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Kapitel 

Fünf Geschichten aus dem Westlichen Nordland


Mit einer Übersichtskarte


Übertr. von W. H. Vogt u. Frank Fischer

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1914


9. Skeggi hilft Thord auf dem Markte. Sigrid wird dem Asbjörn versprochen

Ein Mann, namens Jon, kommt jetzt in die Geschichte. Er wohnte am Hvassaberge im Tal der Nordache 1. Er war vermögend, aber anmaßend und unbeliebt. Sein Weib hieß Gudrun; sie war prahlerisch und hochmütig. Ihr Bruder hieß Audulf, ihr Vater Glum; der wohnte an den Schluchtklippen .

Sie hatten zur selben Zeit vor, zu dem Schiff zu reiten, als Thord und Skeggi dort waren. Und als sie nun fortritten, sagte Gudrun zu ihrem Manne, er möchte ihr doch einen hübschen Mantel mitbringen, denn sie pflegte sich gut zu kleiden. Der Bauer versprach es auch. Sie ritten nun ihren Weg, bis ne in das Weißachland kamen. Dort war der Markt in vollem Gange.

Jon und Audulf gingen zwischen den Buden hin und her. Sie kamen in die Bude eines Mannes, der Thorir der Reiche hieß, und verlangten einen Mantel, wenn er welche führe. Der antwortete, er habe welche, und sagte:"Er wird euch aber teuer vorkommen, Bauer!" Jon erwiderte:"Laß hören, was er kosten anderer Menschen, gedeutet. Diese menschen sind mit ihren Gedanken die veranlasser des Traumes. 1 Die Nordache (nordra) ist rechter nebenfluß der Weißache. Ist. Skardshamrar, an der Nordache.



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soll!" Der Norweger nannte den Preis. Jon schien er zu hoch. Audulf wollte ihn gerne kaufen und erbot sich, von seinem Gelde zuzulegen. Jon ging aber weiter. Als sie draußen waren, redete Audulf ihm zu, den Mantel doch zu kaufen; "ich habe es meiner Schwester versprochen." "Gut, dann habe deinen Willen" sagte Jon, " wir wollen beim gehen und das Geld holen." Darüber verging einige Zeit.

Auch Thord und Eid gingen an den Buden entlang und sahen sich nach den Waren um. Sie kamen in die Bude Thorirs des Reichen und wollten ihm den Mantel abkaufen. Thorir sagte, er kenne Thord und seine Eltern; —"ich möchte dir keinen Preis machen, sondern bitte dich, den Mantel von mir anzunehmen." Thord dankte ihm dafür; —"ich will das annehmen. Ich möchte den Mantel bier liegen lassen, bis ich gehe und mir Geld hole 1." "Ich bitte dich," sagte Thorir, " nimm ihn gleich mit dir:" "Darauf kommt es nicht an," sagte Thord und ging mit Eid, sein Geld zu holen.

Sowie Thord hinaus war, kamen Jon und Audulf wieder in die Bude und baten den Norweger, ihnen den Mantel zu geben. Der antwortete, der Mantel sei schon verkauft; — " du wolltest ja nicht soviel geben, wie ich ansetzte."Jon sagte, er solle das Geld haben. In dem Augenblick kamen Thord und Eid wieder in die Bude mit ihrem Gelde. Thord griff nach dem Mantel. Audulf zog sein Schwert und wollte nach Thord hauen. Auch Jon sprang auf Thord los und wollte auf ihn bauen. Thord sog schnell sein Schwert, wandte sich Audulf zu und hieb ihn in den Schädel. Er stürzte sofort tot zu Boden. Da sprang Eid vor Thord, weil er sah, wie Jon sich zum Angriff bereit machte, deckte ihn mit seinem Schilde und nahm den Mantel unter den Arm. Thord sah das und schlug einen Querhieb gegen Jon, traf ihn in der Mitte und hieb ihn über der Weiche mitten in zwei Teile. Da stürmten die Begleiter Jons auf ihn ein. Thord flüchtete da aus der Bude und sprang auf einen Holzstoß. von dort wehrte er sich wacker.

Die Männer aus der Umgegend und vom Borgfjord liefen nun zusammen und wollten Audulf rächen. Da machte Eid



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äch zu seinem Vater auf und bat ihn, Thord mit seinen Leuten zu Hilfe zu kommen. Skeggi sagte:"Was hat Thord angestellt, daß er nicht für sich allein fertig wird:" Eid antwortete: "Er hat zwei Männer erschlagen." "Welche sind das Sagte Skeggi."Audulf und Jon," sagte Eid."Was war der Grund:" Sagte Skeggi. " Sie wollten ihm einen Mantel fortnehmen, den er gekauft hatte. Der eine wollte ihn dann erschlagen, bis ich ihm zu Hilfe kam. Laß du die Kühle zwischen euch nicht so weit gehen, daß du darüber vergißt, daß er aus derselben Gegend ist wie du. Und daß er mein Lebensretter und Ziehvater ist!" Skeggi antwortete nichts. Da kehrte Eid um, ging zu den Kämpfenden zurück und zog sein Schwert. Als Thord seinen Ziehsohn sah, sagte er: "Setz dich meinetwegen keiner Gefahr aus!"

Als Eid die Bude seines Vaters verlassen hatte, stand Skeggi auf und sagte: "Grunzen wird der Eber, wenn das Ferkel geschlachtet ist." Da nahm er Sköfnung und ging dahin, wo sie Thord angriffen. Er hatte sich so tapfer gewehrt, daß sie ihm noch keine Wunde beigebracht hatten; er aber hatte viele andere verwundet. Als Skeggi dazugekommen war, griff er so kräftig an, daß alle, die vorher auf Thord eingestürmt waren, zurückwichen . Schließlich brachte Skeggi sie zu einem vergleich: er sollte allein den Schiedsspruch fällen. Er verkündete ihn auch sogleich. Thord sollte für den Totschlag an Jon 240 Silber unzen 1 zahlen. Audulf aber sollte bußlos gefallen sein, weil er Thord nach dem Leben gestellt und ihn angegriffen hatte. Die Männer, die Thord verwundet hatte, sollten für ihre Wunden keine Buße bekommen, weil sie ihm nach dem Leben gestellt und ihn angegriffen hatten. Und damit einigten sie sich.

Skeggi ritt heim, sobald er sich reisefertig gemacht hatte. Thord ritt mit ihm heim und Eid an seiner Seite, und auf dem ganzen Wege sprachen Thord und Skeggi kein Wort miteinander. Sie ritten bis zur Mittelfjordache. Da sagte Skeggi: "Hier wollen wir absteigen, denn ich habe dir etwas zu sagen, Thord." Und so taten sie.

Da sagte Skeggi: "Asbjörn, mein Neffe, hat mich gebeten, für ihn zu werben, und zwar um deine Schwester Sigrid. Ich



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möchte nun wissen, wie du auf diesen Antrag antworten willst." Thord sagte:"Meine Freundschaft mit Asbjörn ist nicht groß, und auch du bist bisher nicht gerade mein Freund gewesen. Mir ist das bisher nicht in den Sinn gekommen, daß du für deine verwandten bei uns Schwägerschaft suchen könntest. Daß Asbjörn aus gutem Geschlecht und selber ein angesehener und tüchtiger Mann ist, weiß ich; aber ich weiß nicht, wie meine Brüder und das Mädchen darüber denken." Skeggi antwortete: , .Ich habe lieber mit dir, als mit deinen Brüdern darüber gesprochen, weil ich weiß, daß sie in dieser Sache wie sonst in allem deinem Rat folgen werden." Thord erwiderte: "Es ist wahrscheinlich, daß sie sich nach meinem Willen richten werden. Ich gebe aber das Mädchen niemandem, ohne daß sie selbst zustimmt. Mir scheint allerdings wahrscheinlich, daß sie meinen Rat nicht in den Wind schlagen wird."

Da sagte Eid: "Ich möchte, Ziehvater, daß du meinem Vater auf die Werbung eine gute Antwort gibst und seine vermittelung wohl würdigft." Thord antwortete: "Das will ich tun. Skeggi hat mir auf dieser Reise großen Beistand geleistet, und das will ich wohl würdigen. Ich will um deiner vermittlung willen, Skeggi, mich dazu erbieten: sie soll drei Jahre lang ihm versprochen sein. Wenn Asbjörn in diesen drei Jahren nicht nach Island kommt, dann ist die Abrede zu Ende. Kommt er vorher zurück, so soll er die Sigrid haben." Das nahm Skeggi an.

Thord reichte ihm seine Hand und Skeggi nahm den Handschlag an. Man ernannte Zeugen für die Abrede.

Dann sagte Skeggi: "Jetzt hast du dich wacker gezeigt, Thord! Es war ein Glück; daß deine Schwester den Mantel bekommen hat, und nicht Jons Weib. Ich möchte glauben, daß man am Borgfjord nicht vergißt, wie euer Zusammentreffen ausging. Ich will deinen Namen verlängern und dich Thord Hreda nennen, d. i. Unruh 1." Thord sagte: "Ich habe nichts dagegen, wenn sie sich an meinen Besuch länger erinnern; darum habe ich auch nichts gegen diesen Namen. Und eine Ahnung sagt



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mir, daß es selten in unserm Bezirk ohne Unruhe hergehen wird." Darauf ritten sie beide nach Hause.

Als Thord heimkam, wurde er freundlich begrüßt. Man fragte ihn, was geschehen sei. Er erzählte alles ganz genau. Dann rief er seine Geschwister zu einer Unterredung zu sich und berichtete ihnen von der Heiratsabrede. Sigrid antwortete: "Rasch hast du dich über mich entschlossen, Bruder, daß du mich nicht vorher selbst besagt hast!" Thord erwiderte: "Die Abmachung soll nicht eher gelten, als bis du dich einverstanden erklärt hast." "Das hatte ich von dir erwartet. Ich will mich hierin ganz an deine Entscheidung halten." Thord sagte, sie solle für diese Antwort Dank haben. Dann gab er ihr den Mantel und erzählte ihr von dem Handel mit Jon und Audulf, und sprach die Strophe:

Zwei, die Fafnirs Aue 1
Lang verschenkten, fallen
Ließ ich, Meeresfeuers
Schöne Linde 2 ! heute.
Wogengluts Verschwender
Mit den Wundenruten
Wollten Goldesstreuer
Grimmen Tod bescheren.

"So war es nur zu erwarten," sagte sie. Thord blieb nun ruhig zu Hause und Eid war stets bei ihm.


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