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Kapitel 

Fünf Geschichten aus dem Westlichen Nordland


Mit einer Übersichtskarte


Übertr. von W. H. Vogt u. Frank Fischer

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1914


4. Der Schafdiebstahl. Balts Tod

Im Herbst geschah es, daß Ospak nach Norden ins Weidental kam nach Svalabof 2. Da wohnte eine Frau, die hieß Svala. Da wurde er gut aufgenommen. Sie war eine stattliche Frau und noch jung. Sie sprach mit Ospak und bat ihn, ihre Wirtschaft zu sorgen; — "ich habe gehört, daß du ein großer Wirtschafter bist." Er nahm das gut auf und sie sprachen viel. Jeder gefiel dem anderen gut, und ge blickten gern und freundlich auf einander. Und es kam in ihrem Ge



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spräch dahin, daß er sich erkundigte, wer ihr Gewalthaber sei. "Niemand ist mir näher verwandt, unter denen die ins Gewicht fallen," sagte sie, "als Thorarin der Weise, der Langentälergode 1." Darauf ritt Ospak, mit Thorarin zu sprechen, und wurde dort leidlich aufgenommen. Er brachte sein Anliegen vor und bat um die Svala. Thorarin erwiderte: "Die Schwägerschaft mit dir will mir nicht begehrlich erscheinen. Es wird viel über deine Lebensweise gesprochen. Ich sehe ein, daß es bei Leuten deiner Ari nur ein Entweder-oder gibt: ich hebe ihre Wirtschaft auf und laß sie hierher ziehen, oder ihr werdet doch tun, was euch gefällt. Ich will nun nichts damit zu tun haben und sage, daß dies ohne meinen Willen geschieht."

Darauf machte sich Ospak wieder auf den Weg und kam nach Svalahof und sagte ihr, wie es gegangen sei. Nun taten sie nach eigener Entscheidung: sie verlobte sich selbst und zog mit ihm nach dem Sandhof. Sie behielten aber die Wirtschaft in Svalahof und nahmen Leute an, die dafür sorgten. Ospak lebte am Sande und trieb großen Aufwand in seinem Haushalt.

Nun verfloß der Winter, und zum Sommer kam Odd am Widderfjord wieder an; er hatte wieder Geld und Glück mitgebracht . Er zog heim nach dem Sandhof und überschaute seine Besitztümer. Es schien ihm, daß sie gut aufgehoben gewesen seien, und er ließ sich zufrieden darüber aus. Der Sommer ging nun hin. Eines Tages geschah es, daß Odd gegen Ospak davon anfing, es sei nun wohl an der Zeit, daß er sein Godentum wieder an sich nähme. Ospak sagte: "Ja, das war das, wozu ich am unlustigsten war; als ich es übernahm, und auch am ungeeignetsten. Ich bin ganz bereit. Ich glaube nur, daß es für die Leute am bequemsten ist, wenn es zur Herbstzusammenkunft oder auf einem Thing geschieht." Odd erwiderte: "So mag es sein."

Der Sommer verstoß nun bis zur Herbstzusammenkunft. Am



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Thingmorgen, als Odd erwachte, blickte er umber und bemerkte nur wenig Leute in der Stube. Er hatte fest und lange geschlafen, sprang auf und sah, daß fast alle Leute aus der Stube waren. Ihm schien das seltsam, er sagte aber nichts. Er zog sich an und einige Leute mit ihm, und sie ritten nun zum Thing. Und als sie ankamen, warm viele Leute zugegen und beinahe schon zur Heimreise wieder gerüstet, und das Thing war längst eröffnet. Odd sog die Brauen hoch: ihm schien diese Begebenheit wunderlich. Die Leute zogen heim, und es verflossen darauf einige Tage.

Dann geschah es eines Tags, daß Odd bei Tische saß und Ospak ihm gegenüber. Und als man sich's am wenigsten versah, sprang Odd vom Tisch empor auf Ospak zu und hatte eine geschwungene Axt in der Hand. Er forderte ihn nun auf, das Godentum herzugeben. Ospak antwortete: "Du hattest nicht nötig, so scharf vorzugehen. Sowie du willst, hast du das Godentum. Ich wußte nur nicht, daß du es so ernst meintest mit der Rückgabe." Er streckte die Hand aus und gab Odd das Godentum zurück 1.

Nun war es eine Zeitlang ruhig. Das verhältnis zwischen Odd und Ospak wurde kühler hiernach; Odd war sehr jähzornig im Umgang. Man argwöhnte; daß Ospak das Godentum sich selbst zugedacht hatte, wenn er nicht gezwungen worden wäre, es herzugeben. Nun wurde nichts aus der Wirtschaftsarbeit; Odd nahm Ospak zu keiner Arbeit mehr. Sie sprachen auch nicht mit einander. Eines Tags machte sich Ospak zum Aufbruch fertig. Odd tat, als ob er nichts merkte; sie trennten sich so, daß keiner den andern grüßte. Ospak zog nach Svalahof zu seiner Wirtschaft. Odd tat, als ob nichts geschehen wäre. Und so blieb es eine Zeitlang ruhig.

Im Herbst, heißt es, zogen die Leute auf die Berge, und Odds Heimtrieb stach gegen das, was früher einkam, gewaltig ab. Er vermißte vier ig Hämmel beim Herbsteintrieb und zwar alle die besten aus seinem Besitz. Man suchte weithin über Berge und Hochland, und sie fanden sich nicht. Das schien nicht



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mit rechten Dingen zuzugehn. Odd schien sonst gerade mit seinem vieh mehr Glück zu haben als andre Leute. So eisig war man hinterher mit Suchen, daß maii bis in andre Bezirke suchte; es kam aber nichts heraus. Und schließlich kam auch das zur Ruhe; man redete aber noch viel darüber; was dahinter stecken möchte.

Odd war den Winter über nicht heiter. vati, sein Vetter Sagte ihn, warum er mißvergnügt sei; — "und warum läßt du dir den Verlust der Hämmel so zu Herzen gehn Du hast keine Herrenart, wenn dich so etwas so mitnimmt!" "Nicht der Verlust der Hämmel," sagte Odd, " betrübt mich. Sondern das scheint mir schlimmer, daß ich nicht weiß, wer sie gestohlen hat." "Bist du dessen gewiß," sagte Vati" ,daß es so zusammenhängt: " Odd antwortete: " Es ist nicht zu leugnen, daß ich Ospak den Diebstahl zutraue." vati antwortete:"Eure Freundschaft ist weit geschwunden seit der seit, wo du ihn über all dein Gut setztest." Odd sagte, das sei eine boje Torheit gewesen und besser abgelaufen, als er hätte erwarten dürfen. Vati sagte: "viele Leute fanden das damals wunderlich. Jetzt möchte ich, daß du ihn in dieser Sache nicht so rasch verurteilst: es gibt ein großes Gerede, wenn herauskommt, daß der Verdacht grundlos war. Wir wollen abmachen," sagte Vati, "daß du mir freie Hand läßt, was da auch geschehen sein mag. Ich will schon die Wahrheit herausbringen." So machten sie das ab.

vati machte sich nun auf die Reise und zog mit seiner Ware aus; er ritt hinaus zum Seetal und sum Langental und setzte seine Ware ab. Er war gern gesehen und machte sich nützlich. Er sog nun seinen Weg, bis er nach Svalahof kam und fand dort gute Aufnahme. Ospak war sehr aufgeräumt. vati brach am Morgen wieder auf. Ospak geleitete ihn aus dem Hof und erkundigte sich viel nach Odd. Vati sagte, daß es ihm gut gehe. Ospak lobte ihn auch und meinte, er sei ein Mann von großer Lebensart; —"hat er im Herbst verluste gehabt:" Bali bejahte das. "Was hat man für vermutungen wegen der verlorenen Hämmel: Odd hat lange Glück gehabt mit seinem Vieh." Vati erwiderte: "Da gehen die vermutungen auseinander. Einige meinen, daß andere Leute Schuld haben."Ospak sagte: "Das



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ist wahrscheinlich; es wäre nicht jedermanns Sache." "Soist's," sagte vati. Ospak sagte: "Hat Odd eine vermutung:" vati sagte: " Er spricht wenig; man hört aber von andern Leuten viel reden, wie es zusammenhängen dürfte." "Das kann man sich denken," sagte Ospak. "Es liegt so," sagte vati, "da wir einmal davon reden, daß einige Leute es nicht für unwahrscheinlich halten möchten, daß du dahinter steckst. Dabei denkt man daran, wie ihr unfreundlich von einander schiedet, und der verlust geschah nicht viel später."Ospak erwiderte: "Daß du so reden könntest, hab ich nicht erwartet. Wenn wir nicht so gut befreundet wären, würde ich mich blutig rächen." Bali antwortete: "Du brauchst das nicht abzuleugnen und darüber so wütend zu werden. Du wirst es nicht von dir abwälzen können. Ich habe mir dein Hauswesen angesehen und sehe, daß da viel mehr Vorräte sind, als man glauben möchte, daß du mit rechten Dingen erworben Baja." Ospak antwortete: "Das wird sich wohl schwer erweisen lassen, und ich weiß nicht; was eigentlich meine Feinde sagen sollen, wenn die Freunde schon solche Dinge reden." vati antwortete: "Ich habe das auch nicht aus Feindschaft gegen dich geredet, da du es allein zu hören bekommst. Wenn du jetzt tust, wie ich es wünsche, und es mir gegenüber eingestehst, dann soll es für dich gut ablaufen. Denn ich will dir mit gutem Rat helfen. Ich habe meine Ware weit in der Gegend abgesetzt; ich will sagen, daß du davon genommen hast und dir dafür Fleisch und andere Dinge gekauft. Dann wird niemand Verdacht schöpfen. Ich will es so einrichten, daß du hierbei keine Ehren schmälerung erfährst, —wenn du mir hierin folgst."Ospak sagte, er könne das nicht zugeben. "Dann wird es für dich schlimmer," sagte vati, "und du selbst trägst die Schuld."

Darauf trennten sie sich, und vati zog heim. Odd Sagte, was er über den verlust der Hämmel habe in Erfahrung bringen können. vati tat sehr einsilbig. Odd sagte "Jetzt brauchst du's nicht länger zu verschweigen, daß Ospak sie gestohlen hat; denn du hättest ihn gerne rein gewaschen, wenn du's gekonnt hättest." Es blieb nun still den Winter über.

Und als das Frühjahr herankam und die Vorladungstage



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kamen, zog Odd mit zwanzig Mann aus, bis er nahe an den Svalahof kam. Da sagte vati zu Odd: "Nun sollt ihr eure Pferde grasen lassen, aber ich will ans Haus reiten und Ospak aufsuchen und sehen, ob er zu einem vergleich geneigt ist; dann braucht es die Klage nicht." So taten sie. Vati ritt vor. Kein Mensch war draußen. Die Tür stand offen. Vati ging hinein. Drinnen war es dunkel. Und ehe er's vermuten konnte, sprang ein Mann aus einem Bettverschlag und hieb ihn zwischen die Schultern, so daß er auf dem Fleck stürzte. vati rief: "Sieh dich vor, Unglücksmensch, denn Odd ist nah vor deinem Hause und möchte dich erschlagen! Schick deine Frau zu Odd, —sie soll sagen, wir hätten uns verglichen und du hättest die Sache eingestanden, aber ich wäre nach meinen Geldgeschäften weiter ins Tal hinuntergeritten." Da sagte Ospak: "Dies ist eine böse Tat geworden. Odd hatte ich das zugedacht und nicht dir!"

Svala ging nun zu Odd hinaus und sagte, sie wären verglichen, Ospak und Vati — " und vati bai dich, umzukehren." Odd glaubte dem und ritt heim. vati starb, und sein Leichnam wurde nach dem Sandhof geschafft. Odd schien das eine große und schlimme Sache. Es war für ihn eine Demütigung, und man fand, es sei ihm nicht rühmlich ergangen.

Ospak verschwand jetzt, und niemand wußte, was aus ihm wurde.


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