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Kapitel 

Fünf Geschichten aus dem Westlichen Nordland


Mit einer Übersichtskarte


Übertr. von W. H. Vogt u. Frank Fischer

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1914


9. Die Unterhaltung mit Gellir

Ofeig machte sich nun wieder auf den Weg und nahm von Egil Abschied. Er schwankte zwischen den Buden umher und zog die Füße nur so hinter sich her. Bei sich aber war er nicht so niedergeschlagen, als er schwach auf den Beinen war, und nicht so verfahren in seinen Reden, wie er gebrechlich im Gehen schien. Schließlich kam er zu der Bude Gellirs und ließ ihn herausrufen. Er kam hervor und begrüßte Ofeig zuerst , — denn er war ein einfacher Mensch, — und fragte, was sein Begehr wäre. Ofeig entgegnete: "Ich komme gerade so hergeschleudert." Gellir sagte: "Du wirst über die Sache Odds reden wollen."Ofeig antwortete: "Nein, darüber nicht; ich will damit nichts zu tun haben. Ich suche mir andere Unterhaltung ." Gellir sagte: "Worüber wolltest du sprechen " Ofeig erwiderte: "Man sagt mir, daß du ein verständiger Mann seiest; mir ist es ein Vergnügen, mit verständigen Leuten zu plaudern."

Dann setzten sie sich nieder und begannen zu reden. Da fragte Ofeig: "Was gibt es eigentlich bei euch im Westen jetzt für junge Leute, von denen du meinst, daß sie große Häuptlinge versprechen:" Gellir sagte, daß sie da eine hübsche Auswahl hätten, und nannte die Söhne des Goden Snorri und die Leute vom Strand 1. "So hat man mir auch erzählt," sagte Ofeig,



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"jetzt bin ich aber an die rechte Ouelle gekommen, denn ich spreche mit einem, der zuverlässig ist und gefällig Auskunft gibt. Welches sind denn bei euch im Westen die Frauen, die als die besten Partien gelten:" Egil nannte die Töchter des Goden Snorri, die Töchter Steinthors vom Strande. "So hat man mir auch gesagt;" entgegnete Ofeig, "aber wie ist es eigentlich: —hast du nicht auch Töchter:" Gellir sagte, er habe allerdings welche. "Warum nennst du die nicht:" sagte Ofeig, "keine werden schöner sein als deine Töchter, wenn man nach den Umständen schließen darf. Sie sind noch nicht verheiratet:" "Nein," sagte er. "Woran liegt das?" fragte Ofeig. Gellir antwortete: "Noch hat niemand um sie gefreit, der sowohl ein tüchtiges vermögen hatte als auch einen angemessenen Hof und aus gutem Geschlecht war und auch selbst der Mann darnach-Ich bin freilich nicht vermöglich, aber ich stelle Ansprüche meiner Herkunft und meiner Stellung nach. Aber ist mir nicht auch eine Frage erlaubt: Wer sind denn die Männer bei euch im Norden, die gute Hoffnungen geben Ofeig erwiderte: "Da ist so mancher zu nennen. Zuerst möchte ich Einar, Jarnskeggis Sohn, dahin zählen, und Hall, Styrmirs Sohn. Manche Leute tun auch, als sei Odd, mein Sohn, vielversprechend. Ich will nun auch su dem kommen, was er mir auftrug: er möchte sich gern mit dir verschwägern und deine Tochter Ragneid freien." "Ia;" entgegnete Gellir darauf, " es war wohl so, daß er darauf eine gute Antwort bekommen hätte. Aber wie die Dinge jetzt liegen, wird sich das, mein' ich, nicht so bald machen." "Weshalb meinst du?" sagte Ofeig. Gellir sagte: "Es zieht dunkel auf über Odds Haus, wie es eben liegt." Ofeig erwiderte: "Ich versichere dir, du verheiratest sie nie besser als hier. Das darf doch als anerkannt gelten, daß er so tüchtig wie einer ist. Und es geht ihm auch weder Vermögen noch gute Herkunft ab. Du aber bist recht geldbedürftig, und es kann wohl sein, daß er dir eine Stütze wird, denn er ist gegen Seine Freunde immer hochherzig gewesen." Gellir sagte: "Es käme ja in Betracht, wenn nicht dieser Prozeß im Wege wäre!" (Eyrbygglar) spielen in der Geschichte vom Goden Snorri (Thule VII) eine Rolle ; Steinthor Thorlaksson s. dort Kap. 12.



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Ofeig erwiderte: "Rede doch nicht von dieser Kinderei, die gar nicht in Betracht kommt, — die für alle Beteiligten nur eine Dummheit und eine Demütigung ist" Gellir entgegnete: "Es ist wohl ebenso möglich, daß es anders kommt. Ich kann darauf nicht eingehen. Aber wenn sich hier ein Ausweg fände, so wäre ich gern bereit."

Ofeig antwortete: " Es kann ja sein, Gellir, daß ihr hier die Hülle und Fülle wegschleppt. Ich kann dir aber sagen, was dein Anteil sein wird, denn ich weiß das gut. Im besten Falle werdet ihr acht Verbündete das halbe Land am Sande bekommen . Da ist dein Teil nicht gut zu nennen. Du hast ein geringes Stück Geld und bist dafür um alle Bravheit und Mannesehre gekommen, der du bisher als einer der besten Männer im Lande galtest!" Gellir fragte, wie das geschehen sollte. Ofeig erwiderte: "Mir scheint es am wahrscheinlichsten, daß Odd mit all seiner Habe außer dem Land am Sande jetzt auf dem hohen Meere ist. Darauf konntet ihr doch nicht rechnen, daß er untätig zusehen würde und es euch überlassen, alles aufzuteilen und wegzunehmen." "Nein!" sagte Ofeig" ,er versicherte vielmehr, wenn er aias dem Breitfjord käme, wollte er dein Gehöft 1 aufsuchen und könnte sich ja dann ein Weib aus deinem Hause holen. Er behauptete auch, genug Brennholz zu haben, um deinen Hof auf brennen, wenn er Lust hätte. Ebenso auch, wenn er nach dem Bargfjord käme, hatte er sich schon vergewissert, daß der Weg vom Strande nach Borg nicht weit sei. Er dachte auch den Hof Jarnskeggis zu besuchen, wenn er in den Inselfjord käme. Und genau so, wenn er in die Ostfjorde käme, das Gut Skeggbroddis. Ihm liegi gar nichts daran, wenn er nicht wieder nach Island kommen kann. Aber ihr werdet hiervon haben, was zu erwarten ist, nämlich Schimpf und Schande. Mir gefiel das wenig, — ein so tüchtiger Mann, wie du immer warst, daß du so schlimm dabei wegkommen solltest, und deshalb wollte ich dir das ersparen."



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Gellir antwortete: "Das ist wohl wahr! — Und mir ist es einerlei, wenn von dem vermögen etwas beiseite kommt vor der Aufteilung. Ich habe bei der ganzen Sache meinen Freunden freie Hand gelassen, ich selbst war nicht versessen darauf." Ofeig sagte: "Du mußt ja einsehen, wenn du nicht ganz blind vor Eifer bist, daß es für dich ehrenvoller ist, wenn du deine Tochter meinem Sohn Odd gibst, wie ich dir vorhin vorschlug. Hier hab' ich eine Summe, die er dir schickt, und er sagte, er wolle die Aussteuer selber übernehmen, weil er wüßte, daß du nicht viel hast. Es sind zweihundert Unzen Silber, wie du es besser kaum bekommst. Überleg dir nun, wer dir so ein Angebot sonst wohl macht! Solch einem Manne deine Tochter zu geben, der selbst für die Aussteuer sorgt, und wo du überzeugt sein darfst, daß niemand dir später zu nahe treten wird! Und deine Tochter kommt dahin, wo sie alles in Hülle und Fülle hat" Gellir entgegnete: "Es ist so viel, daß ich es nicht hoch genug anschlagen kann. Aber um keinen Preis will ich die betrügen , die auf mich zählen. Ich sehe freilich, daß es bei diesem Prozeß nichts gibt als Spott und Schande." Da erwiderte Ofeig: "Was ihr schwerfällig seid, ihr Herren! Wer verlangt von dir, daß du die betragen sollst, die auf dich rechnen, oder deinen Eid brechen: Es könnte sein, daß an dich käme, den Schiedsspruch zu fällen, da könntest du die Strafsumme herunterdrücken und dabei deinen Eid durchaus halten." Gellir sagte: "Da hast du recht, du bist doch ein durchtriebener Kerl und verteufelt schlau! Aber ich möchte trotzdem mich nicht mit all den anderen einlassen." Ofeig sagte: "Wie wäre es denn, wenn ich noch einen andern dazu gewönne: Willst du dann in der Sache helfen:" "Das will ich," sagte Gellir; " wenn du durchsetzt, daß ich den Spruch vortrage 1." Ofeig erwiderte: "Wen wählst du denn dazu Gellir antwortete: "Egil will ich nehmen; er steht mir am nächsten." Ofeig erwiderte: "Hör' ich recht? Den wählst du, der von euch allen der allerschlimmste ist! Es fällt mir nicht leicht, ihm solche Ehre zu gönnen, Ich weiß wahrhaftig nicht, ob ich mich dazu entschließe." "Das



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ist deine Sache," sagte Gellir. Ofeig entgegnete: "Du willst also mitmachen, wenn ich ihn dazu gewinne: — Er wird ja wohl einsehen, was besser ist, ehrenvoll aus dem Handel zu kommen oder nicht." "Ja, da ich dabei soviel zu gewinnen habe," sagte Gellir, "glaube ich, daß ich es versuche." Da sagte Ofeig:"Mit Egil habe ich bereits geredet; ihm schien die Sache nicht schwierig ins Werk zu setzen, und er hai sich bereit erklärt. — Nun werde ich einen Vorschlag machen, wie wir es anfangen. Die Leute von euch verbündeten halten sich ziemlich alle draußen zusammen. Da wird es niemanden verwundern, wenn du dich vor der Abendmesse mit Egil unterhältst, solange es euch gefällt."

Gellir nahm das Geld, und es wurde zwischen ihnen abgemacht . Darauf ging Ofeig zur Bude Egils hinüber, weder langsam noch krumm, und nicht geduckt. Er sagte Egil, wie es abgelaufen sei. Dem gefiel es gut. Abends gingen dann die Leute zur Messe; dabei redeten Egil und Gellir über die Sache miteinander und brachten sie ins Reine. Niemand schöpfte verdacht .


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