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Kapitel 

Fünf Geschichten aus dem Westlichen Nordland


Mit einer Übersichtskarte


Übertr. von W. H. Vogt u. Frank Fischer

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1914


8. Urdarkött rettet den Norweger Finnbogi aus Seenot

In einem Herbst fing Urdarkött an, jeden Abend hinauszugehen und nicht eher wieder zu kommen, als bis die Nacht fast vorüber war. Niemand wußte, was er trieb. Eines Abends kam er ins Haus, als Asbjörn schon zu Bett gegangen war und auch seine Leute alle. Urdarkött ging an sein Bett und fragte: "Schläfst du schon, Vater, oder nicht?' Er antwortete, er sei noch wach; — " aber was willst du:" Er sagte: "Ich bin jetzt sieben Abende hinausgegangen und habe jeden Abend denselben Anblick gehabt. Was es aber ist, weiß ich nicht. Nun möchte ich, daß du binauskämest und zusähest, denn du hast gute Augen." Asbjörn stand auf und begleitete ihn hinaus. Urdarkött sagte: "Ich sehe einen Lichtschimmer



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über das Meer ganz in der Ferne. Mir scheint, daß das irgend ein Feuer sein muß." "Was glaubst du denn," sagte Asbjörn, "daß es sein könnte." "Ich weiß es nicht," sagte Urdarkött, "dazu bin ich zu jung und verstehe von den Dingen noch nichts. Aber ich habe von Männern reden hören, die in Seenot geraten sind, daß sie ein Feuerzeichen gäben, und daß man das weit sähe. Mir schien es am ersten Abend am deutlichsten, und dann schien es mit jedem Tag kleiner su werden." Asbjörn erwiderte: "Das ist richtig vermutet. Und was willst du nun anfangen:" Er entgegnete: "Ich möchte, daß du mir deine Schute leihst und Männer dazu. Ich möchte mich überzeugen, was das ist." Asbjörn war damit einverstanden. Urdarkött machte sich sofort zurecht und nahm das, was ihm am nötigsten schien, in das Fahrzeug. Drei Knechte fuhren hinaus und er als vierter. Sie ruderten hinaus in den Skjalfandibusen 1. Urdarkött saß am Steuer. Als sie eine Zeit gerudert hatten, sagte Urdarkött: "Jetzt sollt ihr einmal steuern, und ich will rudern, und sehen, ob es nicht etwas vorwärts gehen will." So taten sie. Einer setzte sich ans Steuer und Urdarkött ruderte allein. Sie merkten, daß es ihm ganz anders von der Hand ging, als ihnen dreien. Er ruderte lange, und es ging mächtig vorwärts. Da sagte Urdarkött: "Nun könnt ihr wieder rudern und ich will steuern!" So taten sie. Sie begannen zu rudern und er steuerte. Und als sie eine Zeit gerudert hatten, sprang einer von ihnen auf und sagte: "Es ist wahrhaftig keine Kleinigkeit, so die ganze Nacht durchzurudern, aber nun scheint mir auch, daß wir etwas Großes einheimsen! ich glaube, ich sehe einen neulich gestorbenen Walfisch ." Urdarkött meinte. das weide kein Wal sein; —"aber wir wollen das Rudern trotzdem nicht aufgeben." Und als sie sich näherten, erkannten sie, daß es ein Handelsschiff war und. schon tief gesunken. Sie stießen mit dem Steven daran und warfen Taue auf das Schiff. Darauf gingen sie hinüber.

Sie sahen, daß das Feuerzeichen ausgebrannt war; und das Holz war sehr angekohlt. Sie merkten, daß das Schiff eine 1 Der Busen östlich des Inselfjords, in den der Bebestrom (Skialfandafliot) mündet.



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schlimme Fahrt gehabt hatte. Urdarkött faßte einen Mann am Kopfe und merkte, daß er tot war. Alle Leute auf dem Schiffe waren tot, wie sich wies. Er ging durch das Schiff, und auf dem verdeck sah er mit einemmal ein Seidenzelt stehen. In dem Zelt war ein kostbares Bett. Urdarkött ging heran und faßte den Mann an, der dort in dem Bett lag. Er merkte, daß der Mann noch leben müsse. Da fragte er: "Lebst du noch, mein Freund:" Der gab Antwort:"Ja." Urdarkött sagte:"Wie heißt du und woher seid ihr Soviel sehe ich, daß ihr vom Ozean kommt. Gui ist es euch nicht gegangen." Er erwiderte:"Ich heiße Finnbogi, mein Vater hieß Bard. Der war aus Vik 1. Und wie heißt, der uns hier aufsucht" Er antwortete: "Ich heiße Urdarkött." Finnbogi erwiderte: " Ein wunderlicher Name ist das." Da fragte Urdarkött: "Leben denn noch andere von euren Leuten außer dir auf dem Schiffe hier:" Er antwortete, es hätten noch neun gelebt, als er eingeschlafen wäre. Urdarkött fragte: "Worunter habt ihr denn am meisten gelitten:" Jener sagte, daß sie vor allem unter schwerem Sturm gelitten hätten, dann aber unter Mangel an Speise und Trinkwasser; — " es hat aber auch am Takelwerk Vieles gefehlt, das Steuer war gebrochen, und das Schiff voll Wasser gelaufen."

Urdarkött ließ nun alle, die noch lebten, in die Schute bringen. Es waren so viele, wie Finnbogi gesagt hatte. Da fehlte es nicht an Milch und anderem, was ihnen am schnellsten wieder zum Leben verhalf, — als wenn er es vorher gewußt hätte, was nötig sein würde. Dann sagte Urdarkött "Jetzt gib mir, bitte, die Schlüssel, Finnbogi, die zu euren Kisten gehören! Man soll alle Wertsachen mitnehmen!" So taten sie. Urdarkött schaffte mächtig: er lief das Schiff hinauf und hinunter, brachte alles das zusammen, was ibm am wertvollsten schien, und schleppte in die Schute, was sie nur tragen konnte. Sobald sie dann fertig waren, ruderten sie heim und fuhren in der gleichen Windstille, bis sie wieder nach Strand heimgekommen waren.

Asbjörn ging ihnen entgegen und empfing sie freundlich. Man fand, das sei eine besondere Glücksfahrt geworden. Asbjörn ließ den Leuten helfen und sie auf die Gehöfte verteilen. Finnbogi



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zog nach Strand und noch zwei andere. Urdarkött saß Tag und Nacht, um sie zu pflegen. Es wird erzählt, daß alle Männer starben , die auf dem Schiffe gewesen waren, außer Finnbogi. Der erholte sich und erwies sich als ein stattlicher Mann, groß und kräftig. Er hatte ausgezeichnete Waffen, Schwert und Schild, Helm und Brünne. Er war der Schiffsherr und alles Gut der Matrosen fiel an ihn. Den Winter über blieb er dort und wurde gut gehalten. Urdarkött schloß sich ihm an. Sie verkauften die Fracht im Flateytal, im Norden und um Kinn 1. Der Winter verging, und es geschah nichts Weiteres in diesen Monaten.


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