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Fünf Geschichten aus dem Westlichen Nordland


Mit einer Übersichtskarte


Übertr. von W. H. Vogt u. Frank Fischer

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1914


41. Finnbogi nimmt den von Brand geächteten Vermund auf. Der Kampf mit Brand

Jetzt ist zu erzählen, daß einmal ein Wanderer in Finnbogihofen um Quartier bat, wie es oft vorkam. Finnbogi fragte ibn nach seinem Namen. Er nannte sich Vermund. Er sei von den Ostfjorden, wo sein Vater wohne. Er war nicht sehr groß, aber lebhaft und beweglich. Er bat Finnbogi, ihn aufzunehmen, er sei in der Acht; Brand der Freigebige Vermundsson habe ihn ächten lassen, weil er einem von seinen verwandten eine Wunde beigebracht habe. Er wisse nun nicht, wo er Hilfe und Schutz erwarten dürfe. Finnbogi sagte, daß er sich nicht viel aus Landstreichern mache; er habe von ihren Lügen schon vielen Schaden gehabt; — "daß einer in die Acht gekommen sei, hörte ich diesen Sommer. Aber Brand ist ein vornehmer und beliebter Mann und wird es übel aufnehmen, wenn jemand dich in Schutz nimmt." Der andere wurde dringender und bat um Mitleid und Hilfe: viele hätten ihn hierhergewiesen; wenn er keine Hilfe fände, wäre er ohne Rat. Finnbogi schien es eines vornehmen Mannes nicht würdig, es ihm abzuschlagen. Der andere sah auch nicht so aus, daß man Schlechtes erwarten mußte, selbst wenn er gelogen hätte. So sagte er ihm, er möchte, wenn er Lust hätte, eine Zeitlang bei ihm bleiben. Er meine, daß Brand wohl mit Geld sich werde abfinden lassen und nicht auf der Acht bestehen werde, da es sich um einen geringen Mann handelte. Der andere war sehr erfreut und war Finnbogi nun ergeben und folgsam.

Der Sommer ging hin und der Winter rückte näher; es war gutes Reisewetter. Da erfuhr Brand, daß Finnbogi den Mann aufgenommen habe, und sandte sofort Boten zu ihm und ließ ihm sagen, er solle den Mann fortjagen und ihn nicht wagen in Schutz zu nehmen. Er wolle sich gern gütlich mit ihm einigen und würde ihm diese Unrechtmäßigkeit nachsehen, wenn er nach seinem Willen täte. Finnbogi erwiderte, er brächte es nicht übers Herz, ihn in den Wintertag hinauszusagen. Er wolle Geld für den Geächteten bieten, so daß Brand wohl geehrt aus der Sache hervorginge. Wenn sie sich nur einmal



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treffen wollten, hoffe er, würden sie sich darüber wohl verständigen können. Mit dieser Antwort kehrten die Boten heim. Brand wurde gewaltig zornig und ließ sich vernehmen, es winde Finnbogi teuer zu stehen kommen, einen beschützen zu wollen, den er verfolge. Er war Bisig und gewalttätig, wenn er meinte, daß man ihm entgegentrete. Wenn sie sich begegnen sollten, sagte er, so würde Finnbogi bereuen, wag er getan habe. Finnbogi tat, als höre er nichts, wenn davon gesprochen wurde. und änderte sein Verhalten nicht. Der Winter verging und ein großer Teil des Sommers. Finnbogi sas still zu Hause. Er hatte stets viel Leute um sich und ließ jeden etwas arbeiten. vor allem betrieb er den Fischfang, der eine leichte Sache war, man brauchte nicht weit zu rudern.

Eines Tages im Herbst waren alle Leute vom Hofe fort, einige zur Fischerei, andere zu andern Arbeiten. Finnbogi war daheim und sonst nur Vermund. Da sagte Finnbogi "Ich fühle mich so schwer im Kopf, wie immer, wenn etwas im Anzug ist. Ich will gehen und schlafen." Vermund sagte: "Mir ahnt, daß Brand nicht vergessen hat, was er ankündigte, und noch wohl weiß, wo ich Unterkunft gefunden habe. Es wäre schlimm, Bauer, wenn du meinetwegen in Unarmehmlichkeiten kämest." Finnbogi erwiderte: "Das ist nicht zu fürchten", legte sich hin und schlief ein.

Es war dort nicht viel zwischen dem Strand und der Hochfläche ; das Land ging in drei Stufen zum Hofe hinunter; nur von einer Seite konnte man heranreiten. Vermund ging hinaus und schaute sich um. Da sah er oben über dem höchsten Absatz etwas wie einen Wirbelwind, oder wie wenn ein großer Menschenhaufen ritte. Er ging ins Haus und machte Lärm. Als Finnbogi erwachte und fragte, was er wolle, sagte er, was er gesehen habe. Finnbogi antwortete, er solle ordentlich zusehen, und er wolle weiterschlafen. Vermund ging wieder hinaus und erkannte. daß da Männer ritten. Sie waren auf den mittelsten Absatz gekommen. Er ging hinein und berichtete Finnbogi, daß Männer geritten kämen. Der antwortete, das möge wohl sein; "im Herbst kommen immer viele Leute hierher, Stockfisch zu kaufen, und jetzt sind gerade welche zu erwarten. Ich will jeden



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falls noch schlafen, solange ich Lust habe." Vermund ging hinaus und stand dort eine Zeit. Dann kam erins Haus und sagte Finnbogi, daß sie an den untersten Absatz gekommen wären; "ich habe erkannt, daß es Brand der Freigebige Vermundsson mit fünfundzwanzig wohlbewaffneten Leuten ist. Du hast mich gut und hochherzig aufgenommen; das möge Gott dir lohnen! Ich bin es aber nicht wert, daß ihr euch um meinetwillen veruneinigt. Lieber will ich mich Brand stellen; er ist ein ehrenwerter Mann und wird sich gewiß wie solch einer benehmen. Aber er ist wild und heftig, sobald er merkt, daß sich ihm jemand trotzig entgegenstellt."

Finnbogi sagte: "Wir wollen uns damit nicht übereilen, dich an Brand auszuliefern. vorher will ich mit Brand ein Wort reden; vielleicht nimmt er ein angemessenes Angebot an. Wenn er das nicht will, wird man weiter zusehen müssen. Ich habe nun ausgeschlafen und mag nicht mehr länger liegen." Damit sprang er auf; beide griffen nach ihren Waffen und gingen auf den Hügel hinaus.

Dort war eine Wegschlucht und auf der anderen Seite ein steiler Hang darüber. Man konnte nur von einer Seite angreifen . Finnbogi und Vermund gingen da hinauf. Brand und seine Leute sahen, wie die beiden aus dem Hause kamen und vermuteten gleich, daß es Finnbogi sein müsse, der groß und stark sei. Gleich nahmen sie die Richtung auf die beiden. Brand sagte, ihr Zug werde nun wohl rasch zum Ziele führen. Hallfrid hatte das Gespräch zwischen Finnbogi und Vermund gehört, ehe sie hinausgingen, und schickte einen Jungen dem nächsten Gehöft: die Männer sollten herüberkommen. Auch zu den Schiffen ließ sie hinausrufen, daß Finnbogi Hilfe bedürfe.

Es wird erzählt, daß Finnbogi, ehe man sich traf, einige Steine aufsammelte. Als Brand ankam, begrüßte Finnbogi ihn auf das freundlichste. Brand erwiderte den Gruß. Finnbogi fragte ihn, was sein Begehr sei. Brand antwortete: das wüßte er so schon. Den Mann suche er, den er in die Acht gelegt habe. Finnbogi, sagte er, sei ihm feindselig. Nun wolle er ihn sich holen. auch wenn Finnbogi ihm entgegentrete; " aber weil du,



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Finnbogi, ein angesehener Mann in vielen Dingen bist, will ich dir denselben Vorschlag machen, wie zuerst. Gib den Mann los und überlaß ihn mir! Dann will ich gegen dich nicht vorgehen , daß du einen Geächteten unterstützt hast; will dir vielmehr meine Freundschaft und Hilfe versprechen, wenn du die einmal brauchen kannst." Finnbogi sagte: "Dein Angebot ist gut und ehrenvoll gemeint, wie ich es nicht anders von dir erwartet habe. Da ich ihn aber das erstemal, als deine Botschaft kam, nicht frei gab, will ich es auch jetzt glatt abschlagen. Ich mache dir aber dasselbe Angebot wie damals: ich will Geld für den Mann zahlen und gewähre dir dazu, daß du selbst bestimmen sollst, wieviel. Ich kann mich um meiner Ehre willen nicht dazu verstehen, ihn jetzt unehrenhaft im Stich zu lassen, nachdem er bei mir gewohnt hat. Du hast keinen solchen Gewinn , diesen Mann zu erschlagen, wenn es dich auch dazu lüstet.

Brand antwortete: "Der Mann ist freilich soviel Mühe nicht wert. Aber da wir einmal deswegen von Hause hierher geritten sind und der Mann eigentlich schon in unserer Gewalt ist, steht zu erwarten, Finnbogi, daß dies dein Tod wird, da du dich des Mannes so heftig annimmst. Unsere Fahrt wird uns nicht ganz umsonst dünken, wenn wir dich zu Boden gestreckt haben." Finnbogi sagte, er fürchte sich nicht davor;"ich möchte dir raten, Brand, daß du mich nicht gleich selber angreifst. Laß lieber zuerst deine Leute vorgehen, solange ich meine Knechte habe." "Was für Knechte sind das :" fragte Brand, "ich sehe niemanden außer euch beiden oben stehen." Finnbogi erwiderte: "Und doch habe ich hier noch sechs meiner Knechte, die nicht zu verachten sind. Alle haben denselben Namen, alle heißen Stein. Laß du nun ebensoviele von deinen Leuten ihnen entgegengehen ; dann wollen wir sehen, wer den Kürzeren zieht!" Brand sagte, er sei davor nicht bange; Finnbogi dürfe ruhig mit seinen Steinen droben.

Es wird berichtet, daß einer aus dem Gefolge Brands sich aufmachte und zu den Namensvettern hinaufstürmte und zugleich gegen Finnbogi selbst, mit glänzendem Schild und Spieß, und gedachte Finnbogi zu durchstoßen. Der griff nach einem Stein.



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Der andere war stark und wollte den Stein mit dem Schilde abwehren. Aber Finnbogis Knecht war flink und griff scharf zu. Er konnte den Stoß nicht aushalten, stürzte rückwärts und siel in die Schlucht. Dort fand er seinen Tod. Finnbogi fragte Brand. wie es dem da ergangen sei. Brand sagte, es sei einem Manne nicht gut ergangen,


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