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Kapitel 

Fünf Geschichten aus dem Westlichen Nordland


Mit einer Übersichtskarte


Übertr. von W. H. Vogt u. Frank Fischer

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1914


40. Der zweite Anschlag Jökuls durch Thorbjörn Hammer

Im Jahre nach dem Tode Thorgrims kam ein Mann nach Finnbogihofen und hat um Quartier. Er war groß und stark, schwarz und von bösem Aus sieben. Er trat vor Finnbogi und begrüßte ihn. Finnbogi erwiderte den Gruß und Sagte ihn nach seinem Namen. Er nannte sich Thorbjörn, und er sei in allen Landschaften zu Hause; — "viele werden mich kennen, wenn sie meinen Beinamen hören: ich heiße Hammer." Finnbogi erkundigte sich, wohin er gehe. Er sagte, das wisse er nicht eigentlich, wr treibe sich nur so herum; "ich bin in der Acht; und nun ziehe ich umher und suche einen Häuptling, der mich in Schutz nehmen will." Finnbogi Sagte, wer ihn geächtet



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habe. Er antwortete, das hätten die Söhne Ingimunds aus dem Seetal getan. Er habe ein Mädchen aus ihrem Geschlecht geschwängert; "ich bin zu dir gekommen, weil mir von deiner Hochherzigkeit viel erzählt worden ist. Ich wollte dich bitten, mich aufzunehmen und zu schützen." Finnbogi sagte: "Du siehst verdächtig aug, und ob du das lügst oder die Wahrheit sagst, weiß ich nicht. Was die Seetäler vorhaben, kann ich schwer durchschauen, und mir liegt gar nichts daran, dich aufzunehmen." Thorbjörn erwiderte: "Es ist so, wie du sagst. Ich gelte auch nicht für einen umgänglichen Mann, eher trotzig und ungebärdig. Mancher hat auch schon erfahren, daß es mir nicht an Entschlossenheit fehlt. Aber ich weiß gut, was du für ein Mann bist, Finnbogi Mit dir mich zu messen fällt mir nicht bei, und das könnte ich auch nicht. Ich wünschte nur guten Rat von dir und ein wenig Unterstützung bei meiner Lage." Finnbogi sagte: "Worauf verstehst du dich denn am besten:" Thorbjörn antwortete: "Ich versteh mich auf nichts besonderes, aber ich kann in der Arbeit mehr schaffen als andere Männer." Finnbogi sagte: "Welche Arbeit liegt dir denn am meisten:" "Mähen meine ich nicht schlechter zu können als drei tüchtige Männer zusammen, und das geht mir wohl am besten von der Hand." "Gut, so bleibe hier eine seit und mach dich an die Heuarbeit. Ich habe viel Heuarbeit, und meine Knechte schaffen es nicht"

Thorbjörn erklärte sich gern bereit dazu. Er bat sich eine Sichel aus und eine Sensenstange, beides größer und stärker als für die anderen Knechte. Finnbogi gab ihm das; und Thorbjörn ging an seine Arbeit. Es schien allen nicht mit rechten Dingen zuzugehen, wieviel er zuwege brachte. Finnbogi sah, daß er sich nicht mit Unrecht seiner Fertigkeit gerühmt hatte. Er mähte rasch und gut; die Wiese war so dicht gewachsen, daß dag Wegschaffen nicht geringere Mühe machte. Thorbjörn mähte immer nach beiden Seiten und schritt dabei aus, daß man mehr einen Troll als einen Menschen sehen glaubte.

Als er nun mit der Hofwiese fertig war, fragte er, was es jetzt zu tun gäbe. Finnbogi sagte, er solle nun nach dem eingehegien Außenheuschlag gehen, da läge die Hauptarbeit



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seine Leute. Er ging zu dem Heuschlag und schaffte dort wie zu Hause. Niemand getraute sich in seine Nähe; nur gegen Finnbogi war er folgsam, und nie merkte Finnbogi etwas, daß Thorbjörn etwa mit verrat umginge.

Eines Tages ging Finnbogi auf den gehegten Heuschlag, und Thorbjörn empfing ihn freundlich. Ein großer Teil des Heuschlagev war da schon gemäht, und sie unterhielten sich einige Zeit. Finnbogi sagte dann: "Es ist wieder, wie schon oft: ich bin so schläfrig, daß ich wirklich nicht länger stehen kann. Irgend etwas muß mir wohl bevorstehen; ich will schlafen" Thorbjörn antwortete: "Dann geb doch heim, Bauer, und leg dich schlafen!" Finnbogi warf sich auf die Schwaden nieder; legte sich den Mantel über, schlief gleich ein und schnarchte sehr. Thorbjörn Hammer machte sich eifrig an die Heuarbeit. Dann ging er seine Sichel wetzen. Als er wieder eine Zeit gemäht hatte, ließ er seine Blicke dahin gleiten, wo Finnbogi lag, und war nun überzeugt, daß er fest eingeschlafen sei. Er machte etwas Lärm, aber Finnbogi wachte nicht auf. Darauf begann er wieder mit Leibeskräften zu mähen. Zum zweiten Male wetzte er dann seine Sichel und machte etwas Lärm dabei. Finnbogi schlief. Wieder machte er sich an die Arbeit. Daun wetzte er zum dritten Male seine Sichel, und möglichst laut. Die Sichel war groß und stark wie das beste Messer.

Jetzt glaubte Thorbjörn, daß der beste Augenblick gekommen sei; eine andere Waffe außer der Sichel hatte er nicht. Er sprang auf und stürzte gieb auf Finnbogi, der da lag. Er dachte es mit ihm kurz zu machen, schwang sein Werkzeug und wollte ihn mitten durch treffen. Da sprang Finnbogi empor, packte den Stiel und versuchte ibm den zu entreißen. Damit brachen sie die Stange aber entzwei. Sie warfen die Stücke beiseite und liefen auf einander. Es entstand ein heftiger Kampf. Finnbogi merkte; daß er seine gan; e Kraft nötig haben werde. Sie rangen lange und wild. Schließlich fiel Thorbjörn. Finnbogi Sagte ihn, ob denn nicht alles nach Treu und Glauben gegangen wäre bei seiner Ankunft. Thorbjörn sagte, er hätte nicht gedacht, daß es dies Ende zwischen ihnen nehmen würde. Finnbogi sagte: "Ich sehe, das ist ein Anschlag von anderen



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gewesen von Anfang an." Thorbjörn gab das zu und sagte, Jökul habe ihn geschickt und habe ihm eine verwandte zur Frau und viel Geld dazu versprochen, wenn er sein Ziel erreichte; — "jetzt aber möchte ich um mein Leben und um Verzeihung bitten für meine schlimme Tat. Ich werde nicht wieder versuchen, dich zu betrügen." Finnbogi antwortete: "Wenn du auch groß und stark hifi, fürchte ich doch gar nicht, daß du mir etwas antun könntest, es ist anders bestimmt. Aber weil die immer noch nicht aufhören wollen mit ihren verräterischen Anschlägen gegen mich, ist es das Beste, daß es zwischen uns zum Ende kommt; wie ihr alle zusammen es verdient habt." Thorbjörn erwiderte: Dann werde ich nicht länger bitten. Noch weiß man nicht, wer schließlich um sein Leben zu bitten haben wird." Damit begann er so gewaltig um sich zu schlagen, daß Finnbogi fürchtete, er werde noch einmal auf die Beine kommen. Keine Waffe war zur Hand. Finnbogi lag nichts daran, ihn wieder hoch kommen zu lassen; darum schlug er ihm den Zipfel seines Mantels um die Keble und durchbiß sie. Dann drückte er ihm den Kopf nach hinten und brach ihm noch den Rücken entzwei. Unter diesen Griffen wurde er rasch still. Darauf holte Finnbogi sein Messer vom Halsbande und gab ihm damit den Todesstoß.

So hatte Thorbjörn denn viel geschafft, aber auch seinen guten Arbeitslohn bekommen. Finnbogi gestand später, daß ihm der Ausgang dieses Kampfes recht zweifelhaft gewesen sei, und daß das der schlimmste Teufelskerl gewesen sei, den man sich denken könne. Der Heuschlag hieß seitdem Hammerschlag.

Das wurde weitbekannt. Man erzählte sich bald überall davon. wo man Thorbjörn kannte. Man meinte, das Finnbogi dabei Glück gehabt habe, wo es sich um einen solchen Unhold handelte. Jökul war wenig zufrieden, und man fand, daß er immer schlechter abschnitt, je länger er mit Finnbogi zu tun hatte. Die Zeit ging hin, ohne daß weiter etwas geschah. Finnbogi saß auf seinem Hofe in gutem Ansehen. Seine Söhne taten sich hervor. Thorir war stets bei seinen verwandten auf den Labkrautwiesen.


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