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Fünf Geschichten aus dem Westlichen Nordland


Mit einer Übersichtskarte


Übertr. von W. H. Vogt u. Frank Fischer

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1914


5. Styrmir bringt Odds Prozeß zu Fall. Ofeig meldet sich

Nun ist zu berichten, daß Odd diese Sache für das Thing vorbereitete und die sehn Nachbargeschworenen berief. Da geschah es, daß einer von den Geschworenen starb, und Odd berief einen andern an seiner Stelle. Dann ritten die Leute zum Thing, und es ereignete sich nichts weiter bis zu dem Gerichtstag .

Als nun die Gerichte eingesetzt waren, brachte Odd die Totschlagssache vor; es ging ihm glatt von der Stelle 1. Nun wurde zum vorbringen von Einsprachen aufgefordert. Nicht weit ab vom Gerichtsplatz saßen die Häuptlinge Styrmir und



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Thorarin mit ihren Leuten. Da sagte Styrmir ;u Thorarin: "Jetzt wurde zum vorbringen von Einsprüchen in der Totschlagssache aufgefordert. Willst du gegen die Klage auftreten:" Thorarin antwortete: "Nichts will ich damit zu tun haben, Odd scheint mir wahrhaftig genug Grund zu haben, die Sache zu übernehmen wegen eines Mannes wie Bali, wo sie gegen einen geht, den ich zu den schlimmsten rechnen möchte." "Ja," sagte Styrmir;"gewiß taugt der Mann nichts; aber doch hast du gewisse Verpflichtungen gegen ihn." "Darum kümmere ich mich nicht," sagte Thorarin. Styrmir sagte: "Es ist im Auge zu behalten, daß es Schwierigkeiten für dich geben wird, und dann noch viel größere und schwerer zu bewältigende, wenn er geächtet wird. Mir scheint die Sache der Überlegung wert zu sein; sehen wir zu, was sich machen läßt. Denn wir wissen ja wohl beide, daß eine Einrede möglich ist." "Die sah ich schon lange," sagte Thorarin, "doch schien es mir nicht geraten, die Sache zu stören." Styrmir sagte: "Dich geht es aber am nächsten an! Man wird finden, daß du nach kleiner Leute Ari gehandelt hast, wenn die Klage durchdringt und die Einrede doch klar zutage lag. Und es ist wahrhaftig wahr, gut wäre es, wenn Odd merkte, daß noch andere als er allein auf der Welt sind! Er tritt uns alle zu Boden und unsere Thingleuie; so daß nur er überall gilt. Es schadet nichts, wenn er einmal erproben muß, wie rechtskundig er ist:" Thorarin antwortete: "Entscheide du! Ich will dir zur Seite stehen. Aber Gutes läst das nicht erwarten und wird ein schlechtes Ende nehmen."

"Das wird es ganz und gar nicht!" sagte Styrmir, sprang auf und ging zum Gerichtsplatz. Er fragte, welche Streitsache an der Reihe wäre. Er bekam Auskunft. Da sagte Styrmir: "Es liegt so, Odd, daß sich ein Einspruch in deiner Sache gefunden hat. Du haft die Klage falsch eingeleitet, hast zehn Nachbarn zu Hause berufen. Das ist ungesetzlich, du hättest den zehnten am Thinge laden müssen und nicht daheim. Tu nun eins von beiden: verlaß das Gericht 1, wie die Dinge liegen , oder wir werden den Einspruch vorbringen." Odd schwieg hierauf und überlegte den Fall; fand, daß es richtig wäre, und



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verließ das Gericht mit seinen Leuten und ging zu seiner Hütte zurück.

Als er in die Gasse zwischen den Buden kam, da ging ihm jemand entgegen, der war schon bejahrt. Er stak in einem schwär en Ärmelmantel, der war schon recht zerschlissen; ein Ärmel war noch daran und hing nach hinten herunter. Er hatte einen Stab in der Hand mit einer Eisenzwinge daran. Den Hut hatte er tief sitzen und blickte darunter hervor. Mit dem Stabe stapfte er vorwärts und ging sehr krumm. Da war der alte Ofeig gekommen , sein Vater

Ofeig sagte: "Ihr seid rasch vom Gericht zurück! Überall hast du auch Glück; daß dir alles so flink und glatt von Händen geht. Er ist geächtet, der Ospak?' "Nein," sagte Odd, " er ist nicht geächtet." Ofeig sagte: Das ist nicht fein, mich Alten zum Narren zu halten! Wie sollte er nicht geächtet sein: War er denn nicht schuldig:" Gewiß war erdas," sagte Odd. "Was ist das:" sagte Ofeig,"ich dachte, die Klage musste ihn niederstrecken . War er denn nicht der Totschläger Valis?"' "Das bestreitet niemand," sagte Odd. Ofeig sagte:"Warum ist er dann nicht geächtet Odd antwortete: "Es fand sich ein Einspruch gegen die Klage; darum fiel sie nieder." Ofeig sagte: "Wie kam es, daß sich ein Einspruch fand bei der Klage eines so reichen Mannes:" Sie behaupteten, daß einer zu Unrecht daheim berufen worden sagte Odd."Das kann wohl nicht gewesen sein, wo du die Klage vorbereitet hast" sagte Ofeig, "aber es könnte ja wohl sein; daß Gelderwerb und Reisen dir mehr liegen, als die fehlerlose Einfädelung einer Rechtssache. Ich glaube aber immer noch, daß du mir nicht die Wahrheit sagst." Odd antwortete: "Ich gebe nichts darauf, ob du mir glaubst ader nicht." "Das mag sein," sagte Ofeig, "ich wußte übrigens gleich, als du von Hause wegrittest, daß die Sache falsch eingeleitet war. Aber du warst mit dir allein sehr zufrieden und machtest niemand weiter angehen. Jetzt wirst du auch in dieser Lage mit dir allein auskommen müssen. Es wird dir gewiß gut geraten; aber es ist einem manne wie dir immerhin recht mißlich. wo dir bisher alles andre neben dir klein erschien." Odd entgegnete: Das ist jedenfalls noch deutlicher,



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daß von dir keine Hilfe kommen wird." Ofeig sagte: Nur die eine Hilfe gibt es noch in deiner Sache, daß du dich meiner bedienst. - Wie weit würde jetzt deine Sparsamkeit gehen, wenn jemand die Sache wieder einrenken wollte?' Odd sagte: "Geld wollte ich nicht sparen, wenn sich jemand der Sache annähme." Ofeig sagte: "So laß einen dicken Beutel dem Alten hier in die Hand wandern; denn vieler Leute Augen schielen nach Geld-"

Odd gab ihm einen großen Geldbeutel. Da fragte Ofeig: "Wurde denn der Einspruch vorgebracht oder nichts?' "Wir verließen das Gericht vorher," sagte Odd. Ofeig antwortete: "Das eine bringt nun Nutzen, was du ahnungslos tatest! Damit trennten sie sich, und Odd ging zu seiner Bude heim.


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