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Fünf Geschichten aus dem Westlichen Nordland


Mit einer Übersichtskarte


Übertr. von W. H. Vogt u. Frank Fischer

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1914


8. Ofeigs Besuch bei Egil

Nun ritten die Häuptlinge zum Thing und brachten ein mächtiges Gefolge mit. Ofeig war in der Schar Styrmirs. Die Streitgenossen machten unter sich einen Treffpunkt auf der Blauwälderheide 1 aus: Egil und Styrmir, Hermund und Thorarin. Zusammen ritten sie dann nach der Thingebene. von Osten kamen Skeggbroddi und Thorgeir Halldarason aus dem Warmbadtal 2 und Jarnskggi von Norden; sie trafen sich an dem Walrücken 3. Dann ritten alle Scharen gemeinsam auf die Ebene hinunter und so sum Thing.

Über nichts wurde so viel gesprochen als über die Sache Odds. Jedermann war überzeugt, daß niemand dagegen auftreten würde. Man meinte, kaum wurde es einer wagen, und keinem würde es nützen, wo solche Häuptlinge auf der andern Seite ständen. Sie waren auch selbst ihrer Sache völlig sicher und prahlten gewaltig. Es war niemand, der ein Wort gegen sie fallen ließ. Odd hatte niemanden um Hilfe angegangen; er rüstete sein Schiff im Widderfjord, sowie die Leute zum Thing fortgeritten waren.

Eines Tages geschah es, daß der alte Ofeig seine Bude verließ und in tiefer Bekümmernis war: er sah niemanden, der ihm helfen könnte, und meinte einen schweren Stand zu haben. Er merkte, daß es seine Kräfte überstieg, allein gegen solche Häuptlinge zu stehen. Und es gab keinen Einspruch in der Sache. Er ging mit krummen Knien, schwankte zwischen den Buden einher und humpelte auf seinen Beinen. So ging er lange; zuletzt kam er zu der Bude Egils Skulisons. Dort waren Männer gekommen, Egil zu besuchen. Ofeig zog sich sum Budeneingang zurück und wartete, bis die Männer fortgegangen waren. Egil begleitete sie hinaus. Als er hineingehen wollte, drehte sich Ofeig zu ihm und begrüßte ihn. Er sah ihn an und fragte, wer er wäre. "Ofeig heiß ich," sagte er. Egil



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fragte: "Bist du Odds vater:" Er bejahte es. "Da wirst du in seiner Sache mich sprechen wollen. Aber da darfst du dich an mich nicht wenden; es hat sich da schon viel zu viel ereignet, als daß ich irgend etwas zu entscheiden hätte. Es sind auch andere in der Sache viel beteiligter als ich: Styrmir und Thorarin . Die betrachten es als ihre Angelegenheit, wenn wir uns ihnen auch angeschlossen haben." Ofeig erwiderte, und es wurde ihm ein verslein im Munde:

Ehmals in Ehren
Odd wohl stand;
Jetzt sinn ich nicht mehr
Dem Sohne zu helfen.
Wenig scherte
Der Wicht sich ums Recht,
Hatte er nur Gold
In Hülle und Fülle.

Und weiter sprach er:

Das freut nun den alten
Ofenhocker,
Mit ratklugen Männern
Rede zu tauschen.
Du wirst mir nicht wehren,
Worte zu wechseln,
Weil alle Welt
Weise dich rühmt.

Ich suche mir andere Dinge zur Unterhaltung aus als Odds Prozesse. Die sind schon erfreulicher gewesen als diesmal. Du wirst mir aber doch nicht verwehren wollen, mit dir zu reden. Das ist mich Alten nun die größte Freude, mit solchen Männern zu plaudern und so die Zeit hinzubringen." Egil erwiderte:"Ich will dir eine Unterhaltung nicht abschlagen."

Sie gingen nun beide zusammen und setzten sich. Da begann Ofeig: "Hast du eigne Wirtschaft, Egil:" Er bejahte es. . ,Du wirtschaftest in Borg "Allerdings," sagte Egil. Ofeig sagte: Gutes und Ansprechendes hat man mir von dir erzählt. Man sagt, daß du gegen keinen Kost und Brot sparst und glänzend lebst, und daß es uns beiden nicht unähnlich ergangen



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ser beide sind wir ans großem Geschlecht und freigebig mit dem Unseren, aber unsere Vermögensverhältnisse sind beengt. Mir wurde auch erzählt. daß du gern deinen Freunden hülfest." Egil erwiderte:"Ich wäre zufrieden, wenn ich im gleichen Rufe stünde, wie du; denn ich weiß wohl, daß du aus großem Geschlecht und ein kluger Mann bist." Ofeig sagte: " Da ist doch ein großer Unterschied l Du bist ein großer Herr; hast nichts zu fürchten, was geschehen mag ,und gehst nicht von dem Deinen, gegen wen es auch gilt. Aber ich bin ein Kleinbauer. Die Sinnesart freilich stimmt bei uns zusammen. Es ist jammerschade , daß solche Männer in Geldverlegenheiten kommen, die so großgesinnt sind." Egil antwortete: " Es kann sein, daß sich das rasch ändert und bessert." "Wie sollte das sein:" fragte Ofeig. "Ich meine so: wenn das vermögen Odds an uns kommt wird uns nichts mehr abgehn. Es wird wenigstens von seinem Reichtum viel erzählt." Ofeig sagte: "Es ist auch gewiß nicht übertrieben, wenn man ihn den reichsten Mann in Island nennt. Aber du mußt ja sehr neugierig sein, wie groß dein Anteil an dem Vermögen wird ? Denn du bist darauf ja recht angewiesen." "Ja freilich" sagte Egil",du bist ein wackerer und verständiger Alter und mußt ja auch genau um Odds vermögen Bescheid wissen." Er entgegnete: "Ich möchte wohl glauben, daß da niemand besser Bescheid weiß, als ich. Ich kann dir sagen, daß da immer noch mehr ist, als man behauptet bat. Trotzdem habe ich mir schon Gedanken gemacht, was wohl für dich dabei abfallen möchte." Und es wurde ihm eine Strophe im Munde:

Wahr ist's, —in den Wind nur
Worte sind gesprochen —,
Geldgier überfällt euch,
Goldesgötter 1 ehrlos.
Lassen solltet ihr alle
Acht jetzt Idis Lachen ':
Schande heute wünscht' ich
Schmählich auf den Weg euch!



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"Das dürfte recht unwahrscheinlich sein!" sagte Egil, "du bist aber ein guter Dichter." Ofeig sagte: "Ich will es dir nicht vorenthalten, welche Fülle du wegschleppen würdest: es ist nämlich der sechzehnte Teil vom Land am Sande. "Da hör aber einer!" sagte Egil, "dann ist das vermögen wahrhaftig kleiner, als ich mir's dachte. Aber wie kann das sein:" Ofeig antwortete: "Nicht im geringsten ! Das vermögen ist gewaltig, aber ich schätze, daß du soviel davon abbekommen wirst. Habt ihr nicht so gerechnet, daß ihr die Hälfte von Odds vermögen haben solltet und die Thinggenossen die andere: Da ergibt sich für mich, daß ihr acht Verbündete das halbe Land am Sande haben werdet. So habt ihr doch jedenfalls es vorgehabt und so verabredet : Obwohl ihr dies ja auf unerhörte Weise in Angriff genommen habt, — diese Abmachung müßt ihr doch wohl getroffen haben : Oder durftet ihr damit rechnen, daß mein Sohn Odd untätig eurem Rasen zusehen würde, als ihr hierher rittet" — "Nein!" sagte Ofeig, "Odd ist vor euch nicht um Rat verlegen. Und wieviel Überfluß er auch an Geld haben mag, so hat er doch nicht weniger Verstandesgaben und Überlegung, wenn er das braucht. Und ich vermute, daß das Kaufschiff unter ihm gerade so gut schwimmen wird, auch wenn ihr ihn in die Acht erklärt habt. Das kann man gar nicht Acht nennen, was so verkehrt in die Wege geleitet wird! Und es wird nur die treffen, die das ins Werk gesetzt haben! Ich möchte glauben, daß er auf der See ist mit allem seinem Vermögen außer seinem Land am Sande: — das gönnt er euch! Er hatte sich erkundigt, daß der Weg vom Meere nach Borg hinauf nicht weit sei, wenn er nach dem Borgfjord kommen sollte. Es wird nun so endigen, wie es begann: ihr werdet davon Schimpf und Schande haben, — und das ist ganz in der Ordnung, — und dazu Vorwürfe von jedermann!"

Da sagte Egil: " Das ist unbestreitbar, die Sache hat jetzt einen Haken. Es war natürlich vorauszusehen, daß Odd nicht untätig bleiben würde, und ich kann ihn deswegen nicht einmal tadeln. Es sind nämlich auch einige bei dieser Klage, denen ich solch einen Schimpf schon gönne, und die am meisten dabei hetzen, so Styrmir oder Thorarin und Hermund." Ofeig sagte:



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"Das ist um so besser und ganz nach ihrem Verdienst, daß sie von vielen Seiten Verwerfe deswegen erhalten: Aber mir tut es leid, daß du dabei schlecht abschneidest! Du gefällst mir gut- und von euch Verbündeten am besten."

Dabei ließ er einen dicken Geldbeutel unter dem Mantel vorsehen. Egil wandte den Blick darnach. Ofeig bemerkte das, zog ihn schnell wieder unter den Mantel und sagte: "Es bleibt dabei, Egil" sagte er, "ich möchte glauben, daß es so ähnlich kommt, wie ich es eben sagte. Da möchte ich dir irgend eine Auszeichnung erweisen." Er stülpte den Beutel um und schüttelte das Silber dem Egil in den Schoß des Mantels. Das waren zweihundert Unzen vom besten Silber, das es gab."Das sollst du von mir bekommen, wenn du von deiner Gegnerschaft zurücktrittst. Ich erweise dir damit einige Auszeichnung." Egil entgegnete: "Ich glaube, du bist ein Halunke ersten Ranges! Wie darfst du daran denken, daß ich meinen Eid brechen könnte" Ofeig antwortete: "Ihr seid doch nie, was ihr gern wärt! Wollt die großen Herren spielen, und wißt nie, was euch frommt, wenn ihr nur in irgend eine Klemme kommt! Tu nur nicht so Ich werde schon einen Weg finden, wie du deinem Eide treu bleiben kannst." "Was für einen Weg:" fragte Egil. Ofeig erwiderte: "Habt ihr nicht abgemacht, daß ihr entweder Acht oder das Recht des eignen Schiedsspruches durchsetzen wolltet " Egil bejahte das. "Es kann kommen," sagte Ofeig, "daß man uns Verwandten Odds es überläßt, zu wählen, welches von beiden wir wünschen. Dann könnte es sein, daß der Schiedsspruch an dich käme. Da möchte ich, daß du ihn übernähmest." Egil antwortete: "Du hast recht, — du bist ein schlauer und listiger Menschl Aber ich bin trotzdem nicht bereit und habe dazu auch gar nicht die Macht und die Hilfskräfte, allein dann allen den andern Häuptlingen gegenüber den Spruch zu vertreten. Denn es gibt Feindschaft, wenn irgend einer dagegen sich empört."Ofeig sagte: Wie wäre es denn, wenn es noch einer mit dir zusammen täte?' "Dann ginge es eher," sagte Egil. Ofeig sagte: "Welchen von den verbündeten möchtest du denn am liebsten dazu haben: Nimm an, ich hätte die Wahl unter allen." "Zwei kämen in Betracht,"



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sagte Egil, "Hermund ist mir der nächste, aber wir stehen ung nicht gut. Der andre ist Gellir, und den will ich wählen." "Da muss ich es mir viel kosten lassen," sagte Ofeig" ,denn ich gönnte euch allen in dieser Sache nur Schlimmes außer dir allein. Er wird aber Verstand genug haben, um einzusehen, auf welcher Seite sein vorteil liegt: Geld und Ehre heimzubringen oder das Geld zu verlieren und Schimpf und Schande einzustecken, Willst du nun darauf eingehen, wenn es an dich kommt, die Strafe, die verhängt werden soll, herabzusetzen:" "Ja gewiß," sagte Egil. "Dann ist das also zwischen uns abgemacht," antwortete Ofeig, "nach einer Weile will ich dich dann wieder besuchen suchen."


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