. Der Mann sagte, er möge nur in die Bude gehen und das Jammern lassen, — "und schluchze nicht, wenn du vor Thorstein trittst!' Ölkofri weinte Freudetränen und folgte dem Mann. Als sie nun vor Thorstein traten, nahm Broddi das Wort: "Mir scheint, als ob Thorstein dir helfen will; die Klage scheint ihm unrechtmäßig zu sein. Konntest du nicht auf die andern Wälder aufpassen, als du deinen branntest:" Ölkofri sagte: "Wer ist der gesegnete Mann, der mit mir spricht?' "Broddi heiße ich," sagte er. Da sprach Ölkofri: "Bist du Broddi Bjarnisson:" "Der bin ich," sagte Broddi. "Du bist fürwahr glückbringender anzusehen als andere Männer, aber das ist auch nur zu erwarten von dir." Er machte viel Worte und schien seine Sache weit zuversichtlicher anzusehen. "Jetzt heißt es nun, ihm zu helfen,"sagte Thorstein" ,wozu du ja so bereit warst, Broddi, — er lobt dich ja schon genug." Da stand Broddi auf, und viele Männer mit ihm, und verließ die Bude. Er nahm Ölkofri beiseite und redete mit ihm unter vier Augen.

Dann gingen sie auf das Thingfeld hinauf. Dort fanden sie zahlreiche Männer, die aus der gesetzgebenden Kammer kamen. Als aber die andern fortgegangen waren, blieben Gudmund und Skapti zurück und unterhielten sich über Rechtsfragen. Broddi und seine Begleiter zerstreuten sich über das Feld, aber Ölkofri ging in die gesetzgebende Versammlung. Er fiel bis auf die Erde nieder, kroch ihnen vor die Füße und sprach: "Glücklich bin ich, daß ich euch gefunden habe; teure Männer und große Häuptlinge: Wollt ihr mir nun irgend helfen, liebe Gönner, wenn ich es auch nicht wert bin : Ich habe ganz und gar verspielt, wenn ihr mir nicht beisteht." Es würde lange dauern, alle Worte su wiederholen, die Ölkofri brauchte; er tat, so jämmerlich er vermochte in jeder Weise.

Da sprach Gudmund zu Skapti "Gar kläglich tut dieser Mann." Skapti antwortete: "Wo ist nun dein Großtun, Ölkofri? Es schien dir doch im Frühjahr unwahrscheinlich, als wir dich luden, daß es für dich noch das beste sein würde, die



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Sache meiner Entscheidung zu überlassen. Wo bleiben denn nun die Häuptlinge, mit denen du mir im Frühjahr drohtest, und ihre Hilfe:" Olkofri sagte: "Unsinnig war ich damals und noch schlimmeres, daß ich nicht darauf einging, daß du über die Sache entschiedest. Sprich mir nicht von den Häuptlingen , — alle haben sofort den Mut verloren, als sie euch kommen sahen. Ich wäre glücklich, wenn man mir das jetzt bewilligte, daß ich die Sache dir zur Entscheidung überlassen dürfte. Darauf darf ich wohl nicht hoffen Denn freilich hast du dich über mich so erzürnt, lieber Skapti, daß darauf nicht zu rechnen ist. Ich war ein Narr und ein Tor, als ich deinen Schiedsspruch zurückwies. Aber die grimmigen Männer wage ich gar nicht anzusehen, die mich gleich erschlagen werden, wenn ihr mir nicht helft." Er wiederholte das immer wieder und versicherte, er wäre glücklich, wenn sie über seine Sache entschieden. "Mein Geld scheint mir nirgend besser angewandt, als wenn ihr es bekommt."

Gudmund sprach zu Skapti: "Ich glaube, der Mann ist nicht zur Acht bestimmt. Ob es nicht rätlicher ist, wir machen ihm die Freude und lassen ihn Schiedsrichter bestimmen in dieser Sache: Ich weiß freilich nicht, wie es den andern gefallen wird, die die Klage führen." "Nun also, werte Männer," sagte Ölkofri, "so erweist mir hierin doch einige Hilfe" Skapti sagte:"Mir steht die Beendigung der Sache zu, denn ich führe sie. Wir wollen es auf uns nehmen, Ölkofri, daß Gudmund und ich den Entscheid tun und die Sache abschließen. Ich denke, das wird dir mit unserer Hilfe nützlich sein." Da stand Ölkofri auf, und sie gaben sich die Hände. Ölkofri ernannte sich sofort Zeugen, einen nach dem andern. Aber als die Zeugenernennung vor sich ging, strömten viele Menschen dazu.

Zuerst ernannte Ölkofri Broddi und seine Begleiter. Skapti sagte: "Unser Gegner bittet uns, Gudmund und mich, in dieser Sache zu entscheiden. Obwohl wir; die Geschädigten, unter uns abgemacht hatten, daß wir das Recht, selbst zu entscheiden , durchsetzen wollten, möchten wir, Gudmund und ich, ihm nun den Gefallen tun, daß wir statt anderer den Entscheid tun, wenn Thorhall das wählen will. Ihr Zeugen sollt da; u ernannt



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sein, daß in dieser Sache auf Geldstrafe erkannt werden soll und nicht auf Achtung. Ich verspreche mit Handschlag, daß die Sache niederfallen soll, wegen der ich im Frühjahr lud." Darauf lösten sie die Hände. Da sagte Skapti zu Gudmund: "Was meinst du, wollen wir die Sache gleich beenden " "Es ist mir recht," sagte Gudmund. Ölkofri sagte: "Übereilt euch nicht damit, ich bin keineswegs entschlossen, gerade euch zu wählen und nicht andere." Gudmund erwiderte: "Es war abgemacht, daß wir beide den Entscheid tun sollten, es sei denn, daß du andere von uns Streitgenossen wählen würdest." Ölkofri antwortete: "Nie bin ich darauf eingegangen, daß die entscheiden sollten. Es war vielmehr beim Handschlag abgemacht , daß ich zwei Männer wählen sollte, die mir gefielen."

Da holte man die Zeugen des vertrages heran. Die Thingleute des Skapti und Gudmund stritten hin und her, was abgemacht gewesen war, und gaben die Entscheidung dahin, es sei abgemacht gewesen, wie Ölkofri behauptete: er solle sich Männer wählen zum Schiedsspruch. Darauf sagte Skapti: "Woher rollt diese Woge, Ölkofri : Mir will scheinen, du trägst den Schwanz schon aufrechter als noch vorhin. Wen willst du denn zum Schiedsspruch wählen:" Ölkofri sagte: Darüber werde ich mir nicht den Kopf zerbrechen. Ich wähle Thorstein Hallsson und Broddi Bjarnisson, seinen Schwager, und ich denke, die Sache ist da besser aufgehoben, als wenn ihr beide entschiedet." Skapti entgegnete, die Sache sei seiner Meinung gut aufgehoben, auch wenn die beiden den Entscheid träfen, " denn unser Klageanspruch ist offen am Tage und gerecht, und die beiden sind verständig genug, um zu sehen, wie empfindlich du gestraft zu werden verdienst." Ölkofri tat sich darauf in das Gefolge Broddis, und man ging in die Buden heim.


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