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Kapitel 

Fünf Geschichten aus dem Westlichen Nordland


Mit einer Übersichtskarte


Übertr. von W. H. Vogt u. Frank Fischer

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1914


6. Die Bestechung des Gerichts. Ospak wird geächtet

Nun ist die Geschichte damit wieder aufzunehmen, daß der alte Ofeig auf das Feld und zu der Gerichtsstätte hinaufstieg. Er kam zu dem Gerichtsplatz der Nordländer 1 und erkundigte sich, wie die Sachen vonstatten gingen. Man sagte ihm, daß in einigen schon geurteilt wäre und andere zum Bericht vorbereitet wären. "Wie steht's mit der Klage meines Sohnes Odd : Ist sie erledigt:" "Die ist erledigt soweit,"sagte man. Ofeig sagte: "Er ist geächtet, Ospak" "Nein," sagte man, "keineswegs." "Woran liegt das:" sagte Ofeig. "Ein Einspruch fand sich gegen die Klage," sagte man, " sie war falsch eingeleitet worden." " So" sagte Ofeig, "wollt ihr mir erlauben, auf das Gerichtsfeld hinauszugehen?"' Man willigte ein. Er ging in den Gerichtsring und setzte sich dort.

Ofeig sagte: "Ist in der Klagsache meines Sohnes Odd schon geurteilt" "Die ist erledigt soweit," sagten die Männer."Wie Sammt dass" sagte Ofeig, "ist Ospak zu Unrecht beschuldigt worden: Erschlug er den Bali nicht grundlos: — Stand im wege, daß die Sache nicht genug geklärt war:" Man enngegnete:



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"Ein Einspruch fand sich gegen die Klage, und sie siel nieder." "Wie war der Einspruch:" sagte Ofeig. Es wurde ihm berichtet. "Wahrhaftig:" sagte er" ,schien es euch wirklich recht und billig, auf so etwas acht zu geben, was nicht der Rede wert ist, und einen so schlechten Menschen nicht in die Acht zu verurteilen, einen Dieb und Totschläger: Ist das nicht eine sehr verantwortungsvolle Sache, den freizusprechen, der des Totschlags schuldig ist, und so aller Gerechtigkeit entgegen ;u urteilen:" Sie antworteten, daß es ihnen auch nicht recht schien; aber sie sagten, es sei ihnen so vorgeschrieben. "Das mag sein," sagte Ofeig. — "Schwört ihr einen Eid:" Sagte Ofeig."Gewiß," sagten sie."So habt ihr das getan —," sagte er; "und wie spracht ihr dabei Nicht so, daß ihr wolltet so urteilen, wie ihr es nach bestem Wissen für das Wahrste, das Gerechteste und das Gesetzmäßigste hieltet: —so werdet ihr gesprochen haben." Sie sagten, so sei es. Da sagte Ofeig: "Und was ist denn wahrer und gerechter, als einen so schlechten menschen in Acht und Friedlosigkeit zu verurteilen und von allem Schutz auszunehmen, der des Diebstahls überführt ist, und daß er einen Menschen schuldlos erschlug, den Bali: Das Dritte, worauf der Eid geht, mag man etwas zur Seite gebogen nennen. Überlegt euch aber; was mehr wert ist: diese zwei Worte, die auf Wahrheit und Gerechtigkeit gehen, oder das eine, das auf das Gesetz weist. Es wird euch so scheinen, wie es wirklich ist; denn ihr werdet sehen können, daß es die größere Verantwortung ist, einen freizusprechen, der den Tod verdient , und dabei vorher geschworen zu haben, daß ihr so urteilen wolltet; wie ihr es für das Gerechteste hieltet. Nun werdet ihr einsehen, daß euch das schwer ankommen dürfte, und daß ihr diese verantwortung kaum auf euch nehmen könnt."

Ofeig ließ den Beutel bald unter dem Mantel vorhängen, bald zog er ihn wieder in die Höhe. Er bemerkte wohl, daß sie die Augen auf den Beutel hefteten. Da sagte er zu ihnen: " ist wohl rätlicher; recht und wahr zu urteilen und dafür dann den Dank und die Erkenntlichkeit verständiger und rechtlicher Männer entgegen zu nehmen."

Darauf nahm er den Beutel, schüttete das Silber aus und



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zählte es vor ihnen. "Nun will ich euch einen Beweis meiner Freundschaft geben," sagte er, "und sorge dabei mehr für euch als für mich; das tu ich, weil ihr teils meine Freunde, teils meine Verwandten seid, und weil ihr es alle nötig habt, auf euren Vorteil bedacht zu sein. Ich will jedem Manne eine Unze Silber 1 schenken, und dem, der die Klage zu berichten hat, eine halbe Mark. Dann habt ihr einmal Geld; dazu seid ihr eure verantwortung los und habt nicht euren Eid verletzt, woran am meisten gelegen ist."

Sie überdachten die Sache; und sie dünkte ihnen nach seinen Darlegungen einleuchtend zu sein; es schien ihnen, daß sie vorher in einer unangenehmen Lage wegen des Eidbruchs gewesen wären, und so wählten sie den Weg, den Ofeig ihnen zeigte. Man schickte sofort nach Odd; er kam an; die Häuptlinge aber waren schon nach ihren Buden heimgegangen. Jetzt wurde die Klage sofort vorgebracht, Ospak in die Acht verurteilt und darauf Zeugen ernannt, daß das Urteil ergangen sei. Dann zogen die Leute heim in ihre Buden, als das geschehen . In der Nacht wurde davon nichts bekannt.

Am Gesetzesfelsen aber stand Odd am nächsten Morgen auf und verkündete laut: "Hier ist diese Nacht Mann in die Acht gekommen, namens Ospak, im Gericht der Nordländer wegen des Totschlags an Bali. Was seine Merkmale angeht, ist zu sagen, daß er groß von Wuchs ist und kräftig vag Ansehen. Er hat braunes Haar und ein knochiges Geaicht, schwarze Brauen, große Hände und starke Beine. Sein ganzer Wuchs ist gewaltig, und ersieht verbrecherhaft aus."

Das machte großes Aufsehen. Viele hatten davon noch nichts gehört. Maii fand, daß Odd kräftig vorgegangen sei, und daß er Glück gehabt haben müsse, wie die Sache schon gestanden hatte.


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