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Fünf Geschichten aus dem Westlichen Nordland


Mit einer Übersichtskarte


Übertr. von W. H. Vogt u. Frank Fischer

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1914


42. Brand vergleicht sich mit Finnbogi und versöhnt ihn dann auch mit den Seetälern

Es wird erzählt. daß Finnbogi nun seine sechs Knechte fahren ließ; und jeder nahm sich einen Gegner vor. Finnbogi fragte Brand, wie es ihm hier zu ergehen scheine. Brand meinte, er habe keinen Anlaß, sich zu beklagen. Finnbogi erklärte , er sei immer noch zu dem gleichen Angebot bereit, wie vorher, und damit könnten sie sich vergleichen. Brand sagte, er habe noch keinen Grund zur Besorgnis; er wolle es noch darauf ankommen lassen, wie es sich zwischen ihnen entscheide. Finnbogi sagte, er fürchte sich nicht im geringsten. Brand befahl seinen Leuten, schärfer vorzugehen; es sollten mehr gleichzeitig angreifen, und sie sollten Mut fassen; es sei eine Schande; daß sie in solcher Zahl soviel Zeit brauchten, um mit zwei Männern fertig zu werden. Finnbogi zog jetzt sein Schwert und wehrte sich mannhaft und kräftig. Er tat ihnen mehr Schaden, als sie sich gedacht hatten.

Als sie eine Zeitlang gekämpft hatten, sagte Finnbogi: "Da unten vom Strande kommt eine Schar Bewaffneter und eilt mächtig. vermutlich wollen sie mir zu Hilfe kommen und euch angreifen, Brand: Es wird sich ja nun zeigen, wer von uno die Oberhand behält." Brand rief, er kümmere sich nicht um sein Fischerpack, ob das nun mehr oder weniger wären. Da sagte Finnbogi: "Da kommen noch andere, die mit aller Kraft von der See aufwärts reiten. Es sind nicht ganz wenige, und es scheint; daß es unsere Leute sind. Jetzt ist es meine Bitte, Brand, und mein Begehr; daß du auf das eingehst; was ich dir geboten habe. Ich will dir das Selbsturteil überlassen Be



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stimme du selbst über unseren vergleich, wie es dir gutdünkt ! Ich fürchte, daß von denen, die da ankommen, einige gar zu sehr in Wut sein werden, wenn wir uns nicht bis dahin verglichen haben." Brand blickte bin und sah, daß von allen Seiten Volk anstürmte: die einen liefen, die anderen sprangen heran, wie nur jeder konnte. Da sagte Brand: "Dein Strandgesindel ist mir ganz einerlei, ob das ankommt oder nicht. Aber dafür muß ich doch wohl sorgen, daß wir beide allein uns entscheiden. Man wird finden, daß ich doch etwas erreicht habe, wenn ich von einem Manne wie dir das Recht zur Selbstentscheidung bekommen habe." Finnbogi war bereit und dankte ihm, trat auf ihn zu, und sie gaben sich die Hände und verglichen sich und nahmen die Anwesenden zu Zeugen dafür.

Eben waren sie damit fertig, als die Schar auch schon zur Stelle war. Es waren Finnbogis Söhne und viele andere verwandte und Freunde. Die waren in solcher Hitze, daß sie sofort sich auf Brand stürzen und ihn mit seinen Leuten erschlagen wollten. Finnbogi trat dazwischen und erklärte, sie hätten sich vertragen. Sie möchten ihm nun nicht mit ihrem Kommen Unheil bringen. Und weil er ihnen so zuredete, ließen sie sich besänftigen.

Dann lud Finnbogi Brand zu sich ein, und der nahm das an. Sie saßen da fast eine Woche fröhlich beisammen. Finnbogi bewirtete auf das freigebigste. Darauf rüstete sich Brand zur Heimfahrt. Finnbogi fragte Vermund, ob er bei ihm bleiben wolle oder mit Brand geben. Vermund sagte, er wolle beim: Brand ist ein solcher Ehrenmann, daß ich in seinem Gefolge künftig gut aufgehoben bin. Du bast gegen mich gehandelt, wie es eines edlen und mächtigen Mannes würdig ist, und Gott möge dir's lohnen!" Und damit rüstete er sich, Brand zu folgen.

Da sagte Finnbogi zu Brand: ,-Wann willst du den Schiedsspruch in unserer Sache fällen:" Er antwortete:"Auf dem Thing im Sommer will ich es tun. Das scheint mir am ehrenvollsten, dort unseren vergleich zu verkündigen." Finnbogi erwiderte, er möge bestimmen, wie er für gut befände. Sie trennten sich freundschaftlich. Brand ritt in die Ostfjorde zurück, und ver



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mund ging mit ibm. Der Winter verging, und im Sommer ritt eine große Menge Volk zum Thing. Da kamen auch die Seetäler Thorstein und Jakut und die anderen Ingimundssöhne. Brand der Freigebige kam und Finnbogi der Starke und Eyjolf der Lahme, sein Vetter und viele andere Häuptlinge.

Eines Tages trafen sich Brand und Finnbogi und begrüßten sich freundlich. Brand erkundigte sich, wie es zwischen ihm und den Seetälern stände. Finnbogi antwortete; alles sei ruhig, und es liege kein Streit vor. Er erzählte Brand, wie es zwischen ihnen ergangen sei. Brand erbot sich, einen Vergleich zu vermitteln ; es seien alles seine nächsten Freunde. Finnbogi sagte, er wolle darauf eingehen.

Eines Tages nun gingen Brand und Finnbogi und Eyjolf mit einem großen Gefolge vor die Bude der Seetiäler. Thorstein begrüßte sie auf das freundlichste, und sie begannen ein Gespräch miteinander. Brand brachte das Gespräch gleich darauf und forderte sie auf, sich mit Finnbogi zu vergleichen; Jökul kenne nicht mehr das vernünftige Maß in seinen Angriffen gegen solche Männer. Brand redete gut und eindringlich. Er sagte; er werde zu denen halten, die auf den Vergleich eingingen, und denen entgegentreten, die dagegen sein würden. Er sei bereit , den Schiedsrichter zu machen. Jökul sträubte äch. Jedoch bei dem Zureden Brands und bei der großen Freundschaft mit ihm und bei dem Drängen seiner Brüder, —gleichwohl meinte er, daß er in ihren Streitigkeiten viel Schaden gehabt habe; er war gewalttätig und übermütig —, so kam es doch dahin, daß sie sich versöhnten und vertrugen. Brand sollte allein den Entscheid geben. Er legte den Brüdern eine Geldbuße auf, und die zahlten sie sofort und ohne Zögern. Es wird erzählt; daß sie seitdem gute Freunde blieben. Jökul und Finnbogi tauschten Geschenke unter sich.

Dann sagte Finnbogi zu Brand, er solle nun auch nicht länger den Schiedsspruch zwischen ihnen beiden hinausschieben, er wünsche kein längeres Hinziehen. Da sagte Brand:"Wohl bigi du ein kluger Mann, Finnbogi, doch glaube ich auch einiges zu sehen, wo du alles überblickst. So töricht war ich nicht; daß ich nicht gesehen hätte; daß ich gefangen war mit allen meinen



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Leuten, als dein Volk von allen Seiten auf uns eindrang, da es uns schon allein gegen dich übel ging. Man kann annehmen, daß wir nicht gesiegt hätten. Es war mehr meine Heftigkeit und meine Eitelkeit, —nicht, daß ich nicht wußte, wie es stand und wie es enden würde. Nun möchte ich, daß es nicht so ungleich zwischen uns werde, daß ich dir eine Buße auferlegte dafür, daß du mir das Leben schenktest und ebenso meinen Leuten. Ich sah mich und meine Leute denn doch für mehr wert an, als den unbedeutenden Vermund, wenn ich auch erst um meiner Ehre willen von dir Genugtuung begehrte. Jetzt kann ich dir mein Leben nicht mit Geringerem vergelten, als daß ich dir meine feste Freundschaft verspreche und meine Hilfe, gegen wen ihr, du oder deine Söhne, es je zu tun habt. Nichts soll unsere Freundschaft stören, solange wir beide am Leben sind."

Finnbogi dankte ihm für seine Worte und seine Hilfsbereitschaft , wie es sich schickte. Er schenkte Brand die Kleinode, die er von dem griechischen König Johannes bekommen hatte: das war ein Armring, ein Schild und ein Schwert. Brand sagte ihm vielen Dank, und alle schieden in größter Freundschaft und bestem Einvernehmen.


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